Tagesordnungspunkt

TOP Ö 6: Beschluss: Haushaltsentwurf 2011 für das Sachgebiet: Kinder, Jugend und Familie

BezeichnungInhalt
Sitzung:19.10.2010   JHA/010/2010 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Landrat Schwing erläuterte, aus Tagesordnungspunkt 5 sei klar geworden, dass es ohne Kinder für uns als Landkreis und unsere Gesellschaft keine Zukunft gebe, aber auch dass es ohne flankierende Unterstützung für einen Teil der Kinder keine Zukunft geben werde, was sich wiederum direkt auf den Landkreis und die Gesellschaft auswirken werde.

Beim Tagesordnungspunkt 6 gehe es ums Geld, um viel Geld, und davon haben wir - keine Frage - nicht genug. Ausgabenbegrenzung, effizienter Mitteleinsatz und Sparsamkeit seien daher auch in der Jugendhilfe oberstes Gebot.

Wenn nun der Sachbereich Kinder, Jugend und Familie einen mit der Kämmerei abgestimmten Haushaltsentwurf vorlege, der im Vergleich zum Vorjahresansatz eine Steigerung von 15 % und im Vergleich zum voraussichtlichen Rechnungsergebnis 2010 von 4,88 % aufweise, dann sei es sehr wichtig, die Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Schließlich liege der Netto-Zuschussbetrag bei 6.125.000 € für den Landkreis.

Beim genaueren Hinsehen werde als erstes deutlich, das die Jugendhilfe viel komplexer sei als andere Sozialleistungsgebiete, wie etwa das Arbeitslosengeld I, Hartz IV oder die Grundsicherung im Alter. Während in den genannten Aufgabenfelder etwa Leistungen bei fehlender Mitwirkung gekürzt oder gestrichen werden könnten, sei die Jugendhilfe durch den Schutzauftrag womöglich verpflichtet, die fehlende Zustimmung zu einer Jugendhilfemaßnahme durch das Familiengericht ersetzen zu lassen, damit die Maßnahme zum Schutz und zum Wohle des Kindes durchgeführt werden kann. Aus den durch die Presse skandalisierten Fällen sei bekannt, dass Kinder zu schaden gekommen seien, weil notwendige Hilfe nicht gewährt worden sei. Eine strikte Deckelung, etwa bei den Heimkosten, sei somit weder rechtlich noch moralisch verantwortbar. Gleichwohl könne aber gefordert werden, dass auf Grundlage von fachlichen Standards nur die dringend notwendigen Hilfen geleistet werden. Er könne versichern, dass in unserem Jugendamt selbst bei einem ärztlichen Gutachten für eine stationäre Eingliederungsmaßnahme in vielen Fällen eine kostengünstigere und weniger einschneidende ambulante Maßnahme gewählt und verantwortungsvoll umgesetzt werde. Gleichwohl sei und bleibe das Jugendhilfegesetz ein Leistungsgesetz, auf das bei vorliegen entsprechender Voraussetzungen ein Leistungsanspruch bestehe.

Im interkommunalen Vergleich bewege man sich mit den Jugendhilfeausgaben nach wie vor im guten Mittelfeld. Das solle uns nicht hindern, weiterhin aktiv zu bleiben und nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen. So gebe es z. B. Nachbarlandkreise, die über 100 Kinder in Pflegefamilien untergebracht haben, bei rund 40 Kindern im Heim. Im Landkreis Miltenberg seien es am 01.01.2010 insgesamt 57 Pflegekinder und 50 Heimkinder gewesen. In den Nachbarlandkreisen sei aber der Pflegekinderdienst mit deutlich mehr Personal ausgestattet und fairerweise müsse auch darauf hingewiesen werden, dass nicht jedes Heimkind in einer Pflegefamilie betreut werden könne. Dazu sei der erzieherische Aufwand oder die Belastung aus traumatischen Erlebnissen und seelischen Behinderungen vielfach zu hoch.

Vielleicht sollte man dem Jugendamt den Auftrag mitgeben, bis zur Frühjahrssitzung ein Konzept vorzulegen, wie die Versorgung von Kindern in Pflegefamilien gesteigert werden könne. Neben dem pädagogischen Konzept gehe es dabei auch um eine plausible Kosten-Nutzen-Rechnung, damit man im Frühjahr vielleicht die Weichen für eine geänderte Schwerpunktbildung stellen könne.

Er bat um Überleitung zu den Einzelheiten der Haushaltsplanung.

 

Jugendamtsleiter Winkler erläuterte die Vorlage.

 

Im Jahr 2010 wird das Sachgebiet Kinder, Jugend und Familie bei Ausgaben von voraussichtlich 6.813.481 € und Einnahmen von voraussichtlich 973.691 € mit einem Zuschussbedarf von ca. 5.839.789 € abschließen. Für das Jahr 2011 werden Ausgaben von 7.180.767 € und Einnahmen von 1.056.093 € veranschlagt. Das ergibt einen geplanten Zuschussbedarf von 6.124.673 € und bedeutet im Vergleich zum voraussichtlichen Rechnungsergebnis 2010 eine Steigerung um 4,88 % oder 284.884 €; zum Ansatz von 2010 eine Ausgabensteigerung von 15,02 % oder 799.613 €.

 

Der Haushaltsentwurf wurde auf Grundlage der Ist-Zahlen vom 30.09.2010, hochgerechnet auf das voraussichtliche Jahresergebnis 2010, erstellt.

 

Hauptursachen für die Kostensteigerungen sind:

1. Gemeinsame Unterbringung von Müttern/Vätern mit Kindern (§ 19 SGB VIII). Bei einem Ansatz von 160.000 € für 2010 werden wir ca. 360.000 € ausgeben, so dass für 2011 mit 400.000 € geplant werden muss.

2. Stationäre Unterbringung (§ 34 SGB VIII). Der Ansatz von 2.000.000 € wird um rund 440.000 € überschritten, so dass für 2011 Ausgaben von 2.540.000 € einzuplanen sind.

 

Weitere Einzelheiten, insbesondere die Veränderungen in den jeweiligen Haushaltsstellen, waren dem beigefügten Entwurf sowie den Erläuterungen in der Jugendhilfeausschusssitzung zu entnehmen.

 

 

Kreisrätin Tulke bemerkte zum Thema der Unterbringung von Kindern in Pflegefamilien, hier dürfe man nicht die finanziellen Aspekte in den Vordergrund stellen, sondern man müsse gute Pflegefamilien findet, die problematische Kinder aufnehmen können. Diese seien oftmals zehn Jahre alt oder älter, hier sei es besonders schwierig Pflegefamilien zu finden. Bisher habe das Jugendamt dies sehr gut gemacht und werde dies sicher auch in Zukunft gut machen.

 

Landrat Schwing erklärte, er habe sich wohl missverständlich ausgedrückt. Er habe lediglich dargestellt, in Nachbarlandkreisen sei das Verhältnis ein anderes als bei uns. Daher habe er das Jugendamt um das Kosten-Nutzen-Verhältnis gebeten. Natürlich stehe zu allererst das Wohl des Kindes im Vordergrund. Aber es sei nicht möglich, alle Kinder in Pflegefamilien unterzubringen. Bei diesen Beträgen sei man aber verpflichtet, auch den wirtschaftlichen Aspekt zu beachten, eventuell machen andere etwas besser als man selbst, ohne dass jemand Schaden nehme.

 

Ausschussmitglied Prof. Dr. Adams erklärte, das Problem der Kostensteigerung in diesem Bereich sei auffällig, aber nicht einmalig. Er sei erst einmal froh und stolz, dass in diesem Landkreis nachgedacht werde, woran dies liege und was man vernünftig dagegen tun könne. Woanders schaffe man das Gesetz ab, um Geld zu sparen. Hier schaue man sich den Sachverhalt an und versuche, eine vernünftige Lösung zu finden. Der Ausbau der Pflegefamilien könne vielleicht im Zusammenhang mit Sonderpflegestellen einen kleinen Teil der Problematik abfangen, er wolle aber den Optimismus ein wenig dämpfen, da man in der Heimerziehung eine dramatische Entwicklung habe. Es gebe in Bayern drei Intensitätsstufen bei der Heimerziehung, die mit der geringsten Intensität könne man vielleicht am ehesten durch Sonderpflegestellen ersetzen. Hier habe man aber einen Rückgang der Fallzahlen. Bayernweit oder sogar deutschlandweit habe man aber eine massive Zunahme der therapeutischen Heimplätze. Dies bedeute übersetzt, wenige Kinder verursachen enorme Kosten. Ein Grund dafür sei die extreme Zunahme der psychischen Erkrankungen. Dieses Phänomen sei sogar in der gesamten westlichen Welt zu verzeichnen, auch in den USA. Die Frage sei, woran dies liege. Sicherlich nicht an der voranschreitenden Diagnostik, sondern es handele sich um ein Faktum. Man führe es unter Umständen auf andere Familiensituationen zurück, auf einen massiven Anstieg von Trennungen und auf erzieherische Probleme. Dies sei absolut besorgniserregend, nicht nur für den Landkreis Miltenberg, sondern die gesamte Bundesrepublik Deutschland. Wenn man sich nun über die Kosten unterhalte, dann sei seiner Meinung nach ein wichtiger Punkt, auch an die Wirksamkeit der stationären Maßnahmen zu denken. Die Fallzahlen seien gar nicht so riesig. Die Frage sei, welche Zeit benötige man, um diese Probleme so zu bearbeiten, dass eine Rückführung in familiäre Systeme möglich sei. Er wies darauf hin, dass auch an der Frage der Verweildauer gearbeitet werden müsse. Zunächst sehe er auch eine Chance in der Verbesserung der Zusammenarbeit mit dem Schulsystem, hier habe man heute einen epochalen Schritt gemacht. Diese Sache gehe genau in die richtige Richtung, wie auch die Jugendsozialarbeit an Förderschulen. Man müsse die Beschulung sicherstellen, auch für Schüler, die sich bisher dem Schulsystem entzogen hätten, wenn dies auch wenige seien. Und man müsse die Arbeit mit den Ärzten und Kliniken intensivieren, denn hier müsse das Gesundheitswesen mit ins Boot. Nicht unbedingt als Leistungserbringer, sondern unter Umständen als Leistungsträger. Auf höchster Ebene müsse diskutiert werden, wie man mit dieser Zielgruppe umgehe. Gegen Depressionen und psychische Erkrankungen bei Jugendlichen müsse gesteuert werden, und dies könne man nur im Verbund mit anderen Disziplinen.

 

Landrat Schwing ergänzte, man habe dies aufgenommen und werde sich in der nächsten Sitzung darüber unterhalten.

 

Der Jugendhilfeausschuss fasste einstimmig den

 

B e s c h l u s s :

 

Der Haushaltsansatz 2011 für das Sachgebiet: Kinder, Jugend und Familie mit einem Volumen bei den Ausgaben von 7.180.767 € sowie mit Einnahmen von 1.056.093 €, d. h. einem Zuschussbedarf für 2011 in Höhe von 6.124.673 €, wird angenommen und dem Kreistag zur Zustimmung empfohlen.

 

 

 

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