Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Live-Stream-Übertragung öffentlicher Sitzungen des Kreistages und seiner Ausschüsse im Internet (Antrag der FDP-Fraktion vom 03.11.2009)

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.03.2010   KA/007/2010 
Beschluss:mehrheitlich abgelehnt
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Verwaltungsdirektor Fieger gab vorab eine Information zur Vorlage. Live-Streaming sei der Oberbegriff für die Wiedergabe von Audio und Video im Internet. Dieser Vorgang der Datenübertragung nenne man Streaming und die gestreamten Programme werden als Live-Stream bezeichnet. Beim Live-Stream handele es sich nicht um Rundfunk. Während beim Rundfunk ein Sender von einer Vielzahl von Empfängern empfangen werden könne, werde Streaming für jeden Benutzer gesondert auf dessen Anforderung hin als Punkt-zu-Punkt-Verbindung zwischen dem Medienserver des Senders und dem Rechner des Benutzers realisiert.

 

Sodann erläuterte Verwaltungsdirektor Fieger folgende Sachverhalt:

 

Mit Schreiben vom 03.11.2009 beantragte Kreisrat Dr. Heinz Linduschka für die FDP-Fraktion zu überprüfen, ob eine Live-Stream-Übertragung öffentlicher Sitzungen im Internet aus dem Kreistag technisch möglich sei. Außerdem sollten anschließend diese Videos als Vodcasts ins Netz gestellt werden. Ebenfalls sei zu prüfen, ob auch öffentliche Ausschusssitzungen auf diese Art einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden können.

 

Die Überprüfung der Verwaltung hat folgendes ergeben:

 

1. Technische Machbarkeit und finanzieller Aufwand

 

Die Verwaltung hat zur Frage der technischen Machbarkeit und des finanziellen Aufwands Kontakt mit einer Fachfirma aufgenommen. Untersucht wurden zwei Varianten, die im Ergebnis beide technisch realisierbar sind.

 

In der Variante 1 würde ein festes Rednerpult eingerichtet, von dem aus ein Kreistagsmitglied seine Wortmeldung vorträgt. Einmalige Kosten für eine Videokamera und einen sog. FlashEncoder fallen in Höhe von ca. 3.000 Euro an. Die laufenden Kosten für die notwendige Software (ShowIT) und den DSL-Anschluss betragen 4.536 Euro pro Jahr.

 

In einer Variante 1 a kommen mehrere fest installierte Kameras zum Einsatz. Für drei Kameras und die erforderliche Technik fallen ca. 5000 Euro an, für die laufenden Kosten die eben schon genannten 4.536 Euro. Laut der von uns befragten Fachfirma ist eine Aufnahme mit mehreren Videokameras jedoch so gut wie nicht praktikabel, da die Kameras von einer Person über eine komplexe technische Anlage gesteuert und frei geschaltet werden müssen.

 

In der Variante 2 würde ein Kamerateam die Sitzungen aufnehmen. Diese Aufnahmen würden über die o.gen. Technik für 4.536 Euro p.a. ins Internet gestellt. Hinzu kommen die Kosten für ein Kamerateam in Höhe von 690 Euro pro Sitzung. Bei fünf jährlichen Sitzungsperioden mit jeweils mindestens vier bis fünf Sitzungen (Kreistag, Kreisausschuss, Jugendhilfeausschuss, Bauausschuss, Ausschuss für Natur- und Umweltschutz und Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales) wären dies 17.250 Euro.

 

2. Rechtliche Würdigung

 

Die Landkreisordnung enthält zum Thema der Live-Übertragung öffentlicher Sitzungen der Kreisgremien im Internet keine Rechtsgrundlage. Die Geschäftsordnung regelt in § 11 Abs. 4 den Fall der Aufnahmen in Ton und Bild durch Medienvertreter. Danach sind Aufnahmen nach vorheriger Zustimmung des Vorsitzenden und des Kreistags nur dann erlaubt, wenn dadurch die Ordnung nicht gestört wird. Sitzungsteilnehmer können verlangen, dass während ihres Redebeitrags Aufnahmen unterbleiben. Für die Übertragung öffentlicher Sitzungen im Internet müsste entweder die Geschäftsordnung ergänzt oder ein entsprechender Konkretisierungs-beschluss gefasst werden.

 

Sehr aufschlussreich für die Frage der Zulässigkeit der Live-Übertragung öffentlicher Kreistags- und Ausschusssitzungen im Internet ist die Stellungnahme des Bayerischen Landesdaten-schutzbeauftragten in Ziffer 11.2 seines 21. Tätigkeitsberichts vom 27.01.2005 (s. www.datenschutz-bayern.de). Hiernach stellt die Direktübertragung von öffentlichen (Gemeinderats-) Sitzungen im Internet datenschutzrechtlich eine Übermittlung personenbezogener Daten weltweit an eine Vielzahl unbestimmter Personen dar. Weder die Gemeindeordnung noch das Bayerische Datenschutzgesetz bieten hierfür eine ausreichende gesetzliche Grundlage. Nach dem Grundsatz der informierten Einwilligung ist die Übertragung in Wort und Bild nur dann zulässig, wenn die betroffenen Personen vorher ausdrücklich zugestimmt haben. Die Entscheidung über die Zustimmung muss ohne psychischen Druck auf der Grundlage ausreichender Information über die Modalitäten einer Interneteinstellung und mit ausreichender Überlegungsfrist erfolgen können. Die Verweigerung der Zustimmung darf nicht in diskriminierender Weise zur Kenntnis gebracht werden.

 

Letztendlich entspringen die Ausführungen des Landesdatenschutzbeauftragten dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung, in das mit der Übertragung von Wort und Bild ins Internet eingegriffen wird. Eingriffe in dieses allgemeine Persönlichkeitsrecht unterliegen dem Vorbehalt des Gesetzes oder der ausdrücklichen Einwilligung der Betroffenen. Eine fehlende oder verweigerte Einwilligung kann nicht durch eine Regelung in der Geschäftsordnung ersetzt werden.

 

Der Bayerische Landkreistag hält – wie auch der Bayerische Landesdatenschutzbeauftragte – die Internetübertragung für vertretbar, wenn dem Selbstbestimmungsrecht der Gremienmit-glieder und der sonst Betroffenen ausreichend Rechung getragen wird.

 

3. Bisherige Informationsmöglichkeiten

 

Die Landkreisverwaltung bietet schon bisher umfangreiche Möglichkeiten, um das Interesse an der Kommunalpolitik zu wecken und sich als Bürger oder Bürgerin mit Informationen über die Landkreispolitik zu versorgen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit sind hier zu nennen: die Homepage des Landkreises bzw. Landratsamtes, die dort veröffentlichten Pressemitteilungen über jede öffentliche Sitzung eines Landkreisgremiums, das Bürgerinformationssystem mit den Sitzungsterminen, Tagesordnungen und Protokollen von öffentlichen Sitzungen, das Wahlportal bei Kommunal-, Landtags-, Bundestags- und Europawahlen.

 

 

Landrat Schwing dankte Verwaltungsdirektor Fieger für seine Ausführungen und ergänzte, dass zu diese Vorlage bewusst kein Beschlussvorschlag enthalte. Es sei die Entscheidung jedes einzelnen Kreisrates.

 

Kreisrat Dr. Linduschka erwähnte, dass es sich um eine realistische und sachliche Auflistung der Möglichkeiten handele, auch in finanzieller Hinsicht. Trotzdem wolle er bei dem Antrag bleiben. Er gehe davon aus, dass eine feste Installation nicht praktikabel, Variante 2 aber sinnvoll sei. Daher halte er seinen Antrag aufrecht. Er sei der Meinung, eine gründliche Information tue allen gut, hätte eventuell auch einen Werbeeffekt und würde vielleicht manche Sitzung verkürzen. Durch ein weiteres Informationsmedium, ohne Veränderung und ohne Kommentare, trotz aller Qualität der ansässigen Presse, sei ein Direktverfolgen unverzichtbar. Er sei sich auch sicher, dass so etwas im Unterricht ab der 10. Klasse in Sozialkunde genutzt werden würde. Vielleicht würden auch manche Menschen dadurch auf die Idee kommen, selbst in die Kommunalpolitik zu gehen.

 

Kreisrat Reinhard erklärte sich ausdrücklich nicht einverstanden mit einer Übertragung der Sitzungen.

 

Kreisrat Dr. Schüren schloss sich Kreisrat Reinhard an, er sei ebenfalls dagegen. Er habe die Befürchtung der Vervielfachung der Redebeiträge. Außerdem wolle er nichts mehr verabschieden, was in den nächsten Jahren kostenträchtig und nicht notwendig sei.

 

Hingegen war Kreisrat Bieber dafür, jede Gelegenheit zu nutzen, die Bevölkerung zu informieren. Sollte nur ein Pressevertreter während der Sitzung anwesend sein, sei man dessen Berichterstattung ausgeliefert.

 

Kreisrat Dr. Fahn schloss sich Kreisrat Bieber in Bezug auf die Veröffentlichungen der Presse an. Es seien mehr Meinungen wichtig, was nicht gelinge. Er hielte dies für einen Beitrag zur politischen Bildung und unterstütze den Antrag.

 

Kreisrat Andre stellte klar, dass man auch vernünftige Arbeit leisten könne, ohne gleich in der Presse zu erscheinen und alle Welt teilhaben lassen müsse. Weiterhin müsse der wichtige Aspekt Datenschutz beachtet werden.

 

Kreisrat Scherf stimmte ebenfalls Kreisrat Bieber zu.

 

Der Aspekt des Datenschutzes sei laut Kreisrat Dr. Fahn geprüft, eine einfache schriftliche Einverständniserklärung der Kreisräte würde ausreichen.

 

In der darauffolgenden Abstimmung wurde der Antrag der Fraktion der FDP auf Live-Stream-Übertragung öffentlicher Sitzungen mit Stimmenmehrheit abgelehnt.

 

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