Tagesordnungspunkt

TOP Ö 10: Information zum aktuellen Stand im Verfahren für die bundesweite Suche nach einem Atommüllendlager

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.10.2021   KT/004/2021 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

Der Kreistag nimmt den Bericht zustimmend zur Kenntnis. Er beschließt für die nächste Kreistagssitzung einen Bericht durch die BGE und ermächtigt die Verwaltung, mit anderen unterfränkischen Landkreisen Eckpunkte für eine externe fachliche Begleitung vorzubereiten.


Herr Scherf berichtet zum aktuellen Sachstand:

 

In drei Fachkonferenzen fand die Öffentlichkeitsbeteiligung in Phase 1 des ersten von drei Schritten im Rahmen des Prozesses zur bundesweiten Suche nach einem Atommüllendlager statt. Unterfranken ist großflächig betroffen durch die im Herbst 2020 von der BGE im Zwischenbericht definierten 90 Teilgebiete, die den Anspruch haben, grundsätzlich geologisch geeignet sein. Der Landkreis Miltenberg ist betroffen durch die Teilgebiete 009 und 010 mit kristallinem Wirtsgestein.

 

Nach der im September 2020 erfolgten Veröffentlichung des Zwischenberichts zu den Teilgebieten in Deutschland beriet die mehrteilige Fachkonferenz Teilgebiete über die Berichtsinhalte. Mit dem Ende der dritten Fachkonferenz am ersten Augustwochenende in Darmstadt geht die Suche nach einem Atommüll-Endlager für Deutschland nun in den zweiten Schritt der ersten Phase. Dieses Mal war Landrat Scherf persönlich mit vor Ort in Darmstadt, wo in der dritten Fachkonferenz der Zwischenbericht der Bundesgesellschaft für Endlagerung öffentlich beraten wurde. Unterstützt wurde er online unter anderem von Bürgermeister Thomas Münig und Bürgermeister Jürgen Reinhard sowie Karolina Speth vom Sachgebiet 41 im Landratsamt.

 

Eine wichtige Entscheidung traf die Fachkonferenz in Darmstadt mit großer Mehrheit: Anders als ursprünglich vorgesehen, soll die Bürgerbeteiligung nicht mit den drei Fachkonferenzen enden, sondern im weiteren Verfahren fortgesetzt werden. Hierzu soll bis Herbst ein gemeinsamer Weg mit dem für die Öffentlichkeitsarbeit und Bürgerbeteiligung zuständigen Bundesamt für die Sicherheit der Nuklearen Entsorgung (BASE) gesucht werden. Dazu hat die von der Fachkonferenz gewählte, ehrenamtlich tätige Arbeitsgruppe Vorbereitung noch bis zum Herbst den Auftrag erhalten. Mittlerweile hat sich die AG Vorbereitung aufgelöst, ohne dass ein Konsens zu einer (selbstorganisierten) Öffentlichkeitsbeteiligung erzielt werden konnte.

 

In seinem Schlussstatement in Darmstadt wies Landrat Scherf als Vertreter der kommunalen Seite auf die Bedeutung einer funktionierenden Öffentlichkeitsbeteiligung hin: Es darf nicht sein, dass erst in etwa drei Jahren bei der Vorlage der sogenannten Standortregionen für eine detaillierte Untersuchung vor Ort die Bürgerinnen und Bürger wieder informiert und beteiligt werden. Allerdings muss auch die Form der Beteiligung besser organisiert werden. Eine Fachkonferenz, an der von 80 Millionen Einwohner*innen insgesamt schon nur ca. 400 bis maximal 900 Personen und davon nur etwa 100 bis 200 Bürgerinnen und Bürger für die deutschlandweite Suche nach einem sicheren Atommüllendlager teilnehmen, zeigt deutlich den Verbesserungsbedarf bei der Beteiligung der Öffentlichkeit. Das Gesetz des Bundes sieht konkret zwar erst nach dem Beschluss von Bundestag und Bundesrat über die deutlich wenigeren und kleineren Standortregionen in der zweiten Phase des Verfahrens eine Öffentlichkeitsbeteiligung vor. Allerdings lässt das Gesetz eine Fortentwicklung der Beteiligung der Öffentlichkeit zu.

 

Ebenso wurde mit großer Mehrheit die Gründung eines „Rats der jungen Generation“, auf Antrag junger Menschen, beschlossen: Ziel muss es sein, die junge Generation in die Fachkonferenz zu integrieren, denn die Lösung der Endlagerproblematik geschieht in der Verantwortung vor der nachkommenden Generation.

 

Keine Mehrheit fand ein Antrag, der auch vom Landkreis Miltenberg unterstützt wurde und eine Modifizierung des fachlich stark in der Kritik stehenden Zwischenberichts der BGE vom Herbst 2020 fordert. Bei der Vorlage von 90 Teilgebieten und damit 54% der Fläche der Bundesrepublik als angeblich geologisch geeignet, wurde zu diesem Zeitpunkt noch auf eine große Menge der zur Verfügung gestellten geologischen Daten verzichtet, was über die drei Fachkonferenzen hinweg immer wieder zu fachlich kontroversen Diskussionen hinsichtlich offensichtlicher fachlicher Mängel des Zwischenberichts geführt hat, weshalb dieser Antrag aus einer Arbeitsgruppe heraus entstanden war. Den Antrag zu dieser Arbeitsgruppe hatte bei der 2. Fachkonferenz der Landkreis Miltenberg gestellt, um die korrekte Anwendung der gesetzlichen Anforderungen aus dem Standortauswahlgesetz zu überprüfen. Trotz umfänglicher Kritik an den Fehlern bei der Bestimmung der 90 Teilgebiete, zu denen mit den Teilgebieten 009 und 010 auch der Landkreis Miltenberg in weiten Teilen gehört, fand dies (nach einer sehr knappen inhaltlichen Beratung) nicht die Zustimmung der Fachkonferenz. Dies ist aus bayerischer Sicht eine Enttäuschung, da die fachliche Kritik am Zwischenbericht durchaus überzeugend ist.

 

Das Standortauswahlverfahren ist dadurch, dass BGE und BASE fest entschlossen sind, den höchst lückenhaften Zwischenbericht Teilgebiete nicht nach den Regeln des Standortauswahlgesetzes zu vervollständigen, in eine schwierige Situation geraten. Von Ausnahmen bei den Salzstöcken und der ersten Anwendung der Ausschlusskriterien abgesehen, besteht der Bericht vor allem aus einem Überblick über die Wirtsgesteinsformationen, die die Mindestanforderungen eventuell erfüllen könnten. Die Erfüllung der Mindestanforderungen ist weitgehend nicht abgeprüft, die qualitative Beurteilung nach den Abwägungskriterien hat praktisch nur bei den Salzstöcken teilweise stattgefunden. Sie konnte auch bei den identifizierten 30 Großgebieten mit Wirtsgestein nicht stattfinden, weil die BGE auf deren Aufteilung verzichtet hat.

 

In dieser Situation will die BGE in den Großgebieten - also für mehr als der Hälfte des Bundesgebietes - nun über Geosynthesen, also mithilfe eines Überblicks über die ihr vorliegenden geologischen Informationen, die jeweils erwartbar besten Standortregionen in diesen Gebieten bestimmen und nur für diese repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen durchführen. Damit wird der allergrößte Teil der Wirtsgesteinsflächen ohne echte Beurteilung nach den Mindestanforderungen und nach den Abwägungskriterien bleiben.

 

Entgegen dem Beschluss und damit mehrheitlichen Willen der 3. Fachkonferenz für eine Fortsetzung einer kontinuierlichen Öffentlichkeitsbeteiligung will nach dem Schreiben das BASE in der nun anstehenden entscheidenden Phase des Standortauswahlverfahrens, in dem die im Verfahren verbleibenden Gebiete am stärksten eingedampft werden, nur eine vom Bundesamt organisierte und gelenkte Öffentlichkeitsbeteiligung zulassen. Wie diese Form der Öffentlichkeitsbeteiligung aussehen wird, ist offen.

 

Aktuell gibt es Überlegungen unter den unterfränkischen Landkreisen, sich aufgrund der Langfristigkeit und Komplexität des Suchverfahrens fachlich extern durch ein Fachbüro begleiten zu lassen.

 

Der nächste wichtige Schritt im Endlager-Suchverfahren ist nun für März 2022 angekündigt. Dann will die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) ein Methodenkonzept veröffentlichen, wie die 90 Teilgebiete zu wenigen Standortregionen verkleinert werden sollen, die dann wiederum dem Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt werden sollen. Die BGE muss dazu nun erst einmal Methoden entwickeln, was beispielhaft in vier Teilgebieten mit unterschiedlichen Gesteinsarten erfolgen soll. Der Landkreis Miltenberg ist unter anderem mit dem Teilgebiet 009, welches vom östlichen Rand des Landkreises Miltenberg bis nach Sachsen reicht, von den Pilotgebieten für die Methodenentwicklung betroffen.

 

Nach Festlegung der Eingrenzungsmethoden werden diese auf alle 90 Teilgebiete übertragen, um anhand aller zur Verfügung stehenden geologischen Daten die bislang etwa 54% der Bundesfläche auf eine überschaubare Anzahl von Standortregionen einzugrenzen. Eigene Erkundungen vor Ort wird es erst in Phase II geben, wenn der Bundestag die von der BGE erarbeiteten Standortregionen per Gesetz festgelegt hat.

 

Für die Sitzung des Kreistags im Dezember ist es möglich, die Geschäftsführung der BGE zu einem Bericht zur aktuellen Situation sowie zu den weiteren Schritten im Verfahren einzuladen.

 

Herr Paulus hat tageweise an den Informationsveranstaltungen teilgenommen. Fachlich überschreitet es ebenfalls seine Kompetenzen. Wichtig ist der Punkt, dass der BGE und den anderen Gremien bewusst ist, dass nicht wieder erst eine Information nach drei Jahren erfolgt, welche Flächen der untertägigen Erkundung zugeführt und untersucht werden. Damit verbindet er den Appell, da ein neuer Bundestag gewählt wurde, dass der Gesetzgeber durch die gewählten Abgeordneten aus Unterfranken ein besonderes Augenmerk darauflegt und hinweist, dass man dieses Verfahren nochmal aufdröseln soll und nicht einfach abschließt. Fachleute haben sich lange in Bürgerinitiativen betätigt. Einige sind der Meinung, dass es so nicht funktionieren kann. Der Zwischenbericht war nicht dem Gesetz entsprechend und muss nachgearbeitet werden. In den nächsten drei Jahren sollen nicht ständig die Inhalte festgelegt und korrigiert werden.  Er fragt, inwieweit ein Appell dieses Kreistages verabschiedet werden kann, damit man Richtung BGE die Nachricht sendet, dass man fortlaufend in einem regelmäßigen Rhythmus informiert wird. 

Herr Scherf nimmt dankend den Hinweis auf. Am Mittwoch ist ein Austausch vorgesehen zwischen den bayerischen Vertretern und dem nationalen Begleitgremium. Da geht es ebenfalls um Fragen der Öffentlichkeitsbeteiligung. Denn hierfür gibt es nochmal ein nationales Begleitgremium und einer der beiden bayerischen Vertreter, der Ministerpräsident a. D. Günther Beckstein, hat evtl. noch weitere Erkenntnisse bezüglich Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit mit dem bisherigen Verfahren und welche Erwartungen vorliegen. 

 

Herr Reinhard bittet um Erläuterung, ob Herrn Scherf weitere Erkenntnisse zu den Referenzuntersuchungsräumen vorliegen, die ausgewählt wurden für die weiteren Untersuchungen.

Herr Scherf berichtet, dass die BGE insgesamt vier Teilgebiete aus den unterschiedlichen Gesteinsarten rausgesucht hat. An ihnen will man die Kriterien, die angewandt werden, um die Standortregionen für Ende des Schrittes 2 zu ermitteln, pilotmäßig erproben. Hiervon ist eines der beiden Teilgebiete 09/10 des Landkreises Miltenberg betroffen. Es betrifft den östlichen Teil des Landkreises Miltenberg, die Ecke rund um Richelbach, Neunkirchen, Heppdiel – somit Teile von Eichenbühl – und erstreckt sich noch bis in´s Sächsische. Die BGE hat sich klar positioniert, dass die für die Pilotierung ausgesuchten Teilgebiete nicht an eine Priorisierung gebunden sind. Das Teilgebiet wurde ausgesucht, da es so groß und vielfältig ist und vollkommen unterschiedliche Voraussetzungen bietet. Es weist Teile durch Bergwerke auf, für die sehr umfangreiche und umfassende geologische Daten existieren. Und es gibt Teile mit einer aktuell dürftigen Datenlage. Daher wurde es als Referenzgebiet ausgewählt. Herr Scherf bekräftig nochmals, dass es keine Vorwegnahme des finalen Standortes des Atommüllendlagers darstellt und daher eine Aufregung unnötig ist.

 

Herr Stich wertet die grundsätzliche Suche nach einem Atommüllendlager als Ergebnis einer verkehrten Energiepolitik. Man hat sich im Vorfeld zu wenig Gedanken über den Verbleib der atomaren Reste, die noch Millionen Jahre strahlen werden, gemacht. Er zieht bei der Standortsuche den Vergleich zum Schwarze-Peter-Spiel zwischen den 90 Teilgebieten.

Herr Scherf weist daraufhin, dass es für den Landkreis Miltenberg kein Schwarzer-Peter-Spiel ist. Eine gute öffentliche Beteiligung ist jetzt die Grundlage dafür, dass gewissenhaft ein Standort zum Verbleib gesucht wird. Und es ist Sinn und Zweck dieser öffentlichen Beteiligung und des öffentlichen Nachfragens, dass am Ende dieser Beteiligung das bestmögliche Endlager gefunden wird. Herr Scherf bestätigt, dass alle Teilnehmer zielorientiert während der drei Fachkonferenzen zusammengearbeitet haben und keiner, auch nicht zwischen den Zeilen, geäußert hat „Endlager ja, aber bitte bloß nicht bei mir“. Das kritische Hinterfragen bei allem, was getan wird, ist davon getrieben, das bestmögliche Ergebnis bei der Standortsuche zu erzielen. Daher ist auch weiterhin die intensive Begleitung notwendig. Am Ende darf es keine politische Entscheidung sein, sondern muss eine wissenschaftliche Entscheidung sein. Ein atomares Endlager hat den Anspruch, dass es keine Gefahr für die in dem Gebiet lebenden Menschen darstellt, weder heute, noch in einhunderttausend Jahren.

 

Frau Frey merkt an, dass es diese Garantie bei einer so weit in die Zukunft reichenden Entscheidung nicht gibt.

Herr Scherf weist daraufhin, dass man vor einer Entscheidung nicht weglaufen kann. Beim Zeitraum geht es bis zu einer Million Jahre. Es stellt sich auch noch die Problematik des vulkanischen Gürtels von der Pfalz bis rüber in die Eifel. Es gibt vulkanisches Gestein in der Region Odenwald-Bergstraße. Aber die jetzige Generation hat diese Entscheidung zu treffen. Ein Davonlaufen vor dieser Frage- und Problemstellung ist nicht mehr möglich. Über die Phase des „bitte nicht bei mir“ ist man bereits hinaus. Es gilt, einen Lagerungsort zu finden, und zwar den bestmöglichsten. Und darüber entscheidet die aktuelle Generation.

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