Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP), Anhörung zum Entwurf vom 12.Juli 2016.

BezeichnungInhalt
Sitzung:20.10.2016   KT/005/2016 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Der Kreistag fasst folgende Beschlüsse:

 

Der Landkreis Miltenberg erhebt zur geplanten Änderung der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) Bedenken.

 

Mehrheitlich:

Zu Ziffer 2.1.2: Zentrale Orte

 

Einstimmig:

Ziffer 2.1.9 Metropolen

 

Einstimmig:

Ziffer 2.1.11 Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf

 

Mehrheitlich:

Ziffer 3.3 Anbindegebot


Herr Krah, Leiter Abteilung Bauwesen, teilt mit, dass mit Schreiben vom 28. Juli 2016 der Landkreis Miltenberg die Möglichkeit erhielt, zur geplanten Änderung der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), Entwurf vom 12. Juli 2016, bis spätestens 15. November 2016 Stellung zu nehmen. Hierzu bringt der Landkreis Miltenberg folgende Aspekte vor:

 

Stellungnahme

Ziffer 2.1.2: Zentrale Orte

Im Landkreis Miltenberg werden die Städte Klingenberg am Main sowie Wörth am Main als Mittelzentren eingestuft, was von Seiten des Landkreises Miltenberg begrüßt wird.

 

Zukünftig können in Ausnahmefällen zusätzlich Mehrfachgrundzentren festgelegt werden, was bisher nicht zulässig war. Auch diese Regelung wird begrüßt. Denn dadurch wird der Handlungsspielraum interkommunaler Zusammenarbeit und Entwicklung erweitert. Gerade in Flächenlandkreise mit (Teil)Orten in Höhenlagen wie dem Landkreis Miltenberg kann dies bedeutsam werden. Die Möglichkeit zur Bildung von Doppel- und Mehrfachorten (Ziffern 2.1.6 Abs. (G) und 2.1.10 Abs. (G)) in Ausnahmefällen trägt diesem Grundsatz Rechnung.

 

Ziffer 2.1.9 Metropolen

Das zentralörtliche System in Bayern umfasst nun neben den Grund-, Mittel- und Oberzentren auch Metropolen. Es wurden die Städte München, Augsburg, Nürnberg, Fürth und Erlangen als neue Metropolen ausgewiesen. Da diese Städte bezugnehmend auf die Stärkung der Metropolregionen erwähnt werden, muss der Bayerische Untermain als bayerischer Kern der Metropolregion Frankfurt Rhein-Main analog zu den vorgenannten Städten explizit genannt werden (analog zum Beschluss des Regionalen Planungsverbandes vom 29. September 2016).

 

Ziffer 2.1.11 Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf

Nach wie vor ist der gesamte Landkreis Miltenberg als Kreisregion mit besonderem Handlungsbedarf in der Strukturkarte (Anhang 2) gekennzeichnet. Für den Landkreis Miltenberg ist vor allem die geplante Ausweitung des Raumes mit besonderem Handlungsbedarf von Bedeutung. Viele Gemeinden des Landkreises Miltenberg haben, aufgrund ihrer geografischen Lage im Naturpark Bayerischer Odenwald bzw. Spessart sowie ihrer geschichtlichen Entwicklung, nur geringe Steuereinnahmen bzw. Möglichkeiten diese zu steigern und sind daher auf entsprechende Fördermittel angewiesen. Durch die geplante Änderung wird der Raum mit besonderem Handlungsbedarf in unserer Region (Bayerischer Untermain 1) auch auf den gesamten Landkreis Aschaffenburg sowie auf die kreisfreie Stadt Aschaffenburg ausgedehnt. Es bestehen erhebliche Bedenken, dass damit die zur Verfügung stehenden Fördermittel sich auf noch mehr Kommunen verteilen und die Wahrscheinlichkeit, Fördergelder zu erhalten, noch weiter sinkt. In diesem Sinne sollten die Fördermittel entsprechend der Erweiterung des Raums mit besonderem Handlungsbedarf erhöht werden.

 

Ziffer 3.3 Anbindegebot

Das im LEP verankerte Anbindegebot wird durch die Änderung der Ziffer 3.3 Abs. 2 (Z) Satz 2 weiter gelockert. Danach kann auch dann vom Grundsatz der Anbindung abgewichen werden, wenn (1.) ein Gewerbe- oder Industriegebiet unter Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen an einer Autobahnanschlussstelle oder an einer Anschlussstelle einer vierstreifig autobahnähnlich ausgebauten Straße oder an einen Gleisanschluss geplant ist, (2.) ein interkommunales Gewerbe- oder Industriegebiet unter Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen geplant ist oder (3.) eine überörtlich raumbedeutsame Freizeitanlage oder touristische Einrichtung errichtet werden soll, die auf Grund ihrer spezifischen Anforderungen oder auf Grund von schädlichen Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete nicht angebunden werden kann.

 

Der Landkreis Miltenberg erhebt hiergegen starke Bedenken. Gemäß Art. 141 der Verfassung des Freistaates Bayern ist mit Naturgütern schonend und sparsam umzugehen. Es gehört auch zu den vorrangigen Aufgaben des Staates, kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und zu erhalten. Nach § 1 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sind Natur- und Kulturlandschaften sowie gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 BNatSchG großflächige unzerschnittene Landschaftsräume vor einer weiteren Zersiedelung zu bewahren. Zudem sollte eine wiederholte Nutzung bereits bebauter Flächen im Innenbereich vorrangig vor einer Inanspruchnahme weiterer Außenbereichsflächen geprüft werden.

 

Dies aufgreifend ist im Entwurf der Begründung zum LEP unter Punkt C Zu § 1 Zu 5. LEP 3.3 einleitend ausgeführt, dass die Festlegungen zum Erhalt kompakter Siedlungsstrukturen mit dem Ziel der Anbindung einen zentralen Rahmen für eine geordnete Siedlungsentwicklung darstellen. Dadurch habe in Bayern eine klare Gliederung zwischen Siedlung und Landschaft bewahrt werden können.

 

Diesen Grundsätzen und dem verfassungsmäßigen Auftrag wird die beabsichtigte Lockerung des Anbindungsgebots nicht gerecht. Zwar ist der Katalog der Ausnahmen abschließend, die Ausnahmen sind aber so weitreichend, dass letztlich alle wirtschaftlich geeigneten Flächen – bei entsprechendem Willen der (kooperierenden) Gemeinden – gewerblich nutzbar gemacht werden können. Die Einschränkung „unter Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen“ dürfte auf Dauer nicht tragfähig sein. Isolierte Gewerbe-/Industrieparks werden mit der Zeit bereits zur Versorgung der dort Beschäftigten kleinere Gastronomie, Bäcker etc. anziehen. Die Entwicklung dürfte nach und nach zu Nahversorgungsnutzungen und Betriebsleiterwohnungen führen. Des Weiteren wird der Flächenverbrauch steigen. Die Ausnahmen führen nicht lediglich zur Verlagerung von neu zu schaffenden Gewerbeflächen. Denn die Grenzen der Entwicklung unter Beachtung des Anbindegebots werden in aller Regel durch geografische Gegebenheiten (Topografie, Überschwemmungsgebiete, Trinkwasserschutz, Naturschutz) gesetzt. Diese Flächen stehen einer gewerblichen Verwertung gar nicht erst zur Verfügung. Aus Sicht des Naturschutzes hat im Hinblick auf Biotopverbunde zur dauerhaften Sicherung von Tier- und Pflanzenarten eine Zersiedelung negative Auswirkungen. Bei einer Inanspruchnahme von Raum sollte ein nachhaltiger Erhalt von natürlichen Lebensgemeinschaften und schützenswerten Arten einschließlich ihrer Habitate angemessen berücksichtigt werden.

 

Auch der Ausschuss für Umwelt und Landesentwicklung sieht es kritisch, wenn bayernweit die Zersiedelung der Landschaft durch die grundsätzlich gesetzlich geplante Erlaubnis von Gewerbegebieten an Autobahnen/4-spurigen Straßen erlaubt wird. Deshalb sollte eine ausnahmsweise Abweichung vom Grundsatz der Zersiedelung der Landschaft nicht grundsätzlich gesetzlich zugelassen werden, sondern die Entscheidungsbefugnis sollte an die Landratsämter delegiert werden. Dieser Auffassung schließt sich der Landkreis Miltenberg an.

 

 

Zusammenfassende Würdigung

Zusammenfassend erhebt der Landkreis Miltenberg Bedenken zur geplanten Änderung der Verordnung über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), Entwurf vom 12. Juli 2016 und bittet um entsprechende Berücksichtigung.

 

 

Kreisrat Reinhard stellt den Antrag, keinen Gesamtbeschluss zu fassen, sondern über die vier Punkte getrennt abzustimmen.

 

Landrat Scherf stimmt dem zu.

 

Kreisrat Oettinger merkt an, dass der Bayerische Gemeindetag zu dem Entwurf des Landesentwicklungsprogrammes ausführlich Stellung genommen und darauf hingewiesen habe, dass der Landkreis bereits 2013 dieses Programm geändert habe, und jetzt schon wieder eine neue Änderung ins Haus stehe, ohne die wesentlichen Kritikpunkte beseitigt zu haben.

Zum Thema „Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ sagt Kreisrat Oettinger, dass es mittlerweile inflationär sei. Fast ganz Bayern und die Landkreise würden unter diese Rubrik fallen. Wenn man ehrlich sei, gebe es im Landkreis Miltenberg durchaus Gemeinden, die keine Erwähnung in diesem Programm finden müssten, weil sie eben finanziell sehr potent seien. Wenn, dann hätte man sagen müssen, man greife sich Kommunen raus und stelle diese unter diesen Schutz mit dem besonderen Handlungsbedarf. Hier müsste man sich an die eigene Nase fassen und sagen, dass das dieses Programm doch gar nicht schaffen könne. Deswegen habe der Bayerische Gemeindetag gesagt, dass es äußerst kritisch zu bewerten sei, wenn man jetzt plötzlich 3/4 der bayerischen Landkreise unter Schutz stelle und mit besonderem Handlungsbedarf ausstatte.

Das Anbindegebot greife in die Planungshoheit der Kommunen ein und er frage sich, welche Kommune aus Jux und Dollerei Land verbrauche. Es gebe immer einen Grund, und das müsse man den Kommunen anrechnen, die hier die Planungshoheit hätten. Wieso man sich hier dazu äußere als Landkreis, das frage er sich. Deswegen würde er auch sagen, dass er dem Anbindegebot nicht zustimmen könne, weil es äußerst individuell zu betrachten sei.

 

Kreisrat Stich antwortet Kreisrat Oettinger, warum sich der Landkreis dazu äußern sollte. Gerade das Anbindegebot sei sehr heikel. Er widerspricht Kreisrat Reinhard, der sage, die Entwicklung im ländlichen Raum werde durch die Lockerung des Anbindegebots gestärkt. Das Gegenteil sei der Fall. Wenn man den Landkreis Miltenberg betrachte, wo würde denn, wenn so etwas entstünde, dann sage er BAB 3 Stockstadt. Es geschehe dann, dass dort abgesogen und einfach in die Pampa irgendetwas gebaut werde. Dies sei für mittlere Handwerksbetriebe attraktiv, die dann dorthin ziehen würden. Dann sei es mehr als das, was Herr Krah gesagt habe,  dass Lebensräume für den Naturschutz gefährdet seien, sondern man verschandele die Landschaft. Man erhöhe das Verkehrsaufkommen, z.B. die Beschäftigten, die dorthin müssten. Die Erschließung sei nicht ganz einfach. Gewerbesteuereinnahmen flössen ab bei Verlagerungen dorthin. Es gebe einen Wettbewerb zwischen den Kommunen, ein Dumpingpreis-Wettbewerb, wer diese Zentren auf der grünen Wiese anziehe. Man fördere weitere Verölung der Innenstädte, man konzentriere auch weitere dezentrale Einrichtungen dort, indem dann Imbissbuden, Tankstellen und Cafes usw. nachziehen. Man gefährde mit diesen Siedlungssplittern freie Landschaftsräume usw. Die Liste sei lang und breit. All die aufgezählten Nachteile würden doch nicht den ländlichen Raum stärken. All diese aufgezählten Nachteile seien dringend und sofort relevant für den Landkreis Miltenberg, und zwar übrigens auch für die reicheren Kommunen im Nordlandkreis.

Kreisrat Stich unterstützt Kreisrat Oettinger, dass er die Themen „Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ und Zentrale Ortesystem sehr heikel finde. Wenn es eine Förderwirkung haben solle, dann sei eine Relevanz in der Strukturierung nötig. Wie solle man besonders auf die Bedürfnisse von Orten eingehen, wenn man die Hälfte der bayerischen Orte dazu ernenne. Dies sei eine Art und Weise des Gießkannenprinzips, das die Steuerungsfunktion von Förderungsgeldern zerstöre. Man könnte sagen, Bayern sei ein großer Raum mit Handlungsbedarf, dann könnte man sich das alles sparen.

Deshalb finde er es zentral wichtig, dass man erstens bei der Lockerung des Anbindegebots dem Flächenfraß Einhalt gebiete. 18 ha/Tag alleine in Bayern, andere Berechnungen würden sagen 11 ha/Tag in Bayern. Beides sei eine erschreckende Zahl.

Kreisrat Stich appelliert noch einmal zu den Themen der Zentralen Orte als Kriterium der Förderung und Raum mit besonderem Handlungsbedarf dafür, dieses Mittel nicht absurd werden zu lassen, indem man alle dazu ernenne.

 

Kreisrat Dr. Linduschka schließt sich Kreisrat Stich an. Ihn stören zwei Dinge, die bereits angesprochen worden seien. Zu Ziffer 2.1.11 Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf: Er könne sich noch erinnern, dass man alle sehr erstaunt gewesen sei, als der gesamte Landkreis mit besonderem Handlungsbedarf eingeschätzt worden sei. Er kann sich auch an das Erstaunen von Landrat Schwing erinnern, der mit dem Kreistag gemeinsam erstaunt gewesen sei. Fair wäre es, wenn man in Regionen denke, den Landkreis Aschaffenburg mit einzubeziehen und Orte mit besonderem Handlungsbedarf dort auszuwählen, wo es wirklich bestehe, nämlich in Gemeinden. Die andere Art und Weise sei seiner Ansicht nach sachlich ungerechtfertigt.

Kreisrat Dr. Linduschka denkt, wenn man wisse, was jeden Tag an Versiegelung von Flächen in Bayern, auch in Unterfranken, passiere. Wenn man auf der anderen Seite wisse, dass zurecht in den Innenstädten und in den Gemeinden geklagt werde, dass das geschäftliche, aber auch das kulturelle Leben, aus den Gemeinden weggehe, dann müsste man alles dafür tun, um diese Versiegelungsflächen auf der freien Wiese zu verhindern. Deswegen sei es wichtig, dieses Zeichen mit diesem Einwand zu setzen.

 

Kreisrat Dr. Kaiser schließt sich Kreisrat Dr. Linduschka an. Bei der Sitzung des Planungsausschusses sei es auch ein Thema gewesen. Es sei schwierig gewesen, zu entscheiden, ob man den Landkreis Aschaffenburg ausschließe. Die Vorlage sei so gewesen, dass man Aschaffenburg mit einbeziehe, wenn man ein Restangebot habe. Er sei völlig d`accord, wenn Gemeinden wie Kirchzell und Altenbuch in einen Topf geworfen würden mit Alzenau und Großostheim oder auch Niedernberg, die sehr nahe am Großraum Frankfurt seien, dann sei es nicht gerechtfertigt. Wichtig sei, dass es dann entsprechend mehr Fördermittel gebe. Städte, die sehr nahe an Bundesautobahnen liegen, seien nicht auf besonderen Handlungsbedarf angewiesen.

Zu den Zentralen Orten sagt Kreisrat Dr. Kaiser, dass der Titel keinen Wert habe, da es dafür keine Förderung gebe. Die einzige Auswirkung, die der Titel habe, sei in Klingenberg und Wörth. Durch die Aufstufung zum Mittelzentrum würden die Flächen für Einzelhandelsplanungen größer.

 

Kreisrat Reinhard sagt zu Kreisrat Stich, dass es nicht um das Anbindegebot im Landkreis Miltenberg gehe. Dies sei von der Struktur her gar nicht mehr möglich. Es gehe hier um Gebiete, die autobahnnah seien, und wo diese Möglichkeit nicht bestehe.

 

Kreisrat Paulus sagt, dass die Einschränkung des Anbindegebots dem ländlichen Raum meistens in der Praxis sehr wenig nütze, weil der schlecht erschlossen sei oder nicht an diesen Autobahnen liege. Und man müsse hier weiterer Versiegelung Einhalt gebieten.

 

Kreisrat Eppig merkt zu Kreisrat Stich an, dass gegen den Flächenfraß nur die Bundesregierung vorgehen könne mit einer Strafsteuer gegen unbebaute Grundstücke, die schon längere Zeit nicht genutzt würden.

Zu Kreisrat Dr. Kaiser merkt er an, dass bei vielen Kollegen der Neidfaktor hochkomme wegen der Ausweisung des besonderen Handlungsbedarfs. Es gebe Gemeinden im Landkreis, denen das nicht zustehen sollte. Man sollte aber auch sehen, dass diese Gemeinden einen anderen Handlungsbedarf und enorme Investitionen zu tätigen hätten. Man bekomme keine Zuschüsse wie die anderen beiden Förderungen, deswegen sollte man nicht immer auf die Gemeinden einschlagen, die vielleicht anbindungsmäßig besser liegen.

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