Tagesordnungspunkt

TOP Ö 6: nachträglicher TOP: Antrag FDP: Resolution Hamed Nik Mohammadi

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Sitzung:16.12.2019   KT/005/2019 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Der Kreistag beschließt mehrheitlich bei drei Gegenstimmen die Resolution.


nachträglicher TOP: Antrag FDP: Resolution Hamed Nik Mohammadi

 

Kreisrat Dr. Linduschka trägt die Resolution vor.

 

Wir bitten darum, dem 22-jährigen Hamed Nik Mohammadi aus Afghanistan mindestens solange Aufenthaltsduldung zu gewähren, bis er seine einjährige Ausbildung zum Pflegefachhelfer in der Fachschule Erlenbach abgeschlossen hat. Wie es danach weitergeht, ob er anschließend als Pflegefachhelfer arbeiten kann oder die dreijährige Ausbildung zum Pflegefachmann anschließt, muss zeitnah entschieden werden – dringend benötigt werden auch bei uns im Landkreis Menschen in beiden Berufen. Drei zentrale Gründe gibt es für diese Resolution:

-          Der Einzelfall des 22-Jährigen scheint uns nach Aussagen der Schulleiterin über die gelungene Integration des jungen Mannes und seine positive Entwicklung in seinem Ausbildungsberuf eine Abschiebung keinesfalls zu rechtfertigen. Er kam als 17-Jähriger nach Deutschland, hat mit Erfolg seinen Hauptschulabschluss abgelegt und verbessert sein Deutsch stetig. Auch heute schon versteht er die deutsche Sprache ausgezeichnet und spricht sie flüssig und gut verständlich.

 

-          Es gibt zahllose Stellungnahmen aus Politik und Gesellschaft, die dringend vor einer Abschiebung von Menschen nach Afghanistan warnen, die in Deutschland ihre neue Heimat sehen, sich nichts zuschulden kommen ließen und sich nachweislich bei uns gut integriert haben.

 

-          Als Kommunalpolitiker können wir vor Ort den Bedarf an Menschen in Pflegeberufen gut einschätzen und auch Hameds konkrete Eignung für den Pflegeberuf in Rücksprache mit der Schulleiterin, von Pflegekräften und von Fachleuten, die ihn in den Praktika, z.B. in der Demenstation im Pflegezentrum Obernburg, erlebt haben.

 

Wir bitten deshalb dringend darum, möglichst umgehend Hamed Nik Mohammadi eine längerfristige Bleibeperspektive zu gewähren, um ihn seine Ausbildung weiterführen und abschließen zu lassen und ihm die Sicherheit zu bieten, die dafür und für ein menschenwürdiges Leben unerlässlich ist. Auch wenn wir der Ansicht sind, dass die Frage des Bleiberechts umfassend geregelt werden müsste, bitten wir in diesem Fall ganz konkret auf der Grundlage der Fakten um eine angemessene Einzelfallregelung. Es ist unserer Meinung nach aus humanitären Gründen nicht zumutbar und mit einem christlichen Menschenbild nicht vereinbar, einen konstruktiven jungen Menschen nach all den Belastungen, die seine Flucht und die schweren Jahre beim Zurechtfinden in der neuen Heimat mit sich brachten, in der langen Ungewissheit einer nur „scheibchenweise“ verlängerten Duldung leben zu lassen.

 

Erst wurde die sogenannte Duldung bis 22.12. gewährt, jetzt muss die Schulleiterin mit ihm wieder nach Schweinfurt fahren, um die Verlängerung bis 15.01. bestätigen zu lassen. Das kann keine Lösung sein, vor allen Dingen, weil es für ihn unzumutbar sei.

 

Kreisrat Dr. Linduschka habe selten Fälle erlebt, wo sich humanitäre Argumente und Sachargumente in so einer eindeutigen Identität befinden wie hier.

 

Man könne immer darüber reden, ob Afghanistan sicher sei oder nicht. Im letzten Jahr seien in Afghanistan ca. 3000 Menschen durch Anschläge ums Leben gekommen. Der Mann habe keinerlei Bindung mehr nach Afghanistan.

Für ihn wäre es unverständlich, wie man gegen eine solche Resolution sein könne.

 

 

 

Bevor in die Diskussion eingestiegen wird, bietet Landrat Scherf an, wenn diese Resolution hier positiv beschieden werde, das als Auftrag zu nehmen, sich neben seinen bisherigen Bemühungen und Gesprächen, die er in dieser Sache geführt habe, auch noch einmal persönlich und direkt an den Innenminister Joachim Herrmann zu wenden, um noch einmal darum zu bitten, dies als Einzelfall ganz eindringlich zu prüfen.

 

Kreisrat Fieger sagt, dass Landrat Scherf zu Recht den Einzelfall betont. Es sei ein Einzelfall in einer staatlichen Angelegenheit. Es sei Aufgabe des Staates, darüber zu entscheiden, ob jemand dableiben dürfe oder ausreisen müsse. Es sei nicht Aufgabe des Kreistages, sich mit Einzelfällen in staatlichen Angelegenheiten zu beschäftigen. Er habe sich selbst auch in der Angelegenheit eingesetzt. Aber hier den Kreistag mit einer staatlichen Aufgabe befassen zu lassen, halte er für nicht in Ordnung.

Er schlägt vor, dass Kreisrat Dr. Linduschka die Resolution draußen auflegen könne und diejenigen Kommunalpolitiker*Innen, die das unterstützen möchten, könnten dann unterschreiben. Dies habe genau das gleiche Gewicht, wie wenn man hier einen Beschluss fasse.

 

Landrat Scherf betont, indem der Kreistag ihm den Auftrag gebe, greife man nicht in den staatlichen Bereich ein. Der Kreistag habe diese Entscheidung nicht zu treffen, sondern der Kreistag würde sich engagieren und den bayerischen Innenminister bitten, sich den Einzelfall noch einmal genau anzusehen. Am Ende sei der Staat nicht nur die Institutionen und Gesetze, sondern der Staat seien alle Von daher habe er Respekt vor dem Engagement aus Reihen des Kreistages und überlässt es dem Gremium, ob es diese Resolution annehmen wolle.

 

Kreisrat Reinhard sagt, dass es hier um die willkürliche Auslegung der Geschäftsordnung gehe. Es werde etwas dringlich für den Landkreis gemacht und er werde zuständig gemacht und da würden die tatsächlichen politischen Zuständigkeiten vermischt. Das könne nicht im Sinne des Kreistags sein. Der Vorschlag von Kreisrat Fieger sei gut. Persönlich und unabhängig vom Sachverhalt könne man gerne die Resolution unterschreiben. Aber es gebe dann ständig diese Anträge und der Kreistag würde sich ständig mit solchen Fragestellungen beschäftigen.

Er bittet darum, davon abzusehen, diesen Beschluss zu fassen. Gerne unterschreibe er aber die Resolution draußen persönlich.

 

Kreisrätin Becker sagt, dass für den betreffenden Menschen die Resolution dringlich sei. Dies sei jetzt ein Einzelfall, aber er zeige doch, dass die Abschiebepraxis und Vorgehensweise inhuman sei. Sie ist der Meinung, der Kreistag müsse in der Lage sein, ein Zeichen zu setzen, dass er mit bestimmten Maßnahmen nicht einverstanden sei.

Man habe bereits vor 25 Jahren unter Landrat Schwing eine Resolution für eine Familie aus Miltenberg beschieden. Es sei natürlich traurig, dass es immer noch Einzelschicksale gebe, wo eine Resolution nötig sei. Deshalb bittet sie alle, zuzustimmen und ein Zeichen zu setzen.

 

Kreisrätin Frey betont, dass es wichtig sei, ein Zeichen zu setzen, da staatliches Handeln unseren Kreis immer wieder beeinflusse. Das tue der Kreistag ja auch sonst, auch da, wo er nicht staatliche Aufgaben übernommen habe, z.B. die Resolution für die Bahn. Wo bleibt denn eigentlich hier die Menschlichkeit, fragt sie Für die Bahn, die natürlich auch ganz wichtig sei, da stimme der Kreistag einer Resolution zu, aber wenn es um einen jungen Menschen gehe, nicht? Die Abschiebung sei auch schwer für die vielen Helfer, die den Menschen bei der Integration helfen, und die dann auch frustriert würden. Übrigens sei Bayern das einzige Bundesland, das das so mache.

 

Kreisrat Schötterl sagt, dass die wahre Zumutung an dem ganzen Fall sei, dass man bei einem so eindeutigen Fall überhaupt gezwungen sei, diese Maßnahme zu ergreifen zum Wohl nicht nur dieses Einzelfalls, sondern scheinbar auch zum Wohl unserer Gesellschaft. Resolutionen entscheiden ja nichts. Der Kreistag wünscht, bittet, versucht, Hilfestellung zu geben. Wenn man das bei einem so eindeutigen Fall nicht mehr tun dürfe, dann bittet er, künftig jegliche Art von Resolution, die nur Willenserklärung sei, einfach zu unterlassen. Dann wäre man jedenfalls ehrlich.

 

Kreisrat Rüth ist Mitglied im Ausschuss für Eingaben und Beschwerden. Der Ausschuss habe jede Woche mindestens zu 50% mit solchen Fällen zu tun. Deshalb möchte er allgemein, nicht auf diesen Fall bezogen, sagen, dass jeder Fall ein sogenannter Einzelfall sei. Jeder Fall, der aufschlage, habe auch viele Unterstützer. Wenn es zu einer Petition kommt, dann schlage die im Petitionsausschuss auf. Dort werde politisch darüber diskutiert und debattiert. Am Ende des Tages sei es aber so, dass die Entscheidung, die der bayerische Landtag zu treffen habe, die sein werde, dass er es an den deutschen Bundestag verweisen werde, weil es immer Stellungnahmen des Bundesamtes für Migration gebe, die sagen, in welches Land Leute zurückgeführt werden können oder nicht. Das laufe ganz schematisch ab. Der Ausschuss könne in München gar nichts entscheiden. Das muss man ganz nüchtern sehen.

 

Landrat Scherf ist sachlich verwirrt, weil ihm zum einen die Stellungnahmen vorliegen, dass es daran läge, dass der junge Mann in der Altenpflegehilfeausbildung sei, und dass das nicht unter die bisherigen gesetzlichen Regelungen falle, während die SZ von heute das Bayerische Innenministerium zitiere, dass auch Altenpflegehelfer*Innen eine Duldung bekommen können, dass es in diesem Einzelfall andere Gründe gebe.

Von daher findet er den Sachverhalt undurchsichtiger als noch letzte Woche.

 

Kreisrat Weber versteht nicht, warum man hier versuche, das wieder zu zerreden, sich hinter der Zuständigkeit zurückziehe und diese Resolution am Ende noch ablehne. Da stehe ein Mensch, der in Not sei. Den könne man doch nicht im Regen stehen lassen. Er spricht Landrat Scherf an, dass er mit ganzer Energie den Auftrag von der SPD bekomme, sich dafür einzusetzen. Er plädiert dafür, zusammen zu stehen und dem Mann zu helfen.

 

Kreisrat Dr. Fahn erinnert daran, dass am 18.10.2018 mit nur einer Gegenstimme beschlossen worden sei, dass der Kreistag nachdrücklich die Bestrebungen unterstütze, die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern, die sich in einer Ausbildung befinden und gut integriert sind, zu verhindern. Er fragt, wieso man jetzt noch einmal weiter diskutieren sollte. Man müsse sich der Resolution anschließen.

 

Kreisrat Dr. Linduschka möchte eine moralische Bemerkung machen: Er sitze seit 30 Jahren in diesem Gremium. Er habe sich nicht vorstellen können, dass bei so einer Frage, die moralisch völlig eindeutig sei, hier so eine Diskussion ausbreche. Er hätte jede Wette angenommen, dass ein einstimmiger Beschluss gefasst werde.

Dagegen zu stimmen, mit welchen formalen Argumenten auch immer, wäre für ihn so, dass er sich am nächsten Morgen beim Rasieren im Spiegel nicht mehr ins Gesicht schauen könne.

 

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