Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Errichtung eines "Urban Entertainment Center" mit Einzelhandelsnutzung durch die Fa. Hörnig Wohn- und Industriebaugesellschaft mbH im Bahnhofsbereich Aschaffenburg-Nordseite: Einleitung des Raumordnungsverfahrens (betrifft die Einzelhandelsnutzung)

BezeichnungInhalt
Sitzung:07.10.2002   SZ-04PIGL3 
Beschluss:noch nicht festgelegt
Abstimmung:JA-Stimmen:0 NEIN-Stimmen:0 Enthaltungen:0
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Oberregierungsrat Fieger trug vor, daß die Fa. Hörnig Wohn- und Industriebaugesellschaft mbH, Aschaffenburg, an der Nordseite des Bahnhofes Aschaffenburg auf dem Gelände eines ehemaligen Güterbahnhofes ein sog. “Urban Entertainment Center (UEC)” plane, wo neben einer Vielzahl anderer Nutzungen (Hotels, Gastronomie, Wellness, Freizeit, Unterhaltung, Wohnen, Dienstleistungen usw.) auch Einzelhandelsnutzungen vorgesehen seien. Für die Gebäude sei eine mittlere Geschoßflächenzahl zwischen 2,0 und 2,4 vorgesehen. Bei einer Grundstücksfläche von ca. 45.000 qm ergebe dies eine Bruttogeschoßfläche von ca. 90.000 qm bis 110.000 qm (incl. Parkhäuser und Garagen). Gegenüber der im Jahr 2000 vorgelegten Planung sei die Obergrenze der Verkaufsfläche für die Einzelhandelsnutzung von 19.150 qm auf 14.000 qm reduziert worden. Hiervon seien maximal 8.000 qm für zentrenrelevante Nicht-Lebensmittel-Sortimente und maximal 6.000 qm für nicht-zentrenrelevante Sortimente vorgesehen. Die erste der beiden Alternativen beinhalte zudem ein SB–Warenhaus mit maximal 5.000 qm Verkaufsfläche, wo auf einer Fläche von maximal 3.500 qm Lebensmittel angeboten werden sollen, was zulasten der 6.000 qm (Obergrenze für nicht-zentrenrelevante Sortimente) ginge. Mit Ausnahme dieses SB-Warenhauses müssen alle angebotenen Waren den Produktgruppen Sport, Technik oder Familie zugeordnet werden können. Für das SB-Warenhaus und die einzelnen Produktgruppen seien Flächenunter- und /-obergrenzen festgelegt, innerhalb derer die Produktpalette variieren könne.

 

Nach Schätzungen des Vorhabenträgers würden im neuen Center 1.700 Arbeitsplätze vorhanden sein, wovon ca. 50 % neu entstehen würden. Eine von der GMA Ludwigsburg im Jahr 2001 im Auftrag der Stadt Aschaffenburg erstellte Auswirkungsanalyse gehe von einem Umsatz von 90,5 Mio DM/Jahr (“Trend-Szenario” mit SB–Warenhaus) und von 62,5 Mio DM/Jahr (“Trend-Szenario” ohne SB–Warenhaus) aus. Nach der von einem Gutachter bei einer Diskussion des Aschaffenburger Einzelhandels am 13.01.2000 geäußerten Schätzung unter Einbeziehung aller vorhandenen Erfahrungswerte in der Region, die sich allerdings noch auf die im Jahr 2000 geplante Version des UEC mit 19.150 qm Grundfläche bezogen habe, liege der tatsächlich zu erwartende Umsatz zwischen 150 Mio DM und 200 Mio DM.

 

Das Kerneinzugsgebiet bilde die Stadt Aschaffenburg. Zur Zone II zählen der Landkreis Aschaffenburg und der nördlichste Teil des Landkreises Miltenberg, die Zone III umfasse östliche Teile des Landkreises Darmstadt und weite Teile des Landkreises Miltenberg bis zur Stadt Miltenberg.

 

Für das neue Vorhaben habe die Regierung von Unterfranken – Höhere Landesplanungsbehörde wegen dessen raumbedeutsamen Auswirkungen ein neues Raumordnungsverfahren eingeleitet, wozu der Landkreis Miltenberg um Stellungnahme gebeten worden sei. Aufgabe des Landratsamtes Miltenberg sei es ausschließlich, zu überprüfen, ob dem Projekt Planungen bzw. Interessen des Landkreises entgegenstehen. Zwar werden möglicherweise auch Einwohner des Landkreises Miltenberg von den neu geschaffenen Arbeitsplätzen profitieren, jedoch werde der von der GMA Ludwigsburg im Jahr 2001 ermittelte bei einem “Trend-Szenario” erzielbare Umsatz auch erheblich zulasten des Landkreises Miltenberg gehen, zumal der nördlichste Teilbereich des Landkreises Miltenberg in der Zone II liege und die Zone III weite Teile des Landkreises Miltenberg umfasse und bis Miltenberg reiche.

 

Bereits jetzt befinden sich in Stadt und Landkreis Aschaffenburg Lebensmittel–Großmärkte  (z.B. Real-Markt in Stockstadt, Real-Markt in Aschaffenburg), Bekleidungsmärkte (z.B. Adler in Haibach), Elektronik-Märkte (z.B. Media–Markt in Aschaffenburg, Radio Ostheimer in Mainaschaff) und Schuh-Märkte (z.B. Rohrmeier in Aschaffenburg, Reno-Schuhe in Mainaschaff). Außerdem existiere mit der City–Galerie bereits ein Zentrum mit diversen Einzelhandelsgeschäften.

 

Das jetzt vorgesehene Warenangebot zu den Bereichen Sport, Technik und Familie werde  auch durch die Verzahnung mit den vorgesehenen “Entertainmentflächen” und deren publikumsattraktiver Nutzung (nicht Gegenstand dieses Raumordnungsverfahrens) dazu führen, daß die Attraktivität des Oberzentrums Aschaffenburg in einem Entfernungsradius von ca. 40 km weiter steigen werde. Dies gehe auch zulasten der Mittelzentren Obernburg/Elsenfeld/Erlenbach und Miltenberg, von wo aus weitere Käufer aufgrund der räumlichen Nähe und steigender Bereitschaft zur Mobilität nach Aschaffenburg fahren werden. Bereits jetzt sei ein drastischer Kaufkraftabfluß aus dem Landkreis Miltenberg in den Bereich Aschaffenburg vorhanden. Nach einem Gutachten, das im Auftrag des Regionalen Planungsverbandes erstellt worden sei, fließen aus dem Bereich Miltenberg 78 Mio DM nach Aschaffenburg, in umgekehrte Richtung lediglich 11 Mio DM. Hieraus resultiere eine weitere Wirtschaftsschwächung des Landkreises Miltenberg, insbesondere durch den Abfluß von Teilen an Kaufkraft in das Oberzentrum Aschaffenburg.

 

Bei einer zu erwartenden sortimentsspezifischen Kaufkraftabschöpfung von mehr als 30 % des angrenzenden Verflechtungsbereiches im Mittelzentrum Obernburg/Elsenfeld/Erlenbach und im Mittelzentrum Miltenberg seien für die Funktionsfähigkeit dieser zentralen Orte negative Auswirkungen zu erwarten; die vorhandene städtebauliche Struktur werde durch leerstehende Einzelhandelsgeschäfte im Innerortsbereich geschwächt. Dies stehe im Widerspruch zu den Zielaussagen des Landesentwicklungsprogrammes (LEP), das den Mittelzentren wahrzunehmende Aufgaben zuweise. Unter Ziff. A II 1.1 sei als Ziel der raumstrukturellen Entwicklung genannt, auf die Schaffung und Erhaltung gleichwertiger und gesunder Lebens- und Arbeitsbedingungen in allen Landesteilen hinzuwirken. Gemäß Ziff. A IV 1.7 und B IV 1.4.3 soll ein Mittelzentrum wie Obernburg/Elsenfeld/Erlenbach oder Miltenberg die Bevölkerung des jeweiligen Mittelbereiches mit Gütern und Dienstleistungen des gehobenen Warenbedarfs versorgen. Diese Versorgungsfunktion für Waren des gehobenen Bedarfs könne bei einem hohen Kaufkraftabfluß und geringerwerdenden Umsatzerlösen im Bereich der Waren des gehobenen Bedarfs nicht mehr wahrgenommen werden. Ausdrücklich werde in Ziff. B IV 1.4.5 gefordert, daß Einzelhandesgroßprojekte die Funktionsfähigkeit zentraler Orte (d.h. auch der Mittelzentren) sowie die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung im Einzugsbereich dieser Einrichtungen nicht wesentlich beeinträchtigen dürfen.

 

Um einen weiteren Kaufkraftabfluß aus dem Landkreis Miltenberg in den Raum Aschaffenburg zu vermeiden bzw. vernachlässigbar gering zu halten, werde eine drastische Reduzierung der Verkaufsflächen gefordert. Die Errichtung eines Einkaufszentrums in der vorliegenden Form im Bahnhofsbereich Aschaffenburg werde abgelehnt, weil sie nicht mit den Erfordernissen der

Raumordnung vereinbar sei.

 

Im Verlauf der Diskussion beantragte Kreisrat Dr. Schüren, nicht nur (wie in der Beschlußvorlage vorgesehen) eine “weitere”, sondern eine “drastische” Reduzierung der Verkaufsflächen zu fordern.

 

Der Kreisausschuß faßte sodann einstimmig folgenden

 

B e s c h l u ß :

 

Gegen die Errichtung eines “Urban Entertainment Center” mit Einzelhandelsnutzung durch die Fa. Hörnig Wohn- und Industriebaugesellschaft mbH im Bahnhofsbereich Aschaffenburg-Nordseite werden seitens des Landkreises Miltenberg grundsätzliche Bedenken erhoben. Der Landkreis Miltenberg sieht das Vorhaben als den Erfordernissen der Raumordnung widersprechend an und fordert eine drastische Reduzierung der Verkaufsflächen.

 

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