Tagesordnungspunkt

TOP Ö 10: Antrag von Bündnis 90/Die Grünen-ödp auf Aufstockung der Gleichstellungsstelle und Intensivierung der "Bubenarbeit"

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Sitzung:11.06.2007   KA/034/2007 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Dem Kreisausschuss wurde folgender Antrag von Bündnis 90/Die Grünen-ödp vom 12.03.2007 bekannt gegeben: „Der Kreistag möge beschließen: Die im Vereich Tourismus frei werdende Stelle im Landratsamt Miltenberg wird in eine Stelle für die Gleichstellung umgewandelt. Die Stelle wird entweder besetzt mit der Gleichstellungsbeauftragten oder sie wird neu besetzt mit einem Mann.“

 

Verwaltungsamtsrat Rüth erläuterte zu diesem Antrag folgendes:

 

1.  Im Bayerischen Gleichstellungsgesetz seien folgende Ziele festgeschrieben:

     -    Förderung der tatsächlichen Durchsetzung des Gleichberechtigung von Frauen und Männern,

     -    Sicherung der Chancengleichheit von Frauen und Männern,

     -    Hinwirken auf die Beseitigung bestehender Nachteile,

     -    bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie

     -    Berücksichtigung der Chancengleichheit als durchgängiges Leitprinzip auf allen Ebenen politischen Handelns.

 

Das im letzten Punkt genannte Prinzip des Gender Mainstreaming wolle eine geschlechtersensible Sichtweise in alle Politikbereiche und Maßnahmen integrieren und richte sich somit auch an Mädchen und Jungen und deren gesellschaftlich geprägte Geschlechterrollen, die es aufzubrechen gelte, um für beide Geschlechter gleiche Lebensbedingungen und Chancen zu schaffen.

 

Gender Mainstreaming zu implementieren, sei eine langfristige gesellschaftspolitische Aufgabe, die nicht allein durch die Gleichstellungsbeauftragte geleistet werden könne, unabhängig davon, ob diese mit einer halben oder ganzen Stelle ausgestattet sei. Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten sei es vielmehr, auf konzeptioneller Ebene zu arbeiten, Projekte anzustoßen sowie Öffentlichkeits- und Multiplikatorenarbeit zu leisten. Dies geschehe bereits in ausreichender Weise. Es werde hier auf Vorträge zu „Gender Mainstreaming in der Jugendarbeit“ bei Vernetzungstreffen der Jugendreferenten, die Planung und Durchführung des Projektes „Starke Kinder“ einschließlich der Multiplikatorenschulung von Lehrkräften und die Durchführung des Projektes „Neue Wege für Jungs“ jeweils in Zusammenarbeit mit der geschlechtsspezifischen Kinder- und Jugendarbeit des Kreisjugendamtes verwiesen.

 

Spezielle „Bubenarbeit“ zu leisten, könne nicht Aufgabe einer zusätzlichen halben, mit einem Mann besetzten Gleichstellungsstelle sein. Jungen- und Mädchenarbeit sei lediglich ein Teilaspekt der Gleichstellungsarbeit, die sich in erster Linie auf konzeptioneller Ebene bewegen müsse. Dass Jungenarbeit notwendig sei, werde nicht bestritten, sollte aber vor allem an anderen Stellen wie z.B. in der kommunalen und präventiven Jugendarbeit oder der Schulsozialarbeit geleistet werden. Diesbezüglich werde auf die Handlungsempfehlungen der Jugendhilfeplanung verwiesen.

 

2.  Im Tourismus werde zunächst keine Stelle frei. Tatsache sei, dass eine Mitarbeiterin seit Mai 2007 in der Geschäftsstelle der TAG Mainland Miltenberg – Churfranken e.V. in der Stadt Miltenberg arbeite. Der Landkreis Miltenberg übernehme weiterhin die Personalkosten. Die Mitarbeiterin habe sich für das Modell Altersteilzeit entschieden und werde erst am 30.09.2009 endgültig in den Ruhestand treten. Bis zu diesem Zeitpunkt seien die Personalkosten vom Landkreis Miltenberg zu finanzieren.

 

Damit sei der vorliegende Antrag sowohl aus fachlichen als auch finanziellen Aspekten unbegründet. Es werde vorgeschlagen, den Antrag abzulehnen.

 

Kreisrat Scherf erklärte, dass der vorliegende Antrag aus seiner Sicht nicht unbegründet sei. „Bubenarbeit“ sei vielmehr notwendig, weil Jungen hinter Mädchen zurückstehen müssen. Wenn Frauen ihren gleichberechtigten Anteil am Erwerbsleben wahrnehmen sollen, müssen auf der anderen Seite Männer ihren Anteil am Familienleben und am Haushalt wahrnehmen. Dazu gehöre auch, eingefahrene Rollenklischees zu hinterfragen. Dies geschehe z.Z. nicht in ausreichender Art und Weise. Außerdem hätten Untersuchungen ergeben, dass Buben Defizite im Sozialverhalten und bei der Sprachkompetenz hätten. Das bundesweite Projekt „Neue Wege für Jungs“, das parallel zum Girls´Day stattfinde, thematisiere die Problematik und gebe Impulse. „Bubenarbeit“ könne von der Gleichstellungsbeauftragten aus zeitlichen Gründen nicht geleistet werden, jedenfalls nicht in der hervorragenden Qualität, die diese leiste, was die Arbeit für Frauen anbelange. Eine Aufstockung der Gleichstellungsstelle sei daher unabdingbar.

 

Kreisrat Dr. Schüren erinnerte an einen von Kreisrätin Münzel vor ca. sechs Jahren vorgelegten Antrag, der fast wortgleich bezüglich Mädchen abgefasst gewesen sei. Die von Kreisrat Scherf geäußerten Argumente zum heute vorliegenden Antrag werden nicht bestritten. Es sei jedoch kein direkter Bezug zur geforderten Stellenaufstockung, die hohe Kosten verursachen würde, erkennbar. Die Behebung der (zurecht) vorgebrachten Defizite bei Jungen wäre ein so schwieriger Prozess, der sich über Jahre hinziehen würde und den weder drei, vier noch fünf Gleichstellungsbeauftragte schaffen könnten. Nach Meinung von Kreisrat Dr. Schüren müsste „Bubenarbeit“ bereits im Kindergarten beginnen. Das Problem sei hier, dass es nur Kindergärtnerinnen gebe. Er traue der Gleichstellungsbeauftragten zu, dass sie in der Lage sei, neuen Erkenntnissen folgend verstärkt auf Jungen einzugehen. Vielleicht sollte Frau Seidel gesagt werden, dass der Kreisausschuss wünsche, dass sie verstärkt in diesem Bereich arbeite. Nach Ablauf von ein bis zwei Jahren sollte der Kreisausschuss über das, was zwischenzeitlich geschehen sei, beraten.

 

Landrat Schwing wies darauf hin, dass Frau Seidel die Gleichstellungsbeauftragte für das Landratsamt Miltenberg sei, jedoch nur 10 % ihrer Arbeit diesen Bereich betreffe. Die übrige Zeit leiste sie Arbeit im Landkreis Miltenberg. Mit der Veranstaltung „Neue Wege für Jungs: Jungen für soziale Berufe interessieren“ verrichte sie auch schon „Bubenarbeit“. Es stimme, dass Schulsozialarbeit wichtig wäre. Es gehe aber nicht an, dass sich der Landkreis allem was schief laufe annehme. Das wäre nicht finanzierbar und würde andere zuständige Ebenen aus ihrer Verantwortung entlassen.

 

Kreisrat Andre vertrat die Meinung, dass das Anliegen von Bündnis 90/Die Grünen-ödp nicht Aufgabe des Landkreises sei und eine weitere Halbtagskraft mit dieser Aufgabe überfordert wäre. Sinnvoll wäre es, Schulsozialarbeit zu fördern. Er erinnerte in diesem Zusammenhang an die Vereinen die bereits erfolgreich „Bubenarbeit“ leisten. Der Wandel der Gesellschaft könne nicht durch Therapien geändert werden. Zum Finanzierungsvorschlag von Bündnis 90/Die Grünen-ödp sei zu sagen, dass wenn irgendwo Geld eingespart werde, nicht sofort eine neue Stelle geschaffen werden könne.

 

Kreisrat Fischer gab Kreisrat Dr. Schüren Recht. Das geschilderte Problem müsse im Elternhaus und Kindergarten gelöste werden. Der Landkreis könne dafür nicht zuständig sein.

 

Kreisrätin Weitz erklärte, sie werde dem vorliegenden Antrag zustimmen. Die Zustimmung des gesamten Kreisausschusses hätte Signalwirkung an die Kommunen, etwas in Richtung Sozialarbeit zu tun und neue Wege zu gehen.

 

In der daraufhin erfolgten Abstimmung lehnte der Kreisausschuss den vorliegenden Antrag von Bündnis 90/Die Grünen-ödp mit Stimmenmehrheit ab.

 

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