Tagesordnungspunkt

TOP Ö 7: Kreismülldeponie Guggenberg - Anpassung des Arsengrenzwertes für die Sickerwasserreinigungsanlage

BezeichnungInhalt
Sitzung:20.12.2010   KT/012/2010 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Landrat Schwing leitete ein, die Arsenproblematik sei mittlerweile jedem bekannt und auch, dass diese Kosten und Ärger verursache. Man habe nichts zu verheimlichen und wolle daher offen informieren, um keine Gerüchte aufkommen zu lassen.

 

Regierungsrätin Ott erläuterte:

 

„Aus der Presse wissen Sie, dass seit Oktober feststeht, dass die Reinigung des Deponiesickerwassers durch den Einsatz von Bayoxiden nicht funktioniert. Diese Lösung war das Ergebnis eines vom Landkreis Miltenberg beauftragten wissenschaftlichen Forschungsprojekts an der Fachhochschule Gießen. Denn für das hochkomplexe Problem gibt es keine Patentlösung. Vermutete Ursache für das Scheitern des hoffnungsvollen Projekts ist eine chemische Reaktion mit den vielfältigen Bestandteilen des Deponiesickerwassers.

 

Seitdem laufen zahlreiche Aktivitäten, Laboruntersuchungen und Diskussionen zusammen mit einer Spezialfirma unter wissenschaftlicher Begleitung. Es wird an einer neuen Lösungsmöglichkeit gearbeitet, die aber derzeit noch nicht einsatzbereit ist.

 

Durch die Vorreinigung in der Sickerwasserreinigungsanlage wird zwar eine erhebliche Absenkung des Arsenwertes erreicht, aber der Wert lässt sich nicht verlässlich unter 0,1 mg/l absenken. Ab dem 25. Oktober wurde zunächst kein Sickerwasser mehr in die Erf abgeleitet. Der Wert war in der letzten Woche mit 0,15 mg/l leicht überschritten. Seit heute morgen ist der Überwachungswert erfreulicherweise leicht unterschritten, sodass die Anlage wieder in Ablauf gehen konnte. Es ist aber zu erwarten, dass sich die Situation nach der Schneeschmelze wieder ändert.

 

Fakt ist, dass der im Erlaubnisbescheid von 2001 festgesetzte und aus der Abwasserverordnung stammende Wert von 0,1 mg/l mit verhältnismäßigen Mitteln derzeit nicht sicher eingehalten werden kann.

 

Es handelt sich bei bei diesem Wert um den sog. Stand der Technik für Deponiesickerwasser. Laut Wasserhaushaltsgesetz muss bei Festsetzung des Standes der Technik aber im Einzelfall der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt sein. Hier erscheint die Aufrechterhaltung der Forderung nach Einhaltung des Wertes von 0,1 mg/l Arsen unverhältnismäßig.

 

Daher ist es aus juristischer Sicht nicht nur vertretbar sondern sogar notwendig, den Überwachungswert für Arsen auf 0,3 mg/l zu erhöhen, bis sich eine Lösung abzeichnet.

 

Die Abwasserverordnung, nach der der Wert damals festgelegt wurde, geht davon aus, dass das Arsen aus dem auf der Deponie lagernden Abfall stammt. Tatsächlich ist die Nichteinhaltbarkeit des Wertes aber ausschließlich auf den geogen bedingten Arsengehalt der Deckschicht, nicht auf das Deponiesickerwasser im eigentlichen Sinne, zurückzuführen. Dies wird eindeutig bestätigt durch das Gutachten des gerichtlich eingesetzten Sachverständigen im zivilrechtlichen Verfahren. Ein Wert von 0,1 mg/l Arsen als Stand der Technik passt für den Normalfall eines Deponiebetriebs. So konnte der Wert die letzten sieben Jahre problemlos eingehalten werden. Für mehrere tausend Tonnen arsenverunreinigten Deponiebaustoff ist eine Sickerwasserreinigungsanlage nicht konzipiert.

 

Die Abwasserverordnung des Bundes sieht bei anderen technischen Anlagen einen Wert bis zu 0,3 mg/l Arsen vor. Der Bund bestätigt damit, dass bei Einhaltung dieses Wertes im Regelfall keine Bedenken gegen die Einleitung bestehen. Dieser Wert gilt auch für den Ablauf aus dem Steinbruch in Sailauf, wo dasselbe Arsenproblem besteht und für die Ableitung des Oberflächenwassers der Deponie Guggenberg in den Wildbach. Dort wird ein Arsen-Zielwert von je 0,3 mg/l akzeptiert, ohne dass Gewässerschäden zu besorgen sind. Dabei weist die Erf als Vorfluter eine weitaus stärkere Wasserführung auf.

 

Eine befristete Erhöhung auf 0,3 mg/l ist deshalb für die Einleitung in die Erf gestattungsfähig. Dies sehen auch das Gesundheitsamt und das Wasserwirtschaftsamt Aschaffenburg so, die aus ihrer fachlichen Sicht keine negativen Auswirkungen auf die Erf erkennen und die Erhöhung für vertretbar erachten.“

 

 

Kreisrätin Almritter bemerkte, auch wenn sich die Sache innerhalb gewisser Vorschriften bewege, fühle sie sich überfahren und habe kein gutes Gefühl dabei, sie spreche aus Sicht der Bevölkerung.

 

Landrat Schwing erklärte, dann müsse man bundesweit schon die ganze Zeit ein ungutes Gefühl haben und man selbst auch, da man bei der DK-0-Deponie bereits mit 0,3 mg/l einleite. Es gebe keinen Unterschied zur bisherigen maximalen Vorgabe. Weiterhin erhöhe man nur vorübergehend auf Grund des Wetters und der Wassermengen. Dies sei absolut korrekt und weder illegal noch heimlich, man habe eine Ausnahmegenehmigung bekommen. Man wolle lediglich vorab den Kreistag informieren. Es bestehe keine Gefährdung.

 

Kreisrat Großkinsky schloss sich an, auch er tue sich damit nun schwer, da er zwei Tage später Gemeinderatssitzung habe und dieses Thema sicherlich auftreten werde. Er verstehe natürlich die Argumentation des Landrates, aber er frage sich, warum der bisherige Grenzwert niedriger liege. Grenzwert sei Grenzwert. Eine Anpassung sei schwer nachzuvollziehen.

 

Landrat Schwing bat ihn, als Kreisrat vorsichtig mit Äußerungen zu sein. Der Landkreis Miltenberg passe keinen Grenzwert an, dies dürfe und könne man nicht. Man gehe sauber mit der Angelegenheit um und habe eine Ausnahmegenehmigung für den Fall, dass man temporär den Grenzwert 0,1 mg/l nicht einhalten könne. Bisher habe man nur noch keinen Gebrauch davon gemacht. Man sei rechtlich auf der sicheren Seite. Er bat darum, nicht noch Öl ins Feuer zu gießen und auf dem Boden der Tatsachen zu bleiben.

 

Auch Kreisrat Scherf schloss sich Kreisrat Großkinsky an, für die Menschen draußen sei es schwer nachvollziehbar. Man bemühe sich ein Jahr lang, den Grenzwert von 0,1 mg/l einzuhalten und nun setze man diesen nach oben. Hier gehe Vertrauen verloren.

 

Landrat Schwing erklärte, man habe genau deswegen diesen Weg gewählt und fragte Kreisrat Scherf, ob er einen besseren Rat habe. Mehr sei nicht möglich, man habe alles vorbildlich gelöst und auch nur vorsorglich, wenn keine andere Möglichkeit mehr bestehe. Bei dieser Witterung müsse man sich wappnen, man habe man kaum noch Puffer, und dann müsse man legal ableiten können.

 

Regierungsrätin Ott ergänzte, der Wert von 0,1 mg/l stamme aus dem Bescheid von 2001 für eine ganz normale Deponie. Man habe diesen Wert erst einmal nicht angepasst, man habe von der kommunalen Abfallwirtschaft verlangt, dass sie alles Menschenmögliche tue, um diesen Wert einzuhalten, obwohl hier eine völlig außergewöhnliche Situation vorliege und obwohl an anderen Stellen etwas anderes stehe. Die Werte in der Abwasserverordnung bewegen sich bezüglich Arsen zwischen 0,1 und 0,3 mg/l, orientiert an dem sogenannten Stand der Technik. Jetzt sei man an einem Punkt etwas zu verlangen, was technisch einfach nicht machbar sei. Momentan könne man einfach nicht mehr machen und laut Abwasserverordnung seien 0,3 mg/l verträglich. Wasserwirtschaftsamt und Gesundheitsamt stimmen dem zu.

 

Landrat Schwing erklärte auf Kreisrat Dr. Linduschkas Nachfrage, dass es sich um eine staatliche Angelegenheit handele und man den Kreistag gar nicht hätte informieren müssen. Einen Beschluss gebe es daher nicht. Man wolle aber offen diskutieren, auch wenn es unangenehm sei. Man habe bereits vergangenen Donnerstag einleiten können, habe man aber nicht getan, weil man erst den Kreistag informieren wollte.

 

Kreisrat Dr. Linduschka bemerkte, dies sei eine wichtige Bemerkung, denn mit einer Abstimmung hätte er sich schwer getan. Wissenschaftlich sei dies sicher korrekt dargestellt, aber es gehe ja nicht nur um Wissenschaft, sondern auch um Politik. Wichtig sei hier nämlich auch, Entscheidungen bei den Bürgerinnen und Bürgern herüberzubringen, und man könne es drehen und wenden wie man wolle, es werde schwer sein, dies als rein sachliche Aktion klarzumachen. Des Weiteren hätte er es als sinnvoll empfunden, dies bereits im vorher stattgefundenen Ausschuss für Natur- und Umweltschutz anzusprechen. Kreisrat Dotzel habe in dieser Sitzung bereits für die Herausnahme des Schotters plädiert, auch er habe es als sehr dringendes Problem empfunden.

 

Kreisrat Dr. Schüren stimmte Kreisrat Großkinsky zu, Arsen sei Arsen, Politik sei Politik und Juristerei sei Juristerei. Das Juristische interessiere nicht, insbesondere nicht die Menschen, die dort wohnen. An der ganzen Geschichte sei nun einmal nichts normal. Er frage sich, warum man 18.000 € für eine Lösung in die Hand genommen habe, die nicht funktioniere, sondern nicht gleich den Wert nach oben gesetzt habe. Er würde nach draußen fahren, mit den Leuten reden und klarmachen, worum es geht, damit diese es nicht aus der Presse erfahren. Politik sei zu 95 % Kommunikation.

 

Landrat Schwing erklärte, Bayoxid sei das einzige Mittel gewesen, was die Wissenschaft dem Landkreis Miltenberg an die Hand gegeben habe, und man sei verpflichtet gewesen dies zu nutzen. Wochenlang habe dies auch tadellos funktioniert. Nach und nach erst habe sich der Filter zugesetzt, dann sei man dahinter gekommen, dass Störstoffe der Deponie den Reinigungsprozess beeinträchtigen. Er wies wiederholt darauf hin, dass er und seine Mitarbeiter den Kopf für etwas hinhalten müssen, was man nicht beeinflussen konnte, nicht verursacht und nicht zu verantworten habe. Man habe bis zum heutigen Tag daran gearbeitet, Schaden von der Bevölkerung und der Umwelt abzuhalten, und dies sei auch gelungen und man arbeite nach demselben Prinzip weiter. Hilfreich wäre hier die Unterstützung der Kreisräte nach außen. Man werde die Bevölkerung auch nicht nur ansatzweise gefährden, dies sei oberstes Prinzip.

 

Regierungsrätin Ott antwortete auf Kreisrat Dr. Schürens Frage, warum der Wert damals noch nicht hochgesetzt wurde: Damals sei noch nicht klar gewesen und nachgewiesen, dass das Arsen tatsächlich aus dem Schotter komme. Man habe erst jetzt das Gutachten erhalten vom gerichtlichen Sachverständigen, der viele Monate geprüft habe. Dieser habe festgestellt, das Arsen komme ausschließlich aus der Deckschicht. Vorher habe man dies nicht machen können. Momentan sei eine Grenze erreicht.

 

Kreisrat Scholz empfand es als gut, dass man zur Transparenz beitrage, aber auch er bemerkte, die Menschen vor Ort haben Angst. Er sei für einen sofortigen Austausch des Schotters, man dürfe nicht länger warten.

 

Landrat Schwing wies ihn darauf hin, dass es sich um gewaltige Mengen Schotter handele. Teile der Abdichtung müssten noch dazu auch mit hinaus. So einfach gehe das nicht. Es gehe nicht darum, sich einen Freifahrtschein zu besorgen, sondern lediglich nur um den unabwendbaren Notfall, wenn es nicht anders gehe.  Man arbeite ja bereits mit Hochdruck daran.

 

Kreisrat Dr. Steidl meldete sich als Diplom-Chemiker zum Zustandekommen der Grenzwerte zu Wort. Zum Einen müsse man prüfen, wie gefährlich die Substanz ist und wie gering muss die Konzentration sein, damit keine Gefährdung vorliegt. Zum Anderen könne man aber erfahrungsgemäß einen Grenzwert einhalten, der darunter liegt. Die Sensibilität der Bevölkerung sei natürlich da und daher lege der Gesetzgeber möglichst geringe Werte fest, die unter dem eigentlichen Gefährdungsgrenzwert sind. Damit habe man es nun zu tun. In einigen Bereichen habe man 0,3 mg/l als Grenzwert festgelegt, in anderen Bereichen sei ein Wert von 0,1 mg/l technisch möglich. Nun habe man den Sonderfall, dass dies momentan technisch nicht möglich sei. Als Kreisrat habe man hier die Aufgabe, diese Erklärung herüberzubringen.

 

Landrat Schwing dankte ihm für den guten Hinweis. Er erinnerte nochmals, dass alle anderen Standorte der Bundesrepublik eine Ableitung seit Jahr und Tag mit 0,3 mg/l erfolge, ganz offiziell vom Ministerium festgestellt, ohne, dass je jemand zu Schaden gekommen sei. Hier wolle man dasselbe machen, und das nur in Ausnahmefällen.

 

Kreisrätin Follner warnte vor einer Unterschätzung der Gefährdung von Stoffen und bat daher um Einhaltung der Grenzwerte.

 

Kreisrat Stappel meinte, man habe nun ausreichend Diskussion geführt über die Grenzwerte und jeder habe seine Probleme ausreichend vorgetragen. Man solle dieses Thema nicht dramatisieren. Als Kreisrat solle man beruhigen und nicht demonstrativ hochjubeln. Die Notsituation müsse nun bewältigt werden, und dies gehe nun einmal nicht von heute auf morgen. Die Sorgen seien bekannt, aber man könne sicher seien, dass der Landrat mitsamt seinen Angestellten dies sicher nicht leicht nehmen.

 

Landrat Schwing ging davon aus, dass dies im Saal auch niemand unterstelle. Es sei bekannt, dass diese Geschichte mehr Zeit benötige als geplant. Momentan leite man mit unter 0,1 mg/l ein. Man diskutiere momentan wirklich nur mögliche absolute Ausnahmen. Man habe in all den Jahren immer alles eingehalten. Solange er Landrat sei, wird er dies auch weiterhin tun, ohne Kompromisse, auch wenn es viel Geld koste. Die oberste Priorität sei die Abwendung von Gefahren von der Bevölkerung.

 

Verwaltungsoberamtsrat Röcklein fügte hinzu, man befinde sich momentan auf Grund der Niederschläge in einer Notlage. Der Winter stehe erst bevor. Man habe noch ungefähr eine Reserve für 20 Tagen. Aus der DK-0-Deponie werde schon die ganze Zeit mit max. 0,3 mg/l abgeleitet. Die Werte seien bisher nie über 0,17 mg/l gewesen. Man müsse notfalls ableiten können. Noch dazu komme das Arsen nicht aus dem Abfall. Wieso solle dies andere Grenzwerte haben als auf anderen Deponien.

 

Landrat Schwing bemerkte, man diskutiere immer am Maximalwert, dies sei vielleicht nicht ganz richtig. Die Realität sei deutlich tiefer. Er aber habe eine Fürsorgepflicht auch für seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die an diesem Projekt arbeiten. Wenn diese heute nicht mehr anders handeln können, ohne Rückendeckung über beispielsweise eine Ausnahmegenehmigung, stehen diese mit einem Bein vor dem Staatsanwalt. Dies könne er nicht verantworten.

 

Verwaltungsoberamtsrat Röcklein berichtete anhand der neuesten Zahlen, man leite aktuell mit 0,06 mg/l ab.

 

Der Kreistag nahm die Ausführungen zur Kenntnis.

 

 

 

 

 

 

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