Tagesordnungspunkt
TOP Ö 1: Evaluation und Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes für den Landkreis Miltenberg sowie Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung ab 01.01.2020
Bezeichnung | Inhalt |
---|---|
Sitzung: | 11.07.2019 BKS/002/2019 |
Beschluss: | einstimmig beschlossen |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
---|
Die Mitglieder des Ausschusses fassen den einstimmigen
Empfehlungsbeschluss:
Die Fortschreibung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes sowie der Pflegebedarfsplanung für den Landkreis Miltenberg werden in der jeweils vorliegenden Fassung beschlossen.
Landrat Scherf eröffnet die öffentliche
Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und Soziales und ergänzt im
Nachgang zur Einladung zur Sitzung des Ausschusses für Bildung, Kultur und
Soziales am Donnerstag, 11.07.2019, dass in der öffentlichen Sitzung TOP 4
zusätzlich mit aufgenommen wird. Das Gremium hat diesem zugestimmt.
Herr Vill tragt
vor, dass gemäß Art. 69 des Bayerischen Ausführungsgesetzes zu den
Sozialgesetzen (AGSG) sind die Landkreise verpflichtet, den für ihren Bereich
erforderlichen längerfristigen Bedarf an Pflegeeinrichtungen (voll- und
teilstationär, ambulant; ohne Behinderteneinrichtungen) festzustellen. Seit
2007 soll diese Bedarfsermittlung Bestandteil eines „integrativen, regionalen
seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes“ (SPGK) sein.
Der Kreistag hatte
am 17.05.2010 ein „SPGK 2009“ mit 66 Maßnahmeempfehlungen an die Adresse des
Landkreises, der Landkreisgemeinden sowie zahlreicher anderer Träger und
Institutionen beschlossen. Das Konzept enthielt darüber hinaus eine
Pflegebedarfsplanung bis einschließlich des Jahres 2019.
Für die Zeit ab
01.01.2020 war daher die Fortschreibung des Pflegebedarfsplans geboten.
Außerdem war im Rahmen einer Evaluation zu prüfen,
·
inwieweit die Handlungsempfehlungen des SPGK 2009
umgesetzt wurden,
·
wie sich das seniorenpolitische Profil des
Landkreises Miltenberg seit 2010 entwickelt hat,
·
wie sich die seniorenpolitische IST-Situation im
Landkreis aktuell darstellt und
·
welche Handlungsempfehlungen an die Adresse von
Landkreis, Gemeinden und sonstigen anderen für die einzelnen Handlungsfelder
ggf. weitergelten sollen bzw. neu formuliert werden müssen.
Soweit sinnvoll
und erforderlich, sollten die Feststellungen getrennt nach den drei
Versorgungsregionen „Nördlicher Landkreis“, „Südlicher Landkreis“ und „Südspessart“
erfolgen.
Mit der
Fortschreibung der Pflegebedarfsplanung wurde die MODUS-Wirtschafts- und
Sozialforschung GmbH Bamberg beauftragt, mit der Evaluation und Fortschreibung
des SPGK Herr Professor Dr. Dieter Kulke, Würzburg.
Basis war zunächst
eine differenzierte Bevölkerungsprognose (Anlage 3), welche ebenfalls von MODUS
erstellt wurde und aus Synergiegründen zugleich für die etwa zeitgleich
eingeleitete Jugendhilfeplanung verwendet werden konnte. Weitere Daten wurden
durch Umfragen mittels Fragebögen bei den Pflegeeinrichtungen im Landkreis, bei
2.500 Landkreisbürgern über 60, den 32 Kommunen, den Seniorenvertretungen und
zuletzt auch den Anbietern der Offenen Seniorenarbeit erhoben. Abschließend
fand am 23.10.2018 im Landratsamt noch ein ganztägiger Expertenworkshop statt,
an dem insbesondere die im Landkreis im Seniorenbereich aktiven Fachleute ihre
Einschätzung zur Umsetzung des Konzepts 2009 und zur künftigen Weichenstellung
äußerten.
Nach dem nun
vorliegenden Pflegebedarfsplan (Anlage 2) sind wir - bezogen auf den
Gesamtlandkreis - vor allem im Bereich der Tagespflege für die nächsten Jahre
schon jetzt sehr gut aufgestellt. In den Bereichen vollstationäre Pflege und
ambulante Pflege ist aktuell der Bedarf unter Berücksichtigung der aktuellen Planungen
für die nächsten Jahre im Wesentlichen ebenfalls noch abgedeckt.
Dies gilt
allerdings nicht für den Bereich der Kurzzeitpflege. Da es sich hier
überwiegend um „zeitweise eingestreute“ Kurzzeitpflegeplätze handelt, die nur
dann angeboten werden, wenn freie Plätze in den stationären Einrichtungen
vorhanden sind, ist die Zahl der tatsächlich zur Verfügung stehenden
Kurzzeitpflegeplätze nur dann auch mittel- bis längerfristig ausreichend, wenn
in den stationären Einrichtungen in Zukunft weiterhin etwa die gleiche Anzahl
an freien Platzkapazitäten wie heute zur Verfügung stehen, die für die
Kurzzeitpflege genutzt werden können.
Die daneben
vorliegende Evaluation und Fortschreibung des SPGK (Anlage 1) stellt umfassend
dar, dass sich seit 2010 im Seniorenbereich im Landkreis sehr viel getan hat
und auch einiges erreicht wurde. Auch die Städte, Märkte und Gemeinden haben
die Empfehlungen unseres Konzeptes 2009 engagiert aufgegriffen und in vielen
Punkten umgesetzt. Besonders erfreulich ist, dass nunmehr in so gut wie allen
Kommunen Seniorenvertretungen oder zumindest kommunale Ansprechpartner für
Senioren und deren Angehörige beauftragt sind. Nach wie vor gibt es aber noch
viel Handlungsspielraum und ein großes Potential, um die Situation der
Seniorinnen und Senioren in unserem Landkreis weiter zu verbessern.
Die Bedarfsplanung
im Bereich der Menschen mit Behinderung liegt in der Zuständigkeit der Bezirke.
Was die Barrierefreiheit betrifft, haben Menschen im fortgeschrittenen
Lebensalter und Menschen mit Behinderung aber oft gleiche oder ähnliche
Bedürfnisse. Viele der vorliegenden Maßnahmeempfehlungen sollen im Sinn einer
gelebten Inklusion helfen, die Situation beider Personengruppen zu verbessern.
Das SPGK 2019 wurde daher vor diesem Hintergrund unter Einbindung des Bezirks
Unterfranken nach dem Gedanken „Älter werden mit und ohne Behinderung“
erstellt.
Insgesamt sind von
den 2010 beschlossenen 66 Maßnahmeempfehlungen zwar 15 umgesetzt und 44
teilweise umgesetzt worden, an den meisten Themen muss aber intensiv und
vielfach dauerhaft weitergearbeitet werden. Sieben Empfehlungen sind neu
hinzugekommen.
Ein herzliches
Dankeschön geht an alle Verantwortlichen in unseren Kommunen, besonders auch an
die vielen Ehrenamtlichen, die Mitarbeitenden in den Wohlfahrtverbänden und
letztlich an alle, die sich gemeinsam mit den Verantwortlichen im Landratsamt
für die Umsetzung des Seniorenpolitischen Gesamtkonzeptes 2009 engagiert haben.
Der Ausschuss für
Bildung, Kultur und Soziales hat die vorliegenden Entwürfe in seiner Sitzung am
11.07.2019 intensiv diskutiert und danach einstimmig dem Kreistag deren Annahme
im Rahmen des vorliegenden Beschlussvorschlages empfohlen.
Sofern der
Kreistag diesem Empfehlungsbeschluss nunmehr folgt, werden die Anlagen im
Internet veröffentlicht und zusätzlich das „Seniorenpolitische Gesamtkonzept“
den Kommunen in Papier zur Weitergabe an die Seniorenvertretungen zugeleitet.
Von der
Priorisierung als besonders wichtig wurden im Rahmen der Befragungen von den
Kommunen die Handlungsfelder „Wohnen zu Hause“ (17 Nennungen),
„Gesellschaftliche Teilhabe“ (14), „Betreuung und Pflege“ (13), die
„Unterstützung pflegender Angehöriger“ (13) sowie die „Integrierte Orts- und
Entwicklungsplanung“ (11) angesehen. Bei den Seniorenvertretungen liegen
„Wohnen zu Hause“ (16 Nennungen) und die „Integrierte Orts und
Entwicklungsplanung“ (13) ganz vorne. Die Vertreter der Offenen Seniorenarbeit
sehen ebenfalls die „Integrierte Orts und Entwicklungsplanung“ (43 Nennungen)
am wichtigsten, danach „Wohnen zu Hause“ (40), „Gesellschaftliche Teilhabe“
(31) und „Unterstützung pflegender Angehöriger“ (30). Damit ergibt sich eine
klare Priorisierung auf die Handlungsfelder Wohnen zu Hause“ und „Integrierte
Orts und Entwicklungsplanung“.
Beim
Seniorennetzwerktreffen am 08.10.2019, bei dem vor allem die
Seniorenvertretungen der Kommunen aber auch Vertreter von Verbänden und
Einrichtungen beteiligt sind, wird das neue Konzept nunmehr besprochen, ebenso,
welche konkreten einzelnen Handlungsempfehlungen aus Sicht der Netzwerkteilnehmer
als vordringlich eingestuft werden.
Die Überwachung
der sukzessiven Umsetzung der Handlungsempfehlungen liegt in der Zuständigkeit
unserer Seniorenfachstelle.
Im Detail wird auf
die drei Anlagen verwiesen.
Anlagen:
(1) Seniorenpolitisches Gesamtkonzept für
den Landkreis Miltenberg – Konzept und Handlungsempfehlungen (SPGK 2019)
(2) Bestands- und Bedarfsermittlung nach
Art. 69 Abs. 1 AGSG (Pflegebedarfsplan 2019)
(3) Kleinräumige Bevölkerungsprojektion für
den Landkreis Miltenberg (Bevölkerungsprognose 2018)
Die beiden Gutachter, Herr Manfred Zehe von MODUS (Pflegebedarfsplanung)
sowie Herr Professor Dr. Dieter Kulke (Seniorenpolitisches Gesamtkonzept)
stehen für Fragen zur Verfügung.
Neun Jahre nach Verabschiedung des ersten
Seniorenpolitischen Gesamtkonzepts war es für den Landkreis Zeit, das Erreichte
zu überprüfen, Nachbesserungsbedarf zu ermitteln und festzustellen, welche
neuen Herausforderungen es zu meistern gilt und wie man diese umsetzen kann.
Manfred Zehe (Forschungsinstitut Modus, Bamberg) und
Professor Dr. Dieter Kulke (Professor an der Hochschule für angewandte
Wissenschaften Würzburg-Schweinfurt) stellt die Evaluation und die
Fortschreibung des für die Zukunft so wichtigen Gesamtkonzepts vor. Dem
Pflegebedarfsplan kommt dabei eine besondere Bedeutung zu. Ein Plan, der
aufgrund verschiedener sozialer Indikatoren Bestand und Bedarf der
unterschiedlichen Pflegeformen untersucht. Die Aussagen basiert zur
Bedarfsentwicklung auf detaillierten Bestandserhebungen, aber auch auf einer
Bevölkerungsprojektion und einer darauf aufbauenden Prognose der
Pflegebedürftigen. Zum Ergebnis, dass in der ambulanten Pflege zum Stichtag 31.
Dezember 2017 die Versorgung ausreichend war, mittel- und langfristig jedoch
ein Ausbau notwendig ist. Die Tagespflege sei sehr gut aufgestellt, so Herr
Zehe.
Wenn die bestehenden Ausbaupläne realisiert werden,
sei der Bedarf mittel- bis langfristig gedeckt. Die Kurzzeitpflegeplätze seien
derzeit ausreichend, aber der Fachmann sah Ausbaubedarf. Da hier eine steigende
Nachfrage zu erwarten sei, müssten hierfür mehr Plätze bereitstehen. Auch in
der stationären Pflege sprach Herr Zehe
reiche der Bedarf, aber auch hier gelte: Wenn die geplanten Ausbauprojekte
umgesetzt werden, könnte der Mindestbedarf mittel- bis langfristig gedeckt
werden.
In den vergangenen Jahren hat sich im Landkreis
sehr viel getan. So gibt es in fast allen Gemeinden Ansprechpartner für
Seniorinnen und Senioren, auch ist die Hospiz- und Palliativversorgung sehr gut
vorangekommen. Als zentrales Thema habe sich das Wohnen zuhause herausgestellt,
so Herr Professor Dr. Kulke. Wohnen habe für das körperliche und seelische
Wohlergehen eine große Bedeutung, sagte er. Auch wenn der Unterstützungsbedarf
zunimmt, wollten die meisten Menschen zuhause bleiben und nicht in ein
Pflegeheim.
Die Voraussetzungen im Landkreis seien dafür
günstig angesichts eines Anteils von fast 73 Prozent von Älteren, die in den
eigenen vier Wänden wohnen. Herr Professor Dr. Kulke riet unter anderem dazu,
in die Beratung der Seniorinnen und Senioren zu investieren (Wohnen,
Wohnungsanpassung) und finanzierbare Angebote des betreuten Wohnens auszubauen.
Einige Kommunen täten das bereits, indem sie etwa bei Bauanträgen auf die
Barrierefreiheit hinweisen.
Als genauso wichtig erachtete es der Professor, die
Bedürfnisse der Älteren bei der Integrierten Orts- und Entwicklungsplanung mehr
zu berücksichtigen. Dazu gehören etwa der Erhalt und die Stärkung der Ortskerne
mit Ärzten und Einkaufsmöglichkeiten. Mit der Stärkung des öffentlichen
Personennahverkehrs sowie der Schaffung von barrierefreien Gebäuden und Wegen
könnten die Mobilität und der Verbleib älterer Menschen in ihren angestammten
Wohnorten erleichtert werden.
Obwohl es in den Kommunen ein breites Angebot zur
gesellschaftlichen Teilhabe gibt, gebe es noch einiges zu tun, so Herr
Professor Dr. Kulke. Auf der anderen Seite werde aber auch von mangelnder
Nachfrage bei Angeboten berichtet, was sehr schade sei. Weiterhin sollten
generationenübergreifende Projekte und der Umgang mit den neuen sozialen Medien
gestärkt werden.
Das bürgerschaftliche Engagement habe deutlich
zugenommen, denn immerhin 32 Prozent der Seniorinnen und Senioren unterstützen
Angehörige, Nachbarn und Andere. Dieses Engagement gelte es, aufrecht zu
erhalten und zu stärken.
Für den Erhalt und den Ausbau präventiver Angebote
plädierte der Professor. So solle man beispielweise prüfen, ob nicht präventive
Hausbesuche möglich seien, um Bewusstsein und Motivation für die
gesundheitliche Motivation zu fördern.
Da pflegende Angehörige eine zentrale Rolle für den
Verbleib von Seniorinnen und Senioren in der eigenen Wohnung spielen, werde es
umso wichtiger, pflegende Angehörige durch Informations- und
Entlastungsangebote zu stärken. Ein wichtiger Baustein sei die Beratungsstelle
für Senioren und pflegende Angehörige, sagte Herr Profesor Dr. Kulke und
empfahl den weiteren Ausbau von Entlastungsangeboten.
Menschen mit Demenz, mit Behinderung und
Migrationshintergrund sind Herr Professor Dr. Kulke zufolge mit ihren
speziellen Bedürfnissen bei der Entwicklung der Seniorenarbeit zu
berücksichtigen. Die Angehörigen dieser Gruppen sollten die Möglichkeit
bekommen, an den örtlichen Regelangeboten teilnehmen zu können.
Obwohl sich die Hospiz- und Palliativversorgung
deutlich verbessert hat, sollten – dem Bedarf entsprechend – die ambulante und
stationäre Versorgung ausgebaut werden. Besondere Bedeutung habe die allgemeine
ambulante Palliativversorgung.
Kooperation und Vernetzung seien auf kommunaler
Ebene unverzichtbar, damit lokale Angebote der offenen Seniorenarbeit möglich
werden. Auf Landkreisebene seien das Seniorennetzwerk und die Fachstelle für
Altenhilfeplanung für die zentrale Steuerung wichtig.
Im Bereich Betreuung und Pflege
verwies Herr Professor Dr. Kulke auf eine drohende Unterversorgung in der
Kurzzeitpflege. Er empfahl den Ausbau kleinteiliger und gemeindenaher Wohn- und
Pflegeangebote sowie die Schaffung von Angeboten für Menschen mit besonders
hohem Pflege- und Betreuungsaufwand.
Beratung, Information und Öffentlichkeitsarbeit
seien wichtig, um Unsicherheit bei Seniorinnen und Senioren zu vermeiden,
Ältere in ihren Rechten zu stärken und sicherzustellen, dass sie über die
vielen Angebote Bescheid wissen. Künftig stehe die konsequente Nutzung von
Internet und sozialen Medien im Vordergrund, so Frau Wolf-Pleßmann und
plädierte auf die Umsetzung.
Es gelte, mehr Fachkräfte für die Pflege zu
gewinnen und diese auch angemessen zu entlohnen. Herr Landrat Scherf wies
darauf hin, dass die Pflege schon früh in der Gesundheitsregion plus als wichtiges
Thema identifiziert worden sei. Der positiven Darstellung des Pflegeberufs
fühle sich auch das Pflege Netz im Landkreis Miltenberg verpflichtet, sagte er
und lobte die von den Akteurinnen und Akteuren geleistete Arbeit. Künftig stehe
die konsequente Nutzung von Internet und sozialen Medien im Vordergrund,
Es wird jetzt eine schwierige Aufgabe werden aus
den vielen Empfehlungen eine Liste mit priorisierten Vorhaben zu erstellen. so
Herr Dr. Linduschka.
Für Herrn Landrat Scherf ist mit
dem Seniorenpolitischen Gesamtkonzept die Grundlage für die Umsetzungen der
neuen Handlungsempfehlungen geschaffen und man sollte die neuen
Rahmenbedingungen verbessern und fortsetzen. Die tatsächliche Arbeit der
Umsetzung beginne jetzt. Im Herbst werde man die Handlungsempfehlungen zunächst
dem Seniorennetzwerk vorstellen und dessen Gewichtung der Handlungsempfehlungen
als Grundlage zur Umsetzung machen.