Tagesordnungspunkt

TOP Ö 12: Antrag des Kreisrates Ulrich Frey auf Verabschiedung einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg

BezeichnungInhalt
Sitzung:26.02.2007   KA/032/2007 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Verwaltungsdirektor Fieger trug vor, dass Kreisrat Frey mit Schreiben vom 11.12.2006 die Verabschiedung einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg beantragt habe. Aus zeitlichen und organisatorischen Gründen sei es nicht möglich gewesen, den Antrag in die Sitzungsrunde im Dezember 2006 einzubringen. Deshalb sei er gemäß § 17 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung für den Kreistag (GeschO) in die Tagesordnung der jetzigen Sitzungsrunde aufgenommen worden.

 

In seinem Kerngehalt sei der Satzungsentwurf von Kreisrat Frey auf ein Auskunftsrecht ohne Vorliegen eines berechtigten Interesses (s. § 2 Abs. 1 Satz 2 des Satzungsentwurfs) ausgerichtet.

 

1.  Es sei richtig, dass der Erlass einer Informationsfreiheitssatzung rechtlich grundsätzlich möglich wäre. Nach Art. 17 Satz 1 LKrO seien die Landkreise befugt, im Rahmen der Gesetze Satzungen zu erlassen und damit ihre eigenen Angelegenheiten zu regeln.

 

2.  Die Landkreisverwaltung sei seit jeher Bemühungen aufgeschlossen, die zum Ziel hätten, im Sinne einer bürgerfreundlichen Verwaltung die Transparenz von Verwaltungsentscheidungen zu fördern. Bereits im Unternehmensleitbild seien die Grundsätze der Kundenorientierung und Transparenz von Verwaltungsentscheidungen niedergelegt.

 

3.  Die Argumente, die für den Erlass einer Informationsfreiheitssatzung sprechen, habe Kreisrat Frey in seiner Vorlage dargestellt. Abgesehen von einigen hier nicht zu vertiefenden juristischen Mängeln des vorgelegten Entwurfs spreche nach Auffassung der Verwaltung eine ganze Reihe von grundsätzlichen Argumenten gegen eine solche Satzung:

     a)  Eine allgemeine Informationsfreiheitssatzung des Landkreises Miltenberg sei nicht notwendig. Angesichts der bereits bestehenden Informationsrechte (z.B. Art. 29 BayVwVfG, § 25 SGB X, § 3 UIG, Art. 4 BayPresseG) und der tatsächlichen Informationsmöglichkeiten, aber auch im Hinblick auf die umfangreiche Medienberichterstattung und die grundsätzliche Sitzungsöffentlichkeit überzeuge es wenig, dass der Bürger erst durch den voraussetzungslosen Zugang zu amtlichen Unterlagen und Informationen die Verwaltung kontrollieren und mitgestalten können soll.

     b)  Die Bearbeitung von Akteneinsichtsanträgen würde einen erheblichen Prüfungsaufwand erfordern. Die allgemeine Satzungsbefugnis nach Art. 17 Abs. 1 LKrO bestehe nur insoweit, als nicht in Rechte Dritter eingegriffen werde. Dies müsse durch entsprechende Ausschlussgründe (s. § 5 des Satzungsentwurfs) verhindert werden. Die gewünschten Daten müssten z.B. dahingehend überprüft werden, ob schutzwürdige Belange Dritter oder Erfordernisse der Geheimhaltung entgegenstehen. Ggf. müssten Dritte beteiligt werden, um dies abschließend zu klären. Der dadurch entstehende Aufwand wäre mit den Grundsätzen der Verwaltungsvereinfachung und –beschleunigung nicht zu vereinbaren.

     c)  Eine Satzung des Landkreises Miltenberg greife einem möglichen Bayerischen Gesetz vor. Die Landtagsfraktionen der SPD (Drs15/4586 vom 13.01.2006) und von Bündnis 90/Die Grünen (Drs15/4587 vom 16.01.2006) haben zu Beginn des vergangenen Jahres Entwürfe zum Erlass eines Bayerischen Informationsfreiheitsgesetzes eingebracht. Es erscheine nicht ratsam, im Wege des „vorauseilenden Gehorsams“ jetzt und im Alleingang eine lokale Satzung für den Landkreis Miltenberg zu erlassen, denn ein entsprechendes Bayerisches Informationsfreiheitsgesetzes würde im Fall seiner Verabschiedung selbstverständlich einer kommunalen Satzung vorgehen. Auch dem Gesetz widersprechende Regelungen können nicht ausgeschlossen werden.

 

4.  Aus den genannten Gründen empfehle schließlich auch der Bayerische Landkreistag vom Erlass solcher Satzungen schon allein im Hinblick auf die beiden im Landtag eingebrachten Gesetzentwürfe abzusehen.

 

Landrat Schwing wies darauf hin, dass Antragsteller bisher, wenn sie nicht Mitglied des betreffenden Ausschusses seien, ihren Antrag in der Sitzung hätten begründen dürfen. Er gehe davon aus, dass auch Kreisrat Frey diese Möglichkeit geboten werde.

 

Auf Befragen erhoben die Mitglieder des Kreisausschusses hiergegen keine Einwendungen.

 

Kreisrat Frey begründete seinen Antrag sodann wie folgt:

 

Informationsfreiheit sei ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger. Wo Informationsfreiheit bestehe, hätten Bürger ein allgemeines Einsichtrecht in Akten der öffentlichen Verwaltung. Dadurch werden Informationen, die den Behörden vorliegen, das, was sie eigentlich sein sollen: Öffentliche Informationen, die allen Bürgern gehören. Das Prinzip der Öffentlichkeit der Verwaltung trete an die Stelle des traditionellen Amtsgeheimnisses.

 

Informationsfreiheit stehe im Einklang mit Recht und Gesetz. Schutzbestimmungen anderer Gesetze, wie etwa dem Datenschutz, bleiben gewahrt. Denn es gehe keinesfalls darum, das Privatlegen eines Bürgers oder Firmengeheimnisse auszuforschen. Deshalb seien auch die Bereiche, in denen es keinen allgemeinen Zugang zu Informationen geben könne, klar definiert.

 

In über 60 Ländern der Welt existieren bereits solche Informationsfreiheitsgesetze. Seit 01.01.2006 sei auch in Deutschland das neue Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Nicht mehr die Geheimhaltung amtlicher Informationen ist nun die Regel, sondern ihre allgemeine Zugänglichkeit. Jede Bürgerin und jeder Bürger habe Zugang zu amtlichen Informationen, es sei denn, es liegen im Einzelfall spezielle Ausschluss- oder Beschränkungsrechte vor. Nicht mehr der Zugang zu Informationen der Behörde sei an Bedingungen geknüpft, sondern deren Geheimhaltung. Der Staat müsse begründen, warum er Unterlagen nicht herausgebe, nicht der Bürger, warum er sie wolle. Dieses Gesetz gelte allerdings nur für Bundesbehörden. Auch in einzelnen Bundesländern seien bereits Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet worden, nämlich in Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Aus diesen Bundesländern werden fast ausschließlich positive Erfahrungen gemeldet. Die dortigen Verwaltungen seien unter der Antragsflut nicht zusammengebrochen. Im ersten Evaluierungsbericht Nordrhein-Westfalens sei von einem „verantwortungsbewussten Umgang der Bürger mit dem neuen Recht“ die Rede.

 

Den Kommunen stehe es frei, für ihren eigenen Wirkungskreis im Rahmen der Selbstverwaltung kommunale Informationsfreiheitssatzungen zu beschließen. Der vorliegende Antrag schließe eine Auskunftspflicht aus, sowie Informationen nach einem Gesetz geheim gehalten werden müssen oder soweit es sich bei den Informationen um Geheimnisse Dritter, insbesondere zum persönlichen Lebensbereich gehörende Geheimnisse oder Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse handele. Mit einer Informationsfreiheitssatzung könne sich der Landkreis Miltenberg selbst dazu verpflichten, die Verwaltungsvorgänge im Landratsamt Miltenberg allgemein zugänglich und transparent und damit auch nachvollziehbar zu machen.

 

Verwaltungsdirektor Fieger verweise in seinem Beschlussvorschlag auf die umfangreiche Medienberichterstattung und die Sitzungsöffentlichkeit. Nur nütze die Medienberichterstattung einem Bürger, der ein Anliegen habe, das in den Medien nicht auftauche oder für dessen spezielle Fragen der Text nicht aussagekräftig genug sei, nichts. Und der Hinweis auf die Sitzungsöffentlichkeit werde einem arbeitenden Mitbürger sicher auch nicht weiterhelfen.

 

Für eine Informationsfreiheitssatzung spreche durchaus, dass derzeit der Zugang zu Informationen für die Bürger stark reglementiert sei. Deshalb hätten sowohl die Bundesregierung als auch verschiedene Bundesländer entsprechende Gesetze erlassen und damit die Rechte der Bürger und die Demokratie gestärkt.

 

Im Weiteren spreche Verwaltungsdirektor Fieger den Prüfungsaufwand an, der bei der Bearbeitung der Akteneinsichtsanträge entstehen könnte:

-    Viele Anfragen lassen sich wahrscheinlich recht einfach klären.

-    Die Bürger seien der Souverän in unserem Land. Sie hätten Anspruch darauf, von den Behörden ernst genommen zu werden. Dazu gehöre die Möglichkeit, Fragen zu stellen und qualifizierte Antworten zu erhalten.

-    Eine Gebührenordnung würde die Flut der Anträge sowie die Kosten der Verwaltung in Grenzen halten.

-    Man sollte eine sinnvolle Sache nicht deswegen verhindern, weil im Einzelfall Schwierigkeiten auftreten könnten.

 

Besonders befremdlich seien die Ausführungen im Zusammenhang mit einem möglichen Bayerischen Gesetz. Der Bayerische Landtag habe hierzu bereits im Oktober 2006 die entsprechenden Anträge von Bündnis 90/Die Grünen und SPD abgelehnt, so dass von „vorauseilendem Gehorsam“ keine Rede sein könne. Außerdem regle der Landtag Landesangelegenheiten und der Kreistag Landkreisangelegenheiten, was bekanntlich zwei verschiedene Dinge seien.

 

Der vorliegende Entwurf der Verwaltung vermittle den Eindruck, man sei vor allem darum bemüht, alles so zu belassen wie es sei und den Bürgern möglichst wenig Einblicke in die Belange der Kreisverwaltung zu ermöglichen. Er (Kreisrat Frey) hoffe, dass der Schein trüge, dass hier ein veraltetes Obrigkeitsdenken die Oberhand über ein modernes Demokratieverständnis gewonnen habe, in dem tatsächlich die Bürger durch voraussetzungslosen Zugang zu verschiedenen amtlichen Informationen die Verwaltung kontrollieren und Gestaltungsrechte und Spielräume nutzen können.

 

 

Landrat Schwing erklärte, dass Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Miltenberg die für sie wichtigen Informationen erhalten. Dafür müsse nicht erst eine Informationsfreiheitssatzung beschlossen werden. Er nehme an, dass Kreisrat Frey wenig Einblick in die Arbeit der Verwaltung habe, sonst wüsste er, dass die Landkreisverwaltung anlässlich einer Kundenbefragung ausgezeichnet beurteilt worden sei. Dem Landratsamt Miltenberg sei in diesem Zusammenhang bestätigt worden, dass es auf gutem Weg zu einem Dienstleistungsunternehmen sei, das die Anliegen seiner Bürgerinnen und Bürger sehr ernst nehme. Im Übrigen stehe die Meinung der Verwaltung zum vorliegenden Antrag von Kreisrat Frey im Einklang mit der Meinung des Bayerischen Landkreistages.

 

Kreisrat Dr. Fahn wies darauf hin, dass schon einige Bundesländer Informationsfreiheitssatzungen beschlossen hätten. Er könne nicht erkennen, wie aufgrund einer solchen Satzung das Informationsrecht durch Bürgerinnen und Bürger missbraucht werden soll. Er halte die von Kreisrat Frey beantragte Informationsfreiheitssatzung für eine gute Sache und unterstütze den vorliegenden Antrag.

 

Kreisrat Dr. Schüren sprach sich dafür aus, mutig zu sein und nicht zu befürchten, dass Bürgerinnen und Bürger die Verwaltung mit ihren Anfragen lahm legen werden. Er sei ebenfalls der Meinung, dass dem Erlass einer Informationsfreiheitssatzung als Vertrauen bildende Maßnahme zusätzlich zum bestehenden Informationsrecht der Bürger zugestimmt werden sollte. Die SPD-Fraktion werde dies tun.

 

Kreisrat Scherf stellte richtig, eine Satzung des Landkreises Miltenberg einem möglichen Bayerischen Gesetz nicht vorgreifen würde, weil der Vorschlag von SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom Bayerischen Landtag bereits abgelehnt worden sei. Im Übrigen verstehe er die Horrorszenen nicht, die an die Wand gemalt werden. Schließlich gebe es Informationsfreiheitssatzungen schon in fast allen europäischen Ländern und in mehreren Bundesländern. Auch die Bürgerinnen und Bürger des Landkreises Miltenberg würden sich nur die Informationen holen, die sie benötigen. Würde der Kreistag dem Erlass einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg zustimmen, könnte er sich als ganz fortschrittlicher Landkreis bezeichnen.

 

Kreisrat Andre sagte, er unterstellt den Bürgerinnen und Bürgern kein Misstrauen gegenüber der Verwaltung. Es soll auch nicht alles so belassen bleiben wie es sei. Er bitte jedoch zu bedenken, dass in den letzten Jahren viele Maßnahmen getroffen worden seien, die den Bürgerinnen und Bürgern den Zugang zu Informationen erleichtern. Es sei auch nicht so, dass die Landkreisverwaltung die Bürgerinnen und Bürgern möglichst wenig informieren wolle. Das Gegenteil sei der Fall. Es gebe laufend Informationen, die die Bürgerinnen und Bürger zu Diskussionen anregen. Eine Satzung ohne Vorliegen eines berechtigten Interesses zu beschließen, halte er daher nicht für sinnvoll.

 

Kreisrat Stappel erklärte, dass er dem vorliegenden Antrag ebenfalls nicht positiv gegenüber stehe. Als Kreisrat sei er im Auftrag der Bürgerinnen und Bürger tätig und vertrete deren Interessen. Sofern ein Bürger an gewissen Dingen zweifle, werde er von der Verwaltung auch ohne Informationsfreiheitssatzung Auskunft erhalten. Er sei überzeugt, dass die von Verwaltungsdirektor Fieger vorgetragene Begründung für die Entscheidung über den Antrag maßgebend sei. Er werde daher dem Antrag von Kreisrat Frey nicht zustimmen.

 

Landrat Schwing erklärte, dass ein Bürger, der ein berechtigtes Interesse nachweise, alle erforderlichen Informationen erhalte. Wenn kein berechtigtes Interesse vorliege, habe er kein Recht auf Information. Er gehe davon aus, dass in Bayern noch kein Landkreis eine Informationsfreiheitssatzung beschlossen habe, zumal der Bayerische Landkreistag empfohlen habe, keine solche Satzung zu erlassen.

 

Mit Stimmenmehrheit empfahl der Kreisausschuss sodann dem Kreistag, den Antrag des Kreisrates Ulrich Frey vom 11.12.2006 auf Verabschiedung einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg abzulehnen.

 

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