Tagesordnungspunkt
TOP Ö 7: Landkreisweites Radverkehrskonzept
Bezeichnung | Inhalt |
---|---|
Sitzung: | 28.05.2019 KT/002/2019 |
Beschluss: | einstimmig beschlossen |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
---|
Der
Kreistag fasst einstimmig
folgende
Beschlüsse:
·
Das Radverkehrsnetz wird als Zielkonzept für die zukünftige
Radverkehrsförderung in den nächsten zehn Jahren beschlossen und dient der
Verwaltung des Landkreises als Handlungsgrundlage.
·
Das infrastrukturelle Handlungsprogramm für die Kreisstraßen, das
Bestandteil des Berichtes ist (Anlage), zu beschließen.
·
Für infrastrukturelle Maßnahmen in der Baulastträgerschaft des
Landkreises in den Haushalten der kommenden 10 Jahre einen Betrag von bis zu
500.000 € jährlich einzuplanen.
·
Die Maßnahmen unter Berücksichtigung der Prioritäten und der
jeweiligen Haushaltslage umzusetzen.
·
Die Umsetzung der Maßnahmen im Bereich Service und Kommunikation.
·
Die Stelle eines Radverkehrsbeauftragten im sachangemessenen
Umfang zu schaffen. Zuvor wird von der Verwaltung geprüft, inwieweit die
Aufgaben im vorhandenen Personalkörper erbracht werden können.
·
Vor- und Nachteile einer Mitgliedschaft in der Arbeitsgemeinschaft
fahrradfreundlicher Kommunen (AGFK) Bayern zu prüfen.
·
Städten und Gemeinden sowie dem Staatlichen Bauamt die Umsetzung
des Handlungsprogramms mit den Prioritäten für die Bundes-, Staats- und
Gemeindestraßen als Bestandteil des Radverkehrskonzeptes des Landkreises
Miltenberg nahezulegen.
·
Prüfung der Umsetzung eines Förderprogrammes für die Förderung von
Maßnahmen in der Bauträgerschaft der Landkreiskommunen mit einem Budget von
150.000 € einzuplanen.
Frau
Andrea Fromberg, VIA Planungsbüro Köln, trägt den Endbericht zur Erstellung des
landkreisweiten Radverkehrskonzepts vor. Dieser gliedert sich in drei
Teilberichte:
·
Bericht
zur Mobilitätsbefragung
·
Bericht
zum Radverkehrskonzept: Unfallanalyse, Maßnahmenplanung, Priorisierung und
Kostenschätzung sowie CO2-Bilanz und Anhang mit thematischen Karten
·
Bericht
mit Hinweisen für die Kommunen und Anhang mit den kommunalen Katastern und
Maßnahmenkarten
Wesentliche
Inhalte:
Bericht zur Mobilitätsbefragung
Erhebung
valider Daten zur Mobilität der Kreisbevölkerung für die Verkehrsplanung.
·
Verkehrsmittelwahl
nach Verkehrszwecken, Altersgruppen und Verkehrsmittelverfügbarkeit
·
Verkehrsverflechtungen
innerhalb der Gemeinden und zwischen den Gemeinden sowie Verkehre aus und in
den Landkreis Miltenberg, bezogen auf die Bewohner des Landkreises Miltenberg
·
Mobilitätskennziffern
im interkommunalen Vergleich und nach Teilregionen im Hinblick auf
Siedlungsdichte, Topografie und Verkehrsangebot
·
Bewertung
der Mobilitätskennzahlen des Landkreises Miltenberg im Vergleich zum Bundes-
und Landesdurchschnitt und gegebenenfalls vergleichbaren Landkreisen
·
Aktuelle
Trends vor allem vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklungen im
Landkreis Miltenberg
·
Definition
aufkommensstarker Verflechtungsachsen, um Potenziale für die Verlagerung von
Kfz-Verkehrsleistung auf den ÖPNV und den Radverkehr zu identifizieren
·
Aussagen
zu spezifischen Aspekten der Nahmobilität im Landkreis, insbesondere in Bezug
auf die Mobilität mit dem ÖPNV und Fahrrad
Bericht zum Radverkehrskonzept
Unfallanalyse
Zu den in den vergangenen fünf Jahren
durchschnittlich rund 90 Unfällen mit Beteiligung von Radfahrern wurde der
Unfalltyp, Unfallbeteiligte, Unfallort und Unfallgrund untersucht und bei der
Maßnahmenplanung berücksichtigt.
Alarmierend sind die Unfallzahlen mit
schwerverletzten und leichtverletzten Radfahrern außerorts: 89 Radfahrer wurden
außerorts im Landkreis Miltenberg verletzt.
Netzplanung und Bestandserfassung
Alle Städte und Gemeinden, aber auch ihre
Orts- und Stadtteile wurden in das kreisweite Radverkehrsnetz eingebunden. Die
Binnenerschließung der Kernorte und ggf. zusätzliche Verbindungen wurden Inhalt
der Radverkehrskonzeptionen der Städte und Gemeinden.
Darüber hinaus wurden wichtige Verkehrsziele
überörtlicher Bedeutung, insbesondere weiterführende Schulen, wichtige
Arbeitsplatzschwerpunkte und touristische Ziele von besonderer Bedeutung
berücksichtigt.
Neben dem Netz für den Alltagsradverkehr
wurden auch die touristischen Routen in das kreisweite Netz übernommen. Das
BayernNetz wurde ebenfalls in das Radverkehrsnetz des Landkreises eingebunden.
Das aus den erhobenen Daten entwickelte
Wunschliniennetz wurde im Rahmen der Beteiligung der Kommunen vorgestellt und
abgestimmt. Es werden Verbindungen zwischen den Städten und Gemeinden des
Landkreises sowie zu den Nachbarkreisen, als sogenannte „Wunschlinien“
skizziert, in drei Hierarchiestufen erstellt.
Auf der Grundlage dieses dreistufigen Netzes
wurden die Kriterien aus den Richtlinien zur integrierten Netzgestaltung (RIN)[1] im
Landkreis Miltenberg angewendet. Im Ergebnis stand ein Wunschliniennetz,
welches mit dem Landratsamt und allen Kommunen des Kreises abgestimmt wurde. In
einem weiteren Arbeitsschritt wurde hieraus ein Untersuchungsnetz für die
Bestandserfassung erarbeitet und rund 800 km mögliche Streckenführungen mit dem
Fahrrad erfasst, dokumentiert und teilweise zusammen mit Vertretern der
Gemeinden abgefahren.
Maßnahmenprogramm und Leitprojekte
Neben einer für jede Kommune erstellten
Dokumentation der Radverkehrsinfrastruktur, mit den Ergebnissen der Bestandserfassung, wurde für
jede Kommune eine Maßnahmenplanung durchgeführt. Hierbei wurde das
Untersuchungsnetz in weiten Teilen, z.T. auch unter intensiver Beteiligung der
örtlichen Ansprechpartner, noch einmal vor Ort in Augenschein genommen.
Die Maßnahmenplanung für den
infrastrukturellen Teil wurde in das Bestandskataster eingefügt und zu einem
Maßnahmenkataster fortentwickelt.
Parallel zur kommunalen Ebene wurden für den
gesamten Landkreis Miltenberg Leitprojekte definiert, die den Handlungsrahmen
für die nächsten 10 bis 15 Jahre umschreiben:
·
Leitprojekt
- Mittlerer Standard auf dem Mainradweg
·
Leitprojekt
- ERA-Standard in den übrigen Tälern
·
Leitprojekt
- Mainquerungen
·
Leitprojekt
- Reduzierung der Höchstgeschwindigkeit auf gering belasteten Straßen außerorts
·
Leitprojekt
- E-Mobilität
·
Leitprojekt
- Fahrradparken und B+R
·
Leitprojekt
- Service und Kommunikation
Priorisierung und Kostenschätzungen
In Abstimmung mit dem Landkreis Miltenberg
wurden den infrastrukturellen Maßnahmenempfehlungen Prioritäten auf der
Grundlage von Netzzusammenhang, Verkehrssicherheit, Schulwegrelevanz und
Bürgervotum zugewiesen.
Für alle Maßnahmen wurde eine
Grobkostenermittlung auf der Basis von Kennzahlen erstellt.
Die Kommunen erhalten so eine Empfehlung für
die Umsetzungsreihenfolge.
Energie- und Treibhausgas-Emissionsbilanz
Die Berechnung der Energie- und
Treibhausgas-(CO2-)Emissionsbilanz stützt sich auf das Mengengerüst der
Haushaltsbefragung für den Landkreis Miltenberg aus dem Jahr 2016/17. Durch die
angenommene Steigerung des Radverkehrsanteils bis zum Jahr 2030 um 2
Prozentpunkte lässt sich eine Reduktion des motorisierten Verkehrsaufwands um
1,6 % erreichen.
Interne Abstimmung und Bürgerbeteiligung
Die Konzeptentwicklungsschritte wurden
kontinuierlich intern mit den beteiligten Fachstellen, dem Staatlichen Bauamt
Aschaffenburg und den Kommunen des Landkreises abgestimmt. Diese Abstimmungen
nahmen einen besonderen Stellenwert ein und wurden an den entscheidenden
Schnittstellen wie Netzkonzeption, Netzanalysen und Maßnahmenprogramm
angesiedelt.
Darüber hinaus konnten und haben Bürgerinnen
und Bürger im Rahmen der Mobilitätsbefragung, in drei Bürgerworkshops, per
Email und später auch über den Wegedetektiv, Hinweise und Vorschläge geben
Die jeweiligen Schritte der Abstimmung und
Bürgerbeteiligung werden in nachfolgender Grafik verdeutlicht.
Zusätzlich fand eine bilaterale Abstimmung
zwischen dem Verkehrsplanungsbüro und den Kommunen zu allen nachgefragten
Inhalten statt.
Bericht mit Hinweisen für die Kommunen
Der Bericht mit Hinweisen für die Kommunen und Anhang mit den kommunalen
Katastern und Maßnahmenkarten enthält für jede der Landkreiskommunen mit ihren
Ortsteilen:
·
eine kommunale Unfallkarte
·
eine Darstellung der Radverkehrsinfrastruktur im
Bestand nach untermäßigen Breiten nach ERA, Mängel an Oberflächen und
Ausbildung der Knotenpunkte
·
Maßnahmenkarte
·
Maßnahmenkataster, Baulast, Prioritäten
·
einen Erläuterungsbericht
Die Kommunen haben zum Teil den spezifischen Berichtsteil bereits in ihren Gremien besprochen und teilweise eine Umsetzung der dargestellten Maßnahmen beschlossen.
Eine
Kurzfassung des Endberichts findet sich in der Anlage.
Der
Ausschuss für Bau und Verkehr hat in seiner Sitzung am 19.02.2019 dem Kreistag
einstimmig empfohlen, dem Beschlussvorlag zuzustimmen.
Aus dem Kreistag wird einhellig Zustimmung zur Empfehlung des
Ausschusses für Bau und Verkehr signalisiert, das landkreisweite
Radverkehrskonzept umzusetzen. Die hohen Kosten sind nach Ansicht des Gremiums
im Sinne des Klimaschutzes notwendig.
Andrea Fromberg, Büro VIA
führte die Kreisrätinnen und Kreisräte in einem einstündigen Vortrag durch die
Entwicklung dieses Konzepts, das zum Ziel hat, mehr Bürgerinnen und Bürger zum
Umstieg auf das Rad zu bewegen.
Vor allem im Alltagsverkehr
biete das Rad viel Potenzial, ist Landrat Jens Marco Scherf überzeugt.
Beginnend mit einer
Mobilitätsbefragung, hatten die Fachleute später unter anderem die
Radfahrunfälle analysiert, Maßnahmen für das Radnetz untersucht und geplant,
Prioritäten gesetzt und alle wünschenswerten Investitionen nach
Baulastträgerschaft und geschätzten Kosten aufgeführt. Die Experten des Büros
VIA hatten zudem ein Wunschliniennetz entworfen und für den gesamten Landkreis
Leitprojekte definiert, die den Handlungsrahmen für die nächsten zehn bis 15
Jahre bieten.
Laut Frau Andrea Fromberg
sei es wünschenswert, den Mainradweg im Radvorrangrouten- standard auszubauen
und die Mainquerungen zu optimieren. Wie wichtig das ist, zeigte sie am
Beispiel von Miltenberg mit der alten Mainbrücke und der Martinsbrücke, die für
Radfahrer nicht optimal befahrbar seien. Für Frau Andrea Fromberg sei in diesem Zusammenhang der Bau
einer Fußgänger- und Radfahrerbrücke am alten Bahnhof in Miltenberg sehr
wünschenswert. Um Unfälle zu reduzieren, schlug sie die Temporeduzierung auf
Straßen außerhalb der Ortsgrenzen, die kein Radweg begleitet, vor. Besonders
auf gering belasteten Straßen sollte man Tempo 70 für den Straßenverkehr
einführen, empfahl sie, auch Schutzstreifen wären gut. Dies allerdings gebe die
Straßenverkehrsordnung zurzeit nicht her, bedauerte sie. Aus dem Staatlichen
Bauamt gebe es erste zögerliche Signale, hier möglicherweise ein Pilotprojekt
umzusetzen.
Frau Andrea Fromberg stellte
mehrere andernorts umgesetzte Maßnahmen zur Förderung der E-Mobilität vor und
bezeichnete es als wichtig, geeignete Flächen für das Parken und Unterstellen
der Räder bereitzustellen. Sie nannte die Bike+Ride-Offensive der Bahn, bei der
die Westfrankenbahn als Ansprechpartner bereitsteht. „Da sollten Sie dringend
einsteigen“, rät sie. Sie empfahl auch, im Landkreis Miltenberg einen
Fahrrad-Beauftragten zu installieren, da es noch viele Projekte gebe, die es
umzusetzen gelte und um die sich jemand kümmern müsse. Insgesamt
bezifferte Frau Andrea Fromberg die
Kosten für den kompletten Infrastrukturausbau im Landkreis auf rund 47
Millionen Euro, davon wären rund 24 Millionen Euro von den Kommunen zu tragen
sowie 7,4 Millionen vom Landkreis.
Landrat Scherf verwies auf
die Empfehlungsbeschlüsse des Fachausschusses für Bau und Verkehrs hin, welche
9 Teilbeschlüsse erarbeiteten. 2 Teilbeschlüsse erwähnte er besonders, die Stelle eines
Radverkehrsbeauftragten im sachangemessenen Umfang zu schaffen und die Prüfung
der Umsetzung eines Förderprogrammes für die Förderung von Maßnahmen in der
Bauträgerschaft der Landkreiskommunen mit einem Budget von 150.000 €
einzuplanen.
Zur Einstellung eines Fahrradbeauftragten gab es Diskussionen im
Kreistag. Auf Initiative der CSU-Fraktion Jürgen Reinhard wurde der Wunsch
geäußert, noch einmal eindringlich zu prüfen, inwieweit die Aufgaben des
Radverkehrsbeauftragten durch vorhandenes Personal erbracht werden können.
Herr Schuck, Fraktion Neue
Mitte, fragte nach, ob Elektroroller und Seilbahn auch einen Anteil von
Fahrrädern ersetzen können. Wir wissen nicht, wie es sich entwickelt. Abwartend
und vorsichtig werden Seilbahn und Tretroller betrachtet, so Andrea Fromberg.
Herr Zöller erwähnte den
Wunsch, innerhalb der Ortschaft ein 30 und außerhalb der Ortschaft 70
Tempolimit einzuführen. Frau Andrea
Fromberg erwiderte, dass Kreis, Staats-und Bundesstraßen durch die StVO
geregelt werden. Grundsätzlich ist es so, dass es in der Vorlage von der Verkehrsministerkonferenz auch diese Thematik wieder Thema ist.
Der Beschluss des Gremiums
bildet unter anderem auch den zu leistenden finanziellen Aufwand für die
Umsetzung des Konzepts ab. So sollen in den nächsten zehn Jahren bis zu 500.000
Euro jährlich für infrastrukturelle Maßnahmen in Baulastträgerschaft des
Kreises in den Haushalt eingestellt werden, zudem sollen Vor- und Nachteile des
Beitritts des Landkreises zur Arbeitsgemeinschaft fahrradfreundlicher Kommunen
geprüft werden.
Städten, Gemeinden und
Staatlichem Bauamt soll die Umsetzung des Handlungsprogramms mit Prioritäten
für die Bundes-, Staats- und Gemeindestraßen nahe gelegt werden.
Vorbehaltlich der haushaltsrechtlichen Klärung soll zudem ein Förderprogramm
mit einem Volumen von 150.000 Euro zur Unterstützung von Maßnahmen in
Baulastträgerschaft der Kommunen aufgelegt werden.
Hier spielt noch eine
gewisse Unsicherheit mit, da der Landkreis noch unter Klage der Gemeinde
Weilbach u.a. in Bezug auf freiwillige Leistungen steht. Wenn man alle
Infrastrukturaufgaben der Kommunen dem Landkreis übertragen würde, würde sich
der Fahrradbeauftragte auf jeden Fall rentieren, so eine Anregung aus dem
Gremium. Dies wäre, so die Vermutung, auch rechtlich zulässig, da die Umsetzung
der Maßnahmen die Leistungsfähigkeit der Gemeinden übersteigt und der Landkreis
deshalb tätig werden dürfe.
Ob das realistisch ist,
werde man prüfen versprach Landrat Jens Marco Scherf, zeigte sich aber
skeptisch aufgrund der hohen Auslastung im Bereich Straßenbau und der
zunehmenden Anforderungen an den Klimaschutz. Man werde aber dem Gremium im
Herbst alternative Umsetzungen zu den erwähnten Teilbeschlüssen vorlegen.
[1] Forschungsgesellschaft für Straßen und Verkehrswesen (FGSV): Richtlinien zur integrierten Netzgestaltung (RIN). Köln, 2008