Tagesordnungspunkt

TOP Ö 4: Bericht des Staatlichen Schulamtes

BezeichnungInhalt
Sitzung:16.09.2021   BKS/004/2021 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Herr Wohlmuth, Leiter des Staatlichen Schulamtes, beginnt mit den positiven Aspekten, mit welcher Energie, Zusammenhalt und Engagement die Lehrerschaft, die Kindergärten und alle Personen, die mit Kindern arbeiten, die bisherige Corona-Situation bewältigt haben. Die Arbeitszeiten und Leistungsbereitschaft seiner Kollegen*innen hat ihn tief beeindruckt. Auch die daraus erwachsene Innovationskraft die Digitalisierung betreffend, ist erwähnenswert und zum Glück nicht mehr umkehrbar. Als positiv ist auch die Anerkennung für alle erzieherischen und schulischen Berufe zu werten, da die Eltern sehr deutlich die damit einhergehenden Schwierigkeiten gespürt haben. Eltern, die im Homeoffice gearbeitet haben und nebenbei Homeschooling beaufsichtigen mussten, haben den größten Respekt verdient. Für Lehrer*innen war die Stoffvermittlung und der Umgang mit den jungen Menschen unter diesem Aspekt deutlich erschwert. Auch die Kooperation mit den Elternhäusern hat sich in vielen Fällen deutlich verstärkt. In Einzelfällen war leider das Gegenteil der Fall, wenn sich die Eltern verstecken wollten.

Die negativen Folgen für Schüler*innen sind final noch nicht abzuschätzen. Jede Schule ist ihr eigener kleiner Mikrokosmos mit unterschiedlichen Rahmenbedingungen. Die einen konnten durch einen Ganztagesbereich viel abfangen, andere weniger. Erst wenn die Kinder circa ein Vierteljahr die Schule wieder kontinuierlich besuchen, sind die Folgen final abschätzbar. Die bisherigen Rückmeldungen von Schulen berichten von teils massiven Lernrückständen. Manche Kinder sind extrem gut mit den Gegebenheiten zurechtgekommen, denn im Homeschooling gab es keine Störungen vom Nachbarn und keine unnötige Ablenkung. Dadurch haben manche Kinder, denen diese Art des Wissenserwerbs liegt, Fortschritte erzielt, andere dagegen Rückschritte gemacht. Letztendlich sind die Wissenslücken nicht entscheidend, denn die durchschnittlichen Prüfungsschnitte haben sich nicht verschlechtert. Es haben nicht weniger Kinder das Abitur abgelegt oder den qualifizierten Abschluss der Mittelschule bestanden. Man hat gelernt, damit zu leben, und sich angepasst. Kein Kind wurde prüfungstechnisch benachteiligt. Dagegen ist zurückgekommenen Kindern die Arbeitshaltung, die Struktur, die Konzentrationsfähigkeit, mit anderen in der Schule wieder zurecht zu kommen, das Stillsitzen und das Zuhören anfangs sehr schwer gefallen. Soziale und emotionale Problemlagen bei Kindern und Elternhäusern, die schon vorher Schwierigkeiten hatten, haben sich verstärkt. Dies einzufangen ist eine der großen Herausforderungen der nächsten Jahre. Durch die Einführung der Masken- und Testpflicht und der Möglichkeit der Abmeldung hat man diesen Eltern die Möglichkeit gegeben, ihre Kinder eine Zeit lang aus dem Schulsystem herauszunehmen. Damit bestand weder für die Schule noch für das JaS vor Ort die Möglichkeit eines Eingriffes. Auch die Polizei konnte Schulschwänzer nicht mehr verfolgen. Erwähnenswert ist auch die Mehrfachbelastung für die Schulkräfte und die Verwaltung. Es galt, Präsenz-, Distanzunterricht und Notbetreuung miteinander zu vereinbaren. Mit einem enormen Aufwand war dies möglich, aber bei einer Dauer von anderthalb Jahren ist dies kein kurzer Zeitraum mehr. Der Ausnahmezustand wurde zum vorübergehenden Normalzustand, bei dem man aufpassen musste, dass die Arbeitsfähigkeit erhalten blieb. Schwangere Lehrkräfte erhielten Berufsverbot, Testungen führten zu extremen Mehraufwänden, Personalakquise war stark gefordert. Schulen mussten sich selbst auf die Suche nach Unterstützung machen. Jede Schule musste ihr eigenes Konzept aufstellen. Lehrer*innen waren noch nie so gefordert und mussten so zeitintensiv verfügbar sein - morgens Präsenz-, nachmittags Distanzunterricht, abends Elterngespräche.

Der Staat hat für die Aktion „Brücken bauen“ und die Sommerschule beispielsweise Finanzmittel bereitgestellt: In Phase I Ende des Schuljahres und zu Beginn der Sommerferien 30.000€ für die Grundschulen und 20.000€ für die Mittelschulen. Damit konnten diese selbst Personal akquirieren, um Auffangkurse für Schüler*innen zu generieren.  Als Voraussetzung mussten die Schulen jeweils eine Leistungserhebung durchführen. Eltern, die bewusst ihre Kinder aus dem Schulbetrieb genommen haben, haben natürlich auch das zusätzliche Kursangebot nicht genutzt. Das Programm „Brücken bauen“ wird die nächsten zwei Jahre noch fortgesetzt. Für das laufende Schuljahr stehen den Grundschulen 238.000€ zur Verfügung und den Mittelschulen 123.000€. Dazu betreiben die Schulen erneut Personalakquise. Die Bewerber*innen müssen alle gültigen Einstellungsstandards durchlaufen. Dies stellt einen immensen verwaltungstechnischen Aufwand dar und schreckt zahlreiche Bewerber*innen ab, die keine Lust auf diese Papierberge haben. Bei der Frage, ob es eine Corona-Generation gibt, hofft Herr Wohlmuth, dass dies nicht der Fall ist. Denn Lernen findet lebenslang statt. Wenn wieder Normalität einkehrt, wird sich das Meiste normalisieren, wenngleich einige Kinder im sozial-emotionalen Bereich oder Kinder mit schwachen Elternhäusern mehr Zeit dafür benötigen.

 

Herr Fieger hält als positiven Aspekt fest, dass das Bringen und Holen und die Übergabe der Kinder in den Kitas und Schulen entspannter und geordneter in Corona-Zeiten ablief als vor Corona, wo ein ständiges Kommen und Gehen herrschte. Hier wäre es wünschenswert, diese geordnete Übergabe beizubehalten.

 

Frau Fecher fragt, ob die Problemfälle über die Schule aufgefangen werden oder über andere Stellen.

Herr Wohlmuth verweist auf JaS, die an allen Mittelschulen verorten ist. Als optimale Schnittstelle zum Jugendamt als Partner sowie als Ansprechpartner zwischen Kindern, Eltern, Lehrer und Schule ist die JaS eine große Bereicherung. Früher waren die Kommunikation und der Datenaustausch deutlich schwieriger. Die Bewältigung dieser Problemfälle wird alle vor große Herausforderungen stellen, das kann niemand alleine lösen. Herr Wohlmuth weist auf Kinder hin, deren Eltern mit den getroffenen Corona-Schutzmaßnahmen aus vielerlei Gründen große Probleme haben. Gerade für Kinder und Jugendliche wird ein großes Spannungsverhältnis erzeugt, wenn die Eltern die Masken- und/oder Testpflicht verweigern. Auch um diese Kinder muss man sich kümmern.

Herr Scherf berichtet von seinem Besuch im November 2020 an drei Schulen des Landkreises. Die Schüler*innen haben von sich aus berichtet. In Amorbach war ein Kind froh, wieder die Schule besuchen zu können und wollte nie wieder erleben, wie im ersten Lockdown wochenlang die Schule geschlossen war. Leider kam es im Januar, Februar und März 2021 trotzdem zu Einschränkungen. In ganz Bayern gibt es keine belegbaren Folgeinfektionen in Schulen. Die Hygiene- und Lüftungskonzepte inklusive Maske funktionieren. Und auch wenn ein Kind meinte „die Maske ist doof“, so entfaltet sie doch ihre Wirkung. Die Hauptsache ist, die Schulen können geöffnet bleiben.

Herr Wohlmuth beteuert seinen tiefen Respekt vor der unterschiedlichen Meinung von Menschen. Gerne wird der Dialog zu den Eltern gesucht, dennoch sollten die Diskussionen nicht vor Kindern geführt werden.

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