Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Lüftungskonzept Landkreisschulen Information und Beschlussfassung

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.10.2021   KT/004/2021 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

Der Kreistag beschließt, die möglichst umfassende Umsetzung von dezentralen raumlufttechnischen Anlagen in den nächsten Jahren umzusetzen. Für die Umsetzung wird die Verwaltung beauftragt, einen Finanzierungsplan aufzustellen und im Kreistag vorzustellen.


Kreisbaumeister Wosnik erläutert den Sachverhalt:

 

In den letzten eineinhalb Jahren wurde deutlich, wie stark das Thema der Raumlufthygiene in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird.

Mit den Generalsanierungen der Landkreisschulen wurde gerade seit 2012 ein verstärktes Augenmerk auf eine zuträgliche Luftqualität in den Klassenräumen gelegt. Die Planung der hierfür notwendigen Raumluftanlagen wurde stets mit dem Nutzer abgestimmt und nun zeigt sich, dass diese Form der Lüftung für den Schulbetrieb sehr geeignet ist.

Aus der Elternschaft wurde die Frage nach Luftfiltergeräten an das Landratsamt gestellt.

Die Medienberichterstattung über eine pauschale Empfehlung des Erwerbs von mobilen Luftfiltergeräten hat nicht nur viele Städte, Gemeinden und Landkreise sehr überrascht, sondern auch die Landkreisverwaltung, die Schulen und Eltern überrascht und nachdenklich gemacht.

 

Als Sachaufwandsträger möchte das Landratsamt seiner Verantwortung für eine bestmögliche Hygienesituation im Unterricht gerecht werden.

 

Hierfür ist ein möglichst gut funktionierendes und einwandfreies Hygienekonzept an den Schulen die Grundlage für das Handeln. Der Luftaustausch, also die ausreichende Versorgung der Kinder und Jugendlichen mit Sauerstoff und der Austausch der Aerosole spielt dabei nicht nur in Corona-Zeiten die wesentliche Rolle. Dieser Luftaustausch wird entweder durch eine fest installierte Lüftungsanlage oder durch das Stoßlüften gewährleistet. Entsprechend der unter Mitwirkung von Eltern- und Schülervertretung entstandenen wissenschaftlichen S3-Leitlinie wird dies entsprechend an den Schulen umgesetzt.

Aktuell wird in den Medien und durch vereinzelte Aussagen von Politikern der Eindruck erweckt, dass jedoch mobile Luftfilter für einen ungefährlichen Unterricht unerlässlich seien und dass diese das Lüften gerade im Winter (Kälte!) ersetzen könnten. Beides ist nicht korrekt. Ohne eine funktionierende Lüftung, entweder durch eine eingebaute Lüftungsanlage oder durch das Stoßlüften (optimal alle 20 Minuten, im Winter bei einem deutlichen Temperaturunterschied zwischen innen und außen 3 - 5 Minuten notwendig), ist kein Unterricht möglich. Eine Reinigung der Luft durch einen mobilen Filter ist nach aktuellem Stand der Wissenschaft nicht notwendig und nur in den Räumen empfohlen, in denen das Lüften nur eingeschränkt möglich ist. Ein Verzicht auf das Lüften aufgrund einer mobilen Filteranlage beeinträchtigt die Gesundheit der Kinder nachteilig, da so die ausreichende Sauerstoffversorgung nicht gewährleistet ist. Luftreinigungsgeräte sollen Partikel, Viren und Bakterien aus der Luft filtern. Sie verändern oder verbessern jedoch nicht den Sauerstoffgehalt oder verringern den CO2-Gehalt in der Luft. Zuträgliche Luftqualität lässt sich deshalb nur durch Zufuhr von Frischluft erreichen. Im Rahmen dieses Austauschs der Luft durch Lüftungsanlagen oder das Stoßlüften erfolgt gleichfalls durch den Luftaustausch die Beseitigung der für Infektionen mit COVID-19 bedeutsamen Aerosole. Dieser Luftaustausch ist durch die teilweise in den Schulen vorhandenen Lüftungsanlagen verlässlich gewährleistet. Beim Stoßlüften sind die Lüftungsintervalle ausschlaggebend. In welchen Abständen dies geschehen muss, ist abhängig vom Wetter. Um sich vor infektiösen Partikeln zu schützen, sollte pro Stunde ein dreifacher Luftwechsel erfolgen. Das bedeutet, dass die Raumluft dreimal pro Stunde komplett gegen Frischluft von außen ausgetauscht wird.

Dies wird idealerweise wie folgt erreicht:

Während des Unterrichts wird alle 20 Minuten mit weit geöffneten Fenstern gelüftet. Alle Fenster müssen weit geöffnet werden (Stoßlüften). Je größer die Temperaturdifferenz zwischen innen und außen ist, desto effektiver ist das Lüften. Daher ist bei kalten Außentemperaturen im Winter ein Lüften von ca. 3 - 5 Minuten ausreichend. An warmen Tagen muss länger gelüftet werden (ca. 10 - 20 Minuten). Bei heißen Wetterlagen im Hochsommer, wenn die Lufttemperaturen außen und innen ähnlich hoch sind, sollten die Fenster durchgehend geöffnet bleiben. Zudem soll nach jeder Unterrichtsstunde über die gesamte Pausendauer gelüftet werden, auch während der kalten Jahreszeit.
Noch besser als Stoßlüften ist Querlüften. Das bedeutet, dass gegenüberliegende Fenster gleichzeitig weit geöffnet werden. In Schulen kann das Querlüften auch durch weit geöffnete Fenster auf der einen Seite und der Fenster im Flur auf der gegenüberliegenden Seite realisiert werden. Sowohl beim Stoßlüften wie beim Querlüften sinkt die Temperatur im Raum nur um wenige Grad ab. Nach dem Schließen der Fenster steigt sie rasch wieder an – aus einzelnen Schulen gemeldete Probleme bei der Steuerung der Heizungsanlage werden selbstverständlich überprüft.

Zuletzt wurden die Schulen erneut abgefragt, ob es aus Sicht der einwandfreien Lüftung noch Räume gibt, die hinsichtlich eines ergänzenden Einsatzes von mobilen Luftfiltergeräten geprüft werden sollen. Hierzu liegen vereinzelte Meldungen vor, die abgearbeitet werden.

 

Darüber hinaus hat das Landratsamt die bestehenden Förderprogramme und die aktuellen Fragestellungen zum Anlass genommen, um in allen Schulen, in denen Kinder unter 12 Jahren unterrichtet werden, durch Ingenieurbüros prüfen zu lassen, ob der nachträgliche Einbau von dezentralen Raumluftgeräten zur Gewährleistung einer ausreichenden Zuluftrate möglich ist.

Die hierfür notwendigen Mittel müssen zunächst aus dem Bauunterhaltshaushalt bestritten werden.

Die Beschaffung der erforderlichen Lüftungsgeräte wird durch das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA), in Abstimmung mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi), gefördert:

a)    Erstmaliger Einbau (Neueinbau) von stationären raumlufttechnischen Anlagen, Bundesförderung Corona-gerechte stationäre raumlufttechnischen Anlagen

b)    Freistaat Bayern bei dezentralen Lüftungsanlagen, soweit sie nicht von der Bundesförderung „Corona-gerechte stationäre raumlufttechnische Anlagen“ umfasst sind.

Das Antragsverfahren und die Förderhöhen differieren und sind noch in Bewegung. Das Bundesamt fördert momentan je Standort mit maximal 500.000 €, der Freistaat bis zu 50 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben, begrenzt auf höchstens 1.750 Euro je förderfähigem Raum.

Wenn sich technisch sinnvolle Lösungen abzeichnen, regt die Verwaltung an, einen entsprechenden Förderantrag beim Bund und/oder dem Freistaat zu stellen.

 

Herr Paulus bittet die anwesenden Pressevertreter um die genaue Unterscheidung zwischen Lüftungs- und Filteranlagen. Oftmals kommt es zu einer Vermischung der Termini in den Presseberichten. Die Energieagentur Unterfranken hat 2010 mit einem kommunalen Energiemanagement die Anlagen in den Gebäuden untersucht. Eine Empfehlung war der Einbau von Lüftungsanlagen aufgrund der Lufthygiene und des CO2-Gehaltes. Nur mit Lüftungsanlagen ist eine Reduzierung des CO2-Gehaltes möglich, nicht mit den Filteranlagen. Wenn der Einbau mit Wärmerückgewinnung erfolgt, hat dies noch den Effekt des Energieeinsparens zur Folge. Die erwähnte Förderung betrifft weniger den Landkreis, sondern die Kommunen. Die BAFA fördert in Kindergärten und Schulen mit Kindern bis zu zwölf Jahren bis zu 80 Prozent der Investitionskosten. Dies ist zumeist günstiger als die Installation einer Filteranlage. Er empfiehlt jeder Kommune, dies gründlich zu prüfen und sich wenn, für den Einbau einer Lüftungs- anstelle einer Filteranlage zu entscheiden.

Herr Wosnik ergänzt, dass für die Schulen in kommunaler Trägerschaft des Landkreises mit Kindern bis zu zwölf Jahren ebenfalls diese Fördersätze gelten. Aber es existiert eine Obergrenze von 500.000 Euro je Standort. Es gibt teilweise Standorte mit einem darüber liegenden Bedarf. Innerhalb des Förderverfahrens sind noch Detailfragen zu klären, zum Beispiel in welcher Höhe die Planungen gefördert werden. Die gemeinsame Strategie ist, über die Versorgung mit Frischluft hinaus im Winter Energie einzusparen. Viele Eltern haben Sorge wegen der kalten Luft im Winter, die durch Lüften entsteht. Diese wird als negativ empfunden und daher sprechen sich die Eltern oftmals für die Luftfilteranlagen aus. Bei den Lüftungsanlagen ist dies nicht der Fall, Stichwort Gewährleistung. Die Lüftungsanlagen führen die Wärme der Abluft der Zuluft zu. Somit fällt die Temperatur der Zuluft nicht unter 19 Grad.

 

Herr Scholtka benennt nochmal das Zahlenwerk des Beschlussvorschlages mit 4,5 Mio. Euro Investitionskosten zuzüglich 900.000 Euro Planungskosten bei 20 Prozent Ansatz. Im Ausschuss für Energie, Bau und Verkehr wurde von 1,5 Mio. Euro Zuschuss gesprochen und von Investitionskosten in Höhe von 17.000 Euro pro Klasse, die erforderlich sind. Er bewirbt den Einbau der Lüftungsanlagen als richtige Lösung, allerdings soll auf die Kosten geachtet werden. Daher bittet er darum, in den Beschlussvorschlag folgenden Passus aufzunehmen: Die Verwaltung wird gebeten, einen Investitionsplan aufzustellen, diesen im Bauausschuss zu beraten und dem Kreistag vorzustellen.

Herr Wosnik verweist darauf, dass die nächste Stufe der Bauplanung eine verlässliche Kostenberechnung vorsieht. Ebenfalls erfolgt die Klärung, was das Förderprogramm als Realisierungszeitraum vorsieht und ermöglicht, damit der Finanzierungsrahmen auch entsprechend aufgestellt werden kann. Aktuell wird eine Entscheidung zur Auslösung der nächsten Planungsstufe benötigt. Bei 900.000 Euro Planungskosten ist die Vorplanung auch entsprechend groß.

 

Herr Stich berichtet aus seinen Erfahrungen als Schulleiter, dass die Lüftungsanlagen gut funktionieren und ihm seit anderthalb Jahren Pandemie kein einziger dokumentierter Infektionsfall bekannt ist, bei dem nachweislich eine Ansteckung im Klassenzimmer erfolgte. Daher ist er von der Wirkungsweise sehr überzeugt.

 

Herr Zöller hält die dezentralen Raumlüftungsanlagen ebenfalls für eine sehr gute Investition, da neben der Versorgung mit Frischluft auch Einsparungen bei den Heizkosten generiert werden können. Er fragt, ob die maximale Ausschöpfung der Förderung möglich ist, da die Investitionskosten für einige Schulen den Förderhöchstsatz von 500.000 Euro überschreiten. Er vermutet, dass sich der Landkreis Miltenberg dann doch in einem höheren Umfang beteiligen muss.

Herr Wosnik bestätigt, dass es zwei bis drei Schulen im Landkreis gibt, die die Fördergrenze überschreiten werden in Punkto Investitionsbedarf. Er vermutet, dass ein Reinvestment von knapp 80 Prozent erzielt werden kann.

Herr Scherf verweist auf den Finanzierungsplan, dem man dann diese Details entnehmen kann.

 

Herr B. Rüth hinterfragt, ob die Fördersätze auch für Kindertageseinrichtungen gelten. Des Weiteren merkt er an, dass die versendeten Empfehlungsschreiben für Filteranlagen einen konträren Ansatz verfolgen.

Herr Scherf erläutert, dass die Bundesförderung für Filteranlagen explizit für die Räume gilt, in denen eine gute Lüftung nicht einwandfrei gewährleistet ist, kein Stoßlüften möglich ist und keine Luftfilteranlagen existieren.

Herr Wosnik weist daraufhin, dass solche Räume besser nicht zu nutzen sind. Bei keiner Möglichkeit zur Frischluftzufuhr sind diese außer Betrieb zu nehmen, wie zum Beispiel bei Kellerräumen ohne Fenster.

 

Herr Scherf Spricht sich für die Änderung des ursprünglichen Beschlussvorschlages aus.

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