Tagesordnungspunkt

TOP Ö 5: Organisation der Berufsschulen in der Region 1

BezeichnungInhalt
Sitzung:16.12.2004   KA/013/2004 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Landrat Schwing begrüßte zu diesem Tagesordnungspunkt den Leiter der Staatl. Berufsschule Miltenberg-Obernburg, Oberstudiendirektor Stelzig.

 

Landrat Schwing wies sodann darauf hin, dass die Gebietskörperschaften der Region 1 gut zusammen arbeiten und bisher immer versucht hätten, alle Probleme einvernehmlich zu lösen. Allerdings gebe es immer wieder einmal Angelegenheiten, zu welchen man unterschiedliche Sichtweiten habe. Bezüglich der Berufsschulen sei dies der Fall. Er (Landrat Schwing) habe zwar Verständnis für die Argumente der beiden Aschaffenburger Kollegen, Oberbürgermeister Herzog und Landrat Dr. Reuter, gebe aber zu bedenken, dass bisher nur Berufsschüler aus dem Landkreis Miltenberg in Aschaffenburg beschult werden, während Berufsschüler aus Aschaffenburg nicht zum Unterricht in den Landkreis Miltenberg fahren müssen. Zwischenzeitlich gehe es um rd. 500 Berufsschüler aus dem Landkreis Miltenberg. Dies sei bisher akzeptiert worden.

 

Auslöser für den Tagesordnungspunkt “Organisation der Berufsschulen in der Region 1” sei ein Beschluss des Bayer. Landtags von 2001 bezüglich der Bildung von Kompetenzzentren. Seit dieser Zeit habe er (Landrat Schwing) anlässlich jeder Haushaltsberatung im Kreistag auf die schwierige Situation hingewiesen. Das Thema sei in den letzten Monaten relativ ruhig angegangen worden, sei aber brandaktuell (nicht erst seit es diesbezügliche Presseartikel gebe). Die Regierung von Unterfranken wolle nämlich im Jahr 2004 eine abschließende Entscheidung treffen.

 

Die Ausgangslage sei klar: Der Schülerrückgang an den Grundschulen betrage 30 % bis 50 %. Es gehe um “Mangelverwaltung” und es gebe nur Unzufriedene. Der Landkreis Miltenberg sei besonders hart betroffen, vor allem, wenn keine Kompetenzzentren kommen. Als Alternative drohe der Verlust eines, auf Dauer beider Berufsschul-Standorte. Daher müsse der Erhalt beider Berufsschul-Standorte unter dem Dach einer Schule das Ziel des Landkreises Miltenberg sein.

 

Seit Jahren fahren wöchentlich ca. 500 Berufsschüler aus dem Landkreis Miltenberg nach Aschaffenburg. Dies verursache die Zahlung von jährlichen Gastschulbeiträgen zwischen 250.000,00 € und 300.000,00 €, Tendenz steigend.

 

Chronologie der bisherigen Gespräche:

- 08.07.2004: Vorbesprechung mit der Regierung von Unterfranken in Miltenberg

- 27.07.2004: Spitzengespräch bei der Regierung von Unterfranken

- 02.09.2004: Hintergrundgespräch im Landkreis Miltenberg.

 

Aus der Stadt Aschaffenburg sei ein massives “Störfeuer” gekommen. Die Stadt Aschaffenburg habe sich nicht an die vereinbarte Vertraulichkeit gehalten, der Landtagsbeschluss werde dort nicht verstanden, jeder verfolge eigene Interessen und die Briefe z.B. von Kreishandwerksmeister Eser erhalte der Landkreis Miltenberg nie direkt, sondern nur über Dritte.

 

Landrat Schwing forderte, über Kirchtürme hinauszudenken. Das Konzept sei ein Regionskonzept, ein Gesamtkonzept und ein ausgewogenes Konzept. Das Herauslösen von Einzelthemen sei unmöglich. Der Kreistag Miltenberg dürfe sich nicht zurücklehnen, sondern müsse mit gestalten. Er brauche ein Konzept, das er mit tragen könne. Der Landkreis Miltenberg habe sich daher wegen eines Gesamtkonzeptes mit einem Schreiben an den Regierungspräsidenten gewandt und Vorschläge zur Abmilderung unterbreitet. Irritiert sei er (Landrat Schwing) insbesondere über eine Aussage von Frau MdL Pranghofer gewesen, wonach nur “Premiumberufe” nach Miltenberg geholt werden sollen. Eine solche Forderung habe er nie gestellt. Er habe lediglich geäußert, dass künftig neben traditionellen Berufen auch einige moderne Berufsbereiche in Miltenberg beschult werden sollen.

 

Das Konzept der Regierung von Unterfranken komme dem entgegen, was der Landkreis Miltenberg von Anfang an angestrebt habe. Ein Problem sei allerdings, dass es immer mehr Berufe gebe, was dazu führe, dass immer mehr Klassen mit immer weniger Schülern gebildet werden müssen.

 

Kreisrat Dr. Schüren sagte, für ihn und die SPD-Fraktion gehe es nicht um ein Problem der Berufsschulen, sondern um ein Problem des Landrats. Was Frau MdL Pranghofer geäußert habe, halte er für unglücklich, denn es suggeriere etwas, was nicht existiere. Er (Kreisrat Dr. Schüren) sei wie Landrat Schwing der Meinung, dass der Landtagsbeschluss zur Bildung von Kompetenzzentren richtig und für den Landkreis Miltenberg zukunftsweisend sei, weil es sonst langfristig zu Problemen mit den Berufsschulen gekommen wäre. Die Beschlussvorlage sei daher im Sinne der SPD-Fraktion.

 

Verärgert seien die Mitglieder der SPD-Fraktion jedoch darüber, dass Landrat Schwing eine andere Art von Information pflege als seine Kollegen in Aschaffenburg. Es sei bekannt, dass bezüglich der Organisation der Berufsschulen in der Region 1 Stillschweigen vereinbart worden sei. Spätestens nach der Diskussion der Angelegenheit im Senat von Aschaffenburg (10.11.2004) hätte Landrat Schwing zum Telefonhörer greifen und die Fraktionsvorsitzenden des Kreistages Miltenberg entsprechend informieren sollen, was leider nicht geschehen sei. Schließlich gebe es bestimmte Dinge, bezüglich deren Entscheidung man gern eine breite Mehrheit hätte. Des bedeute, wenn man jemanden für etwas gewinnen wolle, müsse man ihn frühzeitig informieren. Die SPD-Fraktion habe erst aufgrund des Pressartikels vom 27.11.2004 gesagt, so gehe es mit der Informationspolitik in dieser Angelegenheit nicht. Die Angelegenheit müsse vielmehr entsprechend diskutiert werden. Es gehe hier um eine sehr wichtige Diskussion. Die Information halten die Mitglieder der SPD-Fraktion für besonders wichtig, weil sie damit in den letzten Jahren keine guten Erfahrungen gemacht hätten. Es werde vermutet, Landrat Schwing denke, mit seinen 70 % könne er machen was er wolle. Manchmal wäre es jedoch besser, wenn der Landrat frühzeitiger informieren würde. Idealer Termin für die Information wäre der Tag gewesen, an welchem mit den Schulleitern ein vertrauliches Gespräch geführt worden sei. Aus dem Kreis der Fraktionsvorsitzenden seien bisher nie Vertraulichkeiten an die Öffentlichkeit gelangt.

 

Landrat Schwing betonte, dass er noch nie mit seinen 70 % kokettiert habe. Kein Mitglied des Kreistages werde bestreiten können, dass über die Angelegenheit schon seit einigen Jahren immer wieder gesprochen werde. Ihm (Landrat Schwing) gehe es um das Ergebnis, nicht um den Weg dorthin. Er habe seinen beiden Aschaffenburger Kollegen deutlich gesagt, dass er ihr Verhalten nicht gut finde. Landrat Dr. Reuter habe die Angelegenheit in der nächsten Kreistagssitzung behandeln lassen, im Landkreis Miltenberg beschäftige sich nun der Kreisausschuss damit. Es gehe darum, dass der Kreisausschuss heute nach außen ein entsprechendes Signal gebe. Er (Landrat Schwing) habe in dieser Angelegenheit nie an einer breiten Mehrheit gezweifelt. Wäre dies nicht so, würde es für die beiden Berufsschul-Standorte Miltenberg und Obernburg nicht gut aussehen.

 

Kreisrat Dr. Schüren bemerkte, dass Oberbürgermeister Herzog viel früher informiert und Unterlagen zugeleitet und nicht gewartet habe, bis die Gremien tagen.

 

Kreisrat Andre wies darauf hin, dass in der Presse nicht zu lesen gewesen sei, dass Landrat Schwing nicht rechtzeitig informiert habe. Es sei gesagt worden, “Landrat Dr. Reuter geht in die Offensive und Landrat Schwing schweigt dazu”.

 

Nach Meinung von Kreisrat Andre sollte der Kreisausschuss dem von der Regierung von  Unterfranken vorgelegten Konzept zustimmen. Dass es darüber Meinungsverschiedenheiten gebe, sei verständlich. Tatsache sei, dass der Landtagsbeschluss richtig gewesen sei, damit im ländlichen Bereich der Bestand von Berufsschulen gesichert sei. Der Beschluss führe dazu, dass künftig auch Schüler aus dem Oberzentrum zum Unterricht in eine Berufsschule im Mittelzentrum fahren müssen. Dies sei für Berufsschüler zumutbar. Schließlich gehe es darum, qualitativ hochwertigen Unterricht zu erhalten.

 

Kreisrat Scherf meinte, die Kritik bezüglich der Information durch den Landrat sei berechtigt. Es sei bedauerlich, dass das “Geschachere”, wonach jeder das Beste für sich habe herausholen wollen, an die Öffentlichkeit gelangt sei. Nachdem in Aschaffenburg seit einigen Jahren der IT-Bereich aufgebaut werde, wäre es unsinnig, diesen Bereich nach Miltenberg oder Obernburg zu verlagern.

 

Landrat Schwing bemerkte, dass die Probleme hauptsächlich durch Äußerungen von Aschaffenburger Stadträten entstanden seien. Der beste Beweis dafür, dass die drei Gebietskörperschaften der Region gemeinsam kämpfen, sei Punkt 2 des Beschlussvorschlages, wonach das Vorhaben der Regierung von Unterfranken zur Bildung eines Bezirksfachsprengels für Bekleidungsberufe in Schweinfurt abgelehnt werden soll. Diesbezüglich habe man sich bereits gemeinsam mit einem Schreiben an die Regierung von Unterfranken und das Kultusministerium gewandt und erklärt, dass es keinesfalls akzeptiert werden könne, dass aus dem Bekleidungsschwerpunkt Klassen abgezogen und diese künftig in Schweinfurt beschult werden sollen, wo überhaupt keine Bekleidungsindustrie angesiedelt sei.

 

Der Leiter der Staatl. Berufsschule Miltenberg-Obernburg, Oberstudiendirektor Stelzig, führte aus, dass der Grund dafür, weshalb zwischenzeitlich ca. 500 Berufsschüler aus dem Landkreis Miltenberg in Aschaffenburg beschult werden, die starke Differenzierung der Berufsfelder seit über 10 Jahren sei. Die Folge davon sei eine Aufsplitterung der Schüler in unzählige Klassen, die dann wieder durch Konzentration irgendwo zusammengefasst werden müssen.

 

Beispiel Elektroberufe: Hierfür gebe es im Landkreis Miltenberg über 100 Ausbildungsfirmen. Vor 10 Jahren habe es nur zwei Ausbildungsrichtungen, nämlich Starkstromelektriker IHK und Elektroinstallateure HWK gegeben. Heute gebe es 19 Berufe Elektrotechnik, ähnlich sei es bei Metalltechnik. Anlässlich einer Informationsfahrt in Finnland habe er (Oberstudiendirektor Stelzig) erfahren, dass es dort nur zwei kaufmännische und zwei Elektro- und Metallberufe gebe. Die gleiche Situation bestehe in der Schweiz, in Dänemark und im Trentino.

 

Im Schuljahr 2004/2005 gebe es im Landkreis Miltenberg 42 Ausbildungsverhältnisse, also zwei stabile Klassen. Durch die Neuordnung der Elektroberufe verbleiben im nächsten Schuljahr nur noch 11 Schüler an der Staatl. Berufschule Miltenberg-Obernburg, 16 Schüler müssen eine andere Schule besuchen. Im Handwerksbereich verbleiben noch 14 Schüler. Damit werden fast 50 % zersplittert.

 

Derzeit gebe es das Dogma, dass jede Klasse mindestens 16 Schüler haben müsse, bei 32 Schülern könne die Klasse geteilt werden. Beim Betrachten der Pisa-Studie könne man feststellen, dass die Schülerzahlen bei den vorgenannten europäischen Ländern bei 10 oder 11 liegen. Und das gerade im beruflichen Bereich, da ja hier erhebliche Praxisstunden im Unterricht anfallen. Wenn der so oft diskutierte demografische Faktor in den nächsten Jahren an den beruflichen Schulen greifen soll, sollte man über dieses Dogma nachdenken und sich an den Nachbarländern orientieren. In Finnland z.B. werden Kleingruppen von drei Schüler in Theorie und Praxis speziell gefördert und danach wieder in die Klassen eingegliedert.

 

Nach Meinung von Oberstudiendirektor Stelzig müsse gerade in einer sich schnell verändernden Wirtschaft durch Globalisierung beschleunigt, große Nachhaltigkeit auf eine solide Grundausbildung gesetzt werden. Die Spezialisierung bereits zu Beginn der Berufsausbildung sei weder im Sinne der Betriebe, noch der Auszubildenden. Viele Jugendliche können bereits heute nicht mehr in Splitterberufe aufgenommen werden. Jugendliche ohne Arbeit (derzeit 250) müssen  eine breite Grundausbildung erhalten, um sich später weiterbilden zu können. Ihnen müsse Lernen für ein späteres Weiterlernen vermittelt werden. “Schmalspurige Spezialisten” seien nicht die Lösung. Die Jugendlichen müssen vielmehr das Rüstzeug dafür mitbekommen, im Laufe ihres Berufslebens in verwandte Berufe wechseln zu können. Dies werde in Finnland, der Schweiz und Dänemark durch eine breite Grundausbildung vermittelt. Eine solide Grund- und Breitenausbildung sei im Sinne der örtlichen Wirtschaft. Eine Spezialisierung erfolge ohnehin rechtzeitig in den Betrieben.

 

Kreisrat Dotzel vertrat die Meinung, dass bei der Neuorganisation des Berufsschulwesens oberstes Ziel sein müsse, ein Ausbluten des ländlichen Raumes zu verhindern. Die Kritik an der Informationspolitik sei nicht nur unverständlich, sondern falsch. Die Abstimmung über das von der Regierung von Unterfranken vorgelegte Konzept sei auf Verwaltungsebene erfolgt. Wichtig sei, dass das Ergebnis für den Landkreis Miltenberg stimme, um für die Berufsschüler das Beste zu erreichen.

 

Unter Hinweis darauf, dass Oberstudiendirektor Stelzig gesagt habe, es sei wichtig, den Jugendlichen eine Zukunftsperspektive zu geben, fragte Kreisrat Oberle, wer für die vielen Ausbildungsberufe verantwortlich sei.

 

Oberstudiendirektor Stelzig gab daraufhin bekannt, dass die Rahmenlehrpläne im Bundeswirtschaftsministerium auf Vorschlag der Großindustrie entworfen werden. Mit den vom Ministerium vorgegebenen Berufen seien die mittelständischen Firmen nicht einverstanden, weil sie diese Ausbildung gar nicht anbieten können mit der Folge, dass viele Jugendliche arbeitslos seien. Es sei bedauerlich, dass mittelständische Firmen keine Lobby hätten.

 

Kreisrat Dr. Schüren schlug vor, Abs. 3 von Punkt 1 des Beschlussvorschlages wie folgt zu formulieren: “Bei den gastronomischen Berufen, Köchen und Hotelfachleuten soll die Ausbildung – analog zu den Standorten Würzburg und Kitzingen - an beiden Schulstandorten Miltenberg Aschaffenburg aufrecht erhalten bleiben.”

 

Durch den Kreisausschuss wurde sodann einstimmig folgendes

 

b e s c h l o s s e n :

 

1.  Der Landkreis Miltenberg stimmt der von der Regierung von Unterfranken vorgelegten Konzeption der Organisation der Berufsschulen in der Region 1 grundsätzlich zu.

 

Die dort vorgesehenen Verlagerungen dürfen erst dann vorgenommen werden, wenn ein tatsächlicher Handlungsbedarf etwa durch die Entstehung von Minderklassen oder bevorstehende Investitionen eingetreten ist. Dies gilt für allem für die Frisöre, aber auch für die Bereiche der Gastronomie ebenso wie für die Elektro- und Elektronikerberufe, Arzthelferinnen, Gas-/Wasserinstallateure und Zentralheizungs-/Lüftungsbauer.

 

Bei den gastronomischen Berufen, Köchen und Hotelfachleuten soll die Ausbildung – analog zu den Standorten Würzburg und Kitzingen - an beiden Schulstandorten Miltenberg Aschaffenburg aufrecht erhalten bleiben.

 

2.  Der Landkreis Miltenberg lehnt das Vorhaben der Regierung von Unterfranken zur Bildung eines Bezirksfachsprengels für Bekleidungsberufe in Schweinfurt ab und fordert, dass dieser an der Staatlichen Berufsschule III in Aschaffenburg eingerichtet wird.

 

© 2011 Landratsamt Miltenberg | Brückenstr. 2 | 63897 Miltenberg | Tel: 09371 501-0
Fernwartung