Tagesordnungspunkt
TOP Ö 1: Beratung und Beschlußfassung über die Zulässigkeit des am 01.04.2003 eingereichten Bürgerbegehrens zum Erhalt des Krankenhauses Miltenberg
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 30.04.2003 KT/005/2003 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Landrat Schwing gab zunächst folgende Hinweise und Informationen zur Situation der Krankenhaus-GmbH Landkreis Miltenberg:
- Heute ist
keine inhaltliche Diskussion mehr geplant.
- Es liegt bisher ein Konzept zur Sicherung
der Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach a.Main vor, gegen das sich eine
Bürgerinitiative wendet.
- Dazu sind die nötigen Unterschriften
geleistet worden.
- Allen Beteiligten: Kreistag,
Krankenhaus-GmbH und Bürgerinitiative geht es gemeinsam um den Erhalt der
Krankenhaus-Standorte Miltenberg und Erlenbach a.Main.
- Dies ist jedoch ohne Veränderungen nicht
möglich.
- Es gibt unterschiedliche Meinungen über die
dazu notwendigen Maßnahmen.
Was hat sich bisher
ereignet?
1. Gespräche zwischen dem Landrat und der
Bürgerinitiative werden weitergeführt und ein Termin mit Vertretern der
Krankenhaus-GmbH und Herrn Göb vom Bayer. Kommunalen Prüfungsverband
vereinbart. Ziel: Den Bürgerentscheid überflüssig zu machen.
2. Entscheidung des
Krankenhausplanungsausschusses: Die Geburtshilfe wird ab 01.01.2004 am
Krankenhaus Erlenbach a.Main konzentriert.
3. Sitzung des Verwaltungsrates der
Krankenhaus-GmbH mit der Feststellung, die finanzielle Situation der GmbH ist
dramatisch.
Defizit 2002: ca. 1
Mio €
erwartetes Defizit 2003: ca. 1,9 Mio €
ca.
2,9 Mio €
Diese sind in den folgenden Haushalten
auszugleichen. Zur Erinnerung: 1 % Kreisumlage sind rd. 750.000,00 €. Dies
schlägt voll auf die Kommunen durch. Sie und ihre Bürger müssen das zusätzlich
bezahlen. Ich glaube nicht, daß die beschlossenen Reformen die Defizite auf 0 €
herunterführen.
Was ändert sich
eigentlich? Viel weniger, als die meisten offensichtlich befürchten:
- Die Innere Medizin bleibt in beiden
Krankenhäusern auch zukünftig erhalten. Schwerpunkt dort, wo die meisten
Patienten sind.
- Chirurgie: Die orthopädische Klinik wird im
Krankenhaus Miltenberg konzentriert, die Bauch- und Gefäßchirurgie im
Krankenhaus Erlenach a.Main. Die Unfallchirurgie bleibt in beiden
Krankenhäusern erhalten, in Miltenberg beschränkt auf Wochentage. Es wird
derzeit folgender Vorschlag diskutiert: Der chirurgische Notfalldienst wird bis
22.00 Uhr aufrecht erhalten. Am Mittwochnachmittag sowie am Freitagnachmittag
und am Wochenende wird der chirurgische Dienst durch die niedergelassenen Ärzte
gewährleistet.
- Lt. Aussage des Rettungsdienstes betreffen
83 % der Notfälle die Innere Medizin.
- Die Geburtshilfe wird ab 01.01.2004 von
Miltenberg nach Erlenbach a.Main verlegt. Dies ist angesichts der
demografischen Entwicklung und zurückgehender Geburtenzahlen richtig.
- Wenn man berücksichtigt, daß der
Krankenhausplanungsausschuß über den Standort der Geburtshilfeabteilung
bestandskräftig beschlossen hat, die Unfallchirurgie durch zusätzliche
Maßnahmen in Miltenberg gesichert ist, sind wir von den Vorstellungen der
Bürgerinitiative nicht mehr weit entfernt. Ein Kompromiß ist möglich; alle
hoffen darauf. Entsprechend den Vorgaben der “Satzung zu Bürgerbegehren und
Bürgerentscheid des Landkreises Miltenberg” kann das laufende Begehren noch bis
zum Versand der Benachrichtigungskarten gestoppt werden.
- Es geht also um eine Zukunftsicherung der
zwei Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach a.Main mit Schwerpunktbildungen und
damit auch mehr Qualität. Dagegen kann eigentlich keiner etwas haben. Ich
bedanke mich ausdrücklich dafür, daß alle Fraktionen zu ihren Beschlüssen
stehen.
Oberregierungsrat
Fieger führte folgendes aus:
Am 01.04.2003 haben Herr Johannes Oswald,
Frau Katja Schäfer und Herr Thomas Hench (alle Personen aus Miltenberg) bei
Herrn Landrat Schwing ein “Bürgerbegehren zum Erhalt des Krankenhauses
Miltenberg” eingereicht. Die Fragestellung lautete: “Sind Sie für a) den
dauerhaften Erhalt des Miltenberger Krankenhauses mit allen Fachabteilungen,
insbesondere der Geburtshilfe und Unfallchirurgie auch nachts und am Wochenende
zur Sicherung der wohnortnahen medizinischen Grundversorgung b) die Entwicklung
eines zukunftsfähigen bürgernahen Konzeptes zur Stärkung der beiden
Krankenhäuser Miltenberg und Erlenbach und c) die Vornahme aller hierzu
erforderlichen rechtlichen Maßnahmen durch den Landkreis, insbesondere
Antragstellungen auch bei Ministerien, Beschlüsse und Satzungsänderungen?”
Nach Art. 12 a Abs. 8 der Landkreisordnung
für den Freistaat Bayern (LKrO) entscheidet der Kreistag unverzüglich,
spätestens innerhalb eines Monats nach Einreichung über die Zulässigkeit des
Bürgerbegehrens. Ein Bürgerbegehren ist zulässig, wenn die mit ihm verlangte(n)
Maßnahme(n) zum eigenen Wirkungskreis des Landkreises gehört, die Angelegenheit
nicht unter den Ausschlußkatalog des Art. 12 a Abs. 3 LKrO fällt, die
Unterschriftenlisten den formellen Anforderungen entsprechen, die erforderliche
Unterschriftenzahl erreicht worden ist und die Fragestellung in
materiellrechtlich zulässiger Weise den Bürgerinnen und Bürgern zur Abstimmung
unterbreitet werden kann.
a)
Eigener
Wirkungskreis
Nach Art. 12 a Abs. 1 LKrO
können Kreisbürger über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises des
Landkreises einen Bürgerentscheid beantragen. Vereinfacht ausgedrückt müßte auch der Kreistag einen solchen Beschluß
fassen können, wie er mit dem Bürgerbegehren beantragt wird, denn der
Bürgerentscheid hat die Wirkung eines Beschlusses des Kreistages, Art. 12 a
Abs. 12 Satz 1 LKrO.
Zu
den Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises zählt auch die Krankenhausversorgung. Art. 51 Abs. 3 Ziffer 1 LKrO bestimmt, daß
die Landkreise unbeschadet bestehender Verpflichtungen Dritter in den Grenzen
ihrer Leistungsfähigkeit verpflichtet sind, die erforderlichen Krankenhäuser zu
errichten und zu unterhalten und die Hebammenhilfe für die Bevölkerung
sicherzustellen. Die Frage der Erforderlichkeit eines Krankenhauses, seines
Leistungsumfangs und seines Standorts ist zugleich Gegegenstand der durch das
Krankenhausfinanzierungsgesetz und durch das Bayer. Krankenhausgesetz
vorgeschriebenen Krankenhausplanung. Aus
dem Kommunalrecht besteht eine bindende Festlegung hinsichtlich des
"Ob" der Aufgabenerfüllung mit der Folge, daß diese Aufgabe vom
Landkreis zu erledigen ist und damit auch dann eine öffentliche Aufgabe bleibt,
wenn für den Betrieb der Krankenhäuser eine gemeinnützige GmbH gegründet wurde
(“unbeschadet bestehender Verbindlichkeiten Dritter”). Ein Landkreis darf sich
daher als Adressat des kommunalen Handlungsauftrages der Erfüllung seiner
Aufgabe nicht durch Übertragung auf einen anderen Aufgabenträger entziehen.
Übertragen
werden kann allerdings das "Wie" der Aufgabenerfüllung. Dies hat der
Landkreis Miltenberg durch den Gesellschaftsvertrag vom 20. Mai 1994 und die
von ihm errichtete "Krankenhaus-GmbH Landkreis Miltenberg" auch
getan. Wörtlich heißt es im § 2 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages:
"Gegenstand der Gesellschaft ist der Betrieb der Kreiskrankenhäuser in
Miltenberg und Erlenbach a.Main ...". Der Betrieb der Krankenhäuser ist
folglich nicht mehr eine Angelegenheit des Landkreises, sondern der
Krankenhaus-GmbH.
Im
Rahmen der im Gesellschaftsvertrag geregelten Aufgaben und Zuständigkeiten
entscheiden daher über Fragen des Betriebs der Krankenhäuser Miltenberg und
Erlenbach a.Main seit 1994 die Organe der GmbH und nicht mehr die Organe des
Landkreises. Viele der Entscheidungen, die vor der Gründung der GmbH beim
Landkreis lagen, sind damit auf die Organe der Gesellschaft übergegegangen.
Im
Rahmen der beim Landkreis verbliebenen (Rest-)Zuständigkeit und grundsätzlichen
Verantwortlichkeit für die Errichtung und Unterhaltung der erforderlichen
Krankenhäuser könnte der Kreistag jedoch einen solchen Grundsatzbeschluß
fassen, wie er mit dem Bürgerbegehren beantragt wird. Die Umsetzung eines
solchen Beschlusses hätte u.a. zur Folge, daß sich der Landkreis durch
entsprechende Änderungen des Gesellschaftsvertrages Kompetenzen wieder
“zurückholen” müßte, für die im Augenblick die Organe der GmbH zuständig sind.
Im Ergebnis führt dies dazu, daß es sich bei dem Gegenstand des Bürgerbegehrens
um eine “Angelegenheit des eigenen Wirkungskreises des Landkreises” handelt.
b)
Ausschlußkatalog
Die
Angelegenheit fällt nicht unter den Ausschlußkatalog des Art. 12 a Abs. 3 LKrO
(keine Angelegenheit, die kraft Gesetzes dem Landrat obliegt, keine Frage der
inneren Organisation der Kreisverwaltung, keine Angelegenheit der
Rechtsverhältnisse der Kreisräte, des Landrates und der Kreisbediensteten und der
Haushaltssatzung ).
c)
Formerfordernisse
Die
formalen Anforderungen an ein Bürgerbegehren ergeben sich aus Art. 12 a Abs. 4
LKrO.
-
Das
Bürgerbegehren ist am 01.04.2003 beim Landkreis eingereicht worden.
-
Das
Bürgerbegehren enthält eine mit “Ja” oder mit “Nein” zu beantwortende
Fragestellung und eine Begründung.
-
Es
sind drei Personen benannt, die berechtigt sind, die Unterzeichenden zu
vertreten.
d)
Anzahl
der erforderlichen Unterschriften
Die
Anzahl der erforderlichen Unterschriften ergibt sich aus Art. 12 a Abs. 6 LKrO.
Da der Landkreis Miltenberg mehr als 100.000 Einwohner hat, muß das
Bürgerbegehren von mindestens 5 v.H. der Kreisbürger unterschrieben sein.
“Kreisbürger” sind alle wahlberechtigten Personen, die im Landkreis ihren ständigen
Aufenthalt haben. Soweit nach der Landkreisordnung die Einwohnerzahl von
rechtlicher Bedeutung ist, ist diejenige Einwohnerzahl maßgebend, die bei der
letzten Wahl der Kreisräte zugrunde gelegt wurde, Art. 107 LKrO. Bei den
Kommunalwahlen 2002 waren 96.178 Kreisbürger wahlberechtigt, so daß mindestens
4.839 gültige Unterschriften erforderlich sind.
e)
Ermittlung
der erforderlichen Unterschriften
Die am 01.04.2003 eingereichten 1.540 Listen enthielten
insgesamt 11.451 Eintragungen. Hiervon waren 10.479 Eintragungen gültig; 843
Eintragungen waren ungültig (z.B. wegen Unleserlichkeit oder fehlender
Unterschriften, weil das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet war, weil
(Gemeinde-)Listen Unterschriften von Bürgern aus anderen Gemeinden oder
Landkreisen enthielten); 129 Eintragungen waren fraglich (z.B. wegen
unvollständiger Anschriften oder Namen von ausländischer Herkunft). Die nach
Art. 12 a Abs. 6 LKrO erforderliche Unterschriftenzahl von mindestend 5 v.H.
der Kreisbürger ist damit erreicht.
Bei der Überprüfung durch die Landkreisverwaltung mußten
die Listen zunächst nach Gemeinden sortiert werden. Danach wurden sämtliche
Listen und Eintragungen überschlägig geprüft. Die so ermittelte Anzahl von
10.479 gültigen Eintragungen übertrifft die Zahl der erforderlichen
Eintragungen um mehr als das Doppelte. Es wurde daher darauf verzichtet, die
Listen den Gemeinden zur weitergehenden Prüfung auf der Grundlage eigens
anzulegender Bürgerverzeichnisse zuzusenden. Bei dieser Entscheidung wurden
auch der enorme Zeitaufwand bei den Gemeinden und die vom Landkreis zu
erstattenden erheblichen Kosten mit berücksichtigt.
f)
Ausreichend
bestimmte Fragestellung
Die Fragestellung des Bürgerbegehrens ist inhaltlich (noch)
ausreichend bestimmt. Nach der Rechtsprechung des Bayer.
Verwaltungsgerichtshofes (VGH) zulässig sind Grundsatzentscheidungen, die noch
der Ausführung und Ausfüllung durch spätere Detailentscheidungen bedürfen. Es
ist deshalb nicht erforderlich, daß die Fragestellung des Bürgerbegehrens so
konkret ist, daß nur noch der Vollzug der Entscheidung durch den Landrat zur
Umsetzung des Bürgerenstcheids notwendig ist. Ein Bedarf an weiteren
ausführenden Entscheidungen von Organen des Landkreises schließt eine
inhaltliche Bestimmtheit nicht aus. Auch die Formulierung “alle hierzu
erforderlichen rechtlichen Maßnahmen” ist inhaltlich nicht zu unbestimmt und
kann durch die Auslegung nach den Zielen des Bürgerbegehrens näher
konkretisiert werden.
Von der Rechtsprechung ist auch anerkannt, daß an die
sprachliche Abfassung der Fragestellung keine zu hohen Anforderungen gestellt
werden dürfen. Bei der Auslegung hält sie eine “wohlwollende Tendenz” für
gerechtfertigt, mit der Folge, daß es unschädlich ist, wenn für bestimmte
Begriffe nicht der genaue juristische Terminus verwendet wird.
In jedem Fall muß jedoch die zur Entscheidung zu bringende Frage aus dem Antrag mit hinreichender Klarheit und Eindeutigkeit zu entnehmen und auch ohne die auf dem Stimmzettel nicht mit abgedruckte Begründung aus sich heraus verständlich sein. Unzulässig ist auch, daß mehrere Fragestellungen (Alternativen) zur Abstimmung gestellt werden. Deshalb wurde eine redaktionelle Korrektur der ursprünglich eingereichten Fragestellung vorgenommen und die Gliederungsbuchstaben “a)”, “b)” und “c)” entfernt.
Kreisrat Bieber erklärte, daß er im
Ergebnis zustimme, jedoch bei Anstrengung sämtlichen Sachverstandes nicht
einsehen könne, daß die Gliederungsbuchstaben a), b) und c) Alternativen
darstellen sollen. Er frage sich, wie die Prüfung ausgefallen wäre, wenn
anstelle von Gliederungsbuchstaben Spiegelstriche gesetzt worden wären. Nach
Rücksprache mit der Bürgerinitiative
werden gegen die Entfernung der Gliederungsbuchstaben jedoch keine
Einwendungen erhoben.
Der Kreistag faßte sodann einstimmig
folgenden
B e s c h l u ß :
Das am 01.04.2003 eingereichte
“Bürgerbegehren zum Erhalt des Krankenhauses Miltenberg” wird mit der
Fragestellung “Sind Sie für den dauerhaften Erhalt des Miltenberger
Krankenhauses mit allen Fachabteilungen, insbesondere der Geburtshilfe und
Unfallchirurgie auch nachts und am Wochenende zur Sicherung der wohnortnahen
medizinischen Grundversorgung, die Entwicklung eines zukunftsfähigen
bürgernahen Konzeptes zur Stärkung der beiden Krankenhäuser Miltenberg und
Erlenbach und die Vornahme aller hierzu erforderlichen rechtlichen Maßnahmen
durch den Landkreis, insbesondere Antragstellung auch bei Ministerien,
Beschlüsse und Satzungsänderungen?” zugelassen.