Tagesordnungspunkt

TOP Ö 5: Förderung der Flüchtlings- und Integrationsberatung durch den Caritasverband für den Landkreis Miltenberg e.V. für das Jahr 2024

BezeichnungInhalt
Sitzung:24.10.2023   BKS/009/2023 
Beschluss:mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Nein: 1
DokumenttypBezeichnungAktionen

Folgender Beschluss wird mehrheitlich, bei einer Gegenstimme, getroffen:

 

1.       Die Förderung der Flüchtlings- und Integrationsberatung durch den Caritasverband für den Landkreis Miltenberg e.V. im Jahr 2024 beträgt maximal 82.000 € unter dem Vorbehalt, dass

·         ganzjährig tatsächlich (rechnerisch) 4,35 förderfähige Vollzeitkräfte für die Flüchtlings- und Integrationsberatung eingesetzt werden,

·         die Förderung nach BIR beantragt wird,

·         mindestens der geforderte Eigenanteil nach BIR von Caritas selbst finanziert wird.

2.       Die Förderung ist zweckgebunden für die Finanzierung von Kostenbestandteilen, deren Förderung durch Drittmittelgeber die staatliche Förderung nicht mindert.

3.       Falls der Freistaat Bayern die Zahl der förderfähigen Vollzeitkräfte für die Flüchtlings- und Integrationsberatung noch weiter aufstockt oder sich noch die Möglichkeit ergibt, auf nicht anderweitig genutzte staatlich förderfähige Stellenkontingente zuzugreifen und der Caritasverband zusätzlich entsprechendes Fachpersonal im förderfähigen Umfang einstellt, wird die Verwaltung ermächtigt, die Förderung durch den Landkreis im gleichen Verhältnis wie vorstehend beschlossen aufzustocken.


Herr Scherf begrüßt Herrn Vill und weist auf dessen bevorstehenden Ruhestand nach Jahrzehnten sehr guter, leidenschaftlicher Arbeit im Sozialwesen hin. Ebenfalls begrüßt er Herrn Nowak, der mit Herrn Henn-Mücke, der heute leider verhindert ist, die Nachfolge antritt.

 

Herr Vill berichtet dem Gremium:

 

In der Bildungsausschusssitzung am 06.10.2020 wurde beschlossen, dass der Landkreis Miltenberg auch für die Zeit ab 01.01.2021 weiterhin damit einverstanden ist, dass der Caritasverband für den Landkreis Miltenberg e.V. (Kreiscaritasverband) die Flüchtlings- und Integrationsberatung (FIB) im Landkreis alleine durchführt und auch in Zukunft bereit ist, die Wahrnehmung dieser Aufgabe finanziell zu unterstützen. Die Höhe der Förderungen solle weiter jährlich neu festgelegt werden.

 

In der Bildungsausschusssitzung am 27.10.2022 wurde die Förderung für das Jahr 2023 unter Zugrundelegung von 3,75 eingesetzten Vollzeitkräften, im Übrigen unter den im Beschlussvorschlag ansonsten genannten gleichen Voraussetzungen, auf maximal 62.500 € festgelegt.

 

Wie nahezu täglich den Medien zu entnehmen ist, steigen die Flüchtlingszahlen seit mehreren Jahren bis zuletzt kontinuierlich.

 

Im Zeitraum Januar bis August 2023 haben insgesamt 220.116 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt (204.461 Erst- und 15.655 Folgeanträge). Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (115.402 Erstanträge) bedeutet dies einen Anstieg um 77,2 Prozent. Hauptherkunftsländer sind derzeit Syrien, Afghanistan und die Türkei (Quelle: BAMF).

 

Zu den Asylantragstellern kommen seit Frühjahr 2022 Flüchtlinge aus der Ukraine, die in der Regel keinen Asylantrag stellen, weil sie nach der Massenzustromrichtlinie der EU einen besonderen Schutzstatus nach § 24 Aufenthaltsgesetz haben. Diese Regelung wurde zuletzt bis 04.03.2024 verlängert. Seit 01.06.2022 haben Ukraineflüchtlinge Anspruch auf Leistungen nach SGB II oder XII, jedoch frühestens ab dem Folgemonat, in dem eine Aufenthaltserlaubnis erteilt oder eine Fiktionsbescheinigung ausgestellt wurde. Unabhängig von den Transferleistungsansprüchen werden sie ebenfalls von der FIB des Caritasverbandes beraten und betreut.

 

Vor allem durch die Ukraineflüchtlinge stieg die Zahl der im Landkreis Miltenberg durch die FIB zu betreuenden Klientel seit Frühjahr 2022 stark an. Auf die Darstellung der Entwicklung der Flüchtlingszahlen im Landkreis Miltenberg in der Powerpointpräsentation wird verwiesen.

 

Im September 2017 wurden insgesamt 1.545 Menschen von damals noch 7,00 Vollzeitkräften (VZK) in der FIB betreut, mithin rechnerisch 221 Menschen je Beratungskraft, im September 2023 wurden 3.516 Menschen von aktuell 3,75 VZK in der FIB betreut, mithin rechnerisch 938 Menschen je Beratungskraft, das ist das 4,24-fache von 2017.

 

Für die Mitarbeiter*innen der FIB ist die Arbeit kaum noch zu bewältigen. Ein Versuch, statt ausschließlicher Terminvergabe teilweise offene Sprechtage mit Wartezeit zu organisieren scheiterte, weil der Andrang an diesen Tagen die sonstigen Arbeitsbereiche der Caritas-Geschäftsstelle Miltenberg zu sehr beeinträchtigte.

 

Der Freistaat Bayern hat der Entwicklung der Flüchtlingszahlen mit Aufstockungen der Förderung nach der Beratungs- und Integrationsrichtlinie (BIR) bereits im Jahr 2022 und nun noch einmal weitergehend Rechnung getragen:

  • Für die Jahre 2022 und 2023 wurde die Zahl der bayernweit förderfähigen FIB-Stellen zunächst von 575 auf 650 VZK aufgestockt. Für den Landkreis Miltenberg waren dadurch seitdem 3,75 VZK statt bis dahin 3,0 förderfähig (eigentlich 3,67/2,97; da aber die BIR mit 40,1h/Woche pro VZK rechnet, die Caritasmitarbeiter aber 39h/Woche arbeiten, ergeben sich 3,75/3,0).
  • Der förderfähige Festbetrag pro 1,0 VZK wurde um 13.000 € auf bis zu 65.000 € erhöht.
  • Für jede Vollzeitberatungskraft wird zusätzlich eine 460 €-Unterstützungskraft „für die Unterstützung beim Massengeschäft“ gefördert.

 

Diese Regeln gelten seit 01.04.2022 und waren zunächst für die Jahre 2022 und 2023 befristet.

 

Aufgrund des anhaltenden Flüchtlingszustroms besserte der Freistaat nun dieses Jahr aber noch einmal nach:

  • Der aktuelle Entwurf der ab 01.01.2024 gültigen BIR III sieht ab 01.01.2024 eine Erhöhung der Festbetragsfinanzierung auf bis zu 69.000,00 € je Vollzeitberaterstelle vor.
  • Die zunächst bis 31.12.2023 zugesagten 650 förderfähigen FIB-Stellen werden nicht nur für 2024 verlängert, sondern es kommen noch 50 weitere Stellen hinzu, die nach einem Beschluss der Landesarbeitsgemeinschaft der Wohlfahrtsverbände (LAG Ö/F) auf der Grundlage der Prozentsätze der DV-Asyl verteilt werden, weil die Nachfrage bei den Trägern deutlich höher liegt als die 50 Stellen (168 VZK könnten besetzt werden). Nach diesem Schlüssel kann Caritas Miltenberg ab sofort 0,6 (0,57) VZK zusätzlich für die Beratung einstellen. Geltend gemacht wurden 1,0 VZK.
  • Sollten am Ende Stellenanteile nicht vergeben worden sein, wird die LAG Ö/F eine zweite Verteilrunde unter den eingegangenen Interessensbekundungen durchführen (Verwaltungs-Info des Bayerischen Landkreistags vom 06.10.2023).

 

Daneben unterstützt der Freistaat die Landkreise und kreisfreien Städte zusätzlich finanziell bei der Flüchtlingsbetreuung: Die Staatsregierung wird eine einmalige Integrations-, Asyl- und Digitalisierungspauschale (kurz Integrationspauschale) in Höhe von 120 Millionen € an die Landkreise und kreisfreien Städte ausreichen. Die Staatsregierung gibt dabei das Gros des bayerischen Anteils von geschätzt ca. 159 Millionen € an der vom Bund einmalig ausgereichten Pauschale in Höhe von einer Milliarde € an die Kommunen weiter. Das Geld soll voraussichtlich 2024 fließen und für die Bereiche Asyl, Integration und Digitalisierung des Ausländerwesens im kommunalen Bereich verwendet werden. Verteilschlüssel ist die Ist-Quote der DVAsyl zum Zeitpunkt der Auszahlung der Bundespauschale (IMS vom 09.08.2023). Bei insgesamt 71 Landkreisen sowie 25 kreisfreien Städte in Bayern lässt sich die Dimension unseres Anteils etwa abschätzen.

 

Die Berechnung der vorgeschlagenen Förderung der FIB beim Caritasverband für das Jahr 2024 von 82.000 € ergibt sich aus der anliegenden Tabelle.

 

Nach den prognostischen Zahlen des Diözesancaritasverbandes zur Höhe der Gesamtkosten und der staatlichen Förderung 2024 ergäbe sich auf dieser Grundlage für 2024 eine Finanzierungsaufteilung: Freistaat 64,0 %, Landkreis 17,5 %, Caritas (Diözesan- und Kreiscaritasverband zusammen) 18,6 %.

 

Das Mittel der Jahre 2021 – 2024 betrug / beträgt: Freistaat 61,9 %, Landkreis 17,8 %, Caritas 20,2 %.

 

Zuletzt erfolgte die Berechnung unserer Förderhöhe ausschließlich nach dem Verhältnis der beschäftigten Vollzeitberatungskräfte. Dies berücksichtigte aber weder die seit 2023 eingestellten Hilfskräfte noch Tariferhöhungen. 82.000 € bedeutet eine Fortsetzung unseres bisherigen Förderanteils von 17 – 18 % an den Gesamtkosten.

 

Die Zuständigkeit für die Förderung der Flüchtlings- und Integrationsberatung hängt von der Struktur der Klientel sowie den Beratungsinhalten ab. Beides ist in der Realität breitgefächert. Caritas betreut Menschen mit Fluchthintergrund mit allen Aufenthaltsstatus und zu allen Lebensbereichen und -sachverhalten.

 

Fragen von Asylantragstellern zum Asylverfahren gehören klar in die staatliche Zuständigkeit, für Anliegen von Bürgergeldberechtigten zu Schule, Arzt oder Kindergarten wäre der kommunale Träger zuständig (§ 11 Sozialgesetzbuch (SGB) XII; §§ 17 i.V.m. 16a SGB II).

 

Angesichts der in der Powerpoint-Präsentation dargestellten Klientelverteilung ist aber bei Weitem gewährleistet, dass der Freistaat mit seiner Kostenbeteiligung von 62 % jedenfalls seiner staatlichen Verpflichtung ausreichend Rechnung trägt und unsere Kostenbeteiligung von aktuell 17-18 % im Rahmen gesetzlicher Landkreisaufgaben erfolgt.

 

Die Zusammenarbeit der FIB mit Jobcenter und Sozialamt verläuft im Landkreis Miltenberg ganz überwiegend sehr gut und konstruktiv und ist hilfreich und nützlich für uns. Unterschiedliche Auffassungen werden in der Regel im Gespräch (also nicht etwa durch Rechtsmitteleinlegung) geklärt. Die Berater helfen auch bei der Beantragung von Sozialleistungen und beim Kontakt mit Jobcenter und Sozialamt. Dies läuft nicht in allen Landkreisen so gut wie bei uns.

 

Dass die Unterbringung einer großen Anzahl von Flüchtlingen in der Vergangenheit und aktuell bei uns bislang friedlich und ohne große Zwischenfälle ablief, ist neben dem Engagement vieler Ehrenamtlicher ein großes Stück weit auch Verdienst der Asylsozialberatung des Kreiscaritasverbandes.

 

Es ist uns daher ein Anliegen, dass die Flüchtlings- und Integrationsberatung durch den Kreiscaritasverband weiterbesteht. Würde das dortige Beratungsangebot wegbrechen, müsste die Aufgabe durch landkreiseigenes Personal sichergestellt werden.

 

Die Ansiedlung der FIB beim Kreiscaritasverband macht aber aufgrund der dortigen vielfältigen sonstigen Beratungsangebote und Vernetzungen, insbesondere mit vielen Ehrenamtlichen, Sinn.

 

Dies wurde bei der ARGE-Wohlfahrtsitzung am 04.07.2023 auch von den anderen Wohlfahrtsverbänden im Landkreis bestätigt. Kein Verband bekundete Interesse, Caritas diese Aufgabe streitig zu machen.

 

Anlagen:

  • Powerpoint-Präsentation zur Fallzahlenentwicklung
  • Berechnung der Fördersumme und Übersicht zu den Finanzierungsanteilen 2021-2024

 

Beratung:

 

Herr Vill dankt Herrn Härtel und seinen Mitarbeiter*innen für die engagierte Arbeit in der Integrationsberatung von Geflüchteten. Herr Scherf schließt sich dem Dank an.

Herr Härtel erwidert den Dank. Er bestätigt das gute Verhältnis zwischen Jobcenter, Landratsamt und FIB und die Zusammenarbeit auf solch hohem fachlichen Niveau. Daran trägt Herr Vill einen großartigen Anteil.

 

Das Gremium dankt in mehrfachen Wortbeiträgen Herrn Vill für seine Arbeit.

 

Herr Härtel berichtet über die extreme Beanspruchung bis Überforderung der Beratung für die Flüchtende aufgrund der sehr stark steigenden Zahl der zu Beratenden.

 

Herr Fahn berichtet von den geplanten Vorhaben der Bundesregierung, die Mittel für die Jugendmigrationsberatung zu kürzen. Er wirbt um die Unterstützung der Kreispolitiker, sich u.a. durch das Unterzeichnen von Petitionen gegen eine Kürzung auszusprechen und die Bundesregierung damit noch zum Umdenken zu bewegen.

 

Auf Nachfrage erläutert Herr Scherf die vor allem in der politischen Verfolgung und Unterdrückung liegenden Fluchtgründe der türkischen Geflüchteten, die Unterfranken zugewiesen wurden.

Frau Münzel wirbt dafür, in der Kommunikation auf die Fluchthintergründe wie politische Verfolgung hinzuweisen und damit das Verständnis der Bevölkerung für die Zuweisung von Geflüchteten mit türkischer Nationalität zu verbessern.

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