Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Aktivitäten zur Sicherung der Gesundheitsversorgung im Landkreis Miltenberg

BezeichnungInhalt
Sitzung:10.12.2014   BKS/002/2014 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Herr Dr. Dittmeier berichtet, die Sicherung der Gesundheitsversorgung gehört zu den elementarsten Aufgaben der gesellschaftlichen Daseinsfürsorge. Dieser kann sich niemand entziehen weder auf Bundes-, noch auf Landes- und auch nicht auf kommunaler Ebene, unabhängig davon ob er den gesetzlichen Sicherstellungsauftrag hat oder nicht hat oder ob er die Aufgabe wie z.Zt. bei der stationären Krankenhausversorgung bei uns im Landkreis Miltenberg an einen privaten Krankenhausbetreiber abgegeben hat.

 

Im Landkreis Miltenberg bestehen im Bereich der Gesundheitsversorgung zurzeit folgende Probleme:

 

·         Bereits seit Jahren besteht ein großes Problem bei der Wieder- bzw. Nachbesetzung von Hausarztsitzen vor allem in den Seitentälern des Spessarts und Odenwalds, vereinzelt aber auch im Maintal. Dies wird aufgrund des hohen Durchschnittsalters der Hausärztinnen und Hausärzte im Landkreis von zur Zeit 53,4 Jahren und des Faktums, dass rd. jede fünfte Hausärztin / jeder fünfter Hausarzt 63 Jahre und älter ist, in den nächsten Jahren noch weiter zunehmen.

 

·         Ganz aktuell besteht ein dringliches Wieder- bzw. Nachbesetzungsproblem im Südspessart, nachdem dort Ende März 2014 ein Hausarzt seine Praxis in Faulbach geschlossen hat und im Mai bzw. Juni 2014 zwei ältere Hausärzte in Hasloch im benachbarten Landkreis Main-Spessart und in Collenberg gestorben sind. Zu einer Problemlösung ist es bisher nicht gekommen.

 

·         Ein weiteres großes Problem stellt die Bedarfsplanung da, da diese weiterhin weder das Alter der Ärzte, noch die Praxisgrößen, noch die Ärzteverteilung innerhalb der jeweiligen Planungsbereiche und auch nicht die Infrastruktur und verkehrstechnische Anbindung der einzelnen Gemeinden berücksichtigt. Aufgrund dessen weist diese für den Landkreis Miltenberg auch rein rechnerisch bis auf wenige Ausnahmen eine Überversorgung aus, obwohl für die Bevölkerung eine wohnortnahe ärztliche Versorgung weder wahrnehmbar noch tatsächlich vorhanden ist.

 

·         Des Weiteren besteht ein dringender Handlungsbedarf bei den Fachärzten und hier insbesondere bei den Kinderärzten, auch wenn derzeit offiziell für letztere nur ein halber Arztsitz zu besetzen ist. Die zurzeit im Landkreis tätigen sechs Kinderärztinnen und -ärzte sind massiv überlaufen und überlastet, so dass sie für ihre Praxen bereits Annahmestopps verhängt sowie Eltern mit ihren Kindern an die Hausärzte und auch schon an das Gesundheitsamt verwiesen haben.

 

·         Ein weiteres Problem, welches ansteht und bisher noch nicht gelöst ist, stellt die Neuorganisation des ärztlichen Bereitschaftsdienstes und die Einrichtung zentraler Bereitschaftsdienstpraxen im Rahmen der neuen Bereitschaftsdienstordnung dar. Auch hier besteht weiterhin Handlungsbedarf.

 

·         Last but not least wurden Mitte Oktober 2014 auch noch die Umstrukturierungspläne der Helios-Kliniken im Landkreis mit einer Verlegung der gesamten Akutmedizin und Notfallversorgung an die Klinik Erlenbach und dem Weiterbetrieb der Klinik Miltenberg nach einer Verlegung der geriatrischen Rehabilitationsabteilung von Erlenbach dorthin nur noch als Reha- und Belegklinik bekannt. Diesen Prozess gilt es nach der Entscheidung des Krankenhausplanungsausschusses konstruktiv zu begleiten.

 

Bereits aufgrund der geschilderten Probleme im ambulanten Bereich hatte Herr Landrat Scherf die Initiative ergriffen und für den 06. August 2014 Vertreterinnen und Vertreter der Ärzte-, Zahnärzte- und Apothekerschaft, der Krankenhäuser, der Krankenkassen, des Hospiz-, Palliativ-, Pflege- und Selbsthilfebereichs sowie der Kommunalpolitik zu einem Gespräch über die Gesundheitsversorgung im Landkreis Miltenberg eingeladen. Rund 30 Personen waren der Einladung gefolgt und trugen äußerst engagiert ihre Kenntnisse, Erfahrungen und Beurteilungen vor. Der Vorschlag des Landrats, sich für die weitere Zusammenarbeit und Bewältigung der anstehenden Probleme zusammenzutun und um eine Aufnahme in das geplante neue Modellprojekt „Gesundheitsregionen plus“ des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege zu bewerben, erntete dabei breite Zustimmung und wurde allseits unterstützt und befürwortet.

 

Am 15. September 2014 fand dann in einer kleineren Runde noch ein Gespräch mit den beiden Regionalen Vorstandsbeauftragten der Bezirksstelle Unterfranken der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns statt, nachdem diese am vorgenannten Gespräch verhindert waren und nicht teilnehmen konnten. Auch von diesen wurde die Bewerbung des Landkreises Miltenberg um eine Aufnahme in das geplante neue Modellprojekt ausdrücklich begrüßt und befürwortet.

 

Die Bewerbung / Interessensbekundung um eine Aufnahme in das geplante neue Modell-projekt „Gesundheitsregionen plus“ beim Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit und Pflege erfolgte mit Schreiben vom 11. August 2014.

 

In einem Telefonat mit dem Gesundheitsministerium am 24. September 2014 wurde deren / dessen Eingang bestätigt und die Projektausschreibung für das geplante neue Projekt bis Mitte November 2014 angekündigt.

 

Mit Schreiben des Gesundheitsministeriums vom 24.10.2014 wurde der Eingang der Bewerbung und Interessensbekundung auch noch einmal schriftlich bestätigt. Des Weiteren wurde u.a. darin mitgeteilt, dass die Abstimmung des Konzeptes zurzeit noch im Gange sei und deshalb noch keine Anträge entgegengenommen werden können. Die Zusendung des endgültigen Konzeptes wurde uns aber zugesagt. Außerdem wurde uns bestätigt, dass der Landkreis Miltenberg mit seiner Bewerbung auf dem richtigen Weg sei. Die Bestandserhebung sei quasi schon durchgeführt worden. Unsere Erwartungen deckten sich weitgehend mit den Zielen des Projektes.

 

In einem weiteren Telefonat mit dem Gesundheitsministerium am 28. November 2014 teilte dieses mit, dass sich leider die Projektausschreibung und Konzeptveröffentlichung noch etwas hinausziehe. Bei den Bewerbungen / Interessenten stehe der Landkreis Miltenberg aber „ganz oben“.

 

Irgendwelche Entscheidungen stehen zurzeit nicht an. Diese sollten getroffen werden, sobald die Projektausschreibung und das Konzept für das neue Modellprojekt vorliegen und dann konkrete Entscheidungen und Beschlüsse gefällt werden müssen.

 

Nähere Informationen zum geplanten neuen Modellprojekt „Gesundheitsregionen plus“ (Stand: Mai 2014):

 

Mit dem geplanten neuen Modellprojekt „Gesundheitsregionen plus“ sollen die bisherigen drei Modellprojekte des Bayerischen Gesundheitsministeriums „Gesunder Landkreis“, „Gesundheits-regionen“ und „Regionale Gesundheitskonferenzen“ zu einem einzigen Projekt zusammengeführt werden.

 

Ziel des geplanten neuen Modellprojektes ist ein Netzwerk auf kommunaler Ebene zur Sicherung einer hochwertigen und wohnortnahen medizinische Versorgung sowie zur Stärkung der Gesundheit der Bevölkerung.

 

Alle Gesundheitsakteure vor Ort sollen noch stärker miteinander vernetzt und ihre Zusammen-arbeit noch verbessert werden.

 

Für die „Gesundheitsregionen plus“ ist die Einrichtung folgender Gremien / Stellen vorgesehen:

 

·         Ein Gesundheitsforum als zentrales Management- und Steuerungsorgan unter dem Vorsitz des Landrats oder Oberbürgermeisters mit maximal 20 bis 30 Mitgliedern (u.a. Vorsitzende/r des Ärztlichen Kreisverbandes, örtliche/r Vertreter/in der Kassenärztlichen Vereinigung, Vorsitzende der lokalen Ärzte- und Apothekennetzwerke, Vertreter/in der lokalen  Krankenhäuser und örtlichen Krankenkassen, Patientenvertreter/in; Kommunalpolitiker/innen usw.).

 

·         Zwei Pflichtarbeitsgruppen zur Gesundheitsversorgung vor Ort sowie zur Gesundheits-förderung und Prävention. Für weitere lokale Problemlagen können zusätzliche Arbeitsgruppen eingerichtet werden. Mitglieder in den Arbeitsgruppen sollen die zuständigen Akteure und Experten sein.

 

·         Eine Geschäftsstelle zur zentralen Organisation und Koordination innerhalb und zwischen den „Gesundheitsregionen plus“.

 

Alle Einrichtungen, Stellen und Gruppen, die vor Ort bei der gesundheitlichen Versorgung sowie der Gesundheitsförderung und Prävention eine wichtige und wesentliche Rolle spielen, sollen eingebunden werden.

 

Unabdingbar ist die Teilnahme von Vertretern der Kommunalpolitik.

 

Als Förderung für die Geschäftsstelle war vorbehaltlich der Bereitstellung von Haushaltsmitteln eine Anteilfinanzierung in Höhe von bis zu 70 % der förderfähigen Ausgaben, max. 50.000 Euro pro Jahr, für eine Laufzeit von 5 Jahren vorgesehen.

 

 

Landrat Scherf fügt hinzu, es sei wichtig und gut, die Betroffenen gemeinsam an einen Tisch zu holen. Durch um Umstrukturierungen seien viele Fragen und Sorgen aufgeworfen worden. Klarheit schaffe man dann, wenn man die Akteure gemeinsam an einen Tisch hole. Die Ergebnisse dieser Besprechung sei auch an die Mitglieder des Kreistages schriftlich verschickt worden.

 

Kreisrat Dr. Linduschka regt an, man müsste die Abgeordneten ansprechen, damit diese sich über den Landtag einsetzen. Was ihn störe sei, dass die Planung offensichtlich relativ schwammig laufe und Verschiebungen erfolgen. Er halte auch die Gespräche für wichtig, aber es seien nach wie vor Probleme vorhanden, die man ansprechen müsse, zum Beispiel die Belegarztbesetzung in Miltenberg.

 

Landrat Scherf antwortet, man wäre froh, wenn man schon weiter wäre, auch weil man unter einem gewissen Druck stehe, mit dem Arbeitsprozess zu beginnen.

 

So richtig komme der Glaube bei ihm noch nicht auf, so Kreisrat Frey. Man kenne die Situation, Hausärzte seien überfordert, auch wenn rechnerisch genug da seien. Die geografische Aufteilung sei extrem unglücklich. Man wisse auch, dass Stellen bei Helios gestrichen worden seien. Nun komme Gesundheitsregionen plus. Sicher eine gute Sache, aber wenn etwas dabei herauskommen solle, müssten für ihn zwei Bedingungen gegeben sein: Einmal die defizitäre Versorgung, die man derzeit habe, müsse zum Teil durch mangelnde Kommunikation kommen, weiterhin müssten substantiell mehr Tätige im Gesundheitswesen vor Ort engagiert werden. Wenn man also zu wenige Ärzte habe und Helios Personal abbaue, könne das durch so eine Runde, die sich am Tisch zusammensetze, nicht kompensiert werde, das müsse einfach klar sein. Man habe wenig Möglichkeiten zur Gestaltung und müsse daher alle Strohhalme ergreifen, davon sei dies sicher einer, aber für mehr erachte er dies aktuell nicht. Man müsse sehen, dass man nun substantiell etwas bewirke, er meine z.B. eine ärztliche Bereitschaftspraxis für den Süden oder eine abgespeckte Notaufnahme in Miltenberg.

 

Zum Stichwort ärztliche Bereitschaftspraxis meint Landrat Scherf, so etwas könne man nicht verordnen. Es sei allen bewusst, dass es auch im nördlichen Landkreis ein langer Weg gewesen sei, auf dem wieder Vertrauen aufgebaut werden müsse. Hier müsse man behutsam vorgehen und die Akteure gemeinsam an einem Tisch sitzen. Über eine abgespeckte Notaufnahme brauche man nicht reden, dies sei Sache des Krankenhausträgers und dort sei klar entschieden worden, dass die Notaufnahme aus Miltenberg wegkomme. Dies sei Fakt und daran könne man nichts ändern, hier habe man keinen Einfluss. Dies müsse nun in Erlenbach gut funktionieren. Zu Gesundheitsregionen plus wolle er sagen, dies sei mehr als reden und koordinieren. Er habe aus den Gesprächen mitgenommen, dass es viele Handlungsmöglichkeiten, Ideen und Projekte gebe. Die gelte es anzupacken und umzusetzen. Er schätze es sehr, dass Herr Wolfgang Zöller als ehemaliger Patientenbeauftragter Kompetenz, Wissen und Erfahrung habe und dieses eingebracht werden könne.

 

Kreisrat Wolfgang Zöller erläutert, das Hauptproblem habe bisher daran gelegen, dass die Zusammenarbeit zwischen den niedergelassenen Ärzten und dem Krankenhaus nicht funktioniert habe. Jeder habe für seinen Bereich versucht, das Optimale herauszuholen, und dabei vergessen, dass es um die Patienten gehe. Und oft habe man sich auch darauf berufen, dass es eine strikte Trennung zwischen ambulant und stationär gegeben habe. Dies sei gesetzlich in den letzten zwei Jahren Gott sei Dank wesentlich geändert worden, auch was die Planungsregionen angehe. Jetzt gehe man von den Bedürfnissen der Patienten aus. Die gesetzlichen Voraussetzungen seien jetzt gegeben. Bei manchen Beteiligten sei dies noch nicht angekommen. Man könne also wesentlich mehr patientenorientierte Strukturen aufbauen. Es gebe schon Musterregionen, in denen es hervorragend laufe. Wenn es uns nun gelinge, und hier sei er zuversichtlicher als Kollege Frey, dass hier an einem Tisch wirklich das Optimale für die Patienten herausgeholt werde, dann werde man die miese Trennung zwischen ambulant und stationär überwinden müssen. Der erste Weg sei mehr als zu begrüßen, ein Bereitschaftszentrum im Norden, es sei nur eine Frage der Zeit, bis dies auch im Süden der Fall sein werde, weil beide Seiten davon profitieren werden und niemand mehr Angst haben müsse, dass Patienten weggenommen werden. Dieses rein wirtschaftliche Denken sei überholt. Was noch zu bemängeln sei: die Planungsregionen könnten anders gestaltet werden, wie es zurzeit noch der Fall ist, weil die Kommunen nicht in gebührendem Maße eingebunden werden. Die Kommunen sollten auch bei der Bedarfsplanung stärker eingebunden werden.

 

Wichtiger als die Notaufnahme sei für sie die Zeit, wie schnell der Notarzt an einem bestimmten Punkt und bei einem Patienten sei, so Kreisrätin Wörner. Sie frage außerdem, wieviel Personal mehr die  Notaufnahme in Erlenbach erhalte (es kommen ja mehr Patienten an) und ob die Intensivbetten in der Summe weniger seien.

 

Landrat Scherf antwortet, die Zusage sei gewesen, die Chirurgen von ein auf zwei und die Internisten von zwei auf drei aufzustocken in der Kernzeit von 11 bis 23 Uhr. Bei den Pflegekräften seien keine konkreten Zahlen genannt worden. Die Intensivbetten seien in der Summe abgestuft, sie seien aber jederzeit in der Lage, hier aufzustocken. Er verweist darauf, dass er die genauen Zahlen schriftlich mitgeteilt habe.

 

Kreisrat Thomas Zöller lobt diesen Runden Tisch und den Einsatz des Landrates. Aber man müsse sich klar sein, dass man es als Kreistag nicht mehr steuern könne. Das Handeln sei aus der Hand gegeben worden, dies sei nun bei HELIOS. Der Landrat könne nur noch vermitteln und dies tue er schon.

 

Kreisrat Lieb fragt, ob die Geschäftsstelle der Gesundheitsregionen plus unter dem Dach und der Leitung des Landratsamtes gedacht sei. Und was passiere, wenn nach fünf Jahren die Förderung auslaufe.

 

Herr Dr. Dittmeier antwortet, dies könne der Landrat entscheiden.

 

Landrat Scherf ergänzt, die Situation bezüglich Förderung oder einer eventuellen Übernahme müsse man sich dann in vier Jahren ansehen, wenn man den Prozess soweit durchlaufen habe.

 

Kreisrat Wolfgang Zöller fügt hinzu, man dürfe nicht den Fehler machen und sagen, wenn es nicht laufe, sei HELIOS daran schuld. Man müsse hier gemeinsam sehen, dass man voran komme. Es gebe gute Beispiele, unabhängig vom Träger.

 

Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales nimmt die Ausführungen zur Kenntnis.

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