Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Bericht über die Haushaltsabwicklung 2003

BezeichnungInhalt
Sitzung:20.10.2003   KT/009/2003 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Kreiskämmerer Straub erläuterte den dieser Niederschrift beiliegenden Bericht über die Haushaltsabwicklung 2003 (Stand 10.10.2003).

 

Landrat Schwing unterrichtete den Kreistag sodann von folgendem Schreiben des Bayer. Landkreistages vom 09.07.2003:

 

“Die Kommunen können aus ihrer gegenwärtig extrem schlechten Finanzsituation nur befreit werden, wenn unverzüglich das Sofortprogramm zur finanziellen Entlastung der Kommunen umgesetzt wird, das die Bayer. Staatsregierung in den Bundesrat und die CDU/CSU-Bundestagsfraktion in den Deutschen Bundestag eingebracht hat. Ob Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, Sozial- oder Jugendhilfe, all diese Leistungen sind gesetzlich festgelegt und fordern den Kommunen allein in Bayern rd. 3,9 Mrd € ab. Demgegenüber bricht seit 2001 die Gewerbesteuer ein und die Gewerbesteuerumlage wurde ab 01.01.2001 um insgesamt 25 % erhöht. Die Einkommenssteuerbeteiligung als wichtigste Einnahme der Kommunen stagniert ebenfalls. Der Bayer. Landkreistag hierzu: “Wir begrüßen ausdrücklich das Vorziehen der 3. Stufe der Steuerreform. Man darf aber nicht übersehen, daß dieser Schritt die Kommunen bundesweit mit 3 Mrd € belastet.”

 

Das Präsidium des Bayer. Landkreistages forderte deshalb in seiner letzten Sitzung eine unverzügliche Umsetzung eines Soforthilfegesetzes durch den Bund, befristet auf zwei bis drei Jahre (keine Dauerlösung). Insbesondere die Senkung der Gewerbesteuerumlage auf ihr früheres Niveau, die Erhöhung des Anteils der Kommunen am Umsatzsteueraufkommen auf 3 % im Jahr 2004 sowie die gesetzliche Begrenzung der Ausgabendynamik bei den Sozialleistungen können unverzüglich umgesetzt werden und die Finanzsituation der Kommunen bereits Anfang 2004 entlasten. Ferner sollte die gewerbesteuerrechtliche Organschaftsregelung gestrichen werden, die es den Unternehmen erlaubt, Gewinne und Verluste von Tochtergesellschaften im In- und Ausland zu verrechnen.”

 

Bezüglich des Haushalts 2004 sei folgender Fahrplan vorgesehen:

-    Gemeinsames Spitzengespräch zum kommunalen Finanzausgleich 2004 Mitte Dezember 2003 bis Mitte Januar 2004.

-    Die Steuerschätzung Ende 2003 soll abgewartet werden,

-    ebenfalls das Ergebnis der Gemeindefinanzreform auf Bundesebene.

-    Davon hänge ab, wie das im Mai 2003 von Ministerpräsident Stoiber im Bayer. Landkreistag  angekündigte Hilfspaket für die bayerischen Kommunen aussehen werde.

-    Frühestens Mitte Januar 2004 Bekanntgabe der Schlüsselzuweisungen und der Eckdaten des Finanzausgleichs.

-    Erst dann sei eine seriöse Aufstellung des Kreishaushalts 2004 möglich (bitte keine Rechenspielchen!).

-    Es bleibe genügend Zeit für die Beratungen der Fraktionen (evtl. spätere Beratung).

 

Haushalt 2004:

 

Es gebe zwei Systeme, die chronisch unterfinanziert seien: Kommunalfinanzen und Krankenhauswesen.

 

Krankenhauswesen: Aussagen von Experten auf dem Landräte-Seminar letzte Woche: Die Situation ist in allen Industrienationen problematisch, in Deutschland dramatisch. Die Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert. Die Beteiligten im Gesundheitswesen sind nicht verantwortlich für die Misere. Die wirtschaftlichen Probleme sind nicht durch Erschließung wirtschaftlicher Ressourcen oder Qualitätssteigerungen zu lösen. Deutschland hat keine Versorgungskrise, sondern eine Finanzierungskrise trotz höchster Beiträge aller Zeiten. Kleine Häuser haben enorme Schwierigkeiten. Der Verkauf von Häusern ist besser, als zu warten bis nichts mehr funktioniert. Die privaten Häuser fällen die Entscheidungen, die kommunale Häuser nicht getroffen haben oder nicht treffen wollten. Die kommunalen Träger müssen die Verantwortlichen vor Ort mehr handeln lassen. Es müssen Strukturen auf den Weg gebracht werden, die die Region im Blick haben – Bildung von strategischen Allianzen, zusammen mit großen Häusern über Landkreisgrenzen hinaus.

 

Der Zeitplan spielt eine herausragende Rolle (Erinnerung an die Debatte um die Strukturreform der Krankenhäuser des Landkreises Miltenberg). Ab 2004 wird es kein kommunales Krankenhaus mit schwarzen Zahlen geben. Situation: Zwei kleine Häuser mit roten Zahlen und weiter enorme Belastungen. Der Präsident des Bayer. Landkreistags, Landrat Zellner: “Die größte finanzielle Belastung der Kommunen.” Forderung: Nur wenn vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden, kann es beim Versorgungsauftrag der Kommunen bleiben.

 

Kreisrat Dr. Schüren appellierte an alle, anläßlich der kommenden Haushaltsberatungen als gewählte Mitglieder des Kreistages, nicht als Vertreter ihrer Gemeinden zu entscheiden, sonst könnte der Amtseid mißbraucht werden. Durch Nichtfreigabe von 20 % der Haushaltsmittel für Lehr- und Unterrichtsmittel werden im Haushaltsjahr 2003 ca. 350.000,00 € eingespart. Dies sei in der derzeitigen Situation möglich gewesen. Es sollte aber - angesichts der prekären Haushaltslage - ernsthaft überlegt werden, ob diese Maßnahme auch auf andere Bereich ausgedehnt werden könne. Es gebe nämlich Bereiche, in denen weit mehr als 20 % gestrichen werden könnten, z.B. bei den freiwilligen Gastschulbeiträgen. Kreisrat Dr. Schüren betonte, daß die weiterführenden Schulen ihr Notopfer erbracht hätten und im Haushaltsjahr 2004 keine Sperre von 20 % mehr hinnehmen könnten.

 

Unter Hinweis darauf, daß Landrat Schwing bezüglich der Situation im Krankenhauswesen gesagt habe, alle Beteiligten treffe keine Schuld, fragte Kreisrat Dr. Schüren, wie es zur jetzigen Situation gekommen sei. Seiner Meinung nach gebe es Maßnahmen, an die sich bisher keine Regierung getraut habe, nämlich die Kartelle (z.B. Kassenärztliche Vereinigung, Apotheken) abzuschaffen. Leider habe auch die bisherige Bundesregierung nicht die Kraft dazu bewiesen. Darüber hinaus müsse sich in der Krankenhausstruktur etwas ändern. Er (Kreisrat Dr. Schüren) sei sich mit Landrat Schwing einig darüber, daß bezüglich der Krankenhäuser im Landkreis Miltenberg erst der erste kleine Schritt erfolgt sei. Er habe sich aus tiefster Überzeugung für diese Strukturänderung eingesetzt und wisse, daß noch tiefere Einschnitte folgen müssen.

 

Landrat Schwing erklärte, daß er mit “Beteiligten” die Krankenhausträgerseite sowie die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Krankenhäusern gemeint habe. Zur 20 %-igen Kürzung des Schuletats könne schon heute gesagt werden, daß künftig noch in weiteren Bereichen gekürzt werden müsse.

 

Kreisrat Dr. Fahn sagte, es stimme zwar, daß Kreistagsmitglieder in erster Linie auch als solche zu entscheiden hätten. Es müsse aber auch bedacht werden, daß 16 Kreistagsmitglieder Bürgermeister seien, die gleichzeitig die Probleme ihrer Kommunen zu lösen hätten. Vielen Kommunen gehe es finanziell schlechter als dem Landkreis Miltenberg. Es müsse daher verstärkt nach Einsparmöglichkeiten gesucht werden.

 

Kreisrat Dr. Fahn stellte weiter fest, daß der Einzelplan 4 (Sozial- und Jugendhilfe) seit 10 Jahren ansteige. Es frage sich nur, wie hier gekürzt werden könne, wenn es immer wieder Sachzwänge (z.B. Heimunterbringungen) gebe. Was den Sozialbereich betreffe, sei von den Mitgliedern von Bündnis 90/Die Grünen behauptet worden, die Aufwendungen aufgrund des Grundsicherungsgesetzes werden von der Bundesregierung erstattet. Dies sei jedoch nicht vorstellbar. Der Schulbereich könne nach Auffassung von Kreisrat Dr. Fahn keine Mittelkürzungen mehr hinnehmen. Schließlich werden auch im Staatshaushalt die Mittel für Bildung nicht gekürzt. Was die Bezirksumlage betreffe, müsse gefragt werden, warum der Bezirk nicht Möglichkeiten zur Senkung der Umlage entwickle.

 

Landrat Schwing bemerkte zur Aussage “Heimunterbringungen”, daß der Landkreis Miltenberg hier bayern- und unterfrankenweit an ausgezeichneter Stelle liege. Dies gelte auch für die Jugendhilfeausgaben. Was die Bezirksumlage betreffe, könne nur gehofft werden, daß der Bezirk nicht erhöhen müsse. Dem Bezirk Unterfranken fehlen 64 Mio €, verursacht auch durch Gesetze und Verordnungen.

 

Kreisrat Oettinger berichtete von der Mitte Oktober 2003 stattgefundenen “Kommunale” mit rd. 2.300 Besuchern. Dort habe das Thema “Kommunalfinanzen” absolute Priorität gehabt, denn über 50 % der Kommunen können ihre Haushalte nicht mehr ausgleichen. Im Haushaltsjahr 2004 werde es nicht besser werden. Kreisrat Dr. Schüren müsse die Bürgermeister nicht an ihren Amtseid als Kreistagsmitglieder erinnern. Tatsache sei, daß es den Kommunen im Landkreis Miltenberg finanziell nicht so gut gehe wie dem Landkreis. Und wenn künftig noch mehr gespart werden müsse, werde es der Bauwirtschaft noch schlechter gehen. Kreisrat Oettinger appellierte sodann an alle, bei den kommenden Haushaltsberatungen aufzupassen.

 

Kreisrat Dotzel stellte große Betroffenheit fest. Daß es der Wirtschaft nicht gut gehe, sei lange Zeit verdrängt worden. Die Folge sei, daß Städte, Märkte und Gemeinden Rückgänge bei der Gewerbe- und Einkommenssteuer hinnehmen müssen. Die Erwartungen an den Bezirk sollten nicht zu hoch gesetzt werden, Einsparungen werden beim Bezirk nicht möglich sein. Bei der Umlagekraft bestehe ein Minus von 8,3 %, so daß 14,4 Mio € (= 2 % zusätzliche Bezirksumlage) fehlen. Erfreulich sei jedoch, daß beim Bezirk mit rd. 2.300 Krankenhausbetten kein Defizit entstanden sei, was von gutem Management zeuge. Selbstverständlich werde der Bezirk mit den vorhandenen Mitteln auch künftig sparsam umgehen. Der Bezirkshaushalt 2004 werde am 16.12.2003 verabschiedet.

 

Kreisrat Andre erinnerte an die Beschlußfassung über den Kreishaushalt 2003, bei der diejenigen Bürgermeister, die für den Haushalt gestimmt hätten, kritisiert worden seien. Für das, was Landrat Schwing heute bekanntgegeben habe, werde eine Erhöhung der Kreisumlage 2004 um ½ % nicht ausreichen. Kreisrat Andre appellierte sodann an alle Abgeordnete in den verschiedenen Parlamenten, sich dafür einzusetzen, daß die Gemeindefinanzen von unten bis oben in Ordnung gebracht werden. Dazu müßten alle Vorschläge diskutiert und umgesetzt werden.

 

Kreisrat Dr. Kaiser sagte, Landrat und Kreistag werden bei den Haushaltsberatungen 2004 eine schwierige Aufgabe lösen müssen. Der Appell von Kreisrat Andre könne nur unterstrichen werden. Es müsse versucht werden, auf die Entscheidungen von Land und Bund Einfluß zu nehmen. Leider sei die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe von CDU/CSU abgelehnt worden. Was das Grundsicherungsgesetz (GSiG) betreffe: Einen Tag nach der Diskussion darüber im Kreistag Miltenberg sei in der Presse zu lesen gewesen, daß der Landkreis Main-Spessart sogar profitiere. Nach Meinung von Kreisrat Dr. Kaiser wäre der Sozialhilfeetat des Landkreises Miltenberg auch ohne GSiG gestiegen. Es sei auch völlig richtig, daß, wenn weiter so gespart werde, die Kommunen in eine Abwärtsspirale kommen. Landrat Schwing habe bezüglich der Einnahmesituation gesagt, wenn der Bund nicht handele, müsse das Land etwas tun. Es müsse daher gemeinsam auf die Staatsregierung eingewirkt werden.

 

Ministerpräsident Dr. Stoiber habe gesagt, die Staatsregierung halte an einem ausgeglichenen Haushalt 2004 fest. Experten seien diesbezüglich jedoch der Meinung, daß daraufhin die wirtschaftliche Situation noch schlechter werde. Zu dem von Kreisrat Dr. Schüren angesprochenen Thema “Kartelle” habe die Bundesregierung bereits vorgeschlagen, die Kartelle zurückzuführen, leider habe die Union im Bundesrat dagegen gestimmt. Er (Kreisrat Dr. Kaiser) habe kein Sofortprogramm. Nachdem der Landkreis Miltenberg bezüglich der Umlagekraft in Bayern an 57. Stelle von 71 Landkreisen stehe, müßten die bestehenden Probleme gemeinsam angepackt werden. Dies gelte für alle Ebenen, von den Kommunen bis zum Bund.

 

Landrat Schwing bemerkte, daß wohl jeder/r den Ernst der Lage erkannt habe. Man könnte streiten, ob der Bund oder das Land zuerst handeln müsse. Ministerpräsident Dr. Stoiber habe bereits im Mai 2003 angekündigt, daß, wenn der Bund kein Programm erarbeite, der Freistaat Bayern ein Sonderprogramm auflegen werde. Er (Landrat Schwing) zweifle nicht daran, daß dieses Versprechen eingelöst werde. Bezüglich der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe müsse richtiggestellt werden, daß dies nur deswegen abgelehnt worden sei, weil die Ansiedelung bei der Bundesanstalt für Arbeit vorgesehen gewesen sei. Das Land Bayern sowie der Bayer. Landkreistag hätten jedoch die Meinung vertreten, daß dies in den Aufgabenbereich der Kommunen gehöre.

 

Kreisrat Berninger erinnerte daran, daß er von Kreisrat Dr. Schüren als “scharfzähniger Löwe” bezeichnet und kritisiert worden sei, weil er dem Kreishaushalt 2003 in seiner Eigenschaft als Kreisrat zugestimmt habe. Er habe der Erhöhung der Kreisumlage 2003 um 0,7 % zugestimmt, weil diese Erhöhung knapp bemessen gewesen sei. Zum Erkennen der Realität brauche man bestimmt kein scharfes Löwengebiß.

 

Kreisrat Stappel bezeichnete die Diskussionsbeiträge als “segensreich”, vertrat dazu jedoch die Meinung, daß alle Sparvorschläge nichts nützen, wenn diese nicht umgesetzt werden können, weil sich die wirtschaftliche Situation nicht ändere. Wenn vom Bund keine Signale kommen und die Bürger und Bürgerinnen kein Geld zum Ausgeben hätten, werde sich die bestehende Situation nicht bessern. Hauptpunkt sei, daß die Wirtschaft wieder ins Rollen komme. Dazu müßten Reformen geschaffen werden, die vor allem den mittelständischen Unternehmen erfolgreiches Arbeiten ermöglichen.

 

Landrat Schwing dankte abschließend für die konstruktive Diskussion und sprach die Hoffnung aus, daß auch anläßlich der Haushaltsberatungen 2004 in dieser Weise diskutiert werde. Er gab weiter bekannt, daß, sobald die erforderlichen Zahlen vorliegen, die Mitglieder des Kreistages entsprechend informiert werden.

 

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