Tagesordnungspunkt

TOP Ö 8: Erstellung eines Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung sowie Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes

BezeichnungInhalt
Sitzung:02.07.2014   BKS/001/2014 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Herr Dr. Dittmeier erläutert den Sachverhalt:

 

1. Seniorenpolitisches Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg

 

Vor dem Hintergrund des demographischen Wandels und der zunehmenden Zahl älterer und pflege-bedürftiger Menschen wurde auf der Grundlage des Art. 69 Abs. 2 AGSG in den Jahren 2008 bis 2010 das Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg erstellt. Dieses war sehr auf-wendig und umfasste in einem sehr umfangreichen Prozess u.a. die Beteiligung von allen 32 Landkreisgemeinden und ihren Seniorenbeauftragten, 2.500 Landkreisbürgerinnen und -bürgern über 60 Jahre, allen Diensten und Einrichtungen der ambulanten, teilstationären und stationären Altenhilfe sowie 40 Institutionen im Bereich der „offenen Seniorenarbeit“ und zwei ganztätige Workshops mit jeweils über 70 regionalen Expertinnen und Experten. Außerdem gab es ein 20-köpfiges Begleitgremium mit Vertretern des Kreistags, der Bürgermeister, der Wohlfahrtsverbände, der ehrenamtlichen Seniorenarbeit, der Ärzteschaft und der Landkreisverwaltung, das während seiner Erstellung insgesamt dreimal tagte und schließlich den Entwurf im Mai 2010 dem damaligen Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales zur Annahme und zur Abgabe eines Empfehlungsbeschlusses an den Kreistag vorgelegt hat. Der damalige Kreistag hat danach am 17. Mai 2010 das Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg einstimmig angenommen und beschlossen. Im November 2010 wurde es vom Bayerischen Sozialministerium im Rahmen einer Förderpreisverleihung mit einem zweiten Preis ausgezeichnet.

 

Das Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg umfasst auf insgesamt 151 Seiten 11 Handlungsfelder (Wohnen zu Hause; Integrierte Orts- und Entwicklungsplanung; Gesellschaftliche Teilhabe; Bürgerschaftliches Engagement von und mit Senioren; präventive Angebote; Unterstützung pflegender Angehöriger; Angebote für besondere Zielgruppen; Hospiz- und Palliativversorgung; Kooperations- und Vernetzungsstrukturen; Beratung, Information und Öffentlichkeitsarbeit; Betreuung und Pflege) und die Pflegebedarfsplanung bis zum Jahre 2019. In den 11 Handlungsfeldern sind insgesamt 66 Maßnahmenvorschläge und -empfehlungen formuliert, davon 28 in Zuständigkeit des Landkreises alleine oder mit anderen und 41 in Zuständigkeit der Gemeinden ebenfalls alleine oder mit anderen.

 

Nach der Verabschiedung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes für den Landkreis gab es eine große Aufbruchstimmung. Sehr viele Gemeinden haben sich damit beschäftigt, Seniorenbeauftragte bestellt und/oder auch Seniorenbeiräte eingerichtet, ihre Infrastruktur überprüft, neue Dienste und Einrichtungen initiiert und geschaffen sowie teilweise auf seiner Grundlage auch selbst eigene gemeindliche Seniorenpolitische Konzepte erstellt. Drei von fünf eingereichten gemeindlichen Konzepten (Bürgstadt, Elsenfeld und Mönchberg) wurden schließlich im Rahmen einer landkreisweiten Ausschreibung Ende November 2013 mit einem Preisgeld ausgezeichnet. Seitens des Landkreises wurden u.a. im Oktober 2010 eine Fachstelle für Senioren eingerichtet, das bereits im Jahre 2002 gegründete Seniorennetzwerk reaktiviert und neu ausgerichtet sowie Empfehlungen für Seniorenbeauftragte und -beiräte in den Gemeinden erarbeitet und nach Abstimmung mit dem Bayerischen Gemeindetag im Landkreis Miltenberg herausgegeben.

 

 

2. In Krafttreten der UN-Behindertenrechtskonvention

 

Im März 2009 ist in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention aus dem Jahre 2006 in Kraft getreten. Diese richtet sich an alle staatlichen Stellen und verpflichtet Bund, Länder und Kommunen zu ihrer Umsetzung. Seitens der Bundesregierung wurde dazu bereits im Jahre 2011 ein Nationaler Aktions-plan herausgegeben. Bayern folgte im Jahre 2013 mit einem eigenen Aktionsplan.

 

Im Nationalen Aktionsplan der Bundesregierung werden insbesondere die Länder und Kommunen aufgerufen, weitere Aktionspläne zur Ergänzung und Vernetzung mit dem Nationalen Aktionsplan zu erstellen.

 

Im Bayerischen Aktionsplan heißt es dazu, dass insbesondere die Landkreise, kreisfreien Städte und Bezirke aufgerufen sind, Konzepte zu entwickeln, mit denen die unterschiedlichen Planungen verknüpft und sinnvoll aufeinander abgestimmt werden. Dies gelte insbesondere auch für örtliche und überörtliche Planungen, die ineinandergreifen müssten und nicht unterschiedliche Ziele verfolgen dürften.

 

Ziel der UN-Behindertenrechtskonvention ist es, eine inklusive Gesellschaft zu schaffen, in der Menschen mit Behinderung von Anfang an und im vollen Umfang die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben am gesellschaftlichen Leben teilzuhaben wie Menschen ohne Behinderung sowie selbstbestimmt, gleich-berechtigt, uneingeschränkt und ohne irgendwelche Barrieren miteinander zusammenleben können.

 

Inklusion geht damit weit über das bisherige Ziel der Integration hinaus. Nicht mehr der behinderte Mensch hat sich an die bestehenden gesellschaftlichen Strukturen anzupassen und erhält hierfür erforderlichenfalls Hilfen und Unterstützung, sondern die Gesellschaft hat Strukturen zu schaffen, in denen sich jeder, auch Menschen mit Behinderung, einbringen und auf ihre jeweils eigene Art und Weise teilhaben und verwirklichen können. Dabei sind die Bereiche Leben, Wohnen, Lernen und Arbeiten von ganz herausragender Bedeutung und entscheidender Relevanz.

 

Erste Überlegungen und Vorschläge für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Landkreis Miltenberg sowie eine Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamt-konzeptes aus den Jahren 2008/2010:

 

Auf der Grundlage der rechtsverbindlichen UN-Behindertenrechtskonvention ist es jetzt an der Zeit und auch erforderlich, für den Landkreis Miltenberg einen Teilhabeplan für Menschen mit Behinderung zu erstellen. Dies entspricht sowohl dem Auftrag und der Forderung der Konvention als auch den bereits erstellten beiden Aktionsplänen auf Bundes- und Landesebene.

 

Zusätzlich und darüber hinaus bietet es sich an, nachdem inzwischen rund fünf Jahre vergangen sind und die Handlungsfelder sich teilweise überschneiden, auch eine Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes aus den Jahren 2008/2010 vorzunehmen. Dabei sollte es nicht nur um eine reine Dokumentation sowie ein reines Aufzählen und Abhaken von erledigten Maßnahmen-vorschlägen und -empfehlungen gehen, sondern sollte auch den Fragen nachgegangen werden, welche Rahmenbedingungen sich zwischenzeitlich verändert haben und welche fördernde und hemmende Faktoren es jeweils gegeben hat. Das Ergebnis sollte schließlich die Anpassung und Fortschreibung des Maßnahmenkatalogs sein.

 

Wie beim Seniorenpolitischen Gesamtkonzept so sollte auch mit der Erstellung des Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung ein Institut bzw. eine Anbietergemeinschaft beauftragt werden, welche/s bereits Erfahrungen damit besitzt und entsprechende Referenzen vorweisen kann.

 

Aufgrund der anzustrebenden Kompatibilität des Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung mit dem bereits vorhandenen Seniorenpolitischen Gesamtkonzept sowie dessen geplanten Evaluation und Fort-schreibung würde sich möglicherweise eine erneute Zusammenarbeit mit der Arbeitsgemeinschaft Sozialplanung in Bayern (Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Alterforschung (AfA) aus München & Institut für Sozialplanung, Jugend und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) aus Augsburg) empfehlen.

 

 

Die Erstellung des Teilhabeplans sollte – wie beim Seniorenpolitischen Gesamtkonzept – wieder in modularen Arbeitsschritten u.a. mit einer Bestands- und Bedarfserhebung und -bewertung, Feststellung der Handlungsfelder und Festsetzung der Ziele sowie Formulierung von Maßnahmenvorschlägen und -empfehlungen bei einer jeweils direkten Beteiligung der Betroffenen bzw. ihrer Angehörigen sowie aller in unserem Landkreis tätigen Dienste, Einrichtungen, Organisationen usw. erfolgen.

 

Für das praktische Vorgehen bieten sich für die Erstellung des Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung sowie die Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes zwei Varianten an:

 

1. Variante: Erstellung des Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung sowie anschließende Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes.

 

2. Variante: Gleichzeitige Erstellung des Teilhabeplans für Menschen mit Behinderung sowie Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes.

 

Beide Varianten haben aus der Sicht der Verwaltung u.a. folgende Vor- und Nachteile:

 

 

 

Vorteile

 

Nachteile

 

 

Variante 1

 

o   Ausschließliche Beschäftigung mit jeweils einer Bevölkerungsgruppe

 

o   Volle Konzentration auf jeweils nur ein Thema / Konzept

 

o   Gezielte Betrachtung der jeweiligen Bedürfnisse und Angebote

 

o   Größere Aufmerksamkeit und Wertschätzung bei der jeweiligen Bevölkerungsgruppe

 

 

o   Ausschließliche Beschäftigung mit jeweils einer Bevölkerungsgruppe

 

o   Mehrmalige Beschäftigung mit identischen bzw. teilweise sich überschneidenden Handlungsfeldern 

 

o   Mehrfachbelastungen für Gemeinden, Betroffene, Dienste, Einrichtungen, Experten usw.

 

o   Evtl. Probleme bei der Zusammen-führung bzw. Inbeziehungsetzung der beiden Konzepte

 

 

Variante 2

 

o   Gleichzeitige Beschäftigung mit beiden Bevölkerungsgruppen

 

o   Einmalige Beschäftigung mit identischen bzw. teilweise sich überschneidenden Handlungsfeldern

 

o   Vermeidung bzw. Minimierung von Mehrfachbelastungen für Gemeinden, Betroffene, Dienste, Einrichtungen, Experten usw.

 

o   Keine bzw. weniger Probleme bei der Zusammenführung bzw. Inbeziehungsetzung der beiden Konzepte

 

 

o   Gleichzeitige Beschäftigung mit beiden Bevölkerungsgruppen

 

o   Keine volle bzw. ausschließliche Konzentration auf jeweils nur ein Thema / Konzept

 

o   Evtl. weniger gezielte Betrachtung der jeweiligen Bedürfnisse und Angebote

 

o   Evtl. geringere Aufmerksamkeit und Wertschätzung bei der jeweiligen Bevölkerungsgruppe

 

 

 

 

Nach Abwägung der Vor- und Nachteile der beiden Varianten wird seitens der Verwaltung die Variante 2 favorisiert. Ihre Vorteile liegen auf der Hand. Ihre eventuellen und möglichen Nachteile können durch eine entsprechende Umsetzungsplanung und -strukturierung reduziert bzw. vermieden werden. Dies ist bei der Variante 1 nicht der Fall.

 

Nach einer ersten Anfrage der Verwaltung ist für die Erstellung des Teilhabeplans sowie die Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes mit Nettokosten in Höhe von etwa 55.000 € und 20.000 € und damit insgesamt von etwa 75.000 € zu rechnen.

 

Nachdem bisher sowohl für die Erstellung des Teilhabeplans als auch für die Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes keine Haushaltsmittel zur Verfügung stehen, müssen diese erst in die Haushalte 2015 und 2016 eingeplant und eingestellt werden, so dass frühestens im Frühjahr 2015 nach der Haushaltsverabschiedung damit begonnen werden kann.

 

Für die Erstellung des Teilhabeplans sowie die Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzept wird mit einer Gesamtdauer von gut 1 ½ bis 2 Jahren gerechnet.

 

Als nächster Schritt ist seitens der Verwaltung vorgesehen, sowohl die bereits genannte Anbieter-gemeinschaft als auch noch andere Institute anzuschreiben, auf die hiesigen Überlegungen und Planungen hinzuweisen sowie jeweils um die Abgabe eines detaillierten und verbindlichen Angebotes zu bitten.

 

Darüber hinaus sollte auf jeden Fall auch noch eine Abstimmung mit dem Bezirk Unterfranken erfolgen. Dieser ist genauso wie die Landkreise und kreisfreien Städte aufgerufen, einen Teilhabeplan zu erstellen, jedoch seit 2008 alleine für die Finanzierung der Sozialhilfeausgaben für Menschen mit Behinderung zuständig. Womöglich könnte es sinnvoll sein, zunächst die Inhalte des übergeordneten Teilhabeplans des Bezirks Unterfranken zumindest zu kennen.

 

In der nächsten Sitzung dieses Ausschusses am 09.10.2014 könnte dann darüber erneut berichtet und hierfür ggf. weitere Entscheidungen vorbereitet werden.

 

Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales fasst einstimmig den

 

B e s c h l u s s :

 

Die Verwaltung wird beauftragt, ihre ersten Überlegungen und Vorschläge weiterzuverfolgen sowie in der nächsten Sitzung des Ausschusses am 09.10.2014 erneut darüber zu berichten und hierfür ggf. weitere Entscheidungen vorzubereiten.

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