Tagesordnungspunkt

TOP Ö 1: Einrichtung zweier Sonderpädagogischer Förderzentren im Landkreis Miltenberg

BezeichnungInhalt
Sitzung:13.05.2015   KA/003/2015 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Landrat Scherf führt aus, die Einrichtung von Sonderpädagogischen Förderzentren sei ein Projekt der Bayer. Staatsregierung, das in den vergangenen Jahren nicht nur in weiten Teilen des Freistaats, sondern auch im Regierungsbezirk Unterfranken mit Ausnahme des Bayer. Untermains weitgehend umgesetzt wurde. In seinen Publikationen, sowohl gedruckt als auch online, spreche das Staatsministerium unter der Überschrift der Inklusion im Bereich der Förderschulen nur noch von Sonderpädagogischen Förderzentren, die ergänzend zu den Regelschulen in Bayern den Förderbedarf von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf erfüllten. Sonderpädagogische Förderbedarfe könne es vielfältige geben, z.B. in den Bereichen Sehen, Hören, Lernen, Lebensbewältigung, emotional-soziale Entwicklung oder körperliche Entwicklung.

 

Im Frühjahr 2015 seien die drei Schulen, Liebmann-Schule, vertreten durch den Träger Caritas gemeinsam mit Stötzner-Schule und Korczak-Schule zusammen mit der Schulabteilung der Regierung von Unterfranken auf das Landratsamt zugekommen.

 

Landrat Scherf begrüßt von der Schulabteilung der Regierung von Unterfranken, Herr Sicheneder, von der Liebmann-Schule die Schulleiterin Frau Hinterstein mit Herrn Steigerwald, Geschäftsführer der Caritas Schulen gGmbH, von der Korczak-Schule Herrn Knauer und von der Stötzner-Schule Herrn Hermann.

 

Aufgrund der am gestrigen Dienstag an den Kreistag und an ihn persönlich herangetragenen Sorgen seitens der Eltern im Landkreis Miltenberg sollte man sich auf drei Leitfragen konzentrieren.

 

  1. Warum ist die Einrichtung von SFZ sinnvoll, welche Beweggründe leiten die Schulen und die Regierung von Unterfranken?
  2. Welche konkreten Auswirkungen hat das auf die pädagogische Arbeit? Gerade hier befürchten Eltern die Zerschlagung der Außenstellen in Eisenbach und Miltenberg.
  3. Wie stehen die Elternvertretungen der drei Schulen dazu? Es haben ja in den vergangenen Tagen Elterninformationen stattgefunden.

 

Herr Sichenender von der Schulabteilung der Regierung von Unterfranken teilt mit, dass es der Regierung im Landkreis Miltenberg darum ginge, wie man die Sonderpädagogik in Zukunft aufstelle, dass man ein Konzept entwickele, wo im Hinblick auf die Sonderpädagogik die Bildung gebündelt werde. Es würden alle Schulen aufgefordert, inklusiv zu arbeiten. Kinder sollten nicht mehr in Schubladen einsortiert werden. Kinder, die in Teilbereichen der Entwicklung Schwierigkeiten hätten, könne man nicht mehr einer Behinderung zuordnen, sondern man spreche von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf. Die meisten Bedarfe treten nicht isoliert auf. Der Regierung von Unterfranken ginge es um eine Vernetzung der Angebote, was nicht heiße, Angebote aufzulösen, abzuschaffen oder das Angebot der Liebmann-Schule einzuschränken.

 

Herr Steigerwald, Geschäftsführer der Caritas Schulen gGmbH, versichert, die Befürchtungen der Eltern, die Förderung der sprachbehinderten Kinder nehme Schaden, seien gegenstandslos. Die Caritas Schulen gGmbH habe in den letzten Jahren insgesamt vier Sprachheilschulen in Sonderpädagogische Förderzentren weiterentwickelt und umgebaut. In keinem einzigen Förderzentrum sei die Förderung von sprachbehinderten Kindern schlechter gestellt. Es würde weiterhin die Diagnose- und Förderklasse mit dem Grundschullehrplan geben und ebenso die dritte und vierte Jahrgangsstufe, die nach dem Grundschullehrplan unterrichtet wird.

Die Erfahrung mit Sonderpädagogischen Förderzentren zeige, dass die Angebote zur Förderung von Sprachheilkindern dieselbe sei wie vorher in der reinen Sprachheilschule.

 

Herr Hermann, Schulleiter der Heinrich-Ernst-Stötzner-Schule, berichtet, an der Stötzner-Schule gäbe es ein breites Feld von Kindern mit besonderem Förderbedarf. Seine Erfahrungen an verschiedenen Schulorten und Schulstandpunkten zeigten, diese reine Sicht auf eine Behinderungsform existierte in der Realität kaum. An der Stötzner-Schule gäbe es jetzt schon Kolleginnen und Kollegen, die die Sprachheilausbildung hätten und in der Art und Weise auch jetzt schon eingesetzt werde.

 

Frau Hinterstein, Schulleiterin der Dr. Albert-Liebmann-Schule, erklärt, sie habe in vielen Gesprächen in den letzten Tagen immer wieder betont, das Konzept des Sonderpädagogischen Förderzentrums sei per se ein gutes. Sie stünden oft vor der Entscheidung, welcher Förderbedarf benötigt würde. Die SFZ seien eine große Chance, viele Professionalitäten unter einem Dach zu bündeln, die sich um die einzelnen Belange der Kinder kümmerten. Die Kinder würden sich wohlfühlen, egal wo sie sind, wenn sie Menschen gegenübertreten, die sie respektvoll behandeln und sich ihrer annehmen.

 

Auf Nachfrage von Landrat Scherf, was die Ängste der Eltern betreffe, antwortet Herr Knauer, Schulleiter der Janusz-Korczak-Schule, diese Emotionen der Eltern habe ihn, gerade wenn es um den Inklusionsgedanken ginge, überrascht. Die Ängste entbehrten jeglicher Grundlage. Wenn die Eltern der Liebmann-Schule in ein Förderzentrum gingen, dann sei ihnen die Sprachheilarbeit in den nächsten Jahren gesichert. Es würde keine Gruppe geschlossen und kein Lehrer müsse die Schule wechseln. Eisenbach werde in den nächsten Jahren ganz normal weiterlaufen. Man solle die ganzen Emotionen aus der Diskussion rausnehmen und auf eine Sachebene kommen.

 

Kreisrat Fieger findet es schwierig, in dieser frühen Phase eine Einschätzung darüber abzugeben, ob das Konzept tatsächlich tragfähig sei. Er bittet um eine kurze inhaltliche Darstellung, in welche Richtung das Thema SFZ gehen soll, welche Motivation dahinter stünde und was es strukturell und organisatorisch bedeute.

 

Frau Münzel fragt, wie die Einführung der SFZ die Schulen konkret betreffe. Wenn Eisenbach die nächsten Jahre nicht gefährdet sei, wo sei dann der Unterschied zu jetzt. Es sei noch nicht konkret zu fassen, was letztendlich in den Förderzentren anders sein soll.

Die Reaktion der Eltern zeige, dass offensichtlich mit ihnen nicht gut genug gesprochen worden sei. Da man jetzt erst am Anfang dieses Prozesses stehe, wäre ihre Bitte, intensive Gespräche mit den Eltern zu führen.

 

Frau Hinterstein führt aus, momentan seien in der Liebmann-Schule in Miltenberg zwei Vorschulgruppen, zwei Klassen und zwei sonderpädagogische Tagesstättengruppen untergebracht. Der Plan sei, dieses Haus so zu belassen und 1:1 zu übernehmen. Das zweite Projekt sei in Eisenbach. In diesem Haus hätten sie zwei SFE-Gruppen und vier Klassen. Dieses Haus würde auch 1:1 mit allen Klassen und Kollegen unter dem Namen Förderzentrum Obernburg übernommen. Die Schulleitungen werden dann für Miltenberg Herr Hermann und für das Förderzentrum Elsenfeld-Obernburg Herr Knauer sein.

 

Kreisrat Dr. Kaiser betrachtet die letzten zwei Tage als Sturm im Wasserglas. Vieles sei noch ungeklärt und es sei nicht Aufgabe des Kreistages, Versäumnisse bezüglich der Elterninformation nachzuholen. Er zitiert aus einem der Briefe, die von Eltern an ihn gerichtet wurden: Wir sind am letzten Freitag für Montag eingeladen worden zu einer Informationsveranstaltung, wobei den Eltern nicht mitgeteilt wurde, welches Thema anstünde. Angeblich sei hier Anweisung erteilt worden, die Schulleitungen dürfen keinerlei Informationen weitergeben. Er meint, man könne heute noch keine endgültige Entscheidung treffen.

Es sei auch Aufgabe des Schulträgers gewesen, vorab die Eltern zu informieren und vielleicht auch die Öffentlichkeit. Dann hätte man sich die Emotionen sparen können.

 

Landrat Scherf stellt klar, dass ein Beschluss heute nicht zur Debatte stehe. Es ginge darum, Klarheit in die vielen Fragen zu bekommen.

 

Kreisrat Dr. Linduschka möchte wissen, wo die konkreten Vorteile eines solchen Förderzentrums liegen.

 

Herr Reinhard fragt, worum es bei der Einführung der SFZ konkret ginge. Hintergrunde und Motivation der Einführung der SFZ seien ihm nicht ersichtlich und er findet die Reaktionen der Eltern sehr verständlich. Weiterhin möchte er wissen, wie es mit der Liebmann-Schule in Niedernberg weitergehe.

 

Herr Sicheneder legt dar, die Motivation sei, die Förderschwerpunkte zu vernetzen. Die pädagogische Förderung sei besser, da alle Fachrichtungen unter einem Dach seien. Organisatorisch hätte es Vorteile, weil die Regierung bei SFZ eine bessere Klassenbildung mit geringeren Schülerzahlen rechtfertigen könnte.

 

Herr Steigerwald ergänzt, es stünde nur ein organisatorisches Motiv dahinter. Die Außenstelle Miltenberg sei die am weitesten weg gelegene Stelle von der zentralen Stelle der Albert-Liebmann-Schule in Hösbach. Insofern sei es ein Pluspunkt, dass die 30-40 km weit entfernte  Außenstelle im Landkreis Miltenberg eine eigene Zuleitung vorhält. Das gleiche gelte auch für Eisenbach. Die Albert-Liebmann-Schule habe momentan zehn Standorte mit 600 Kindern und ist eine der größten in Bayern überhaupt und habe auch eine Größe, die von der Organisation her eigentlich ungünstig sei. Zehn Standorte verbreitet am gesamten Untermain ist für eine Schulleitung eigentlich nicht zumutbar. Niedernberg sei von der Einführung der SFZ nicht tangiert, weil der Kernbereich um die Standorte Hösbach herum von der Struktur her erhalten bliebe.

 

Kreisrat Kuhn fragt, ob man mit der Einführung der SFZ Geld sparen wolle und ob es nicht ein Argument wäre, die wohnortnahe Versorgung hier für die Struktur zu erhalten?

 

Herr Sicheneder antwortet, Geld sei keine Motivation. Wenn die Strukturen so umgesetzt würden, gewänne jeder Standort an Verwaltungskraftstunden.

 

Herr Steigerwald stellt klar, die SFZ werden für den Freistaat teurer.

 

Kreisrat Fieger fragt nach, ob es um eine Lotsenfunktion ginge, um Kinder speziell in das Haus zu schicken, wo der optimale Förderbedarf sei. Weiterhin möchte er wissen, was genau das mit dem Landkreis zu tun habe. Als Bürgermeister von Obernburg erkundigt er sich, wie es sich auf Eisenbach auswirke.

 

Landrat Scherf spricht Kreisratsrats Kuhn Aussage zur Wohnortnähe an. Die Schulleitung rücke näher zu den Kindern, es werde nichts geschlossen.

 

Herr Feil erklärt, dass der Landkreis Miltenberg als Sachaufwandsträger der Stötzner- und Korczak-Schule betroffen sei. Die Zahlen und Kosten müssten budgetiert werden. Faktisch ist die Einführung eines Förderzentrums die Zusammenführung zweier Schulen, nämlich einmal die Liebmann-Schule als private Ersatzschule und dann die staatlichen Schulen. Dies müsse abgeglichen werden und untersucht werden, welche Auswirkungen sich daraus ergäben. Die Frage sei auch, wie der Landkreis die Kostenaufteilung vornehme. Dies sei auch der Hintergrund der Vertragsentwürfe. Es gäbe momentan einen ersten Entwurf der Regierung. Ausgangspunkt für heute sei eigentlich die erste Information gewesen, weil hier über Geld geredet werde, das der Landkreis Miltenberg ausgebe. Weiterhin müssten die Kosten der Schülerbeförderung angesprochen werden, da die Systeme einer privaten Ersatzschule und staatlichen Schulen unterschiedlich seien.

 

Kreisrat Dr. Kaiser bemängelt, dass seine Frage nach der Information der Eltern noch nicht beantwortet sei. Es werde hier der öffentliche Vorwurf erhoben, die Schulleitung hätte einen Maulkorb bekommen, keine Informationen bis Montag weiterzugeben. Die Vorträge heute hörten sich sehr plausibel und logisch und sinnvoll für die Kinder an. Warum habe man daraus dann so ein Geheimnis daraus gemacht und habe die Eltern nicht rechtzeitig mit einbezogen. Der Umgang mit den Eltern müsse sich bessern. Es sei auch noch sehr viel Arbeit nötig, bevor die Mitglieder des Ausschusses eine Entscheidung treffen könnten.

 

Landrat Scherf stellt klar, dass er weder den Schulleitern einen Maulkorb zu geben hätte, noch hätte er es ansatzweise versucht. Ihm läge daran, dass die Schulen die Eltern informieren. Wenn dies bislang noch nicht ausreichend gelungen sei, bekämen die Schulen die notwendige Zeit.

 

Kreisrat Dr. Fahn bemerkt, dass er in den letzten Tagen viele E-Mails mit Kritiken bekommen hätte. Jetzt aber säßen hier ein Vertreter der Regierung von Unterfranken und drei Schulleiter, die sagen, alles sei positiv. Deswegen wäre es sinnvoll gewesen, wenn auch ein Vertreter der Eltern auf der Regierungsbank gesessen hätte und hätte sagen können, warum sie eine andere Position vertreten würden. Das Ganze hätte einen fahlen Nachgeschmack und die Schulleitungen hätten ein internes Kommunikationsproblem mit den Eltern. Dieses Problem müsse erst einmal gelöst werden, bevor das Thema im Kreistag besprochen werden könne.

 

Landrat Scherf stimmt zu, dass es ein internes Problem sei. Der Kreistag oder der Kreisausschuss sei aber nicht das richtige Forum für eine Informationsveranstaltung und für einen Informationsaustausch. Dies sei und bleibe Aufgabe der Schulfamilie. Das sei nicht die Aufgabe des Landkreises. Sie hätten dann eine Grundlage zu entscheiden, wenn dieser Kommunikationsprozess in den Schulen gemeinsam mit den Eltern und Familien abgeschlossen sei, dann hätten wir hier die Grundlage, uns mit der Thematik zu befassen.

 

Herr Steigerwald erklärt, dass es keinen Maulkorb für die Schulleiter gegeben hätte. Entstanden sei der Eindruck möglicherweise dadurch, dass sie sich mit Ende September 2015 ein sehr enges Zeitkonzept gesetzt hätten. Bevor sie nach außen gehen wollten, wollten sie sich erst untereinander über die Konzeption einigen, heißt Landkreis, Regierung, Caritas. Das sollte erst wenigstens in den wichtigsten Punkten geklärt sein. Er betont noch einmal, dass sprachbehinderte Kinder in einem SFZ keine Nachteile gegenüber einer ausgewiesenen Sprachheilschule hätten.

 

Herr Hermann unterstreicht, die SFZ ermöglichten einen ganzheitlichen Blick auf jedes einzelne Kind. Er hätte keinen Maulkorb bekommen, sondern es läge an dem engen Zeitplan. Die beteiligten Stellen hätten untereinander abgesprochen, dass sie die Einführung der SFZ gemeinsam an einem Termin den Eltern mitteilten. Sie stünden am Anfang und die Kommunikation müsse optimiert werden. Er macht das Angebot, dass sie die Eltern zu einem Gespräch an die Schule einladen würden, ganz speziell für die Stötzner-Schule könne er sagen, dieses Angebot gelte für circa zehn Leute heute um 18:00 Uhr. Dort könnten die Eltern zu einem Musical kommen. Die Eintrittskarte werde ihnen erlassen.

 

Kreisrat Reinhard möchte wissen, ob das Thema im nächsten Kreistag behandelt werde und forderte die Absetzung des Punktes.

 

Landrat Scherf erwidert, dass am nächsten Montag eventuell bereits über die weiteren Schritte berichten werden könne, weshalb das Thema wie vorgesehen auf der Tagesordnung verbleibe.

 

Landrat Scherf gibt den Zuhörern die Zusage, dass am Montag definitiv nichts entschieden werde.

 

Herr Sicheneder erklärt noch kurz auf Nachfrage von Kreisrat Weber zum Personal, dass der beamtete Lehrer im Dienst der Regierung bleibt. Bei Privatangestellten sei es die Caritas. Verbeamtete Lehrer, die zum Teil bei der Caritas arbeiteten, würden zugeordnet.

 

Die Mitglieder des Kreisausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.

© 2011 Landratsamt Miltenberg | Brückenstr. 2 | 63897 Miltenberg | Tel: 09371 501-0
Fernwartung