Tagesordnungspunkt

TOP Ö 2: Tätigkeitsbericht SEFRA e.V.

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.12.2014   KT/006/2014 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Frau Metz, Sefra e.V., beginnt mit ihrem Jahresbericht. Sie sei der Einladung gerne gefolgt,  vorausgegangen sei ein Besuch des Landrates im Herbst des Jahres in der Beratungsstelle. Bei diesem Besuch, an dem auch die Gleichstellungsbeauftragte, Frau Seidel, dabei gewesen sei, hatte sie bereits Gelegenheit, einige Schwerpunkte der Arbeit zu erörtern. Einerseits wolle sie einen kurzen Einblick in den Alltag der Beratungsstelle geben, andererseits werde sie einen kurzen historischen Abriss der Vereinsgeschichte  Entwicklungen und Veränderungen aufzeigen. Nicht zuletzt wolle sie einige Schwerpunktthemen, die für SEFRA, aber auch für den Bundesverband der Frauenberatungsstellen und Frauennotrufe gegenwärtig  von besonderer Bedeutung seien, benennen.

Der Verein SEFRA sei 1985 von engagierten Aschaffenburgerinnen gegründet worden und könne demzufolge im nächsten Jahr sein 30jähriges Jubiläum begehen. Er habe  sich vom Ehrenamt über ABM bis zur professionellen öffentlich geförderten Beratungsinstitution entwickelt. Heute arbeiten einschließlich ihr drei hauptamtliche Fachkräfte sowie eine Verwaltungskraft in der Beratungsstelle von SEFRA e. V.

SEFRA sei ein gemeinnütziger  eingetragener Verein. Der Verein habe einen ehrenamtlichen Vorstand, zurzeit Frau Levent und Frau Tellioglu. Zahlreiche ehrenamtlich tätige Mitglieder unterstützen insbesondere in den Bereichen Öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungsorganisation.

Laut Jahresbericht hatte der Verein im Jahr 2013 Gesamtausgaben in Höhe von 207.000 Euro. Die Finanzierung dieser Ausgaben erfolge über Zuschüsse der Stadt Aschaffenburg und der beiden Landkreise Miltenberg und Aschaffenburg in Höhe von ca. 100.000 Euro, weitere knapp 20.000 Euro Förderung erhalte man über die Regierung Unterfranken vom bayerischen Staatsministerium. Das heißt: knapp 58% der Ausgaben seien durch öffentliche Förderung gedeckt, 42 % müsse der Verein aus Eigenmitteln bestreiten. Das sei jedes Jahr eine neue Herausforderung!

Neben Mitgliedsbeiträgen und Bußgeldzuweisungen sei man im Wesentlichen auf Spenden und Sponsoring angewiesen. Damit sie nicht missverstanden werde, sie möchte keinesfalls eine höhere öffentliche Förderung verlangen, denn man habe zuletzt im Jahr 2009 eine Finanzierungsvereinbarung mit den drei genannten Gebietskörperschaften abgeschlossen. Sie wolle nur deutlich machen, dass die Akquisition von Eigenmitteln neben der Beratungsarbeit ein erheblicher Arbeitsschwerpunkt sein müsse und geworden sei. Man müsse demzufolge auch zu Expertinnen für Marketing und Fundraising werden.

Anerkennung und Förderung bekomme der Verein über Öffentlichkeitsarbeit, Veranstaltungen, wie etwa den jährlich stattfindenden Stadtlauf: SEFRA renne gegen Gewalt, aber auch Fachveranstaltungen, Werbeaktionen in Fußgängerzonen und ähnliches. Selbst mit Kinospots habe man schon auf die Arbeit der Beratungsstelle aufmerksam gemacht. Mehrsprachige Flyer, unter anderem in Türkisch, Russisch, Arabisch und Englisch sollen Frauen mit Migrationshintergrund die Teilhabe am Beratungsangebot sichern. Diese Aufgabe gewinne zunehmend an Bedeutung vor dem Hintergrund der Entwicklung unserer Gesellschaft zu einer Einwanderungsgesellschaft.

 

Schwerpunkte unserer Beratung:

Zielgruppe seien Mädchen und Frauen ab 16 Jahren, die vergewaltigt worden seien oder sexualisierte Gewalt erleben bzw. erlebt haben Daraus ergebe sich bei fachlicher Betrachtung notwendigerweise

       Fachberatung bei Häuslicher Gewalt

       Fachberatung bei Stalking

       Beratung und therapeutisch begleitete Gruppenangebote

       Präventionsangebote in Form von Elternabenden in Kindergärten und Schulen, sowie Multiplikatorinnenschulungen in verschiedenen relevanten sozialen Einrichtungen.

       Beratung bei Essstörungen

       Rechtsberatung durch eine Rechtsanwältin

 

Der Schwerpunkt der Beratungsstelle liege in der persönlichen Einzelberatung von Frauen, mit dem Ziel Traumata zu verarbeiten und ihnen Wege aufzuzeigen, die ihnen ein gewaltfreies, selbstbestimmtes Leben ermöglichen. Im Jahr 2013 seien mehr als 650 persönliche Beratungsgespräche durchgeführt worden, davon etwa die eine Hälfte Erstberatungen und die andere Hälfte Folgeberatungen. Es lasse sich bereits jetzt absehen, dass die Zahl der Beratungen in diesem Jahr noch höher sein werde.

 

Zur Erfüllung der genannten Aufgaben der Beratungsstelle gehöre selbstverständlich ein gut funktionierendes Netzwerk, zu dem Frauenhäuser, Ärztinnen und Ärzte, Polizei und Justiz ebenso gehören wie Arbeitskreise, Verwaltungen – hier insbesondere die Gleichstellungsbeauftragten – Politik, Vereine und Verbände und andere Fachberatungsstellen.

Darüber hinaus sei man stets bemüht, aktuellen Entwicklungen durch Einbindung von Wissenschaft und Forschung in Fachveranstaltungen Rechnung zu tragen. Als Themen seien beispielsweise K.O. Tropfen oder auch Cybermobbing genannt. Die Beraterinnen seien daher zur Fort-und Weiterbildung geradezu verpflichtet. Ebenso biete man auch selbst Fort-und Weiterbildungen für Organisationen und Gruppen an. Weitere Details der Arbeit könne man dem letzten Jahresbericht entnehmen. Sie habe einige Exemplare mitgebracht. Gerne könne man diesen Bericht über die Webseite www.sefraev.de downloaden.

Über die genannten aktuellen Aufgaben hinaus wolle sie noch kurz einem zukünftigen Arbeitsfeld zu wenden, nämlich dem sogenannten pro-aktiven Ansatz:

Mit der Förderung von Beratungsstellen, die den pro-aktiven Beratungsansatz umsetzen, soll das bestehende Hilfeangebot für gewaltbetroffene Frauen (Frauenhäuser und Notrufe) um ein niedrigschwelliges Beratungsangebot ergänzt werden. Der pro-aktive Beratungsansatz ist ein zugehendes psychosoziales Beratungsangebot (sog. „Geh-Struktur“): Nach einem polizeilichen Einsatz bei häuslicher Gewalt übermittelt die Polizei - mit Einverständnis der Frau - die Kontaktdaten an die Interventionsstelle. Die Beraterinnen nehmen dann innerhalb von spätestens drei Tagen Kontakt zu der Frau auf.

Es erfolgt eine telefonische Erstberatung und das Angebot weiterer Beratung und Unterstützung. Zwischen der Interventionsstelle und der bzw. den jeweiligen Polizeiinspektionen vor Ort wird eine Kooperationsvereinbarung getroffen. Geplant ist die Einrichtung eines dezentralen Systems von pro aktiv beratenden Beratungsstellen, die jeweils bei bestehenden Frauenschutzeinrichtungen - i.d.R. bei Frauenhäusern/Notrufen - angesiedelt werden sollen. Dabei ist eine möglichst gleichmäßige Verteilung unter Berücksichtigung der regionalen Besonderheiten sicherzustellen. Idealerweise sollten sich mehrere Kommunen einer Beratungsstelle zuordnen.

In anderen Bundesländern habe sich dieser Ansatz bereits bewährt und ab 2015 solle der pro-aktive Beratungsansatz nach häuslicher Gewalt auch in Bayern umgesetzt werden. SEFRA habe bereits eine Interessenbekundung beim Spitzenverband, dem Paritätischen, eingereicht. Sie gehe davon aus, dass es mit der Umsetzung des pro-aktiven Ansatzes gelingen werde, eine große Lücke in der bisherigen Beratungspraxis zu schließen.

Die Erweiterung des Beratungsangebotes um den pro-aktiven Ansatz werde für die Landkreise Miltenberg und Aschaffenburg sowie für die Stadt Aschaffenburg eine erhebliche qualitative Verbesserung der Hilfen für Frauen zur Folge haben und nicht zuletzt die Kooperation zwischen Polizei und Beratungsstellen nachhaltig im Sinne der Betroffenen professionalisieren.

Sie freue sich, dass der  Dialog mit der Politik sich in den vergangenen Jahren intensiviert habe. So sei etwa der bayerische Justizminister, Herr Bausback, Anfang Dezember in der Beratungsstelle zu Gast gewesen, um über aktuelle Themen zu diskutieren und damit zusammenhängenden Praxiserfahrungen und Vorschlägen in die politischen Gremien zu tragen.

Zuletzt wolle sie die Frage stellen: Was können die Kreistagsmitglieder als politische Vertreterinnen und Vertreter im Landkreis Miltenberg tun?

Nicht, dass es darauf eine allgemein gültige Antwort gäbe, aber Gewalt, auch häusliche Gewalt findet im Verborgenen statt, im vermeintlich geschützten Privaten. Häusliche Gewalt aber sei eine Straftat, keine Privatangelegenheit und schon gar kein Kavaliersdelikt, d. h. hier also müssen jeder hinschauen und handeln und die Straftaten in den öffentlichen Raum holen, um einen Beitrag zur Ächtung und natürlich  auch zur Bestrafung von Gewalt gegen Frauen und Kinder zu leisten.

Man brauche eine Vision von einem gewaltfreien, toleranten und respektvollen Umgang in unserer Gesellschaft, nicht nur in Miltenberg und Aschaffenburg, sondern überall. Sie bitte um gemeinsame Arbeit an der Umsetzung dieser Vision! In diesem Sinne bitte sie um Unterstützung bedanke sich für die Aufmerksamkeit.

 

Landrat Scherf dankt ihr für ihren ausführlichen Bericht und den eindrücklichen Appell, damit Bekenntnis zu einem gewaltfreien, von Wertschätzung geprägten Umgang miteinander und natürlich einer Ächtung häuslicher Gewalt. Er dankt für die Informationen zur Beratungstätigkeit und hält fest, 650 Beratungsgespräche im Jahr, davon gut die Hälfte Neuberatungen, der Bedarf sei vorhanden. Daher werde der Landkreis Miltenberg dies, genau wie das Frauenhaus Aschaffenburg, weiterhin unterstützen.

 

Kreisrat Dr. Linduschka dankt für den informativen Bericht. Er habe mit zwei Polizeiinspektionen in den letzten drei Monaten gesprochen und wisse, dass gerade bei der Polizei das pro-aktive Angebot auf sehr viel Gegenliebe stoße, weil auch oft Polizisten vor Situationen hilflos stehen. Dies sei ein zentraler und wichtiger Ansatz. Er gehe davon aus, dass die Arbeitsanfälle noch deutlich größer werden. Dies müsse man im Hinterkopf behalten, diese Aufgaben seien extrem groß und werden wahrscheinlich zahlenmäßig zunehmen. Die Ausgaben seien sinnvoll und in die Zukunft gerichtet.

 

Es sei ihr nicht bewusst gewesen, dass es sich um einen Verein handele, so Kreisrätin Münzel, nachdem sie ihren Dank geäußert hat. Sie fragt nach Beratungsangeboten für Kinder unter 16 Jahren.

 

Kreisrat Dr. Fahn fragt nach den Stellen der Mitarbeiter (Voll- oder Teilzeit). Außerdem fragt er nach Inhalt und Bedeutung der digitalen Gewalt. Auch interessiere ihn, wieviel Prozent der Beratungsgespräche auf Frauen aus dem Landkreis Miltenberg zurück-

 

Kreisrätin Wolf-Pleßmann merkt an, durchschnittlich ein Beratungsgespräch pro Tag sei erschreckend. Sie fragt, ob der pro-aktive Ansatz mit dem derzeitigen Personal zu schaffen sei.

 

Frau Metz antwortet auf die Fragen, für Kinder unter 16 Jahren gibt es in den Landkreisen Miltenberg und Aschaffenburg leider keine Fachberatungsstelle. Dies werde aber von anderen Beratungsstellen im Rahmen von deren Möglichkeiten momentan mitgemacht. Zu ihnen kommen die jungen Frauen ab 16 Jahren, daran müssten sie auch aufgrund der Kapazitäten festhalten.

Zum Personal erläutert sie, sie habe drei Beraterinnen mit zwei Vollzeitstellen. Durchschnittlich werden also am Tag zwischen drei und fünf Beratungen pro Beraterin durchgeführt. Aus dem Landkreis Miltenberg seien im Jahr 2013  15,6 % (ca. 50 Frauen) gekommen. Zur digitalen Gewalt erklärt sie, dazu gehöre alles was mit Facebook, Cybermobbing und den neuen Medien zu tun habe.

 

Der Kreistag nimmt die Ausführungen zur Kenntnis.

© 2011 Landratsamt Miltenberg | Brückenstr. 2 | 63897 Miltenberg | Tel: 09371 501-0
Fernwartung