Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Bericht zur Informationsfahrt Biosphärenreservat am 7. und 8. Oktober 2021

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.10.2021   KT/004/2021 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

Die Mitglieder des Kreistages nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Herr Scherf trägt den Sachverhalt vor:

 

Am 7. und 8. Oktober 2021 fand eine Informationsfahrt der vier Gebietskörperschaften aus dem Spessart zum Thema Biosphärenreservat in die Biosphärenreservate Bliesgau und Pfälzer Wald statt. Teilnehmende aus dem Landkreis Miltenberg waren Vertreter*innen der Kreistagsfraktionen sowie des Bayerischen Bauernverbands; mit vor Ort waren neben Vertreter*innen der anderen drei Gebietskörperschaften die Regierung von Unterfranken, Spessartbund, Archäologisches Spessartprojekt und Naturpark Spessart.

 

Thematische Schwerpunkte waren die Auswirkungen auf die Landwirtschaft und auf die Forstwirtschaft sowie die Möglichkeiten der regionalen Vermarktung und die Einbindung der Bevölkerung.

 

Tag 1, Biosphärenreservat Bliesgau:

-       Alleinstellungsmerkmal enge Verdichtung, über 300 Menschen pro qkm

-       Kernzone ist nicht bewirtschaftet, Jagd als Wildtiermanagement, Baumentnahme im Rahmen der Verkehrssicherung oder besonderer Begründung

-       Kernzone mindestens 50 Hektar

-       Landwirtschaft kann profitieren durch die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit des Biosphärenreservats, durch die gemeinsame Vermarktung sowie durch den Status als Kooperationsbetriebe (im Bliesgau nur für Ökobetriebe, im Pfälzerwald für Betriebe mit nachhaltiger Bewirtschaftung)

-       Einschränkungen für die Landwirtschaft bestehen nur in der Pflegezone, aber „nur“ aufgrund von Natura 2000 und in der Entwicklungszone aufgrund des LSG-Schutzstatus, also keine neuen Einschränkungen aufgrund des Biosphärenreservates

-       Forst: Hälfte der kommunalen Fläche wird mit 50 Cent pro Quadratmeter bei Stilllegung vergütet;

-       Keine aktive Bewirtschaftung in Kernzone

 

Tag 2, Biosphärenreservat Pfälzer Wald:

-       Einbindung der Bevölkerung vor Erlass der Rechtsverordnung; Akteure müssen beteiligt werden

-       Prozessschutzcharakter in Kernzone: Wegegebot in der Kernzone; Kernwegenetz muss konzipiert werden

-       Jagd in Bayern in der Praxis unverändert als Wildtiermanagement zur Sicherstellung eines waldverträglichen Tierbestands.

-       Holzrechte werden im Pfälzer Wald auch in der Kernzone wahrgenommen, ist in der Rechtsverordnung hinterlegt, Unterschied zu Spessart: Holzrecht im Spessart an Personen über Grundbuch gebunden, im Pfälzer Wald über Gemeinde

-       organisatorisch dient das Biosphärenreservat zur Bündelung der Pfalz

-       Organisationsform des Biosphärenreservats muss definiert werden

 

Für den 15. November ist eine gemeinsame Sitzung des Bayerischen Gemeindetags der Landkreise Aschaffenburg und Miltenberg geplant, während die Bürgermeister*innen aus dem Landkreis Main-Spessart noch eine Informationsfahrt in das Biosphärenreservat Rhön unternehmen werden.

 

Sollte sich in den kommenden Wochen der Eindruck weiter verdichten, dass ein Biosphärenreservat Spessart grundsätzlich Vorteile und Chancen für die Weiterentwicklung des Spessarts bietet, wäre der nächste sinnvolle Schritt die Vorbereitung einer Machbarkeitsstudie.

 

Eine Machbarkeitsstudie müsste unter der entsprechenden Beteiligung der Öffentlichkeit und der Institutionen (Naturpark, Spessartbund, Archäologisches Spessartprojekt, Tourismusverband, Staatsforsten, kommunale und private Waldbesitzer, Landwirtschaft u.a.) die unterschiedlichen Fragestellungen für eine mögliche Antragstellung (Gebietskulisse, Alleinstellungsmerkmal, Schwerpunkte der Ausrichtung, organisatorische Fragestellungen etc.) aufarbeiten als Grundlage für ein Konzept und einen Entscheidungsprozess.

 

Herr Reinhard verweist auf die Kernfragen der Kernzone, welche Größe diese hat, was gemacht werden darf, wie die Regelungen bezüglich der Holzrechte aussehen. Es muss eine thematische Vermittlung über die Kommunen erfolgen. Daher ist deren Einbindung und Unterstützung unerlässlich.

 

Herr Stich weist daraufhin, dass das Thema Holzrechte in der Öffentlichkeit ein umstrittenes Thema ist. Er fragt, wer die Entscheidung darüber trifft, dass ein Gebiet als Biosphärenreservat ausgewiesen wird.

 

Herr Scherf führt an, dass Biosphärenreservate ein Siegel und Projekt der UNESCO sind. Das Gremium hat seinen Sitz in Bonn. Somit entscheidet die UNESCO sowohl über das Biosphärenreservat als Ganzes als auch einzelne Ausgestaltungspunkte, wie die Holzrechte zum Beispiel. Des Weiteren platziert er den Hinweis, dass im Pfälzer Wald auch Holzrechte ausgeübt werden, die auch in der Kernzone wahrgenommen werden. Dies wird von der UNESCO auch geduldet und toleriert. Eine Klärung muss natürlich noch im Detail erfolgen. Auf einen Aspekt möchte Herr Scherf besonders eingehen: er zieht ein Resümee zum Spessart und zu seinen Besonderheiten. Der Spessart stellt die enge Verbundenheit zwischen Menschen und Wald in den vergangenen Jahrhunderten dar. Auch aus diesem engen Miteinander sind die reichen Eichenkulturen entstanden, für die die Menschen dankbar sind.  Hierin liegt das Potenzial des Spessarts. Es kann ein verantwortungsvolles und gutes Miteinander von Mensch und Biosphäre geben, um den Fokus auf die Nachhaltigkeit zu legen und Gutes zu hinterlassen. Aus dieser Verbindung von Mensch und Natur hebt sich der Spessart als etwas Besonderes im Vergleich der weltweit anderen Biosphärenreservate ab.

 

Frau Schuck merkt an, dass die Bauern noch viele Informationen benötigen. Die Heiz- und Gasölpreise steigen. Die Holzrechte müssen festgeschrieben werden. Ebenso sollte dies für die Wanderwege erfolgen. Im Kerngebiet gäbe es keine Radwanderwege, sondern nur ein festgelegtes Wegenetz, von dem nicht abgewichen werden darf. Ebenfalls ist die Frage der Borkenkäferbekämpfung zu klären, da keine Spritzmittel zugelassen sind. Dies betrifft ebenfalls das Jakobskraut und weitere Giftpflanzen. Aufgrund guter regionaler Produkte und einer guten Aufstellung in der Landwirtschaft hinterfragt sie die Notwendigkeit der Errichtung eines Biosphärenreservats im Spessart. Es gilt zahlreiche weitere Gespräche zu führen.

Herr Scherf bestätigt, dass noch viele Gespräche ausstehen und zahlreiche Informationen benötigt werden, um eine Festlegung treffen zu können, was gewollt ist. Als Vorsitzender des Tourismusverbandes Spessart-Mainland stimmt er zu, dass der Landkreis im Tourismus gut aufgestellt ist. Aber jeder Unternehmer weiß, dass man sich nicht auf dem Erreichten ausruhen darf. Als Hauptzielgruppe gelten aktuell die 65- bis 80-Jährigen. Er mahnt jedoch die Erschließung neuer Segmente an, insbesondere von Menschen, die Urlaub in der Heimat, Urlaub in Deutschland, naturnahen Urlaub in einem einzigartigen Kulturrahmen verbringen möchten. Er sieht keinen Widerspruch zwischen guten Tourismuszahlen und dem Gedanken machen über eine Mittelfristplanung der nächsten zehn bis fünfzehn Jahre mit einer Festlegung der zukünftigen Schwerpunkte. Bezüglich der Rad- und Wanderwege sieht Herr Scherf den großen Wert darin, dass bei Errichtung eines Biosphärenreservats Spessart den Menschen ermöglicht werden muss, diese Natur zu erleben. Deswegen sind ihm gerade die Wanderwege so wichtig. Bei den Radwegen stellt sich die Diskussion einer Vereinbarkeit mit Landwirtschaft und Jagd. Es gilt, den Wald zu schützen, dafür braucht es eine behutsame Ausweisung. An den bestehenden Rad- und Wanderwegen sieht er keinen Änderungsbedarf. Sowohl die Spessartwege 1, 2 ,3 sowie der Eselsweg zeigen, dass ein Miteinander von Menschen und Natur möglich ist. Um das zu bewahren, gilt es, sich gemeinsam zu bemühen.

 

Frau Frey führt ergänzend aus, dass im Saarland der zuerst besuchte Betrieb konservativ aufgestellt war. Trotzdem profitiert er maximal vom Ruf des Biosphärenreservates in der Vermarktung seiner Produkte. Alle Direktvermarkter partizipieren daran. Und für die anderen haben sich keine Nachteile ergeben. Die Ängste der Holzrechtler wurden durch den Exkurs in den Pfälzerwald genommen, denn die Holzrechte bleiben bestehen. Im Unterschied zu den weitreichenden Verboten bei einem Nationalpark beträgt die Kernzone eines Biosphärenreservates nur drei Prozent der Gesamtfläche. Die Pfälzer berichteten von problemlosen Regelungen ihrer Holzrechte. Bei einer Deklaration als Biosphärenreservat überwiegen klar die Vorteile, da im Vergleich zum aktuellen Stand keine Änderung der Auflagen erfolgt.

Herr Scherf verweist darauf, dass alle Diskussionen, Informationen und Überlegungen des Für und Widers mit einer Machbarkeitsstudie an Fahrt gewinnen und mit einer intensiven Informations- und Öffentlichkeitsbeteiligung erfolgen müssen.

 

Frau Becker lobt die Exkursion als gute Veranstaltung. Natürlich ist vieles noch nicht ausdiskutiert. Nur drei Prozent sollen als Kernzone deklariert werden. Sie sieht Radwege grundsätzlich kritisch, da Radfahrer das Tierwohl auch stören können. Die dortige Flora ist vergleichbar mit dem Spessart und die angetroffenen Bauern haben alle für das Thema gebrannt und hinter dem Projekt Biosphärenreservat gestanden. Die Holzrechte im Bliesgau als auch im Pfälzer Wald waren festgeschrieben. Damit wäre der größte Streitpunkt ausgeräumt. Sie hofft auf eine Fortsetzung des Themas, der Bauernverband muss noch überzeugt werden.

Herr Scherf fand die Stimmung ebenfalls positiv. Er weist daraufhin, dass in einer Kernzone auch Wanderwege möglich sind und kein Betretungsverbot herrscht. Skepsis ist grundsätzlich zu begrüßen, denn daraus entstehen wichtige Fragen, die es zu beantworten gilt.

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