Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Annahme von Teilplan 6 der Jugendhilfeplanung (Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder)

BezeichnungInhalt
Sitzung:11.05.2004   JHA/010/2004 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Dipl.Sozialpädagoge (FH) Wachtler wies darauf hin, dass die Träger der öffentlichen Jugendhilfe Planungsverantwortung dafür haben, dass die Aufgaben des SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz) erfüllt werden. Sie “sollen gewährleisten, dass die zur Erfüllung der Aufgaben nach diesem Buch erforderlichen und geeigneten Einrichtungen, Dienste und Veranstaltungen den verschiedenen Grundrichtungen der Erziehung entsprechend rechtzeitig und ausreichend zur Verfügung stehen” (§ 79 Abs. 2 SGB VIII). Folgende konkrete Aufgaben und Ziele der Jugendhilfeplanung ergeben sich aus § 80 SGB VIII:

 

1.  Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben im Rahmen ihrer Planungsverantwortung

     1)  den Bestand an Einrichtungen und Diensten der Jugendhilfe festzustellen,

     2) den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen der jungen Menschen und der Personensorgeberechtigten für einen mittelfristigen Zeitraum zu ermitteln und

     3) die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben rechtzeitig und ausreichend zu planen; dabei sei Vorsorge zu treffen, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden könne.

 

2.  Einrichtungen und Dienste sollen so geplant werden, dass insbesondere

     1) Kontakte in der Familie und im sozialen Umfeld erhalten und gepflegt werden können,

     2) ein möglichst wirksames, vielfältiges und aufeinander abgestimmtes Angebot von Jugendhilfeleistungen gewährleistet sei,

     3) junge Menschen und Familien in gefährdeten Lebens- und Wohnbereichen besonders gefördert werden,

     4) Mütter und Väter Aufgaben in Familie und Erwerbstätigkeit besser miteinander verbinden können.

 

3.  Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe haben die anerkannten Träger der freien Jugendhilfe in allen Phasen der Planung frühzeitig zu beteiligen. Zu diesem Zweck seien sie vom Jugendhilfeausschuss, soweit sie überörtlich tätig seien, im Rahmen der Jugendhilfeplanung des überörtlichen Trägers vom Landesjugendhilfeausschuss zu hören. Das nähere regle das Landesrecht.

 

4.  Die Träger der öffentlichen Jugendhilfe sollen darauf hinwirken, dass die Jugendhilfeplanung und andere örtliche und überörtliche Planungen insgesamt den Bedürfnissen und Interessen der jungen Menschen und ihrer Familien Rechnung tragen.

 

Am 14.11.1999 sei der Jugendhilfeplan des Landkreises Miltenberg vom Kreistag ohne den jetzt vorliegenden Teilplan 6 verabschiedet worden. Seit 1995 sorgen die öffentlichen Jugendhilfeträger für die Eingliederungshilfe seelisch behinderter und von Behinderung bedrohter Kinder und Jugendlicher. Wegen anfänglich geringer Fallzahlen und wenig Erfahrungen mit der Thematik im Kreisjugendamt Miltenberg sei zu Beginn der hiesigen Jugendhilfeplanung 1995 beschlossen worden, den entsprechenden Teilplan 6 zu einem späteren Zeitpunkt zu erstellen. Seit Inkrafttreten des SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen) am 01.07.2001 sei der Jugendhilfeträger wegen seiner Aufgaben aus § 35 a SGB VIII auch zum Rehabilitationsträger benannt, so dass eine Beplanung des Bereiches auch hinsichtlich steigender Fallzahlen und –übernahmen aus dem Bereich des örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgers, Kranken- und Rentenversicherungsträger, für den Landkreis Miltenberg nun angezeigt sei.

 

Seelische Erkrankungen greifen tiefgehend in das Leben der betroffenen jungen Menschen und ihrer Familien ein. Sie wirken sich nicht nur in Form von subjektiven und das Umfeld des Kindes einbeziehenden Leiden aus, sondern bedrohen auch den erfolgreichen Erziehungs- und Entwicklungsprozess. Eingliederungshilfe ziele daher über die Behandlung von Krankheitssymptomen hinaus darauf ab, dem jungen Menschen Erziehung und Bildung sicherzustellen oder wieder zu ermöglichen.

 

Mit dem Auftrag zur Erstellung des Teilplanes 6 durch den Ausschuss zur Beratung und Begleitung der örtlichen Jugendhilfeplanung habe sich am 10.04.2002 eine interdisziplinäre Planungsgruppe unter Beteiligung folgender Verbände und Institutionen konstituiert:

 

-    Arbeitskreis Legasthenie Bayern e.V.

     Frau Petra Korntheuer, Diplom Psychologin

 

-    Elsava-Schule zur Erziehungshilfe mit heilpädagogischer Tagesstätte

     Herr Hans Schlowak, Sonderschulrektor

 

-    Evangelische Kinder- und Jugendhilfe

     Herr Professor Gunter Adams, Diplom-Pädagoge/Diplom-Psychologe

 

-    Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie

Herr Professor Dr. Götz-Erik Trott, Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie/Facharzt für Psychotherapie

 

-    Jugendhilfeausschuss des Kreistages Miltenberg

     Frau Waltraud Nutz, Kreisrätin/Fachlehrerin a.D.

 

-    Kreisjugendamt Miltenberg, Jugendhilfeplanung

     Herr Jürgen Wachtler, Diplom-Sozialarbeiter/Diplom-Sozialpädagoge (FH)

 

-    Kreisjugendamt Miltenberg, Sachgebietsleitung

     Herr Peter Winkler, Diplom-Sozialpädagoge (FH)

 

-    Psychologische Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche und Eltern – Erziehungsberatung

     Herr Dr. Stefan Schüßler, Diplom-Psychologe

 

-    Staatliches Schulamt im Landkreis Miltenberg

     Herr Karl Grün, Schulamtsdirektor.

 

Die Planungsgruppe habe in insgesamt acht Sitzungen und Arbeitstreffen sowie mit einer Fragebogenumfrage den Bestand und den Bedarf an Diensten und Einrichtungen zur Eingliederungshilfe für seelisch behinderte und von Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche aus dem Landkreis Miltenberg ermittelt. Als Ergebnis aus den Planungsarbeiten sei folgendes festgestellt worden: Im Bereich des § 35 a SGB VIII sei der Landkreis Miltenberg bereits jetzt und auch für die Zukunft sehr gut gestellt. Alle aus der Eingliederungshilfe nach § 35 a SGB VIII ableitbaren Aufgaben für die Landkreisverwaltung können mit den vorhandenen Ressourcen des Kreisjugendamtes in geeigneter und notwendiger Güte erfüllt werden. Es seien keine neuen Maßnahmen seitens des Jugendhilfeträgers erforderlich. Lediglich in den der Jugendhilfe vorgelagerten Bereichen medizinisch ambulanter und stationärer Versorgung sowie bei der Schulversorgung sei von der Planungsgruppe Bedarf entdeckt worden, dessen Befriedigung nicht in die Zuständigkeit des Landkreises Miltenberg falle, aber direkte Auswirkung auf die Fallzahlen im Bereich § 35 a SGB VIII nehme.

 

Stellv. Landrat Eck dankte den Mitgliedern der Planungsgruppe für die intensive, zeitaufwendige, gründliche und gute Arbeit und wies darauf hin, dass allein für den Landkreis Miltenberg 9 Betten für Kinder- und Jugendpsychiatrie benötigt werden. Diesbezüglich soll in der Region 1 ein gemeinsames Angebot geschaffen werden. Dank gebühre auch dem Bezirk Unterfranken dafür, dass eine solche Klinik nicht nur in Schweinfurt, sondern auch in Aschaffenburg gebaut worden sei.

 

Dipl.Psychologe (FH) Wachtler teilte ergänzend mit, dass unter Berücksichtigung der angespannten Haushaltslage zunächst nur eine Mindestversorgung geplant sei. Für die Region 1 wären eigentlich 40 Betten erforderlich.

 

Kreisrätin Nutz bemerkte zu Handlungsempfehlung 3 (Aufbau von Förder- und Stützklassen zur Erziehungshilfe), dass diese ein großes Anliegen der Planungsgruppe sei. Herr Dr. Schüßler von der Erziehungsberatungsstelle sowie Herr Schulamtsdirektor Grün hätten bereits viele gute Tipps gegeben. Im Kloster Himmelthal bestehe leider nur eine solche Hauptschule für Jungen. Es wäre aber wichtig, mit Förder- und Stützklassen bereits in der Grundschule zu beginnen. Wenn dies möglich wäre, könnte man hoffen, dass Kinder, die diese Klassen besuchen in die Regelschule zurückgeführt werden können. Wenn natürlich erst in der Hauptschule begonnen werde, sei es viel schwieriger, Kinder zurückzuführen. Nachdem es in Miltenberg und Elsenfeld bereits Heilpädagogische Tagesstätten gebe, die entsprechende Räume zur Verfügung stellen könnten, sollten diese in das Konzept einbezogen werden.

 

Frau Kaiser sagte, sie können aus der Praxis heraus bestätigen, dass es dringend notwendig sei, mit Förder- und Stützklassen so frühzeitig wie möglich zu beginnen. Wichtig wäre auch, diese Klassen ortsnah zu errichten.

 

Kreisrat Scherf teilte mit, dass aus der Elsava-Schule zur Erziehungshilfe in den letzten 10 Jahren kaum  Rückführungen möglich gewesen seien. Mit Mühe und Not hätten sich in letzter Zeit lediglich zwei Rückführungen ergeben. In Aschaffenburg dagegen seien schon früher Rückführungen möglich gewesen.

 

Der Jugendhilfeausschuss empfahl dem Kreistag sodann einstimmig, folgendes zu

 

b e s c h l i e ß e n :

 

1.  Der vorliegende Teilplan 6 der Jugendhilfeplanung “Eingliederungshilfe für Kinder und Jugendliche, die von seelischer Behinderung bedroht oder betroffen sind”, wird zur Kenntnis genommen.

 

2.  Mit der Maßgabe, dass in die Entscheidungsautonomie Dritter, insbesondere der kreisangehörigen Städte, Märkte und Gemeinden sowie der freien Träger nicht eingegriffen wird, wird folgendes beschlossen:

 

  2.1.      Von den im Teilplan 6 enthaltenen Handlungsempfehlungen sollen unter dem Vorbehalt zur Verfügung stehender Haushaltsmittel nachfolgende Maßnahmen umgesetzt bzw. an den für die Umsetzung verantwortlichen Träger herangetragen werden:

 

     2.1.1.   Handlungsempfehlung 1 an die Kassenärztliche Vereinigung Bayern – KVB:

            Niederlassung einer ambulanten Kinder- und Jugendpsychiatrie mit zwei Fachärzten im Landkreis Miltenberg.

 

2.1.2.   Handlungsempfehlung 2 an den Bezirk Unterfranken:

            Auf- und Ausbau einer stationären Regel- und Pflichtversorgung der Kinder- und Jugendpsychiatrie, davon für den Landkreis Miltenberg neun Betten.

 

2.1.3.   Handlungsempfehlung 3 an die Regierung von Unterfranken:

            Aufbau von Förder- und Stützklassen zur Erziehungshilfe zur geschlechtsgemischten Versorgung von Kindern der 1. bis 4. Jahrgangsstufe im Landkreis Miltenberg an den bestehenden Förderschulen zur individuellen Lernförderung.

 

2.1.4.   Handlungsempfehlung 4 an die Regierung von Unterfranken:

            Den Lehrkräften an den Schulen des Landkreises Miltenberg sowie den Eltern betroffener Schüler und Schülerinnen sollen weitergehende Informationen über die Bekanntmachung zur Förderung von Schülern mit besonderen Schwierigkeiten beim Erlernen des Lesens und Rechtschreibens des Bayer. Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 16.11.1999 (Legasthenie-Erlass) zur Verfügung gestellt werden.

 

3.  Die Koordination zur Umsetzung der Handlungsempfehlungen erfolgt durch die Jugendhilfeverwaltung.

 

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