Tagesordnungspunkt

TOP Ö 6: Sicherer Hafen-Antrag Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen / Andreas Adrian (Die Linke) vom 17.10.2020

BezeichnungInhalt
Sitzung:04.10.2021   KA/004/2021 
Beschluss:mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Ja: 10, Nein: 1
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

1.    Der Landkreis Miltenberg beteiligt sich solidarisch an der Aufnahme von Menschen durch den Freistaat Bayern im Rahmen staatlicher Zuweisungen.

2.    Eine Unterbringung von zusätzlichen Flüchtlingen außerhalb des Zuweisungsverfahrens in zu akquirierenden und zu betreuenden Räumlichkeiten außerhalb bestehender Regierungsunterkünfte oder dezentraler Unterkünfte ist aufgrund fehlender Kapazitäten nicht möglich.


Herr Scherf stellt Frau Greulich vor; sie leitet den Sachgebiet 232, Leistungen für Asylbewerber seit 2015.  Sie ist zuständig für die Unterbringung und Betreuung der Asylsuchenden. Sie verantwortet auch die Zusammenarbeit und Kommunikation mit allen betroffenen Institutionen.

 

Frau Greulich, SG 23, stellt den Antrag gemäß der Vorlage vor;

 

Der Kreistag wolle beschließen, dass

1.    der Landkreis Miltenberg sich solidarisch mit allen sich auf der Flucht befindenden Menschen und besonders den über 40.000 Schutzsuchenden auf griechischen Inseln und an den EU-Außengrenzen zeigt.

2.    der Landkreis dem Bündnis „Sichere Häfen“ beitritt, um gemeinsam vom Freistaat Bayern ein Aufnahmeprogramm für unbegleitete Minderjährige, sowie Minderjährige und ihre Familien, einzufordern.

Bündnis „Sichere Häfen“ und „Potsdamer Erklärung“

Die Mitglieder des Bündnisses „Sichere Häfen“ (siehe https://seebruecke.org/sichere-haefen/sichere-haefen/) heißen geflüchtete Menschen willkommen und sind bereit, mehr Menschen aufzunehmen, als sie nach den rechtlichen Vorgaben müssten. Sie verstehen sich als „Gegenstimme zur Abschottungspolitik der Bundesregierung und der EU“. Der Aktion beitretende Gebietskörperschaften können ihr Engagement im Rahmen eines Forderungskatalogs festlegen.

In einer konkreten „Potsdamer Erklärung“ vom 03.06.2019 können dem Bündnis beigetretene Gebietskörperschaften insbesondere ihre Bereitschaft erklären, aus Seenot gerettete Schutzsuchende zusätzlich neben den Quoten des für die Flüchtlingsverteilung geltenden „Königsteiner Schlüssels“ aufzunehmen und sich mit der Initiative Seebrücke und der zivilen Seenotrettung auf dem Mittelmeer solidarisch erklären.

Stand 28.09.2021 sind deutschlandweit 267 Gebietskörperschaften der Aktion beigetreten, vorwiegend kreisfreie Städte.

In Bayern haben sich 26 Städte zum sicheren Hafen erklärt. Die Städte Aschaffenburg, Erlangen, München, Nürnberg, Regensburg, Schwabach, Straubing und Würzburg sind zusätzlich der Potsdamer Erklärung beigetreten.

Bayerische Landkreise befinden sind nicht darunter.

Sachverhaltsdarstellung:

Sachlich zuständig ist der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales, ersatzweise der Kreisausschuss.

 

Bisheriges humanitäres Engagement in Bayern

·         Nach dem Brand im griechischen Flüchtlingslager Moria Anfang September 2020 übernahm Deutschland zusätzlich zu 150 unbegleiteten Minderjährigen weitere 1.553 Menschen. Davon wurden 100 Personen im Rahmen der humanitären Aufnahme von Bayern aufgenommen und an aufnahmebereite bayerische Städte sowie den Landkreis Aichach-Friedberg zugewiesen.

·         Nach Mitteilung des Bayerischen Innenministeriums vom 06.11.2020 beteiligt sich der Freistaat Bayern außerdem solidarisch an der Aufnahme von Behandlungsbedürftigen Kindern und deren Kernfamilien sowie an der Aufnahme von unbegleiteten minderjährigen Ausländern. Hier wurden bereits 100 Personen in Bayern aufgenommen, die ein reguläres Asylverfahren durchlaufen und somit nach Verlassen der ANKER-Einrichtung im Rahmen des normalen staatlichen Verteilverfahrens den Landkreisen und kreisfreien Städte zugewiesen werden.

Hierbei leisten wir bereits unseren Beitrag.

Situation im Landkreis Miltenberg

Zuletzt stagnierte trotz rückläufiger Asylneuantragszahlen die Gesamtzahl der zu betreuenden Flüchtlinge im Landkreis Miltenberg einschließlich ehemaliger Asylantragsteller mit unterschiedlichem Bleiberecht auf hohem Niveau. Diese Gesamtzahl ist die relevante Größe für die Flüchtlings- und Migrationsberatung beim Kreis-Caritasverband, die mit den aktuellen und nur schwer finanzierbaren Personalressourcen (2021: 3,0 VZK) damit am personellen Limit ist.

Aktuell sehen wir uns einer steigenden Anzahl von Zuweisungen gegenüber. Die Nachfrage der Regierung nach freien Plätzen steigerte sich zuletzt beachtlich.

Zuzüge:

2019: 133 Personen

2020: 121 Personen (trotz Auflösung der GU Obb)

2021 – heute: 178 Personen

Unterkunftskapazitäten im Landkreis Miltenberg (Stand: 29.09.2021)

18 Asylunterkünfte davon

·         4 Regierungsunterkünfte mit 195 Plätzen, davon 143 Plätze belegt

·         14 dezentrale Landkreisunterkünfte mit 397 Plätzen, davon derzeit 261 belegt

Bei diesen Zahlen ist zu beachten:

·         Die Ausschöpfung der Gesamtkapazitäten (Berücksichtigung von Familien, besonderem Schutzbedürfnis von Frauen und Kindern, gesundheitlichen Einschränkungen usw.) ist nicht möglich.

·         Die Kapazitäten in unseren Asylunterkünften sind ausgeschöpft. Freiwerdende Plätze werden umgehend nachbelegt. Kapazitäten werden durch Umverlegungen (Belegungsverdichtung) innerhalb der Unterkünfte derzeit optimiert.

·         In diesen Unterkünften ist nur eine Unterbringung von Flüchtlingen zulässig ist, die im Rahmen des normalen staatlichen Verteilverfahrens zugewiesen wurden. Ein Rückgriff auf diese Plätze für die Unterbringung von zusätzlichen Flüchtlingen ist nicht möglich.

Auf die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt im Landkreis Miltenberg sei in diesem Zusammenhang hingewiesen. Deshalb hat der Landkreis Miltenberg das Projekt „Fair Mieten“ konzipiert und finanziert, zudem eine Facharbeitsgruppe zum Thema „Schaffung von Wohnraum“ in Absprache mit dem bayerischen Gemeindetag ins Leben gerufen.

·         von 143 Personen in staatlichen Teil-Gemeinschaftsunterkünften sind 34 Personen Fehlbeleger (24 %)

·         von 261 Personen in dezentralen Unterkünften sind 89 Personen Fehlbeleger (34 %).

Auszüge von Fehlbelegern (FB):

2019:  132 FB

2020:   99 FB

2021:   66 FB

Für 123 Fehlbeleger (Einzelpersonen und Familien) wird aktuell Wohnraum auf dem privaten Wohnungsmarkt benötigt. Weitere Familien mit Kindern und Einzelpersonen dürften mit Auszugsberechtigung oder Auszugsgestattung ausziehen und suchen geeigneten Wohnraum.

Besonderes Engagement des Landkreises Miltenberg für vulnerable Personen

Unser Landkreis verfügte (als einziger in Unterfranken) über geeigneten freien Wohnraum für Personen mit Behinderungen und Vorerkrankungen und Risikogruppen für Covid-19-Erkrankungen (vulnerabler Personenkreis). Diese Kapazitäten wurden der Regierung für die Unterbringung dieses Personenkreises während der Corona-Krise angeboten. Die damit verbundenen Herausforderungen haben wir im Sinne der schutzsuchenden Menschen angenommen.

Unterbringung von zusätzlichen Flüchtlingen außerhalb des Zuweisungsverfahrens in zu akquirierenden und zu betreuenden Räumlichkeiten außerhalb bestehender Regierungsunterkünfte oder dezentraler Unterkünfte

Die Flüchtlingsunterbringung in Bayern ist staatliche Aufgabe. Die Finanzierung von derartigem zusätzlichen Engagement käme nur als freiwillige oder fremde Leistung des Landkreises in Betracht. Ein weiterer Ausbau der freiwilligen bzw. fremden Leistungen im Rahmen des Kreishaushaltes wurde seitens der Regierung von Unterfranken im Rahmen der Genehmigung des Kreishaushaltes für das Jahr 2019 sehr kritisch gesehen.

Wollte man dies dennoch in Erwägung ziehen, muss berücksichtigt werden, dass hierfür notwendig wäre:

·         zusätzlich zu schaffender bzw. vorzuhaltender Wohnraum, weil in den Regierungsunterkünften und (100 % staatlich finanzierten) dezentralen Landkreisunterkünften nur zugewiesene Personen untergebracht werden dürfen.

·         Die vorhandenen Betreuungsstrukturen und unser Personal reichen nicht aus, um zusätzlichen privat angemieteten Wohnraum bereitzustellen, Hilfestellung, Betreuung und Unterstützung der Aufgenommenen und in jeder Beziehung noch hilflosen Personen zu organisieren bzw. zu leisten. Hausmeister, Kümmerer und Ehrenamtliche müssten entweder eingestellt oder gefunden werden, um den betreffenden Personen das Einleben in die deutsche Gesellschaft, den Zugang zu den Sozialsystemen, Behördengängen, Einkäufen, Bankgeschäften, Überwindung von Sprachbarrieren etc. zu erleichtern.

Eine Unterbringung von zusätzlichen Flüchtlingen ist für uns daher nicht leistbar und nur mit unverhältnismäßig höherem Aufwand umsetzbar, als z.B. für kreisfreie Städte, die Wohnungen für die Flüchtlingsunterbringung selbst anmieten und in eigener Verantwortung verwalten und daher auf vorhandene Strukturen zurückgreifen können.

Die Aufnahme von Flüchtlingen im Rahmen des staatlichen Zuweisungsverfahrens ist unsere vordringlichste zu erfüllende Aufgabe und bindet derzeit unsere gesamten Kapazitäten.

Beitritt zum Bündnis „Sichere Häfen“

Die Mitglieder des Bündnisses „Sichere Häfen“ sind grundsätzlich bereit, mehr Menschen aufzunehmen, als sie müssten. Aufgrund der dargelegten Problematik hinsichtlich des derzeit nicht vorhandenen Wohnraums sowie der damit verbundenen haushaltsrechtlichen Bedenken bei einer Aufnahme parallel zur staatlichen Verpflichtung (Achtung: freiwillige Leistungen!) kann der Landkreis Miltenberg diese Bereitschaft nicht erklären.

Eine reine Solidaritätsbekundung im Sinne des Bündnisses ohne diese gleichzeitige Bereitschaft - die wir aktuell nicht erklären können - wäre aus Sicht der Verwaltung ein reines Lippenbekenntnis und wird deshalb nicht zum Beschluss vorgeschlagen.

Herr Scherf berichtet von dem Anliegen des Landratsamts Menschen gut unterzubringen. Er erklärt das Dilemma von Menschen gut unterzubringen und die Geringfügigkeit der Wohnräume dies zu ermöglichen. Das Dilemma liege an der aktuellen Beschränktheit der Wohnräume, weshalb die Aufnahme von Flüchtlingen stocke, da anerkannte Flüchtlinge nicht aus den Unterkünften ausziehen könnten. Weiteres Hemmnis für die freiwillige zusätzliche Aufnahme von Flüchtlingen durch den Landkreis Miltenberg: Dies ist grundsätzlich eine staatliche Aufgabe. Eine weitere Aufnahme wäre eine freiwillige Leistung des Landkreises Miltenberg. Die freiwilligen Leistungen des Kreishaushaltes seien auf 1 % des Volumens begrenzt und im vergangenen Jahr ausgeschöpft.

 

Frau Becker fragt nach der Möglichkeit der privaten Vermietungen von Räumlichkeiten.

Frau Greulich gibt Informationen über den heutigen Stand der privaten Vermietungen. Zudem informiert sie über Fehlbeleger und die Arbeit der Asylberatung des Kreis-Caritas-Verbandes.

 

Frau Becker berichtet von Asylberechtigten, die ihre Großfamilie mitbringen, weil Sie denken, dass die Familienmitglieder ebenfalls anerkannt werden. 

Frau Greulich meint, dass ehrenamtliche Organisation einer Wohnungsbörse eine Möglichkeit sein könnte.

Herr Scherf berichtet von laufenden Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. Zusätzlich gibt er Informationen über dem Projekt “Fair Mieten” der Caritas.

Frau Greulich betont die Wichtigkeit, Lösungen zu finden, um Menschen in Not zu helfen.

 

Herr Luxem merkt an, dass das Landratsamt keinen Handlungsspielraum hat und dass eine Lösung die eigenverantwortliche Vermietung von Wohnräumen ist.

Herr Scherf nimmt diesen Vorschlag auf. Die Möglichkeit öffentlicher Aufrufe werde durch Landratsamt geklärt. 

 

Herr Bohnhoff berichtet von vielen Anrufen ans das Landratsamt. Er fragt nach der Möglichkeit, die Wohnräume für zwei Jahre zu vermieten und das Landratsamt trete als Bürge auf, da alles weitere eine finanzielle Belastung für die Vermieter darstelle.

Herr Scherf gibt die Projektergebnisse von „Fair Mieten“ statt, mit dem seit dem Jahr 2017 das Landratsamt durch seinen Kooperationspartner Kreis-Caritas-Verband eine Katalysatorfunktion für den Wohnungsmarkt übernommen habe und unter anderem bedürftige Menschen unterstütze bei der Suche nach Wohnraum.

 

Herr Paulus fragt wie man leerstehende Wohnräume über eine landkreiseigene Gesellschaft akquirieren kann.

Herr Scherf beantwortet diese Frage mit förderrechtlichen Problematiken, da der Landkreis bei der Schaffung von Wohnraum im Gegensatz zu den zuständigen Gemeinden und Städten nicht förderberechtigt sei. Deshalb arbeite man mit den Gemeinden und Städten in einer Arbeitsgruppe an dieser Thematik.

 

Herr Stich weist auf die Problematik des mangelnden Wohnraums jenseits Flüchtlingsthematik hin. 

 

Herr Oettinger stellt fest, dass die Problematik des Wohnraums nur durch die Zusammenarbeit mit Gemeinden gelöst werden kann.

 

Frau Becker sagt, dass der Brandschutz überbewertet ist.

Herr Scherf unterstreicht die Wichtigkeit des Brandschutzes gerade beim Zusammenleben von vielen Menschen wie einer Flüchtlingsunterkunft im Hinblick auf den Schutz von Menschenleben.

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