10.06.2015

Pressemitteilung Korn, Brot und Kilowatt

Wie wird aus dem Korn das Brot? Dieser Frage sind am Dienstag in einer sechsstündigen Exkursion Landrat Jens Marco Scherf, Vertreter des Amts für Landwirtschaft und Ernährung, des Bauernverbands und des Vereins für landwirtschaftliche Fachbildung nachgegangen. Sie zeichneten exemplarisch den Weg nach, wie eine regionale Wertschöpfungskette funktioniert: Vom Getreideanbau in Röllbach über die Verarbeitung in der Vollhardt-Mühle im Erftal bis hin zum Backen des Brots in der Röllfelder Backstube bei „Der Brotmacher“. Darüber hinaus erfuhren die Teilnehmer, wie der Heppdieler Landwirt Matthias Ullmer regenerative Energie erzeugt.

Die Idee zur Veranstaltung war im vergangenen Jahr entstanden, als das Amt für Landwirtschaft im Elsenfelder Bauer-Markt für regional erzeugte Lebensmittel warb. Amtsleiter Klaus Bernhart und sein Stellvertreter Harald Blankart, der zugleich Bereichsleiter Landwirtschaft ist, setzten nun eine ganztägige Veranstaltung um. Die Landwirtschaft sei eine wichtige Branche im Landkreis Miltenberg, erklärte Klaus Bernhart zu Beginn der Exkursion auf dem Hof der Familie Grimm in Röllbach. 10.500 Hektar Ackerfläche und 6.600 Hektar Grünland zeigten die Bedeutung. „Der Verbraucher muss die regionalen Prozesse kennenlernen“, ergänzte Harald Blankart. Für Landrat Jens Marco Scherf ist es wichtig, dass die Bevölkerung versteht, wo die Lebensmittel herkommen. Es sei wichtig, dass der Verbraucher mehr Wert auf regional und qualitativ hochwertig erzeugte Lebensmittel legt, steht für den Landrat fest. Deshalb gelte es, regionale Wertschöpfungsprozesse herauszustellen und bekannt zu machen. Dafür sei der Landkreis Miltenberg gut geeignet, denn neben starker Industrie habe der Kreis auch einen landwirtschaftlich geprägten Kern.

Thomas Holschuh vom Landwirtschaftsamt führte die Teilnehmer zunächst durch die Versuchsfelder auf dem Grimm’schen Hof in Röllbach, auf denen er für das Amt für Landwirtschaft zahlreiche Raps- und Getreidesorten sowie Zwischenfrüchte anbaut. Dort hatte die Delegation auch Gelegenheit, sich ein Feld mit ostpreußischem Eppweizen anzuschauen, den Grimm speziell für den Röllfelder Bäckereibetrieb „Der Brotmacher“ anbaut. Nach der Ernte wird das Getreide in der Vollhardt’schen Ottenmühle, durch die Jochen Vollhardt am Ende der Exkursion führte, zu Mehl verarbeitet. Die heimische Mühle versorgt auch die übrigen Bäcker des Landkreises mit Mehl aus der Region.

In den Produktionsräumen der Bäckerei entsteht daraus ein Mischbrot mit Kruste, das mittlerweile gut nachgefragt wird. Geschäftsführer Heinz-Gerd Köhler erklärte der Delegation in der Teigmacherei, wie aus dem verarbeiteten Mehl nach einer rund 18-stündigen Ruhezeit in einer Fermentationskammer ein Brot wird. Auf diese Kammer hat Köhler sogar ein Patent angemeldet. Köhler stellte klar, dass er zu 100 Prozent Getreide aus der Region bezieht und schon seit Jahrzehnten mir Bauern aus der Region zusammenarbeitet. Er hat beobachtet, dass in letzter Zeit die Nachfrage nach anderen Getreidesorten – etwa dem Dinkel – zunimmt. Seine Versuche mit Urgetreide betreibt Köhler seit letztem Jahr und nach der Überwindung diverser Probleme – etwa hoher Eiweißgehalt, aber niedrige Eiweißqualität des Getreides – kann er nun ein schmackhaftes, zu 100 Prozent aus der Region stammendes Brot anbieten. „Wir müssen die Kunden an diese Produkte heranführen“, so Köhler, das sei aber ein langwieriger und schwieriger Prozess. „Es gibt Kunden, die nur auf den Preis und nicht auf die Qualität der Waren schauen“, bedauerte Klaus Bernhart.

Dass Landwirte heute nicht nur Ackerbau und Viehzucht betreiben, erläuterte der Heppdieler Landwirt Matthias Ullmer, der zusammen mit einem Partner die Ullmer&Ott GbR betreibt. Das Unternehmen, das aus der Zusammenlegung von drei Betrieben entstand, hat sich seit der Gründung vor 20 Jahren nicht nur flächenmäßig vergrößert, sondern auch maschinell und produktionstechnisch ständig weiterentwickelt. Ullmer hat mit der UZZOG-Bioenergie Gmbh & Co. KG zudem Pionierleistungen erbracht, als er 2006 nicht nur eine Biogasanlage baute, sondern in der Folge auch das erste Nahwärmenetz im Landkreis Miltenberg auf die Beine stellte. 24 Haushalte in Heppdiel konnte er von der Fernwärme überzeugen. In Eigenleistung wurde der Altort mit Leitungen versorgt, so dass ein Teil der Heppdieler seit mehreren Jahren zuverlässig mit Nahwärme aus der Biogasanlage versorgt wird. „Das rechnet sich“, versicherte Ullmer. Eine Erweiterung des Netzes in das Neubaugebiet des Ortes scheiterte, da das Queren der Straßen zu teuer geworden wäre. Nach Windischbuchen hätte er auch gerne Wärme geliefert, aber dort wurden vor einigen Jahren die Straßen und Kanäle komplett erneuert, so dass ein erneutes Aufreißen die Versorgung mit Fernwärme unwirtschaftlich gemacht hätte.

In der Anlage verwendet Ullmer keinerlei Gülle, dafür aber unterschiedliche Biomasse. Eine Tonne Mais beispielsweise bringt 200 Kubikmeter Gas, Getreideschrot sogar 600 Kubikmeter. Ein riesiges Lager sorgt dafür, dass Ullmer über lange Zeit Versorgungssicherheit garantieren kann. Besonders wichtig ist für ihn, dass er in der Anlage auch Grünlandgut verwerten kann, das auf seinen Flächen im Überfluss anfällt. Schadhaftes Getreide kann er ebenfalls nutzen und den Landwirten dafür sogar Geld bezahlen. Und, was auch ins Gewicht fällt: Alle Nährstoffe verbleiben nach dem Prozess im Endsubstrat, so dass dieses wieder in den Naturkreislauf eingebracht werden kann. „Wir sind mit der Anlage richtig glücklich“, versicherte Ullmer im Namen der Gesellschafter. Vor Ort zeigte er den Teilnehmern nicht nur seine große Siloanlage für die Getreidelagerung mit Trocknung, sondern auch die Biogasanlage. Dafür, so Ullmer stolz, habe er 2011 sogar den Klimaschutzpreis des Bund Naturschutz bekommen. Wert legte der Landwirt auch auf die Feststellung, dass alle Leistungen nur dank seiner „Supermannschaft“ zustandekommen können. 

Harald Blankart, Landrat Jens Marco Scherf, Pflanzenberater Thomas Holschuh, Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landwirt Frank Grimm (von links) diskutieren über Vor- und Nachteile diverser Getreidesorten.
Harald Blankart, Landrat Jens Marco Scherf, Pflanzenberater Thomas Holschuh, Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landwirt Frank Grimm (von links) diskutieren über Vor- und Nachteile diverser Getreidesorten.

Welche Vorgänge in der patentierten Fermentationsanlage der Bäckerei „Der Brotmacher“ stattfinden, lassen sich Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landrat Jens Marco Scherf (von links) von Geschäftsführer Heinz-Gerd Köhler erklären.
Welche Vorgänge in der patentierten Fermentationsanlage der Bäckerei „Der Brotmacher“ stattfinden, lassen sich Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landrat Jens Marco Scherf (von links) von Geschäftsführer Heinz-Gerd Köhler erklären. 

Mitarbeiter der Heppdieler Bioenergie-GmbH UZZOG erklären Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landrat Jens Marco Scherf (von links), wie Wärme erzeugt und in die Haushalte weitergeleitet wird.
Mitarbeiter der Heppdieler Bioenergie-GmbH UZZOG erklären Landwirtschaftsamtsleiter Klaus Bernhart und Landrat Jens Marco Scherf (von links), wie Wärme erzeugt und in die Haushalte weitergeleitet wird.

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