Tagesordnungspunkt
TOP Ö 2: Ambulante Frühförderung - Rahmenvertrag: Verhandlungen mit dem Verein Lebenshilfe für Behinderte im Landkreis Miltenberg e.V.
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 27.09.2006 KA/028/2006 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Landrat Schwing teilte mit, dass versucht werde, mit
dem Verein Lebenshilfe für Behinderte im Landkreis Miltenberg e.V. so schnell
wie möglich eine Vereinbarung abzuschließen. In der Präsidiumssitzung des
Bayerische Landkreistages sei gesagt worden, dass der Landkreis Miltenberg als
einer der ersten Landkreise Bayerns eine Vereinbarung abschließen werde, die
nicht der Rahmenvereinbarung entspreche.
Unter Hinweis auf den allen Kreisausschussmitgliedern
übermittelten Entwurf einer Zusatzvereinbarung führte Verwaltungsamtsrat Vill sodann
folgendes aus:
·
Demnächst sehr
wahrscheinlich Wechsel der Zuständigkeit für die Frühförderung!
Die
Zuständigkeit für die ambulante Frühförderung in Bayern wird sehr
wahrscheinlich demnächst von den örtlichen Sozialhilfeträgern (Landkreisen und
kreisfreien Städten) auf die überörtlichen Sozialhilfeträger (Bezirke)
wechseln. Nachdem dies bereits seit Jahren diskutiert wird, hat sich Anfang
September 2006 die Bayerische Staatsregierung dafür ausgesprochen. In der
vergangenen Woche wurde das Thema von der CSU-Landtagsfraktion behandelt.
Nach
Mitteilung des Bayerischen Landkreistages vom 21.09.2006 ist der
Zuständigkeitswechsel zu 99 % sicher. Nachdem als Termin zunächst der
01.01.2007 ins Auge gefasst worden war, werde der Zeitpunkt aber vermutlich auf
den 01.07.2007 verschoben, da das Gesetzgebungsverfahren in der Kürze der Zeit
vermutlich nicht durchgezogen werden könne (Informationsstand zum Zeitpunkt der
Versendung der Beschlussvorlage):
·
Momentane
Situation der Frühförderung im Landkreis Miltenberg
Unter
Frühförderung versteht man zunächst heilpädagogische Maßnahmen vor der
Einschulung für Kinder, die behindert oder von Behinderung bedroht sind. Die
Hilfe wird als Eingliederungshilfe im Rahmen der Sozialhilfe gewährt, ist aber
unabhängig von Einkommen und Vermögen der Eltern. Soweit daneben medizinisch-therapeutische
Leistungen (z.B. Logopädie, Ergotherapie) notwendig sind, sind die
Krankenkassen zuständig.
Im
Landkreis Miltenberg wird die Frühförderung vor allem durch den Verein
Lebenshilfe für Behinderte e.V. erbracht (93 % unserer Behandlungseinheiten
(BE)/85 % unserer Kosten). Für seh- und hörgeschädigte Kinder erfolgt die
Frühförderung durch die Blindeninstitutsstiftung Würzburg (3 %/6 %) bzw. durch
die Dr. Karl-Kroiß-Schule Würzburg (4 %/9 %).
Die
Gesamtausgaben für die Frühförderung im Landkreis Miltenberg beliefen sich in
den letzten Jahren auf jährlich ca. 505.000,00 €. Eine Befragung des
Bayerischen Landkreistages im Februar 2006 hat ergeben, dass der Landkreis
Miltenberg bezüglich der Ausgaben (von 61 teilnehmenden Landkreisen) an 25.
Stelle in Bayern und an 3. Stelle in Unterfranken liegt.
·
Bayerischer
Rahmenvertrag (Ziffer 1)
Seit
01.08.2006 besteht der unter Ziffer 1. genannte Rahmenvertrag, welchen der
Bayerische Städtetag und der Bayerische Landkreistag mit den Spitzenverbänden
der Krankenkassen und den Trägerverbänden der Frühförderung abgeschlossen
haben. Er wird für die einzelnen Sozialhilfeträger und Frühförderstellen aber
nur gültig, wenn der Beitritt ausdrücklich erklärt wird. Hierzu hat der
Bayerische Landkreistag seine Mitglieder aufgefordert.
Die
wesentlichsten Inhalte des 81 Seiten umfassenden Vertragswerks sind:
-
Einheitliche
Behandlungssätze für ganz Bayern (43,95 € je BE) zzgl. Investitionskosten-pauschale.
-
Stärkere
Beteiligung der Krankenkassen an der Frühförderung (insbesondere Finanzie-rung
der Eingangsdiagnostik).
-
Gilt nicht für
Kinder, die ausschließlich Leistungen zu Lasten des Sozialamtes oder der
Krankenkasse erhalten (isolierte Leistungserbringung).
·
Zusatzvereinbarung
nach Ziffer 2
Nachdem
bei uneingeschränkter Anwendung der Rahmenvereinbarung erhebliche Mehrkosten in
der Frühförderung nicht auszuschließen waren, wurden seit Juni 2006
Verhandlungen mit dem Verein Lebenshilfe für Behinderte im Landkreis Miltenberg
e.V. geführt, mit dem Ziel des Abschlusses einer Zusatzvereinbarung, die jetzt
als Verhandlungsergebnis vorliegt. Der Verein Lebenshilfe e.V. ist – jedenfalls
im Falle eines dauerhaften Fortbestehens der Landkreiszuständigkeit - mit deren
Inhalten einverstanden.
Die
wesentlichsten Inhalte sind:
-
Befristete
Gültigkeit für drei Jahre,
-
grundsätzlich
zumindest befristeter Beitritt beider Seiten zum Rahmenvertrag,
-
Einbeziehung von
Kindern, die nur Leistungen zu Lasten des Sozialamtes erhalten,
-
Vereinbarung
eines Budgets von jährlich 430.000,00 € bei Garantie eines budgetunab-hängigen
Minimalsatzes von 41,00 € (statt 43,95 € + 1,40 € Investitionskostenpau-schale),
-
behördeninterne
fachliche Überprüfung aller Frühförderanträge durch das Gesundheits-amt.
Der
vereinbarte Budgetbetrag (430.000,00 €) entspricht nahezu dem seitherigen
Budgetbetrag (427.454,00 €). Nachdem die Kosten für den Landkreis Miltenberg
bei dieser Regelung etwa gleich bleiben werden, bedeutet diese doch für den Verein Lebenshilfe e.V. voraussichtlich eine
Einnahmensteigerung, weil aufgrund der stärkeren Einbindung der Krankenkassen
mit dortigen jährlichen Mehreinnahmen von ca.
50.000,00 € zu rechnen sein wird. Im Gegenzug verpflichtet sich der Verein
Lebenshilfe e.V. allerdings, eine Minderung von derzeit noch gezahlten
Zuschüssen des Kultusministeriums ohne Beantragung von Neuverhandlungen bis zu
einem Betrag von ca. 40.000,00 € zunächst selbst auszugleichen. Darüber hinaus
ist für den Verein Lebenshilfe e.V. im Kostenumfang von ca. 10.000,00 € ein
Mehraufwand für verstärkte offene Erstberatung der Eltern zu erwarten.
Hinsichtlich
der Blindeninstitutsstiftung und der Dr. Karl- Kroiß-Schule ist der Abschluss
einer Zusatzvereinbarung mit dem Landkreis Miltenberg deshalb nicht vorgesehen,
weil der Anteil dieser beiden überregional tätigen Träger an unseren
Gesamtkosten und Gesamtbehandlungseinheiten nur vergleichsweise gering ist.
Außerdem ist nach der Rahmenvereinbarung bei
Frühförderstellen mit überregionalem Einzugsbereich nur der Sozialhilfeträger
des Sitzes der Frühförderstelle verhandlungsbefugt.
·
Abweichende
Vorgehensweise im Fall eines gesicherten Zuständigkeitswechsels (Ziffer 3)
Für den –
wahrscheinlichen – Fall, dass ein baldiger Zuständigkeitswechsel zum
überörtlichen Träger erfolgt, kann von einzelnen Punkten der Zusatzvereinbarung
Abstand genommen werden.
Insbesondere
die beabsichtigte Überprüfung aller Fälle durch das Gesundheitsamt - so seit
Jahren praktiziert vom Landkreis Bayreuth - erscheint dann nicht angezeigt,
weil sich eine solche Maßnahme nach den Erfahrungen des Landkreises Bayreuth
überhaupt erst nach mehreren Jahren auswirken würde. Die Festlegung des Budgets
sollte jedoch auch in diesem Fall so geregelt werden.
·
Notwendigkeit
der offenen Beschlussformulierung
Die offene
Beschlussformulierung, wie vorgeschlagen, ist im Hinblick auf die momentane
Unsicherheit bei der Weiterentwicklung der Zuständigkeit notwendig. Zugleich
kann mit dem Abschluss einer Vereinbarung mit dem Verein Lebenshilfe für
Behinderte im Landkreis Miltenberg e.V. nicht bis zur Kreisausschusssitzung am
14.12.2006 zugewartet werden, weil die Regelungen, über die zu entscheiden ist,
schon seit Beginn des Schuljahres 2006/2007 Gültigkeit haben sollten und der
Verein Lebenshilfe e.V. eine gesicherte Basis für seine Arbeit benötigt.
Kreisrat Dotzel begrüßte die Unterstützung behinderter
und von Behinderung bedrohter Kinder, gab jedoch zu bedenken, dass es
unterschiedliche Behinderungen gebe. Er fragte, ob es stimme, dass Eltern nicht
zur Beitragsleistung herangezogen werden.
Verwaltungsamtsrat Vill teilte dazu mit, dass die
finanzielle Beteiligung von Eltern schon seit langer Zeit von den Spitzenverbänden
gefordert werde. Leider habe der Gesetzgeber darauf noch nicht reagiert.
Oftmals werden Kinder bewusst in die Frühförderung geschickt, obwohl gar keine
Behinderung bestehe.
Kreisrat Dr. Schüren bestätigte, dass es lt. MdB
Wright bereits einen Referentenentwurf gegeben habe. In der großen Koalition
existiere dieser Entwurf jedoch nicht mehr. Er könne versichern, dass sich auch
die SPD-Landtagsfraktion mit der Angelegenheit befassen werde, nicht nur die
CSU-Fraktion.
Landrat Schwing bemerkte, dass die Angelegenheit
überraschend von der CSU-Landtagsfraktion behandelt worden sei. Es stimme aber,
dass das Problem über alle Fraktionen hinweg erkannt sei.
Kreisrat Scherf stellte klar, dass es nicht nur um
behinderte Kinder, sondern auch um von Behinderung bedrohte Kinder und dabei in
erster Linie um Vermeidung von Behinderung gehe. Es sei bedauerlich, dass es
Missbrauch gebe. In den Frühförderstellen werde sehr gute Arbeit geleistet.
Aufgrund der Prüfung durch das Gesundheitsamt werde nun befürchtet, dass zum
Leidwesen der Betroffenen Hilfen versagt werden, wo sie angebracht wären. Es
stimme, dass vermögende Eltern Beiträge leisten könnten. Bedauerlich sei aber,
dass sozial schwache Familien nicht die nötige Kompetenz hätten, sich Hilfe zu
holen.
Landrat Schwing erklärte, dass dem Landkreis
Miltenberg bezüglich der Frühförderung kein Vorwurf gemacht werden könne. Im
Gegenteil, es sei immer kräftig gezahlt worden, weil es viele Fälle gegeben
habe. Zum Vergleich: Der Landkreis Aschaffenburg sei ca. 50 % größer als der
Landkreis Miltenberg und habe nur einen Bruchteil an Fällen. Das Sozialamt
Miltenberg achte schon immer darauf, dass diejenigen, die Hilfe benötigen, auch
Hilfe erhalten, unabhängig von den Kosten. Die abzuschließende Vereinbarung sei
eine deutliche Verbesserung für den Verein Lebenshilfe für Behinderte im
Landkreis Miltenberg e.V.. Er (Landrat Schwing) habe den Vereinbarungsentwurf
im Präsidium des Bayerischen Landkreistages abgelehnt, weil noch viele Fragen
zu klären gewesen seien.
Kreisrat Dotzel bemerkte, dass es ihm nicht um
Leistungseinschränkung gehe. Es falle jedoch immer wieder auf, dass
Klärungsbedarf bestehe.
Verwaltungsamtsrat Vill erklärte zur Frage von
Kreisrat Scherf wegen Prüfung durch das Gesundheitsamt, dass aufgrund des
Zuständigkeitswechsels keine Prüfung durchgeführt werde. Die extrem hohen
Fallzahlen und Behandlungseinheiten berechtigen allerdings zur Frage, ob es
sich ausschließlich um behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder handele.
Das Gesundheitsamt werde künftig nur prüfen, ob die Voraussetzungen vorliegen.
Landrat Schwing versicherte, dass das Gesundheitsamt
immer das Wohl des Kindes in den Vordergrund stellen und entsprechend
entscheiden werde. Es dürfen jedoch künftig nur die wirklich Betroffenen gefördert
werden.
Durch den Kreisausschuss wurde sodann bei einer
Gegenstimme folgendes
b e s c h l o s s e n :
Die Verwaltung wird ermächtigt,
1.
den
bis 31.07.2009 befristeten Beitritt zum „Rahmenvertrag über die Früherkennung
und Frühförderung behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder in
Interdisziplinären Frühförderstellen in Bayern“ bei gleichzeitigem Abschluss
einer Zusatzvereinbarung nach Ziffer 2 oder 3 mit dem Verein Lebenshilfe für
Behinderte im Landkreis Miltenberg e.V. zu erklären.
2.
im
Fall des Fortbestehens der Zuständigkeit der örtlichen Sozialhilfeträger für
die ambulante Frühförderung über den 31.07.2007 hinaus, die im Entwurf
vorliegende Zusatzvereinbarung mit dem Verein Lebenshilfe für Behinderte im
Landkreis Miltenberg e.V. abzuschließen.
3.
im
gesicherten Fall der alsbaldigen Beendigung der Zuständigkeit der örtlichen
Sozialhilfeträger für die ambulante Frühförderung eine anders lautende
Zusatzvereinbarung mit dem Verein Lebenshilfe für Behinderte im Landkreis
Miltenberg e.V. abzuschließen, die sowohl die Interessen des Vereins als auch
des Landkreises Miltenberg angemessen berücksichtigt.
Über das Ergebnis ist zu berichten.