Tagesordnungspunkt
TOP Ö 5: Eingeschränkte Anwendung der Bayerischen Frauenhaus-Rahmenvereinbarungen nach Sozialgesetzbuch (SGB) II und XII
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 24.05.2006 KA/026/2006 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Verwaltungsamtsrat Vill führte folgendes aus:
Rechtslage bis 31.12.2004
Nachdem nicht im Bereich eines jeden Sozialhilfeträgers
ein Frauenhaus vorhanden sei, bestehen seit vielen Jahren Vereinbarungen, um
Träger, in deren Bereich es ein Frauenhaus gebe (Frauenhausträger), vor
unverhältnismäßiger Kostenbelastung zu schützen. Dabei gehe es nicht nur um die
Kosten, die im Frauenhaus entstehen, sondern auch um die Kosten, die entstehen,
wenn die Frau das Frauenhaus verlasse und im dortigen Bereich eine Wohnung
anmiete.
Bis 31.12.2004 habe es zu diesem Zweck eine Bayerische
Frauenhaus-Rahmenvereinbarung nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) gegeben,
der auch der Landkreis Miltenberg beigetreten gewesen sei. Diese habe folgendes
besagt:
- Dem Frauenhausträger sind die Kosten im
Frauenhaus vom Herkunftsträger zu ersetzen, wenn die Frau von anderswo kam.
- Dem Frauenhausträger ist der Sozialhilfeaufwand
für zwei Jahre nach Austritt aus dem Frauenhaus vom Herkunftsträger zu
ersetzen, wenn die Frau von anderswo kam und im Bereich des Frauenhausträgers
wohnen bleibt.
- Auch einem andern Träger ist der Sozialhilfeaufwand
für zwei Jahre nach Austritt aus dem Frauenhaus vom Herkunftsträger zu
ersetzen, wenn die Frau von anderswo kam und nach dem Verlassen des
Frauenhauses im Bereich eines anderen Trägers als des Frauenhausträgers wohnen
bleibt (Drittträgerregelung).
Änderungen durch Hartz IV
Mit Hartz IV sei ab 01.01.2005 das Klientel der
Frauenhäuser zu etwa 98 % in das SGB II gewechselt, die alte Frauenhausvereinbarung
nach BSHG sei damit weitgehend ins Leere gegangen. Die Spitzenverbände hätten sich
Gedanken um eine Nachfolgeregelung gemacht, um das nach wie vor wichtige Ziel „Schutz
des Frauenhausträgers vor übermäßiger Belastung“ zu gewährleisten. Ein Stück
weit habe der Gesetzgeber vorgegriffen: Ein nachträglich eingefügter § 36 a SGB
II regle ab 01.10.2005 die Kostenerstattung für die Leistungen im Frauenhaus
kraft Gesetzes für den SGB II-Bereich.
Ursprüngliche Entwürfe der Spitzenverbände vom
27.09.2005
Mit Schreiben des Bayerischen Landkreistages vom
27.09.2005 seien u.a. zwei Vereinbarungsentwürfe übersandt worden und zwar eine
Anlage 3 zur Kenntnis und eine Anlage 4 mit der Bitte um Beitrittserklärung. In
der Anlage 3 (SGB XII-Bereich) sei lediglich die seitherige BSHG-Vereinbarung
ohne sonstige Veränderungen (einschließlich Drittträgerregelung) redaktionell
angepasst worden. Die ursprünglich vorgeschlagene Version der Anlage 4 habe
bezüglich der Kostenerstattung nach Austritt aus dem Frauenhaus im SGB II-Bereich
vor allem geregelt:
- Dem Frauenhausträger ist allein der kommunale
Aufwand für zwei Jahre zu ersetzen, wenn die Frau von anderswo kam und im
Bereich des Frauenhausträgers wohnen bleibt.
- Die
Regelung soll rückwirkend ab 01.01.2005 gelten.
Dies seien auch die Inhalte der Anlage 4. Darüber
hinaus habe die ursprünglich übersandte Version der Anlage 4 noch die genannte Drittträgerregelung
enthalten.
Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der örtlichen
Sozialhilfeträger Unterfrankens
Die ursprünglichen Vorschläge seien am 16.02.2006 von
den Leitern der unterfränkischen Sozialämter mit dem Vertreter des Bayerischen Landkreistages
diskutiert worden. Die Sozialhilfeträger hätten einhellig folgende Auffassung
vertreten:
- Grundsätzlich sinnvoll: Die
Kostenerstattung der Unterkunftskosten an die Frauenhausträger auf die Dauer
von zwei Jahren nach Austritt aus dem Frauenhaus erscheine auch im SGB
II-Bereich angemessen und sinnvoll, um die Frauenhausträger auch in diesem
Bereich vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen und den Bestand der
Frauenhäuser in Bayern dauerhaft zu gewährleisten.
- Drittträgerschutz jedoch nicht mehr
geboten: Nicht mehr zeitgemäß erscheine die Beibehaltung der Regelung, dass
auch einem anderen Träger als dem Frauenhausträger Kostenerstattung zustehen
soll, wenn sich eine Frau nach Austritt aus dem Frauenhaus dort niederlasse.
Diese Regelung sei zu einem Zeitpunkt sinnvoll und geboten gewesen, als ein
Frauenhausträger noch damit habe rechnen müssen, von anderen Landkreisen oder
kreisfreien Städten gemäß § 107 BSHG zur Kostenerstattung in Anspruch genommen
zu werden, wenn sich eine Frau unmittelbar nach Austritt aus dem Frauenhaus
dort niederlasse. Die Vorschrift habe auf diesem Wege wiederum zuerst dem
Schutz des Frauenhausträgers gedient. Nach der ersatzlosen Streichung des § 107
BSHG seit 01.01.2005 bestehe diese Notwendigkeit aber nicht mehr. Die
Drittträgerregelung sei deshalb sowohl in der SGB II- als auch in der SGB XII-Regelung
als unzeitgemäße, überflüssige und zusätzliche Vorschrift abzulehnen.
- Rückwirkende Anwendung unverhältnismäßig
und bei Ausländerinnen Sache des Bezirks: Darüber hinaus erscheine es
ausreichend, die Vereinbarung nicht rückwirkend, sondern ab dem Zeitpunkt des
Beitritts für anwendbar zu erklären, weil auch die Anwendung für die
Vergangenheit unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand nach sich ziehen würde. Der
Vertreter des Bezirks habe überdies erklärt, dass der Bezirk Unterfranken, der 2005
noch für die Ausländer zuständig gewesen sei, der Vereinbarung ohnehin nicht
beitreten werde. Mehr als die Hälfte des Frauenhaus-Klientels seien jedoch
Ausländerinnen.
Die Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Sozialhilfeträger
Unterfrankens habe deshalb den Landkreisen und kreisfreien Städten
Unterfrankens die (weitere) Anwendung der Vereinbarungen, wie von den Spitzenverbänden
und vom Ministerium vorgeschlagen, allerdings mit Ausnahme der
Drittträgerregelung und im SGB II-Bereich nicht rückwirkend empfohlen.
Nachgebesserte Version der Anlage 4
Der Bayerischer Landkreistag und der Bayerischer
Städtetag hätten daraufhin die unterfränkischen Argumente
zu den Entwürfen noch einmal geprüft und mit Schreiben vom 27.04.2006 eine
abgeänderte Version der Anlage 4, bei der die Drittträgerregelung gestrichen sei,
übersandt. An der rückwirkenden Geltung der SGB II-Regelung (Anlage 4) wie auch
insgesamt an der SGB XII-Regelung (Anlage 3) sei nichts geändert worden.
Geringe finanzielle Bedeutung des Beschlusses
Die Bedeutung der SGB XII-Regelung (Anlage 3) betreffe
nur Frauen im Frauenhaus über 65 bzw. erwerbsunfähige Frauen zwischen 18 und 65
Jahren und gehe deshalb gegen „Null“. Im SGB II-Bereich (Anlage 4) dürfte es
sich nach Einschätzung und Erfahrung der Stadt Aschaffenburg, in deren Bereich
sich das Frauenhaus befinde, im Durchschnitt vielleicht um etwa eine Frau aus
dem Landkreis Miltenberg pro Jahr handeln, die nach dortigem Frauenhausaufenthalt
in der Stadt Aschaffenburg eine Wohnung anmiete und für welche dann die
Unterkunftskosten für zwei Jahre von der ARGE Landkreis Miltenberg an die Stadt
Aschaffenburg zu zahlen wären. Unter Berücksichtigung des zustehenden Bundesanteils
an den Hartz IV-Kosten würde dies eine jährliche Belastung von 5.000,00 € bis
10.000,00 € bedeuten. Trotzdem sei ein Kreisausschussbeschluss erforderlich,
weil diese Leistung über die gesetzliche Verpflichtung hinausgehe. Die
Zuständigkeit auch für den SGB II-Bereich liege ausschließlich beim zuständigen
Landkreisgremium, weil der Erlass allgemeiner Richtlinien über die Gewährung
von Leistungen für die Unterkunft nicht auf die ARGE übertragen sei. Der
Beschlussvorschlag sei mit der ARGE Miltenberg und der
Gleichstellungsbeauftragten abgestimmt.
Durch den Kreisausschuss wurde einstimmig folgendes
b e s c h l o s s e n :
1. Der Landkreis Miltenberg tritt der Anlage 4 der gemeinsamen
Empfehlungen (Frauenhaus-Rahmenvereinbarung SGB II) mit Wirkung vom 01.06.2006
mit folgenden Maßgaben bei:
- Folgende Vorschriften finden keine Anwendung: § 3 Abs. 1 und § 7
Abs. 2.
- Die Vereinbarung findet Anwendung auf Fälle, in denen der
Austritt aus dem Frauenhaus nach dem Zeitpunkt des Beitritts liegt.
2. Der Beitritt zu Anlage 3 (Frauenhaus-Rahmenvereinbarung SGB XII)
wird unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt, soweit es Fälle des § 3
Abs. 2 Satz 2 betrifft.