Tagesordnungspunkt

TOP Ö 1: Wirtschaftliche Situation aus dem Blickwinkel IHK, HWK und BVMW

BezeichnungInhalt
Sitzung:15.09.2021   WT/003/2021 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Beschluss:

 

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Herr Scherf bedankt sich für den engen Austausch, insbesondere mit den Kammern, während der Pandemie. Teilweise wurden im Wochentakt Informationen ausgetauscht und Handlungsbedarfe abgestimmt. Von dieser engen Form der Zusammenarbeit profitiert die ganze Region, auch noch in Zukunft. Mit der heutigen Sitzung soll die Transparenz in den Kreistag und über die Medien in die Öffentlichkeit getragen werden.

 

Hr. Freundt, Hauptgeschäftsführer der IHK Aschaffenburg, präsentiert die Ergebnisse der Konjunkturumfrage vom Frühjahr 2021, beleuchtet die Hintergründe der Rohstoff-Lieferengpässe und berichtet über die Corona-Auswirkungen auf die Ausbildungssituation der Fachkräfte. Zum Ausgleich der Einnahmeeinbußen bei den Einzelhändlern empfiehlt er dem Landkreis Miltenberg die Konzentration von Maßnahmen auf Innenstädte und Ortskerne. Bezüglich der Fachkräfteentwicklung soll an Stelle eines Studiums auch eine duale Ausbildung von den Auszubildenden und ihren Eltern in Betracht gezogen werden.

 

Herr Scherf hebt die hohe Bedeutung der beruflichen Ausbildung gerade hinsichtlich der wirtschaftlichen Bedeutung des Standortes Miltenberg hervor.

 

Herr Paul, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer für Unterfranken, trägt zur Lage des Handwerkes gemäß Präsentation vor. Er wirbt dafür, dass Bauvergaben mittelstandsfreundlich verfasst werden und bei Ausschreibungen auf indizierte Preise geachtet wird. Aufgrund der Preisschwankungen am Rohstoffmarkt soll auf absolute Preise verzichtet werden. Dies minimiert das Risiko für beide Seiten.

 

Herr Scherf dankt für die konkreten Hinweise bezüglich der Preissteigerungen. Das Thema wird gerne im Ausschuss für Bau, Energie und Verkehr thematisiert, da eine möglichst hohe Zahl an Angeboten erwünscht ist. Der Kreistag hat ein großes Investitionsprogramm in diesem Jahrzehnt vor sich, vor allem hinsichtlich der Generalsanierung der Berufsschule. Aktuell wird intensiv am Raumprogramm gearbeitet, als Grundlage für den Förderantrag und dessen Umsetzung. Der Landkreis steht sowohl zu seinen Investitionen als auch zur Bedeutung der beruflichen Ausbildung.

 

Frau Brenner, Leiterin des Kreisverbandes Aschaffenburg-Miltenberg des BVMW, präsentiert die wirtschaftliche Situation des Bau- und Industriehandwerks. Sie zieht das Fazit, dass ein duales Studium und die Handwerkerberufe in der Gesellschaft nicht geschätzt werden. Bei Pflegeberufen besteht teils ein Problem der Überforderung durch die Mehrfachbelastung aus Beruf, eigenen Kindern und Pflegefällen in der Familie. Im Zuge der Effizienz digitalisieren immer mehr Arbeitgeber ihre Prozesse, jedoch wird dieses Wissen nicht oder nur unzureichend in der Schule vermittelt.

 

Frau Münzel hinterfragt die Holzknappheit, wofür und durch wen dieser Rohstoff benötigt wird.

Hr. Freundt führt die Knappheit auf die hohe globale Nachfrage zurück, sowohl in Asien, in den Vereinigten Staaten als auch weltweit. Es besteht ein enormer Bedarf an Holz, Papieren und Spezialpapieren für den Zeitschriftendruck.

Frau Brenner ergänzt, dass in Deutschland produziertes Rundholz durch die Trockenheit und Schädlinge wie den Borkenkäfer nicht an hiesige Sägewerke verkauft werden kann, sondern nach China und in die USA exportiert wird. Der dortige Bauboom führt zu relativ hohen Holzpreisen zur Freude der hiesigen Waldbesitzer.

Herr Paul weist auf den Aspekt des verbotenen Holzschlages zum Schutz der hiesigen Wälder hin. Manche Bäume sind nicht mehr rentabel zu schlagen aufgrund der örtlichen Gegebenheiten wie hohe Berge etc. Kleinere Sägewerke mussten schließen und somit fehlt teilweise auch die Infrastruktur zum Holzabbau, um den erhöhten Holzbedarf zu decken.

Herr Reinmuth weist auf das Konglomerat aus Schädlingsbefall, Einschlagsbegrenzung, Waldbrand in Kanada mit gleichzeitigem Bauboom in Nordamerika und Asien hin und dass keine kurzfristigen Entscheidungen oder Einzelmaßnahmen gegen die Rohstoffknappheit greifen, sondern die Regierungen vorausschauende Lösungen entwickeln müssen.

Herr Reichwein ergänzt, dass der Umbau der Wälder bereits erfolgt. Frisch aufgezogenes Holz kann jedoch nicht gleich dem Markt angeboten werden, sondern benötigt Zeit. Ebenso können keine Holzsorten verkauft werden, bei denen die Nachfrage nicht besteht.

 

Herr Grün resümiert, dass gemäß allen drei Referenten der Nachwuchs fehlt. Die Bürgermeister haben jetzt schon Probleme aufgrund des Lehrermangels - Klassen mit 34 Schülern, Einsatz von Hilfspersonal bereits zu Beginn des Schuljahres. Oft kommt Überforderung des Lehrpersonals mit schlecht erzogenen Kindern hinzu. Die Eltern aus unteren sozialen Schichten haben oft mehrere Jobs und arbeiten teils im Schichtdienst, um die Familie ernähren zu können. Die Kindererziehung kommt oft zu kurz. Diesen Tendenzen muss entgegengesteuert werden. Auf die Schüler und Jugendlichen als künftige Arbeitsnehmer und deren schulische Grundlagenkenntnisse und Erziehung muss ein größeres Augenmerk der Gesellschaft liegen.

 

Herr Reichwein fragt nach der Anzahl der freien Ausbildungsplätze im Landkreis Miltenberg.

Herr Paul benennt für das Handwerk noch 120 offene Stellen im Landkreis Miltenberg, in der Region bayerischer Untermain sind es 300 Plätze.

Herr Scherf verweist auf den deutlichen Überhang an freien Ausbildungsstellen. Das Problem stellt sich bei der Vermittlung der jungen Leute.

 

Herr Freundt verweist beim Übergang auf die höheren Schulen auf ein Projekt des Freistaates Bayern namens „Elternstolz“. Durch Plakataktionen soll bewusst für andere Berufe als die prestigeträchtigen geworben werden.

Frau Brenner verweist darauf, dass von dem Fachkräftemangel jeder Einzelne betroffen ist, der einmal einen Handwerker benötigt. Dieses Bewusstsein gilt es bei den Eltern zu erzeugen.

Herr Scherf verweist auf die Frage der Wertschätzung, die die Gesellschaft den Handwerkern entgegenbringt.

Herr Paul dankt Frau Brenner für den Hinweis auf den Bologna-Prozess. Die deutsche Ausbildung eines Meisters ist der Qualitätsstufe eines Bachelors gleichzusetzen und der Betriebswirt ist auf der Ausbildungsstufe eines Masters. Beim Vergleich der Bildungsschichten mit anderen Ländern wird trotzdem nur das Abitur gewertet. Ein Handwerksmeister müsste als Akademiker mitgezählt werden. Aber selbst das statistische Bundesamt zählt Kinder, von denen ein Elternteil den Handwerksberuf ausübt, zur bildungsfernen Schicht. Gemäß einer Pressemitteilung benötigt Deutschland 3.000-4.000 Handwerker pro Jahr über die Zuwanderung. Daher ist eine kontrollierte und gezielte Migration zielführend, unabhängig von Flüchtlingskrisen. Gemäß Erfahrungswerte sind es oft arbeits- und bildungswillige Menschen.

Herr Scherf ergänzt an einem konkreten Bespiel, dass Altenpflegehelfer und -innen, die oftmals im Zuge der Flüchtlingskrise 2015/2016 nach Deutschland gekommen sind und eine wichtige Säule in den hiesigen Pflegeeinrichtungen darstellen, aktuell abgeschoben werden, da die einjährige Ausbildung als Pflegehelfer*in nicht anerkannt wird. Für die Absolvierung einer dreijährigen Berufsausbildung war nicht genügend Zeit gegeben. Mit der Altenpflegehilfe bricht eine unverzichtbare Säule in den Altenpflegeeinrichtungen weg.

 

Herr Reinmuth fragt nach Zahlen oder Indizien, die auf Insolvenzen oder Geschäftsaufgaben hinweisen und damit sinkende kommunale Einnahmen zur Folge hätte.

Herr Freundt führt aus, dass die Bewilligungsprozesse bei den Corona-Finanzhilfen in den verschiedenen Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden. Die IHK hat in Bayern als einziges Bundesland Amtshilfe geleistet. Vor Stand sechs Wochen waren sechs Milliarden Euro Soforthilfe ausgezahlt, davon die Hälfte an die Gastronomie. Daher sind erstmal keine Insolvenzen zu befürchten.

Herr Paul bestätigt, dass dort, wo Probleme aufgetreten sind, direkt geholfen wurde. Als guter Indikator dienen die zwei betriebswirtschaftlichen Berater, die für den Landkreis Miltenberg zuständig sind. Auch diesen liegen keine Indizien für drohende Insolvenzen von Unternehmen vor.

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