Tagesordnungspunkt

TOP Ö 2: Seniorenpolitisches Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg

BezeichnungInhalt
Sitzung:17.05.2010   KT/009/2010 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Landrat Schwing führte Folgendes aus:

 

„Sehr geehrte Damen und Herren,

 

nach einem einstimmigen Empfehlungsbeschluss des zuständigen Fachausschusses für Bildung, Kultur und Soziales in seiner letzten Sitzung am 06. Mai 2010 freue ich mich, Ihnen heute das Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg zur endgültigen Entscheidung und abschließenden Beschlussfassung vorlegen zu können.

 

Das Konzept wurde im August 2008 bei der „Arbeitsgemeinschaft Sozialplanung in Bayern“, einem Zusammenschluss aus der „Arbeitsgruppe für Sozialplanung und Alterforschung (AfA)“ in München, die für die konzeptionelle Ausarbeitung verantwortlich war und deren Leiterin und Geschäftsführerin, Frau Dipl.-Psychogerontologin und Dipl.-Geografin Sabine Wenng, heute hier anwesend ist, und dem Institut für Sozialplanung, Jugend- und Altenhilfe, Gesundheitsforschung und Statistik (SAGS) in Augsburg, welches für die statistischen Teile verantwortlich war und uns bereits aus der Sozialraumanalyse im Jugendhilfebereich im Jahre 2004 bekannt ist, in Auftrag gegeben. Die verschiedenen Datenerhebungen erfolgten von Oktober 2008 bis Juli 2009.

 

Anlass bzw. Beweggründe für die damalige Auftragserteilung waren zum einen der demographische Wandel mit einer immer älter werdenden Bevölkerung auch im Landkreis Miltenberg und zum anderen die gesetzliche Verpflichtung aus dem Bayerischen Ausführungsgesetz zum Sozialgesetzbuch, welche seit dem seit 1. Januar 2007 die Landkreise und kreisfreien Städte aufforderte, entsprechende Konzepte zu erarbeiten. Das Konzept der Landkreise / des Landkreises soll zugleich Grundlage für die seniorenpolitischen Konzepte der einzelnen kreisangehörigen Gemeinden vor Ort sein.

 

Wichtig war uns von Anfang an, die Erstellung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes auf eine möglichst breite fachliche und politische Basis zu stellen.

 

In einem 20-köpfigen Begleitgremium waren daher drei Kreisräte, drei Bürgermeister sowie Vertreter der Wohlfahrtsverbände, der ehrenamtlichen Seniorenarbeit, unserer Verwaltung sowie auch ein Hausarzt vertreten.

 

In zwei ganztägigen Expertenworkshops brachten über 70 regionale Expertinnen und Experten ihr Fachwissen ein.

 

Die 32 Landkreisgemeinden, die Seniorenbeauftragten, die mit der Altenpflege im Landkreis befassten Einrichtungen und Dienste, 40 Institutionen aus dem Bereich der „offenen Seniorenarbeit“ und nicht zuletzt 2.500 Landkreisbürgerinnen und -bürger über 60 Jahre wurden mit einem Fragenkatalog angeschrieben und hatten die Möglichkeit, sich ebenfalls mit ihren Kenntnissen und Erfahrungen  einzubringen.

 

Das erstellte Konzept umfasst 151 Seiten mit 11 Handlungsfeldern und die Pflegebedarfsplanung und enthält insgesamt 66 konkrete Handlungsempfehlungen. Bei 28 dieser 66 Handlungsempfehlungen liegt die Zuständigkeit für die Umsetzung beim Landkreis, entweder alleine oder gemeinsam mit anderen.

 

Die Mehrzahl der Handlungsempfehlungen fällt jedoch in den Zuständigkeitsbereich anderer Träger und Einrichtungen, vornehmlich der Landkreisgemeinden, die bei 41 Handlungsempfehlungen entweder alleine oder gemeinsam mit anderen gefordert sind.

 

In diesem Bereich kann der Landkreis im Regelfall natürlich nichts verbindlich vorschreiben. Vielmehr wird es hier seine Aufgabe sein, durch Information, Hilfestellung und Überzeugungsarbeit bei den jeweiligen Trägern und Einrichtungen darauf hinzuwirken, dass auch diese Empfehlungen im Interesse unserer Seniorinnen und Senioren beherzt angegangen und alsbald bzw. zügig realisiert und umgesetzt werden.

 

Besonders gefreut haben mich aber auch die Feststellungen und Aussagen im Konzept über

 

ð unsere Spitzenposition unter den unterfränkischen Landkreisen und den jetzt bereits weit überdurchschnittlich hohen ambulanten Versorgungsgrad im häuslichen Bereich durch pflegende Angehörige in unserem Landkreis mit rd. 79 % (unterfränkischer Landkreisdurchschnitt rd. 73 %; bayerischer Landesdurchschnitt 68 %),

 

ð eine gute bis sehr gute Ausstattung unserer Pflegeeinrichtungen,

 

ð unser jetzt bereits großes und vielfältiges Beratungsangebot und die gute Vernetzung in unserem Landkreis,

 

ð das breite und vielfältige Spektrum an Angeboten mit hohem ehrenamtlichen bzw. bürgerschaftlichen Engagement – auch innovativem – unter und vor allem auch zwischen den Generationen

 

ð und schließlich auch die Würdigung unserer Stiftung Altenhilfe als wertvollen Partner all’ dessen und beispielgebend für andere Landkreise.

 

Herzlichen Dank allen, die sich hier bereits beispielhaft und richtungsweisend eingesetzt und engagiert haben!

 

Wie im Fachausschuss am 06. Mai 2010 bereits berichtet, soll nach der heutigen Beschlussfassung als erste Maßnahme im Landratsamt eine Anlauf- und Koordinationsstelle für Altenhilfeplanung und allgemeine Seniorenarbeit mit einer halben Vollzeitstelle eingerichtet werden. Diese soll zum einen zunächst zusammen mit dem bereits seit 2002 bestehenden Seniorennetzwerk aus den Handlungsempfehlungen für den Landkreis eine Prioritätenliste erstellen und sodann sukzessive für deren Umsetzung sorgen. Zum anderen soll sie die anderen Träger und Einrichtungen, und hier vornehmlich unsere Landkreisgemeinden, bei der Erstellung ihrer örtlichen Konzepte beraten und unterstützen.

 

Mit der heutigen Beschlussfassung über das Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg ist die Arbeit aber nicht beendet. Sie geht vielmehr erst richtig los und wird uns alle in den nächsten Jahren und Jahrzehnten noch erheblich beschäftigen. Es ist – wie bei der Jugendhilfeplanung auch – ein Prozess, der jetzt erst in Gang gesetzt wird und neben dem Landkreis, vor allem auch unsere Landkreisgemeinden, die sozialen Dienstleistungserbringer sowie auch die Bürgerinnen und Bürger in unserem Landkreis betrifft und fordern wird. Dabei ist auch ein anspornender Wettbewerb um die besten Lösungen vor Ort in den einzelnen Gemeinden durchaus gewollt und dem Wunsche unserer Seniorinnen und Senioren im Landkreis, möglichst lange alleine und selbstbestimmt im eigenen Hause bzw. in der eigenen Wohnung wohnen und leben zu können, äußerst förderlich und zweckdienlich.

 

Frau Wenng von der „Arbeitgemeinschaft Sozialplanung in Bayern“ wird Ihnen nun einen kurzen Überblick über die wichtigsten Ergebnisse des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes für den Landkreis Miltenberg geben.“

 

 

Sodann erläuterte Frau Wenng das Seniorenpolitische Gesamtkonzept anhand der anliegenden Präsentation. Sie betonte, es handele sich um das breite Wissen der lokalen Experten und Bürgerinnen und Bürger auf Grund von Bestandserhebungen und Befragungen. Die unterschiedlichen Erkenntnisse seien zusammengefasst und katalogisiert worden, die richtigen Maßnahmen empfohlen. Im Begleitgremium sei dies ausführlich diskutiert und besprochen worden. Daher handele es sich um ein Gemeinschaftswerk von allen und sie bedanke sich daher an dieser Stelle bei allen Beteiligten. Weiterhin habe es noch nie in Bayern ein solch umfängliches Konzept gegeben.

 

Landrat Schwing bedankte sich bei Frau Wenng für ihren engagierten Vortrag und erwähnte ebenso die vielen engagierten Mitstreiterinnen und Mitstreiter, im hauptamtlichen sowie ehrenamtlichen Bereich. Momentan sei man auch dabei zu überprüfen, was von dem Projekt über LEADER oder ELER gefördert werden könne.

 

Kreisrat Thomas Köhler erwähnte, dass er als Bürgermeister im Begleitgremium hat mitwirken können und größtenteils bei den Expertenworkshops dabei gewesen sei. Dies sei für ihn eine hochinteressante Erfahrung gewesen. Man habe eine Fülle an hervorragenden Ideen erarbeiten können. Weiterhin haben auch die Umfragen gezeigt, wo die Senioren ihre Sorgen und Nöte haben. Für ihn persönlich sei es besonders aufschlussreich gewesen, dass von den Befragten die Dinge oft ganz anders gesehen wurden als man es für selbstverständlich vorausgesetzt habe, vielleicht liege dies an einem Informationsdefizit. Nun gelte es, die zahlreichen Anregungen umzusetzen. Als Bürgermeister habe er bereits viele Anregungen mitnehmen und teilweise auch schon umsetzen können. Er betonte, dass eine wichtige Arbeit geleistet worden sei und dankte ebenfalls allen Mitwirkenden, besonders auch Frau Wenng.

 

Kreisrätin Almritter sprach ebenso für die Fraktion der SPD ihre Überzeugung aus und regte an, um die Umsetzung aller Punkte zu unterstützen, aus dem 20köpfigen Begleitgremium eine Art Planungsgruppe zu bilden, die die Kommunen dabei unterstütze, die gesamten Punkte auf die Gemeinden zu übertragen und umzusetzen. In den Augen der Fraktion sei dies wichtig als Starthilfe, damit das Konzept auch angewandt werde und nicht ausgedruckt liegen bleibe. Eventuell sei auch ein Zusammenschluss von Gebieten zur gemeinsamen Koordination sinnvoll.

 

Kreisrätin Kreuzer stimmte den Vorrednern zu, es handele sich um ein gelungenes Gesamtkonzept. Wünschenswert gewesen sei die Berücksichtigung der Einkommensentwicklung. Die Pflege, zu Hause und auch in den Pflegeeinrichtungen, sei kaum noch bezahlbar. Jeder Handgriff müsse bezahlt und die Zukunft werde noch schwieriger werden. Weiterhin sei die palliativmedizinische Versorgung ein Problem im Landkreis Miltenberg. Ein Maßnahmenterminplan, nach Prioritäten gestaffelt, sei notwendig.

 

Kreisrat Dr. Fahn erläuterte, die Fertigstellung des seniorenpolitischen Gesamtkonzepts für den Landkreis Miltenberg sei eine positive Nachricht. Der Katalog der Maßnahmen sei umfassend und lasse eine aktive Gestaltung der Landkreise zu. Dieses Konzept entspreche den Wünschen und Vorstellungen aller Experten im Senioren- und Pflegebereich im Landkreis Miltenberg. Man bedanke sich daher bei Frau Sabine Wenng vom Institut für Sozialplanung in München und auch bei Herrn Manfred Vill, der mit seiner Mannschaft die zweijährige Phase der Entstehung des Konzeptes hervorragend koordiniert habe. Die Freien Wähler unterstützen dieses Konzept deshalb, weil nahezu alle Vorschläge, die von ihrer Seite eingebracht wurden, sich hier wieder finden. Er wies darauf hin, der größte Teil der Arbeit stehe mit der Umsetzung erst bevor. Die Umsetzung koste Geld und dies müssen der Landkreis und die Gemeinden leisten.

Die Freien Wähler fordern die Erstellung einer konkreten Prioritätenliste mit genauen Terminvorgaben für die Umsetzung. Sie fordern auch (bzw. werden einen Antrag stellen), dass im Kreistag einmal pro Jahr ein entsprechender „Umsetzungsbericht“ gegeben werde.

Er führte weiter aus, Seniorenpolitik gelinge nur, wenn sie flächendeckend mit konkreten Ansprechpersonen umgesetzt werde.

Die Umsetzung des seniorenpolitischen Konzepts müsse auch von der Bevölkerung mitgetragen werden. Dies gelinge aber nur, wenn die Bevölkerung offensiv über das Thema informiert werde.

Wenn man die Bevölkerung in die Umsetzung des Konzepts einbinde und deren Engagement einfordere, dann müsse man auch deren Engagement belohnen.

Sodann erklärte Kreisrat Dr. Fahn sein Fazit: Die Freien Wähler werden dem vorgelegten Entwurf geschlossen zustimmen, weil dadurch auf jeden Fall ein wichtiger Fortschritt in der Seniorenpolitik im Landkreis gemacht werde.

 

 

Landrat Schwing ergänzte, dass es sich um ein ernstes Thema handele, schließlich seien alle irgendwann einmal davon betroffen. Daher werde diese Thematik sehr oft in den nächsten Jahren in den Gremien des Landkreises Miltenberg behandelt werden und dies sei auch wichtig.

 

Kreisrat Dr. Linduschka betonte den Aspekt, dass es sich nicht um eine kleine arme Gruppe, sondern um eine zahlenmäßig und ökonomisch starke Gruppe handele, schließlich bald 40 % der Bevölkerung, die im Mittelpunkt des Interesses stehe. Das Wichtigste sei, diese Leute, die großartige Fähigkeiten in jeder Hinsicht besitzen, zu eigener Aktivität aufzurufen. Eine Einbindung und Aktivierung, für die eigenen Interessen einzutreten, sei wichtig. Nicht nur der Pflege- und Betreuungsaspekt stehe im Mittelpunkt. Wenn man sich um bestimmte Gruppen kümmern müsse, dann seien das Kinder, hier handele es sich um eine schwache Gruppe.

 

Kreisrat Dotzel stimmte Kreisrat Dr. Linduschka vollinhaltlich zu. Die Zielvorgabe „ambulant vor stationär“ stehe im Konzept, gemeindenahe Versorgung und Angebote. Die Kommunen seien hier besonders aufgerufen. Das Alter helfe sich selbst: Ältere werden älter und bleiben fit, leben bewusster und können sich einbringen – daher benötige man ein gutes bürgerschaftliches Engagement und Ansprechpartner in den Kommunen für eine umfassende und verbindliche Auskunft. Natürlich handele es sich um eine finanzielle Mammutaufgabe. Daher müsse man jetzt bereits aufpassen, dass man die junge Generation nicht überfordere. Der Fokus müsse auf der Jugend liegen.

 

Kreisrat Stappel stimmte dem Konzept ebenfalls vollinhaltlich zu. Er dankte auch im Namen der Fraktion Neue Mitte für die Erstellung desselben. Er sehe einen Schritt in die Zukunft mit ausschließlich positiven Aspekten. Es sei auch klar, dass dieser Schritt nicht von heute auf morgen umsetzbar sei. Aber die Arbeit müsse heute beginnen, damit sie in zehn Jahren abgeschlossen sei. Wichtig sei, dass die Menschen wissen, wohin sie gehen können, um sich die Auskünfte einzuholen, um miteinander besser und länger zu leben. Das Wort „Miteinander“ sei ganz entscheidend in dieser Planung.

 

Nachdem keine weiteren Wortmeldungen mehr vorlagen, fasste der Kreistag einstimmig folgenden

 

B e s c h l u s s :

 

Das „Seniorenpolitische Gesamtkonzept für den Landkreis Miltenberg“ wird in der Fassung des vorliegenden Entwurfs der „Arbeitsgemeinschaft Sozialplanung in Bayern“ beschlossen. Die Pflegebedarfsplanung soll nach der Variante „ambulant vor stationär“ ausgerichtet werden.

 

 

 

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