Tagesordnungspunkt
TOP Ö 3: Antrag der FDP/UWG auf Bildung einer Fraktionsgemeinschaft aus FW und FDP/UWG
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 02.05.2002 SZ-04HLB1R |
Beschluss: | noch nicht festgelegt |
Abstimmung: | JA-Stimmen:0 NEIN-Stimmen:0 Enthaltungen:0 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Landrat Schwing unterrichtete den Kreistag von folgendem Antrag der FDP/UWG vom 25.04.2002: “Wie in der Vorbesprechung der Fraktionsvorsitzenden bereits angekündigt und um eine möglichst frühzeitige Planung für die konstituierende Sitzung des neuen Kreistages zu ermöglichen, möchten wir mitteilen, daß die Parteimitglieder des FDP-Kreisverbandes Miltenberg vorgestern ohne Gegenstimme den Vorschlag der beiden gewählten Kreistagsmitglieder der Gruppierung gebilligt haben, in den nächsten sechs Jahren zusammen mit den Kreisräten der FWG eine Fraktionsgemeinschaft zu bilden. Auch von den Kandidatinnen und Kandidaten der Kreistagsliste der FDP/UWG wurden keine Einwendungen erhoben.”
Oberregierungsrat Fieger gab bekannt, daß die Fraktion der
FWG mit Schreiben vom 30.04.2002 mitgeteilt habe, daß sie dem Antrag zustimme.
Aufgrund der Rechtsprechung des Bayer.
Verwaltungsgerichtshofes (BayVGH) in seinem Beschluß vom 02.06.1999 und in
seinem Urteil vom 01.03.2000 sei hierzu folgende Stellungnahme veranlaßt:
Nach Art. 27 Abs. 2 LKrO werden die Mitglieder des
Kreisausschusses vom Kreistag für die Dauer der Wahlzeit aus seiner Mitte
bestellt. Hierbei habe der Kreistag dem Stärkeverhältnis der in ihm vertretenen
Parteien und Wählergruppen Rechnung zu tragen (Art. 27 Abs. 2 Satz 2 LKrO).
Nach der Rechtsprechung des BayVGH sei Sinn und Zweck dieser Vorschrift, den
Kreisausschuß – wie auch die übrigen Ausschüsse (Art. 29 Abs. 1 Satz 3 LKrO) –
in seiner Zusammensetzung zu einem verkleinerten Abbild des Kreistags zu
machen.
Weil die aufgrund eines bestimmten Wahlvorschlages gewählten
Vertreter einer Partei oder Wählergruppe nicht an deren Weisung gebunden,
sondern letztlich nur ihrem Gewissen verantwortlich seien (vgl. Art. 13 Abs. 2
BV), stehe es den Kreisräten grundsätzlich frei, während und auch zu Beginn der
Wahlzeit von einer in eine andere Fraktion oder Gruppe im Kreistag
überzutreten.
Die Bildung einer Fraktionsgemeinschaft sei im Hinblick auf
die Ausschußbesetzung nur dann von Bedeutung, wenn die von der Rechtsprechung entwickelten
Grundsätze über einen Fraktionswechsel eingehalten seien. Eine relevante
Änderung der Stärkeverhältnisse mit der Wertung beider Gruppierungen als
Einheit und mit Auswirkungen auf die Sitzverteilung in den Ausschüssen werde
mit einem solchen Schritt daher nur dann bewirkt, wenn er anhand der äußerlich
erkennbaren Gesamtumstände als Ausdruck eines geänderten politischen Verhaltens
zu werten sei. Das setze im allgemeinen eine Abkehr von bisherigen Positionen
und Wählerschaften, verbunden mit einer Hinwendung zu der neuen Gruppierung
voraus. Nach den Umständen des Einzelfalls könne die Hinwendung von
Kreistagsmitgliedern zu einer anderen Gruppierung (auch) ohne Auswirkungen auf
das Stärkeverhältnis bleiben, vor allem dann, wenn sie nur zum Schein oder in
Umgehungsabsicht etwa zu dem Zweck vorgenommen worden seien, Kreisräte einer
ausschußunfähigen Gruppe in die Ausschüsse zu bringen.
Fraktionsübertritte bewirken eine Änderung des
Stärkeverhältnisses also nur dann, wenn sie nach den äußerlich erkennbaren
Gesamtumständen Ausdruck eines geänderten Verhaltens und einer Abkehr von
bisherigen Positionen und Wählerschaften seien, sie also nicht nur zum Schein
oder in Umgehungsabsicht vorgenommen worden seien.
Nach der Rechtsprechung des BayVGH rechtfertigen u.a.
folgende Umstände die Annahme, daß es sich bei einem Übertritt um ein bloßes
Schein- oder Umgehungsmanöver handele zu dem Zweck, Kreisräte einer
ausschußunfähigen Gruppe in die Ausschüsse zu bringen:
- Die betreffenden Kreisräte seien unverändert
Mitglieder derjenigen Partei, deren entsprechende Gruppe sich im Kreistag durch
Übertritt in eine Fraktion aufgelöst habe; sie seien nicht in die Partei
übergetreten, deren Fraktion sie sich angeschlossen haben.
- Die Übertritte seien von Einfluß auf die Ausschußbesetzung;
nicht nur die Zahl der der aufnehmenden Fraktion zustehenden Ausschußsitze
erhöhe sich, es sollen auch die jeweils “übergetretenen“ Kreisräte auf diese
Weise der aufnehmenden Fraktion zustehende Ausschußsitze erhalten.
Vergleiche man diese Umstände mit denjenigen, durch die sich
der vorliegende Fall auszeichne, so spreche einiges für die Annahme, daß
zumindest derzeit erhebliche Zweifel daran bestehen, daß die Hinwendung der
Kreistagsmitglieder der FDP/UWG-Gruppierung zur Fraktion der FWG Ausdruck eines
geänderten politischen Verhaltens sei, da eine echte Abkehr von bisherigen
Positionen und Wählerschaften derzeit nicht zweifelsfrei zu erkennen sei. Es
liegen vielmehr Umstände vor, daß der Übertritt nur zum Schein oder in
Umgehungsabsicht vorgenommen werden soll.
- Die FDP/UWG erkläre in ihrem Antrag vom
25.04.2002: “Die beiden Kreisräte der FDP/UWG sind der Ansicht, von den
Bürgerinnen und Bürgern deshalb gewählt worden zu sein, damit sie im Rahmen
ihrer Möglichkeiten verantwortungsvoll die Entscheidungen im Landkreis
mitbestimmen und mittragen. Das ist unserer Ansicht nach – vor allem nach der
geplanten Änderung des Geschäftsordnung des Kreistages – nicht möglich, wenn
wir nur im Plenum ohne Stimmrecht in einem der Ausschüsse vertreten sind.”
- Positiv fomuliert sei demnach Ziel des
Antrages, daß beide Kreisräte der FDP/UWG mit Stimmrecht in den Ausschüssen
vertreten sein wollen.
- Zwar nehmen beide Mitglieder der
FDP/UWG-Gruppierung in der Partei FDP kein Funktionärsamt (mehr) wahr, jedoch seien
beide nach wie vor Mitglieder der FDP und haben sich auch nicht ausdrücklich
von ihren bisherigen Positionen und Wählerschaften abgekehrt.
- Die Mitglieder der FDP/UWG-Gruppierung
erklären in ihrem Antrag weiterhin: “Eine Vorausschau auf die Zeit nach den
nächsten sechs Jahren ist wohl nicht Gegenstand dieses Antrages. Zur
Klarstellung dennoch ein Hinweis: Ob danach beide Gruppierungen – FWG und
FDP/UWG – als gemeinsame Liste antreten, wie das früher ohnehin der Fall war –
oder ob sie getrennt antreten, kann heute nicht entschieden werden.”
- Die Dauerhaftigkeit des Übertritts und damit
die Ernsthaftigkeit der Abkehr von den bisherigen Positionen und Wählerschaften
werden also ausdrücklich offen gelassen.
Nach alledem komme es auf die in dem Antrag aufgezeigte
weitgehende Übereinstimmung der kommunal-bezogenen Programme von FWG und
FDP/UWG und die damit verbundene Hinwendung zur FWG-Fraktion nicht mehr
entscheidungserheblich an, da die Gesamtumstände des Falles erhebliche Zweifel
am Vorliegen einer weiteren wesentlichen Voraussetzung nahelegen, nämlich an
einer echten Änderung des politischen Verhaltens der Kreistagsmitglieder der
FDP/UWG-Gruppierung und an einer echten Abkehr von bisherigen Positionen und
Wählerschaften.
Die Bildung einer Ausschußgemeinschaft im Sinne von Art. 27
Abs. 2 Satz 5 LKrO mit der Konsequenz, daß die Kreistagssitze von FWG und
FDP/UWG als Einheit zu werten wären, sei jedenfalls für die 12er-Ausschüsse und
für die 6er- und 8er-Ausschüsse ebenfalls nicht zulässig. Die Bildung einer
Ausschußgemeinschaft sei auf den Fall beschränkt, daß sich nur solche
Einzelgänger und nur solche Fraktionen und Gruppen zusammenschließen dürfen,
die nicht schon ohne Zusammenschluß einen Sitz in dem jeweiligen Ausschuß
erhalten würden.
Eine rechtlich mögliche Form der Zusammenarbeit zwischen
Fraktionen und/oder Wählergruppen sei es jedoch, wenn eine Fraktion für einen
ihr zustehenden Ausschußsitz ein Mitglied einer anderen Fraktion oder
Gruppierung benenne. Rechtlich unzulässig sei es hingegen, wenn eine Fraktion
einen ihr zustehenden Ausschußsitz an eine andere Gruppierung abtrete oder
übertrage.
Kreisrat Dr. Linduschka fragte bezüglich der Ausführungen von Oberregierungsrat Fieger, wovon sich die Mitglieder von FDP/UWG abkehren sollten, wenn ihr Programm mit dem der Freien Wähler übereinstimme. Was die zeitliche Begrenzung des Zusammenschlusses betreffe, könne sich die FDP/UWG nur auf die nächsten sechs Jahre festlegen. Kreisrat Dr. Linduschka bat, den vorliegenden Antrag ernst zu nehmen und seine Gruppierung am Versprechen zu messen. Er habe alle Mandate niedergelegt, Kreisrätin Manderfeld-Albreit, habe keine Mandate. Sollte der Kreistag den Antrag der FDP/UWG ablehnen, werde er Beschwerde bei der Regierung von Unterfranken einlegen und mit einem Rechtsbeistand vor das Bayer. Verwaltungsgericht gehen.
Landrat Schwing wies darauf hin, daß der Gesetzgeber hohe Hürden gesetzt habe. Sollte der Kreistag dem vorliegenden Antrag stattgeben, werde er den Beschluß der Regierung von Unterfranken zur Prüfung vorlegen.
Kreisrat Dr. Kaiser erklärte, daß die SPD-Fraktion dem vorliegenden Antrag zustimmen werde, weil sie die Argumente für juristisch stichhaltig und schlüssig halte. Sie sei weiter der Auffassung, daß die Expertise der Landkreisverwaltung dem Geist der Änderung des Landkreiswahlgesetzes widerspreche.
Kreisrat Andre bemerkte, daß die Mitglieder der CSU-Fraktion aufgrund der Expertise der Landkreisverwaltung erhebliche Zweifel hätten und dem vorliegenden Antrag nicht zustimmen werden.
Kreisrat Dr. Fahn gab bekannt, daß die Freien Wähler dem vorliegenden Antrag aus folgenden Gründen zustimmen:
- Der Antrag zeige, daß eine eindeutige Hinwendung zu den Grundsätzen und Zielen der Freien Wähler beabsichtigt sei.
- Der geplante Zusammenschluß diene der Erreichung gemeinsamer politischer Ziele, wie dies auch in der Gemeinde- und Landkreisordnung vorgesehen sei.
- Die Freien Wähler erhoffen sich dadurch eine Stärkung ihrer politischen Arbeit im Kreistag.
- Der Antrag werde als ernsthafte Willenserklärung für die zukünftige Zusammenarbeit bewertet.
Kreisrätin Becker-Scharrer fragte, warum FDP/UWG und Freie Wähler, wenn ihre Programme identisch seien, mit getrennten Listen zur Kommunalwahl angetreten seien. Der jetzt beantragte Zusammenschluß soll doch nur zur Erreichung von Ausschußsitzen erfolgen.
Kreisrat Trützler teilte mit, daß die Mitglieder der Fraktion Neue Mitte den vorliegenden Antrag ebenfalls ablehnen, weil sie in dem Antrag eine noch nie dagewesene Wählertäuschung sehen.
In der sodann erfolgten Abstimmung lehnte der Kreistag den vorliegenden Antrag der FDP/UWG auf Bildung einer Fraktionsgemeinschaft aus FW und FDP/UWG mit Stimmenmehrheit ab.