Tagesordnungspunkt
TOP Ö 3: Teilfortschreibung des Landesentwicklungsprogramms Bayern (LEP), Anhörung zum Entwurf vom 12.Juli 2016.
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 20.10.2016 KT/005/2016 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Der Kreistag fasst folgende
Beschlüsse:
Der Landkreis Miltenberg erhebt zur geplanten Änderung der Verordnung
über das Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP) Bedenken.
Mehrheitlich:
Zu Ziffer 2.1.2:
Zentrale Orte
Einstimmig:
Ziffer 2.1.9
Metropolen
Einstimmig:
Ziffer 2.1.11
Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf
Mehrheitlich:
Ziffer 3.3 Anbindegebot
Stellungnahme
Ziffer
2.1.2: Zentrale Orte
Im Landkreis Miltenberg werden die Städte
Klingenberg am Main sowie Wörth am Main als Mittelzentren eingestuft, was von
Seiten des Landkreises Miltenberg begrüßt wird.
Zukünftig können in Ausnahmefällen zusätzlich
Mehrfachgrundzentren festgelegt werden, was bisher nicht zulässig war. Auch
diese Regelung wird begrüßt. Denn dadurch wird der Handlungsspielraum
interkommunaler Zusammenarbeit und Entwicklung erweitert. Gerade in
Flächenlandkreise mit (Teil)Orten in Höhenlagen wie dem Landkreis Miltenberg
kann dies bedeutsam werden. Die Möglichkeit zur Bildung von Doppel- und Mehrfachorten
(Ziffern 2.1.6 Abs. (G) und 2.1.10 Abs. (G)) in Ausnahmefällen trägt diesem
Grundsatz Rechnung.
Ziffer
2.1.9 Metropolen
Das zentralörtliche System in Bayern umfasst
nun neben den Grund-, Mittel- und Oberzentren auch Metropolen. Es wurden die Städte
München, Augsburg, Nürnberg, Fürth und Erlangen als neue Metropolen
ausgewiesen. Da diese Städte bezugnehmend auf die Stärkung der Metropolregionen
erwähnt werden, muss der Bayerische Untermain als bayerischer Kern der
Metropolregion Frankfurt Rhein-Main analog zu den vorgenannten Städten explizit
genannt werden (analog zum Beschluss des Regionalen Planungsverbandes vom 29.
September 2016).
Ziffer
2.1.11 Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf
Nach wie vor ist der gesamte Landkreis Miltenberg
als Kreisregion mit besonderem Handlungsbedarf in der Strukturkarte (Anhang 2)
gekennzeichnet. Für den Landkreis Miltenberg ist vor allem die geplante
Ausweitung des Raumes mit besonderem Handlungsbedarf von Bedeutung. Viele
Gemeinden des Landkreises Miltenberg haben, aufgrund ihrer geografischen Lage
im Naturpark Bayerischer Odenwald bzw. Spessart sowie ihrer geschichtlichen
Entwicklung, nur geringe Steuereinnahmen bzw. Möglichkeiten diese zu steigern
und sind daher auf entsprechende Fördermittel angewiesen. Durch die geplante
Änderung wird der Raum mit besonderem Handlungsbedarf in unserer Region
(Bayerischer Untermain 1) auch auf den gesamten Landkreis Aschaffenburg sowie
auf die kreisfreie Stadt Aschaffenburg ausgedehnt. Es bestehen erhebliche Bedenken,
dass damit die zur Verfügung stehenden Fördermittel sich auf noch mehr Kommunen
verteilen und die Wahrscheinlichkeit, Fördergelder zu erhalten, noch weiter
sinkt. In diesem Sinne sollten die Fördermittel entsprechend der Erweiterung
des Raums mit besonderem Handlungsbedarf erhöht werden.
Ziffer
3.3 Anbindegebot
Das im LEP verankerte Anbindegebot wird durch die Änderung der Ziffer
3.3 Abs. 2 (Z) Satz 2 weiter gelockert. Danach kann auch dann vom Grundsatz der
Anbindung abgewichen werden, wenn (1.) ein Gewerbe- oder Industriegebiet unter
Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen an einer Autobahnanschlussstelle oder an
einer Anschlussstelle einer vierstreifig autobahnähnlich ausgebauten Straße
oder an einen Gleisanschluss geplant ist, (2.) ein interkommunales Gewerbe-
oder Industriegebiet unter Ausschluss von Einzelhandelsnutzungen geplant ist
oder (3.) eine überörtlich raumbedeutsame Freizeitanlage oder touristische
Einrichtung errichtet werden soll, die auf Grund ihrer spezifischen
Anforderungen oder auf Grund von schädlichen Umwelteinwirkungen auf Wohngebiete
nicht angebunden werden kann.
Der Landkreis Miltenberg erhebt hiergegen
starke Bedenken. Gemäß Art. 141 der Verfassung des Freistaates Bayern ist mit
Naturgütern schonend und sparsam umzugehen. Es gehört auch zu den vorrangigen
Aufgaben des Staates, kennzeichnende Orts- und Landschaftsbilder zu schonen und
zu erhalten. Nach § 1 Abs. 4 des Bundesnaturschutzgesetzes (BNatSchG) sind
Natur- und Kulturlandschaften sowie gem. § 1 Abs. 5 Satz 1 und 2 BNatSchG
großflächige unzerschnittene Landschaftsräume vor einer weiteren Zersiedelung
zu bewahren. Zudem sollte eine wiederholte Nutzung bereits bebauter Flächen im
Innenbereich vorrangig vor einer Inanspruchnahme weiterer Außenbereichsflächen
geprüft werden.
Dies aufgreifend ist im Entwurf der
Begründung zum LEP unter Punkt C Zu § 1 Zu 5. LEP 3.3 einleitend ausgeführt,
dass die Festlegungen zum Erhalt kompakter Siedlungsstrukturen mit dem Ziel der
Anbindung einen zentralen Rahmen für eine geordnete Siedlungsentwicklung
darstellen. Dadurch habe in Bayern eine klare Gliederung zwischen Siedlung und
Landschaft bewahrt werden können.
Diesen Grundsätzen und dem verfassungsmäßigen
Auftrag wird die beabsichtigte Lockerung des Anbindungsgebots nicht gerecht.
Zwar ist der Katalog der Ausnahmen abschließend, die Ausnahmen sind aber so
weitreichend, dass letztlich alle wirtschaftlich geeigneten Flächen – bei
entsprechendem Willen der (kooperierenden) Gemeinden – gewerblich nutzbar
gemacht werden können. Die Einschränkung „unter Ausschluss von
Einzelhandelsnutzungen“ dürfte auf Dauer nicht tragfähig sein. Isolierte
Gewerbe-/Industrieparks werden mit der Zeit bereits zur Versorgung der dort
Beschäftigten kleinere Gastronomie, Bäcker etc. anziehen. Die Entwicklung
dürfte nach und nach zu Nahversorgungsnutzungen und Betriebsleiterwohnungen
führen. Des Weiteren wird der Flächenverbrauch steigen. Die Ausnahmen führen
nicht lediglich zur Verlagerung von neu zu schaffenden Gewerbeflächen. Denn die
Grenzen der Entwicklung unter Beachtung des Anbindegebots werden in aller Regel
durch geografische Gegebenheiten (Topografie, Überschwemmungsgebiete,
Trinkwasserschutz, Naturschutz) gesetzt. Diese Flächen stehen einer
gewerblichen Verwertung gar nicht erst zur Verfügung. Aus Sicht des
Naturschutzes hat im Hinblick auf Biotopverbunde zur dauerhaften Sicherung von
Tier- und Pflanzenarten eine Zersiedelung negative Auswirkungen. Bei einer
Inanspruchnahme von Raum sollte ein nachhaltiger Erhalt von natürlichen
Lebensgemeinschaften und schützenswerten Arten einschließlich ihrer Habitate
angemessen berücksichtigt werden.
Auch der Ausschuss für Umwelt und
Landesentwicklung sieht es kritisch, wenn bayernweit die Zersiedelung der
Landschaft durch die grundsätzlich gesetzlich geplante Erlaubnis von
Gewerbegebieten an Autobahnen/4-spurigen Straßen erlaubt wird. Deshalb sollte
eine ausnahmsweise Abweichung vom Grundsatz der Zersiedelung der Landschaft
nicht grundsätzlich gesetzlich zugelassen werden, sondern die
Entscheidungsbefugnis sollte an die Landratsämter delegiert werden. Dieser
Auffassung schließt sich der Landkreis Miltenberg an.
Zusammenfassende
Würdigung
Zusammenfassend erhebt der Landkreis
Miltenberg Bedenken zur geplanten Änderung der Verordnung über das
Landesentwicklungsprogramm Bayern (LEP), Entwurf vom 12. Juli 2016
und bittet um entsprechende Berücksichtigung.
Kreisrat Reinhard stellt den Antrag, keinen
Gesamtbeschluss zu fassen, sondern über die vier Punkte getrennt abzustimmen.
Landrat Scherf stimmt dem zu.
Kreisrat Oettinger merkt an, dass der
Bayerische Gemeindetag zu dem Entwurf des Landesentwicklungsprogrammes
ausführlich Stellung genommen und darauf hingewiesen habe, dass der Landkreis
bereits 2013 dieses Programm geändert habe, und jetzt schon wieder eine neue
Änderung ins Haus stehe, ohne die wesentlichen Kritikpunkte beseitigt zu haben.
Zum Thema „Zentrale Orte im Raum mit
besonderem Handlungsbedarf“ sagt Kreisrat Oettinger, dass es mittlerweile
inflationär sei. Fast ganz Bayern und die Landkreise würden unter diese Rubrik
fallen. Wenn man ehrlich sei, gebe es im Landkreis Miltenberg durchaus
Gemeinden, die keine Erwähnung in diesem Programm finden müssten, weil sie eben
finanziell sehr potent seien. Wenn, dann hätte man sagen müssen, man greife
sich Kommunen raus und stelle diese unter diesen Schutz mit dem besonderen
Handlungsbedarf. Hier müsste man sich an die eigene Nase fassen und sagen, dass
das dieses Programm doch gar nicht schaffen könne. Deswegen habe der Bayerische
Gemeindetag gesagt, dass es äußerst kritisch zu bewerten sei, wenn man jetzt
plötzlich 3/4 der bayerischen Landkreise unter Schutz stelle und mit besonderem
Handlungsbedarf ausstatte.
Das Anbindegebot greife in die Planungshoheit
der Kommunen ein und er frage sich, welche Kommune aus Jux und Dollerei Land
verbrauche. Es gebe immer einen Grund, und das müsse man den Kommunen
anrechnen, die hier die Planungshoheit hätten. Wieso man sich hier dazu äußere
als Landkreis, das frage er sich. Deswegen würde er auch sagen, dass er dem
Anbindegebot nicht zustimmen könne, weil es äußerst individuell zu betrachten
sei.
Kreisrat Stich antwortet Kreisrat Oettinger,
warum sich der Landkreis dazu äußern sollte. Gerade das Anbindegebot sei sehr
heikel. Er widerspricht Kreisrat Reinhard, der sage, die Entwicklung im
ländlichen Raum werde durch die Lockerung des Anbindegebots gestärkt. Das
Gegenteil sei der Fall. Wenn man den Landkreis Miltenberg betrachte, wo würde
denn, wenn so etwas entstünde, dann sage er BAB 3 Stockstadt. Es geschehe dann,
dass dort abgesogen und einfach in die Pampa irgendetwas gebaut werde. Dies sei
für mittlere Handwerksbetriebe attraktiv, die dann dorthin ziehen würden. Dann
sei es mehr als das, was Herr Krah gesagt habe,
dass Lebensräume für den Naturschutz gefährdet seien, sondern man
verschandele die Landschaft. Man erhöhe das Verkehrsaufkommen, z.B. die
Beschäftigten, die dorthin müssten. Die Erschließung sei nicht ganz einfach.
Gewerbesteuereinnahmen flössen ab bei Verlagerungen dorthin. Es gebe einen
Wettbewerb zwischen den Kommunen, ein Dumpingpreis-Wettbewerb, wer diese
Zentren auf der grünen Wiese anziehe. Man fördere weitere Verölung der
Innenstädte, man konzentriere auch weitere dezentrale Einrichtungen dort, indem
dann Imbissbuden, Tankstellen und Cafes usw. nachziehen. Man gefährde mit
diesen Siedlungssplittern freie Landschaftsräume usw. Die Liste sei lang und
breit. All die aufgezählten Nachteile würden doch nicht den ländlichen Raum
stärken. All diese aufgezählten Nachteile seien dringend und sofort relevant
für den Landkreis Miltenberg, und zwar übrigens auch für die reicheren Kommunen
im Nordlandkreis.
Kreisrat Stich unterstützt Kreisrat
Oettinger, dass er die Themen „Raum mit besonderem Handlungsbedarf“ und
Zentrale Ortesystem sehr heikel finde. Wenn es eine Förderwirkung haben solle,
dann sei eine Relevanz in der Strukturierung nötig. Wie solle man besonders auf
die Bedürfnisse von Orten eingehen, wenn man die Hälfte der bayerischen Orte
dazu ernenne. Dies sei eine Art und Weise des Gießkannenprinzips, das die
Steuerungsfunktion von Förderungsgeldern zerstöre. Man könnte sagen, Bayern sei
ein großer Raum mit Handlungsbedarf, dann könnte man sich das alles sparen.
Deshalb finde er es zentral wichtig, dass man
erstens bei der Lockerung des Anbindegebots dem Flächenfraß Einhalt gebiete. 18
ha/Tag alleine in Bayern, andere Berechnungen würden sagen 11 ha/Tag in Bayern.
Beides sei eine erschreckende Zahl.
Kreisrat Stich appelliert noch einmal zu den
Themen der Zentralen Orte als Kriterium der Förderung und Raum mit besonderem
Handlungsbedarf dafür, dieses Mittel nicht absurd werden zu lassen, indem man
alle dazu ernenne.
Kreisrat Dr. Linduschka schließt sich
Kreisrat Stich an. Ihn stören zwei Dinge, die bereits angesprochen worden
seien. Zu Ziffer 2.1.11 Zentrale Orte im Raum mit besonderem Handlungsbedarf:
Er könne sich noch erinnern, dass man alle sehr erstaunt gewesen sei, als der
gesamte Landkreis mit besonderem Handlungsbedarf eingeschätzt worden sei. Er
kann sich auch an das Erstaunen von Landrat Schwing erinnern, der mit dem
Kreistag gemeinsam erstaunt gewesen sei. Fair wäre es, wenn man in Regionen
denke, den Landkreis Aschaffenburg mit einzubeziehen und Orte mit besonderem
Handlungsbedarf dort auszuwählen, wo es wirklich bestehe, nämlich in Gemeinden.
Die andere Art und Weise sei seiner Ansicht nach sachlich ungerechtfertigt.
Kreisrat Dr. Linduschka denkt, wenn man
wisse, was jeden Tag an Versiegelung von Flächen in Bayern, auch in
Unterfranken, passiere. Wenn man auf der anderen Seite wisse, dass zurecht in
den Innenstädten und in den Gemeinden geklagt werde, dass das geschäftliche,
aber auch das kulturelle Leben, aus den Gemeinden weggehe, dann müsste man
alles dafür tun, um diese Versiegelungsflächen auf der freien Wiese zu verhindern.
Deswegen sei es wichtig, dieses Zeichen mit diesem Einwand zu setzen.
Kreisrat Dr. Kaiser schließt sich Kreisrat
Dr. Linduschka an. Bei der Sitzung des Planungsausschusses sei es auch ein
Thema gewesen. Es sei schwierig gewesen, zu entscheiden, ob man den Landkreis
Aschaffenburg ausschließe. Die Vorlage sei so gewesen, dass man Aschaffenburg
mit einbeziehe, wenn man ein Restangebot habe. Er sei völlig d`accord, wenn
Gemeinden wie Kirchzell und Altenbuch in einen Topf geworfen würden mit Alzenau
und Großostheim oder auch Niedernberg, die sehr nahe am Großraum Frankfurt
seien, dann sei es nicht gerechtfertigt. Wichtig sei, dass es dann entsprechend
mehr Fördermittel gebe. Städte, die sehr nahe an Bundesautobahnen liegen, seien
nicht auf besonderen Handlungsbedarf angewiesen.
Zu den Zentralen Orten sagt Kreisrat Dr.
Kaiser, dass der Titel keinen Wert habe, da es dafür keine Förderung gebe. Die
einzige Auswirkung, die der Titel habe, sei in Klingenberg und Wörth. Durch die
Aufstufung zum Mittelzentrum würden die Flächen für Einzelhandelsplanungen
größer.
Kreisrat Reinhard sagt zu Kreisrat Stich,
dass es nicht um das Anbindegebot im Landkreis Miltenberg gehe. Dies sei von
der Struktur her gar nicht mehr möglich. Es gehe hier um Gebiete, die
autobahnnah seien, und wo diese Möglichkeit nicht bestehe.
Kreisrat Paulus sagt, dass die Einschränkung
des Anbindegebots dem ländlichen Raum meistens in der Praxis sehr wenig nütze,
weil der schlecht erschlossen sei oder nicht an diesen Autobahnen liege. Und
man müsse hier weiterer Versiegelung Einhalt gebieten.
Kreisrat Eppig merkt zu Kreisrat Stich an,
dass gegen den Flächenfraß nur die Bundesregierung vorgehen könne mit einer
Strafsteuer gegen unbebaute Grundstücke, die schon längere Zeit nicht genutzt
würden.
Zu Kreisrat Dr. Kaiser merkt er an, dass bei
vielen Kollegen der Neidfaktor hochkomme wegen der Ausweisung des besonderen
Handlungsbedarfs. Es gebe Gemeinden im Landkreis, denen das nicht zustehen
sollte. Man sollte aber auch sehen, dass diese Gemeinden einen anderen
Handlungsbedarf und enorme Investitionen zu tätigen hätten. Man bekomme keine
Zuschüsse wie die anderen beiden Förderungen, deswegen sollte man nicht immer
auf die Gemeinden einschlagen, die vielleicht anbindungsmäßig besser liegen.