Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Abschluß einer verwaltungsvereinfachenden Absprache im GSiG-Bereich

BezeichnungInhalt
Sitzung:24.11.2003   SHA/001/2003 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Nach den Ausführungsbestimmungen zum Grundsicherungsgesetz seien für die Anspruchsberechtigen, die zugleich Hilfen in Anstalten, Heimen oder gleichartigen Einrichtungen nach dem BSHG erhalten und vollstationär betreut werden, die Bezirke sachlich und örtlich zuständig  (§ 4 Abs. 3 Ziff. 2 GSiG, Art. 1 Abs. 1 a GSiG). Dies könne in einigen Fällen dazu führen, daß die Zuständigkeit für die Gewährung von Grundsicherungsleistungen vom Landkreis zum Bezirk mitunter nur für sehr kurze Zeiträume wechsle, weil der/die Anspruchsberechtigte sich vorübergehend vollstationär in einer Einrichtung aufhalte und Leistungen gemäß BSHG vom Bezirk zu gewähren seien (z.B. bei kurzzeitigen Krankenhaus- oder Pflegeheimaufenthalten mit Zuständigkeit des überörtlichen Trägers).

 

Solche Situationen gebe es auch bei der Sozialhilfe. Zur Vermeidung eines unnötigen Verwaltungsaufwands bestehe deshalb seit 01.02.1984 eine verwaltungsvereinfachende Absprache, wonach bei kurzzeitigen Anstaltsaufenthalten im Eintrittsmonat der örtliche Träger seine Leistungen ungekürzt weiterzahle. Dafür dürfen im Austrittsmonat sämtliche Leistungen (also auch nach dem Austritt) zulasten des Bezirks gebucht werden. Bei länger dauernden Aufenthalten werden die Monate zwischen Ein- und Austritt ebenfalls zulasten des Bezirks verbucht. Dadurch werde vermieden, daß wegen eines kurzzeitigen Zuständigkeitswechsels die Durchführung eines gesonderten Verwaltungsverfahrens erfolgen müsse, was mit zusätzlichem Aufwand für den/die Antragsteller/in und die beiden Verwaltungsbehörden verbunden sei. Von den Leistungsausgaben her ergeben sich aufgrund dieser Vereinbarung für die örtlichen und überörtlichen Träger langfristig und im Durchschnitt gesehen weder Mehr- noch Minderbelastungen, weil die Regelungen für Ein- und Austrittsmonat einander ausgleichen.

 

Nachdem die rechtliche Regelung im GSiG ähnlich wie bei der Sozialhilfe sei, habe der Bezirk Unterfranken mit Schreiben vom 01.04.2003 vorgeschlagen, auch hier eine solche Absprache zu treffen. Der Bezirkstagspräsident habe bereits in einer dringlichen Anordnung vom 19.02.2003 die verwaltungsvereinfachende Absprache aus Sicht des Bezirks für anwendbar erklärt. Diese Verfahrensweise werde auch vom Bayer. Sozialministerium in den vorläufigen Vollzugshinweisen vom 29.01.2003 befürwortet. Von der Arbeitsgemeinschaft der örtlichen Sozialhilfeträger Unterfrankens sei die Anwendung der Absprache ebenfalls empfohlen worden. Soweit bekannt, erfolge die Anwendung dieser Absprache bei allen unterfränkischen Kommunen. Zur Vermeidung von unnötigem Verwaltungsaufwand sei die Absprache in Einzelfällen auch bereits vom Sozialamt Miltenberg angewandt worden (s. Seite F 1, HHSt. 4850.1629 sowie 4850.7820 des Haushaltsplanentwurfs).

 

Der Sozialhilfeausschuß faßte einstimmig folgenden

 

B e s c h l u ß :

 

Einer verwaltungsvereinfachenden Absprache zum Grundsicherungsgesetz mit dem Bezirk Unterfranken wird zugestimmt.

 

 

Unter Hinweis auf den heute im “Bote vom Untermain” erschienenen Artikel “Bündnis 90/Die Grünen: Vorwurf der Verschleierung – Fraktion setzt sich mit der Grundsicherung auseinander” bemerkte Landrat Schwing sodann, daß er einiges klarstellen müsse. Dieser Presseartikel enthalte an die Adresse des Landrates Vorwürfe wie z.B. Verschleierung, Trickserei, unseriöses und unanständiges Handeln. Solch unseriöse Vorwürfe, die teilweise unter die Gürtellinie gehen, seien schon lange nicht mehr erhoben worden, nicht einmal im Wahlkampf. Es sei sonderbar, daß die Presse Bündnis 90/Die Grünen innerhalb weniger Wochen mehrfach (schon viermal) ermögliche, so etwas zu verbreiten, während andere Fraktionen Kürzungen ihrer Berichte hinnehmen müßten.

 

Über die Auswirkungen des Grundsicherungsgesetzes sei in den zuständigen Ausschüssen sowie im Kreistag wie folgt informiert worden:

-    02.12.2002 Sozialhilfeausschuß:

Erste allgemeine Information. Anläßlich der Beratung des Sozialhilfeetats 2003 sei die Mehrbelastung auf 146.000,00 € beziffert worden.

-    26.02.2003 Kreisausschuß und 13.03.2003 Kreistag:

Im Rahmen der Haushaltsberatungen sei über die Abwälzung der Aufgabe Grundsicherung auf die Kommunen gesprochen worden.

-    22.05.2003 Kreisausschuß und 26.05.2003 Kreistag:

Bericht zur Fallzahlen- und Haushaltsentwicklung in den Bereichen Sozialhilfe und Grundsicherung. Es seien folgende neue Zahlen bekanntgegeben worden: Mehrbelastung des Kreishaushaltes durch das Grundsicherungsgesetz ohne Personal- und Sachkosten: ca. 350.000,00 € ./. Einsparung laufender HLU überörtlicher Träger von ca. 125.000,00 €.

-    17.07.2003 Kreisausschuß:

     Antrag der Freien Wähler, gegen das Grundsicherungsgesetz Verfassungsbeschwerde zu erheben. Von Kämmerer Straub sei bekanntgegeben worden, daß, um im Jahr 2004 keine Deckungslücke zu haben, von 356.000,00 € 220.000,00 € im Jahr 2003 als Einnahme gebucht und der Restbetrag im Jahr 2004 vereinnahmt werde.

-    13.10.2003 Kreisausschuß:

     Information, daß die potentiellen klagewilligen Kommunen einen Pauschalbetrag von 6.000,00 € zahlen müssen. Außerdem habe der Landrat zugesagt, daß, sobald die erforderlichen Daten ermittelt seien, diese den einzelnen Fraktionen bekanntgegeben werden.

-    20.10.2003 Kreistag:

     Anläßlich des Berichtes über die Haushaltsabwicklung 2003 sei auch die Grundsicherung angesprochen worden.

 

Zusammenfassend könne gesagt werden, daß der Landrat bisher immer zeitnah und frühzeitig informiert und die jeweiligen Zwischenstände weitergegeben habe. Dabei habe er immer die Sichtweise des Bayer. und des Deutschen Landkreistages vorgetragen, die einstimmig erfolgt sei.

 

Auf der Sitzung des Präsidiums des Deutschen Landkreistages am 19.11.2003 sei bekanntgegeben worden, daß sich im Zusammenhang mit dem Grundsicherungsgesetz im Jahr 2003 folgende finanzielle Nettomehrbelastungen ergeben werden:

 

Baden-Württemberg:

- 1 Landkreis                                                976.348,00 €

 

Brandenburg:

- 1 Landkreis                                                573.326,00 €

- 1 Landkreis                                                962.141,00 €

 

Bayern:

- 1 Landkreis                                                  99.573,00 €

- 1 Stadt                                                     1,016.836,00 €

 

Nordrhein-Westfalen:

- 1 Kreis                                                        651.920,00 €

- 1 Kreis                                                     1,814.390.00 €

- 1 Kreis                                                        780.544,00 €

 

Sachsen-Anhalt:

- 1 Landkreis                                                482.194,00 €

- 1 Landkreis                                             1,611.780,00 €

 

Schleswig-Holstein:

- 1 Kreis                                                     2,165.870,00 €

- 1 Kreis                                                     1,861.600,00 €

 

Bei einigen dieser Kommunen gebe es Defizite in Mio-Höhe. Wer daraufhin noch behaupte, die Grundsicherung sei kostendeckend, ignoriere diese Zahlen. Wenn die Bundesregierung ein solches Gesetz verabschiede, müsse dagegen angegangen werden. Dazu sei die Solidarität der Städte und Landkreise und der Kommunalen Spitzenverbände erforderlich.

 

Das Präsidium des Deutschen Landkreistages habe in Abstimmung mit den jeweiligen Landesverbänden vorgeschlagen, welche Landkreise und Städte exemplarisch für alle 323 Landkreise und kreisfreien Städte kommunale Verfassungsbeschwerde erheben. Der Landkreis Miltenberg habe seine Bereitschaft zu klagen zurückgenommmen. Der voreilig gestellte Antrag der Freien Wähler, der den Landkreis Miltenberg 6.000,00 € kosten könnte, werde evtl.  hinfällig.

 

Verwaltungsamtmann Vill gab sodann folgende Zahlen bekannt:

 

Nettoaufwand 2003 lt. Haushaltsplan unter Berücksichtigung

von lediglich 220.000,00 € Erstattung durch den Bund                                                 487.170,07 €

Einsparung bei HLU durch Wechsler (örtlicher Träger)                                                274.000,00 €

GSiG-Mehraufwand 2003 zuzüglich Personal- und Sachkosten                                  213.170,07 €

 

Einsparung HLU durch Wechsler (überörtlicher Träger)                                              125.000,00 €

Anteil an der Bundeserstattung, die in 2004 als Einnahme gebucht werde                  136.212,36 €

Lt. Bündnis 90/Die Grünen GSiG-Mehreinnahmen                                                       - 48.042,29 €

 

Zum Punkt “Einsparung bei HLU durch Wechsler (überörtlicher Träger)” sei zu sagen, daß der Bezirk die Einsparung nicht durchreiche, weil auch seine Aufwendungen ständig steigen. Für 2003 gebe es sowieso keine Senkung der Bezirksumlage mehr. Bezüglich des Punktes “Anteil an der Bundeserstattung” werde darauf hingewiesen, daß, wenn dieser Betrag, den der Landkreis Miltenberg schätzungsweise 2004 angerechnet bekomme, in 2003 als Einnahme gebucht würde, konsequenterweise nächstes Jahr weniger Einnahmen (80.000,00 € statt 220.000,00 €) gebucht werden müßten. Das wäre nicht korrekt und ginge zulasten der Umlagezahler.

 

Kreisrätin Becker-Scharrer vertrat die Meinung, daß Landrat Schwing selbst, insbesondere im Wahlkampf, Panik ausgelöst habe. Wenn jetzt die Presse gescholten werde, sollte bedacht werden, daß Kreisrat Andre geäußert habe, die Ausgaben aufgrund des GSiG werden am Landkreis Miltenberg hängenbleiben. Bezüglich publikumswirksamer Anträge habe halt die CSU-Fraktion das Glück, näher an der Verwaltung zu sein. Erst auf Anfrage von Bündnis 90/Die Grünen habe der Kämmerer Zahlen bekanntgegeben. Im übrigen sei das Thema “Grundsicherung” vom Landrat immer wieder hochgekocht und über die Grundsicherung negativ gesprochen worden. Für gut befunden werde, daß Landrat Schwing die Bereitschaftserklärung des Landkreises Miltenberg, gegen das Grundsicherungsgesetz Verfassungsbeschwerde  zu erheben, zurückgezogen habe.

 

Landrat Schwing betonte, daß er keine einzige falsche Zahl genannt habe. Es gebe auch nichts zu beschönigen. Dem Landrat Verschleierung und Unanständigkeit vorzuwerfen, sei nicht seriös. Unanständig sei vielmehr, dauernd Vorwürfe zu äußern, obwohl die Zahlen bekannt seien. Was Kreisrätin Becker-Scharrer bezüglich der CSU-Fraktion gesagt habe, müsse sie an deren Adresse richten. Der Landrat sei nicht die CSU, sondern habe die Verwaltung zu vertreten. Die Verwaltung habe bisher zeitnah informiert. Wenn dies künftig nicht mehr gewünscht werde, werden Angelegenheiten eben erst beraten und entschieden, wenn konkrete Zahlen vorliegen. Es sei bedauerlich, daß die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen wieder einmal bewiesen hätten, daß sie bei Haushaltsberatungen keine seriösen Gesprächspartner seien.

 

Kreisrat Großkinsky nannte den Presseartikel mit unwahren Behauptungen und Unterstellungen unseriös und unverschämt. Es sei so getan worden, als würde der Landkreis Miltenberg aufgrund des GSiG Geld erhalten. Das Gegenteil sei jedoch der Fall. Kreisrat Großkinsky bat Landrat Schwing, auch künftig zeitnah zu informieren. Schließlich dürften nicht alle Fraktionen darunter leiden, daß nur eine Gruppierung des Kreistages nicht in der Lage sei, mit Zahlen umzugehen.

 

Unter Hinweis darauf, daß Landrat Schwing seine Informationen zum Grundsicherungsgesetz chronologisch dargelegt habe, bat Kreisrätin Fichtl Landrat Schwing ebenfalls, Informationen auch weiterhin zeitnah zu geben.

 

Kreisrätin Becker-Scharrer meinte, es sei strittig und diskussionsbedürftig, ob der Betrag von 136.000,00 € in den Haushalt 2004 mitgenommen werden müsse.

 

Landrat Schwing sagte dazu, die Angelegenheit könne nicht auf die parteipolitische Schiene abgewälzt werden. Der Kämmerer habe die entsprechenden Zahlen im Kreisausschuß bekanntgegeben. Die Zahlen seien ohne Widerspruch hingenommen worden. Danach sei noch zweimal darüber gesprochen worden. Daß die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen die Diskussion über die Presse führen, sei nicht in Ordnung.

 

Kreisrätin Weitz erinnerte daran, daß sich die Mitglieder der SPD-Fraktion im Kreisausschuß dafür ausgesprochen hätten, nicht eher gegen das Grundsicherungsgesetz zu klagen, bis alle Daten und Fakten vorliegen. Es sei an Landrat Schwing appelliert worden, nicht vorab tätig zu werden. Um so verwunderlich sei es, daß der Landkreis Miltenberg nun doch 6.000,00 € zahlen soll. Kreisrätin Weitz bat sodann, in der Sache vernünftig zu bleiben und Äußerungen außerhalb der Gremien nicht so ernst zu nehmen.

 

Landrat Schwing bemerkte dazu, er habe dreimal nicht auf die Vorwürfe von Bündnis 90/Die Grünen reagiert. Nachdem heute zum vierten Mal ein Pressebericht mit Vorwürfen, Behauptungen und Unwahrheiten erschienen sei, müsse er, bevor die Bevölkerung einen falschen Eindruck erhalte, entsprechend reagieren. Was den Beschluß, Verfassungsklage gegen das Grundsicherungsgesetz zu erheben, betreffe, müsse darauf hingewiesen werden, daß die Mitglieder des Kreisausschusses einstimmig erklärt hätten, der Landkreis Miltenberg solle zur Klage bereit sein.

 

Kreisrat Stappel stellte mit Verwunderung fest, daß Kreisrätin Becker-Scharrer mit ihren Äußerungen überzogen und gegenüber Landrat Schwing ungerechtfertigte Vorwürfe erhoben habe. Was die Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen als Desinformation sehen, sei für die übrigen Fraktionen des Kreistages die richtige Information. Der Landrat habe bisher über alle Zahlen, Fakten und Kosten informiert. Es störe ihn (Kreisrat Stappel), daß in der Presse stark überzogen berichtet und die Aussagen des Landrats in Frage gestellt worden seien. Es wäre gut, wenn dem Landrat künftig mehr Vertrauen geschenkt würde.

 

Kreisrätin Marsilia sagte, sie habe eigentlich einen Antrag zur Geschäftsordnung stellen wollen. Ihrer Meinung nach habe Kreisrätin Becker-Scharrer zum Teil recht. Zur Aussage von Kreisrat Stappel bemerkte sie, daß es aufgrund der Nachfragen nicht heißen dürfe, dem Landrat werde Mißtrauen entgegengebracht. Der Antrag zur Geschäftsordnung habe sich damit erledigt.

 

Landrat Schwing erklärte abschließend, er wolle nicht als unseriöser Landrat dastehen. Es sei sein gutes Recht, sich gegen Vorwürfe zu wehren. Schließlich sei er in seiner  Wortwahl auch immer vorsichtig.

 

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