Tagesordnungspunkt
TOP Ö 8: Weiterführung der Förderung der sozialen Wohnungsbörse „FAIRMieten“ ab 2021
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 06.10.2020 BKS/002/2020 |
Beschluss: | mehrheitlich beschlossen |
Abstimmung: | Nein: 2 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Der Ausschuss für Bildung, Kultur und Soziales fasst bei zwei
Gegenstimmen den
mehrheitlichen Beschluss:
1.
Der
Landkreis Miltenberg gewährt die 2016 begonnene Förderung der beim
Caritasverband für den Landkreis Miltenberg e.V. (Kreiscaritasverband)
eingerichteten sozialen Wohnungsbörse „FAIRMieten“ zur Vermittlung von
angemessenem Wohnraum für Wohnungssuchende des nachgenannten Personenkreises
wie seither auch ab 01.01.2021 weiter bis vorläufig 31.12.2026.
Personenkreis:
Bezieher von Leistungen nach SGB II, SGB XII, dem Wohngeldgesetz oder
vergleichbarer Leistungen, Personen die vom Bezug solcher Leistungen bedroht
sind, Personen die von Obdachlosigkeit bedroht sind, Menschen mit niedrigem
Einkommen.
2. Die Förderung umfasst unverändert die Personal- und notwendigen Sachkosten für eine geeignete Fachkraft (Vergütung maximal vergleichbar TVöD EG 9) bei einem Stellenumfang von 25 Wochenstunden abzüglich eines zehnprozentigen Eigenanteils des Trägers. Verfügbare Fördermöglichkeiten durch Dritte sind ebenfalls vorrangig in Anspruch zu nehmen. Die Abrechnung erfolgt nach Vorlage einer Gesamtkostenabrechnung (Defizitnachweis) und eines Tätigkeitsberichts jeweils im Folgejahr, im laufenden Jahr wird ein angemessener Abschlag gezahlt.
Herr Vill
berichtet, dass es seit 2016 beim Kreiscaritasverband die für die Nutzer
kostenlose soziale Wohnungsbörse „FAIRMieten" gibt, die Vermieter und
Menschen, die günstigen Wohnraum suchen, zusammenbringt.
Die Förderung der
Stelle wurde erstmals im Bildungsausschuss am 05.04.2016 bzw. im Kreistag am
12.05.2016 beschlossen. Ein Zwischenbericht erfolgte im Bildungsausschuss am
09.04.2018.
siehe auch: https://www.caritas-mil.de/beratung-und-unterstützung/fairmieten
FAIRMieten nimmt
preisgünstige Angebote von potenziellen Vermietern entgegen, stellt diese in eine
Datenbank ein und unterstützt Vermieter bei der Suche nach passenden Mietern.
Menschen, die preisgünstigen Wohnraum suchen, werden in die Datenbank
aufgenommen; passende Angebote werden direkt an die Suchenden weitergeleitet.
Mit dem von dort
zu vermittelnden Personenkreis sind sowohl ehemalige Asylbewerber abgedeckt,
die nach ihrer Anerkennung in der Regel vom AsylbLG-Bezug zum Jobcenter
wechseln und dann aus den Gemeinschaftsunterkünften ausziehen müssen (Fehlbeleger),
jedoch auch andere Sozialhilfe- und Hartz IV-Empfänger, Wohngeldempfänger und
in der Regel auch Menschen in der Schuldnerberatung. Gerade in Schuldnerberatungsfällen
kommt es häufig vor, dass auch Mietschulden entstehen und dadurch
Obdachlosigkeit droht oder sich bei zu hoher Miete schon aus diesem Grund ein
Umzugsbedarf in günstigeren Wohnraum ergibt. Die Formulierung „Menschen mit
niedrigem Einkommen“ lässt etwas Auslegungsspielraum für Härtefälle zu. Im
Zweifelsfall kann dabei auf die Einkommensgrenze nach § 85 SGB XII zurückgegriffen
werden, die geringfügig höher liegt, als der Hartz-IV-Bedarfssatz. Ausgeschlossen
wäre jedoch, dass finanziell gut situierte Wohnungsuchende dieses kostenlose
Angebot nutzen würden.
Eine kommunal
subventionierte Konkurrenz zu gewerblichen Maklern ist das Angebot von
FAIRMieten gerade nicht, sondern vielmehr eine sinnvolle Ergänzung. Denn
Empfänger von Sozialleistungen kommen bei der Vergabe von Wohnraum über
Maklerbüros häufig von vornherein nicht zum Zuge und benötigen deshalb eine
solche kostenlose Hilfestellung.
Die Ansiedlung der
Stelle beim Kreiscaritasverband macht nach wie vor Sinn, weil dort neben der Flüchtlings-
und Migrationsberatung und der Integrationslotsenstelle mit
Sprachvermittlungsangebot auch eine allgemeine Sozialberatung angeboten wird,
daneben vor allem auch die Schuldner- und Insolvenzberatung, mit der aus den
oben genannten Gründen häufig Überschneidung im Beratungsbedarf besteht. Weitere
Vorteile sind die Nähe des Caritasverbandes zu den Kirchengemeinden beider
Konfessionen (Gemeindecaritas) und zu vielen Ehrenamtlichen in den Gemeinden.
Die Ansiedlung der
Stelle beim Kreiscaritasverband wurde 2016 in der Arbeitsgemeinschaft der
Wohlfahrtsverbände im Landkreis Miltenberg (ARGE Wohlfahrt) einvernehmlich
besprochen. Es bestand dort durchgängiger Konsens hinsichtlich Notwendigkeit
einer solchen Stelle sowie auch zur Sinnhaftigkeit der Beauftragung des Kreiscaritasverbandes.
Wenn überhaupt, dann sei nur beim Caritasverband aufgrund der bereits
bestehenden Strukturen und Vernetzungen eine Umsetzung des oben genannten
Aufgabenkatalogs durch eine Kraft mit 25 Wochenstunden vorstellbar.
Auch seitens der
Mitarbeiter des Jobcenters wie auch des Sozialamtes (Sozialhilfe- sowie
Asylbereich) wird die Arbeit von FAIRMieten einhellig für gut und hilfreich
befunden. Leistungsberechtigte auf der Suche nach angemessenem Wohnraum werden
in der täglichen Praxis regelmäßig an FAIRMieten verwiesen.
Vermittelte
Wohnungen:
10-12/2016: 10
(Projektstart Oktober 2016)
2017: 114
2018: 82
2019: 86
Bei der Bewertung
dieser Vermittlungszahlen muss gesehen werden, dass es sich dabei in den
meisten Fällen um Wohnraum im Rahmen der vom Landkreis festgelegten
Mietobergrenzen handelt, die vor allem bei Hartz IV-Bezug maximal anerkannt
werden. Diese betragen aktuell (Stand 01.07.2019, Anpassung alle zwei Jahre):
Personen |
Wohnräume |
Fläche qm |
Grundmiete |
1 |
1-2 |
50 |
347,00
€ |
2 |
2-3 |
65 |
415,00
€ |
3 |
3 |
75 |
450,00
€ |
4 |
4 |
90 |
533,00
€ |
5 |
5 |
105 |
588,00
€ |
jede weitere Person |
|
zuzügl. 15 |
zuzügl.
61 € |
(Nebenkosten sowie
die angemessenen Heizkosten kommen noch hinzu.)
Wohnraum in diesem
Mietpreissegment ist im Landkreis verfügbar, allerdings auch nur begrenzt. Vor
diesem Hintergrund sind die Vermittlungszahlen durchaus respektabel.
Gezahlte
Förderbeträge des Landkreises für …
2016 |
9.466,95 € |
2017 |
41.384,60 € |
2018 |
42.652,89 € |
2019 |
45.192,88 € |
Dabei handelt es
sich um die bewilligten 90 % der Personal- und notwendigen Sachkosten (Spitzabrechnung)
für die beschäftigte Fachkraft (Vergütung etwa vergleichbar TVöD EG 9) bei
einem Stellenumfang von 25 Wochenstunden.
Auf eigene Kosten
des Caritasverbandes wird zur Unterstützung der Fachkraft zusätzlich noch eine
Verwaltungskraft mit anteilig 12 Wochenstunden beschäftigt (AG-Brutto 2019 ohne
Sachkosten: ca. 12.600 €), die dem Landkreis nicht berechnet wird.
Gesetzliche
Grundlage:
Die Förderung
beruht auf der Verpflichtung des Landkreises als Sozialleistungsträger, darauf
hinzuwirken dass auch Beratungsstellen hinreichend zur Verfügung stehen (§§ 14,
17 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch (SGB) I). Der festgelegte Personenkreis
betrifft weit überwiegend die Zuständigkeit des Landkreises. Dies gilt hier vor
allem auch für die Hartz-IV-Empfänger, weil es dabei um die Kosten der
Unterkunft geht, für die alleinige Zuständigkeit des kommunalen Trägers besteht,
ebenso weitgehend für das Klientel der Schuldnerberatung (§§ 11 Abs. 5 SGB XII,
16a Nr. 2 SGB II). Sozialhilfeleistungen sollen gemäß § 15 Abs. 1 SGB XII auch
schon im Vorfeld eines Leistungsbezugs erbracht werden.
Landrat Scherf fasst zusammen, dass sich dieses Projekt zu einem Segen für die Menschen im Landkreis Miltenberg entwickelt habe. Es sei ein Pilotprojekt aus dem Jahr 2016, wo eine intensive Konzeptionsarbeit vorausgegangen sei. Nachdem man eins bis zwei Jahre intensiv die vielen Flüchtlinge aufgenommen hatte, habe sich knapper Wohnraum allmählich zu einem gewissen sozialen Sprengstoff entwickelt. Gerade deswegen sei es so wichtig gewesen, allen Menschen mit Anspruch auf sozialen Wohnraum zu helfen und nicht zu klassifizieren. Dadurch habe man viel negative Dynamik rausgenommen. Vermittlungszahlen von 80 bis 120 im Jahr seien eine ganz fantastische Leistung.
Kreisrat Dr. Herrmann habe mit einer Person aus der Immobilienwirtschaft gesprochen, die die Wirksamkeit dieses Instruments bezweifle, weil es inzwischen viele Foren gebe, wo Wohnungen genau in diesem Bereich im Landkreis angeboten würden. Das gebe er zu bedenken, weil es ein großer Betrag pro Jahr sei, der dafür zur Verfügung gestellt werde.
Herr Vill erklärt, dass die Vermittlungszahlen eine Unterstützung und eine Bestätigung der Mietobergrenzen im Landkreis seien. Man müsse beachten, wenn Antragsteller berechtigt sagen könnten, dass kein Wohnraum in diesem Rahmen gefunden werde, dann wäre die Alternative für den Landkreis, obwohl die Berechnungen etwas anderes ergeben hätten, dass man die Mietobergrenzen höher setzen müsse. Dazu würde den Landkreis gegebenenfalls die Sozialgerichtsbarkeit verpflichten. Dies bedeute gerechnet auf den ganzen Landkreis mehrere Millionen Kosten im Bereich Hartz IV.
Kreisrat Härtel betont, dass man bei diesen Zahlen auch sehen müsse, wo diese Wohnungen seien. Personen, die Grundsicherung beziehen, suchten Wohnungen, wo sie auch die Möglichkeit hätten, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Deswegen würde sich diese Wohnungssuche auf die größeren Orte im Landkreis beziehen. Und genau dort sei es nahezu unmöglich, eine Wohnung zu finden. Er sehe ständig, dass Leute mit Grundsicherung ohne diese Einrichtung nahezu keine Chance hätten, eine Wohnung zu finden. Das Klientel sei auch manchmal etwas schwieriger. Frau Mann hätte schon verschiedene Mietseminare gehalten, wo z.B. Kleinigkeiten wie Hausordnung besprochen worden seien, wie verhalte man sich. Solche Unterstützung könne auch hilfreich sein. Es seien kleine Bausteine, die dazu betragen würden, dass dieses Projekt ein Gewinn sei.
Landrat Scherf stimmt zu, dass es verschiedene Foren geben. Der Landkreis müsse aber dahingehend helfen und unterstützen, was der Mieter selbst tun müsse, damit er von einem Vermieter auf dem freien Markt akzeptiert werde. Es sei ein grundsätzliches Angebot, was den Schwächeren helfen soll, damit sie nicht auf dem Wohnungsmarkt untergehen und stattdessen berücksichtigt werden.
Kreisrat Fieger erklärt, dass Frau Mann dabei keine Provision verdiene, sondern als Türöffner fungiere in Bereichen, wo sich manche Vermittler schwer täten, z. B., um auch im Nachgang dafür zu sorgen, dass die Verhältnisse auch weiterhin in Ordnung bleiben. Die Wohnungsbörse sei ein Gewinn und werde gebraucht. Die Zahlen würden für sich sprechen. Er weist darauf hin, dass hier auch im ehrenamtlichen Bereich gearbeitet werde. Ergänzend und zusammen gesehen sei das ein wichtiger Beitrag, dass den Menschen, die Hilfe bräuchten, auch geholfen werde.
Kreisrat Reinmuth kann nicht nachvollziehen, wie man bei 86 Vermittlungen im letzten Jahr bei 57.000 € Kosten liege, das bedeute 650,00 € pro Vermietung, die der Landkreis zuschießen müsse. Diese Vermittlungen gingen zum großen Teil, nämlich 27 Mietverträge, an eine private Wohnungsbaugesellschaft, Dawonia Management GmbH. Bei den übrigen 59 Vermittlungen, handelte es sich um private Vermieter oder um Wohnungen der Stadt Miltenberg, Stadtbau Erlenbach, Stadtbau Klingenberg und der Stadt Amorbach. Ihm erschließe sich das nicht. Es werde dargestellt, als wären es Privatwohnungen, wo man einen Vermittler bräuchte, um dem Vermieter Vertrauen in den zukünftigen Mieter zu geben. Das könne er nachvollziehen, aber warum benötige man so ein großes Budget, um Wohnungsbaugesellschaften bzw. den Städten bei der Belegung ihrer Wohnungen zu helfen.
Herr Vill erklärt, dass man nicht den Wohnungsbaugesellschaften, sondern den Menschen helfe, die die Wohnungen suchten. Die Mitarbeiter im Jobcenter, im Sozialamt und im Asylbereich würden nach Hilfe gefragt werden, Wohnungen mit der vorgegebenen Mietobergrenze zu finden. Wenn das die Caritas nicht machen würde, müsste der Landkreis Personal aufstocken.