Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Information: Vorstellung Fachdienst Eingliederungshilfe und Teilhabe

BezeichnungInhalt
Sitzung:17.05.2021   JHA/001/2021 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Frau Köhler, SB 222, trägt anhand beiliegender Präsentation vor, dass neben den Unterstützungsangeboten der Hilfen zur Erziehung, der Beratung bei Trennung und Scheidung oder auch der Jugendhilfe im Strafverfahren es im Bereich des VIII. Sozialgesetzbuches ein weiteres Unterstützungsangebot für Kinder und Jugendliche mit psychischen Beeinträchtigungen gibt, nämlich die Eingliederungshilfe für seelisch Behinderte. Dieses Angebot findet sich im §35a SGB VIII wieder. Bislang war die Ausgestaltung des §35a SGB VIII dem Allgemeinen Sozialen Dienst zugeordnet. Durch eine Spezialisierung wurde der Fachdienst „Eingliederungshilfe und Teilhabe“ im Oktober 2020 ins Leben gerufen. Ihm wurde im sozialpädagogischen Bereich ein Stellenanteil von 1,5 und im wirtschaftlichen Bereich ein Stellenanteil von 0,6 zugrunde gelegt. Frau Köhler, Frau Grän und Frau Betzel sind die zuständigen Ansprechpartnerinnen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche.

 

Inhaltliche Ausgestaltung:

§35a SGB VIII:

1.    Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht,

 

Diese Diagnose darf nur ein Kinder- und Jugendpsychiater bzw. ein Psychotherapeut mit entsprechender Qualifikation stellen (kein Hausarzt, kein Kinderarzt). Hierzu gibt es ein weltweit anerkanntes Klassifikationsschema der WHO, nämlich den ICD-10 und den ICF. Mit diesem Klassifikationsschema ist es möglich, ein umfassendes Bild von der Gesundheit eines Kindes zu erlangen = multiaxiale Diagnostik.

Das Vorliegen einer psychischen Störung rechtfertigt für sich genommen noch nicht die Gewährung von Eingliederungshilfe gemäß §35a SGB VIII, es muss also die 2. Tatbestandsvoraussetzung vorliegen. Hier geht es um die sogenannte Teilhabebeeinträchtigung.

 

2.    und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.

 

Die Frage der Teilhabebeeinträchtigung beurteilt ausschließlich die sozialpädagogische Fachkraft. Es steht dem Facharzt nicht zu, die Frage der Teilhabebeeinträchtigung zu bejahen oder zu verneinen. Die fachärztliche Stellungnahme kann hierzu Empfehlungen aussprechen. Die Zuordnung eines Kindes zum Personenkreis der seelisch Behinderten liegt jedoch alleine in der Verantwortung des Jugendamtes.

Seelische Beeinträchtigungen gehen mit unterschiedlichen Störungsbildern einher. Diese sind u.a. Entwicklungsstörungen; Störungen, die in der Kindheit und Jugend beginnen; Affektive Störungen; Neurotische, Belastungs- und somatoforme Störungen; schizotype und wahnhafte Störungen.

Ziel ist es, durch ausführliche Beratungen sowie durch die Installierung von notwendigen und geeigneten Maßnahmen der Teilhabebeeinträchtigung in der Gesellschaft entgegenzuwirken. Diese Maßnahmen erstrecken sich von ambulanten über teilstationäre bis hin zu stationären Unterstützungsmöglichkeiten.

Unter Einbezug aller am Hilfeprozess beteiligter Personen wird dann eine sozialpädagogische Bedarfserhebung bezüglich der Teilhabebeeinträchtigung vorgenommen. Hierbei wird auf standardisierte Verfahren zurückgegriffen. Zudem werden Gespräche, Hausbesuche, „Runde Tische“, Hospitationen in der Schule, Kontakte mit Kinder- und Jugendpsychiatrie, niedergelassenen Therapeuten, Schulpsychologen usw. wahrgenommen.

Im Rahmen einer Hilfekonferenz im Jugendamt wird über die beantragte Leistung entschieden. Bei positivem Bescheid wird im nachfolgenden Hilfeplanverfahren der Maßnahmenverlauf, die aufgestellten Ziele und die weitere Perspektive für die Kinder und Jugendlichen erarbeitet und halbjährlich überprüft.

 

Nach rechtlicher Gewährleistung und Beurteilung durch den Sozialen Dienst werde diese Prozesse abschließend in der rechtlichen Außenwirkung verbeschieden. Dies ist Aufgabe der wirtschaftlichen Jugendhilfe.

 

Frau Betzel, SB 221, erklärt, dass nach Falleingang und fachärztlicher Diagnostik die Prüfung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit stattfindet. Zur Prüfung der sachlichen Zuständigkeit sind die Verfahrensvorschriften des neu in Kraft getreten Bundesteilhabegesetzes (SGB IX) anzuwenden. Die Fristen zur Zuständigkeitsprüfung sowie bis zur Maßnahmenentscheidung sind mit zwei bzw. drei Wochen sehr eng gefasst. Dieses komplexe Verfahren gilt nicht nur für den Jugendhilfeträger im Bereich der seelischen Behinderungen, sondern für alle Reha-Träger (auch im Erwachsenbereich), die Anträge auf Eingliederungshilfeleistungen bearbeiten, wie z.B. die Agentur für Arbeit oder auch die Rentenversicherungsträger. Damit soll im Interesse von behinderten Menschen dem Bedürfnis Rechnung getragen werden, durch rasche Klärung von Zuständigkeiten, möglichen Nachteilen entgegenzuwirken, mit dem Ziel der Teilhabe aller.

Hierzu ein kurzes Fallbeispiel zum Thema Autismus, Schulbegleitung, Mehrfachbehinderung und Abgrenzung der sachlichen Zuständigkeit.

Für die Zuständigkeitsprüfung und für die Bedarfserhebung ist daher das bereits erwähnte multiaxiale Gutachten unverzichtbar. Hierzu bedarf es künftig Kooperationsvereinbarungen mit niedergelassenen Psychiatern oder Psychotherapeuten, um die vorgegebenen Fristen einhalten und medizinischen Voraussetzungen vollständig prüfen zu können.

Sofern andere Reha-Träger am Hilfefall beteiligt sind, ist neben dem Hilfeplan auch ein sogenannter Teilhabeplan in regelmäßigem Turnus vorgesehen. Es bedarf daher eines einen Austausches mit weiteren Netzwerkpartnern. Erst dadurch können wir eine vollumfängliche Unterstützung für Kinder und Jugendliche mit seelischer Beeinträchtigung bieten.

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