Tagesordnungspunkt

TOP Ö 2: Information: Fallsteuerung von Jugendhilfemaßnahmen

BezeichnungInhalt
Sitzung:06.05.2019   JHA/001/2019 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführung zur Kenntnis.

 


Ausführlich informieren Herr Rätz, Jugendamtsleiter und Frau Appel Leiterin des Allgemeinen Sozialen Dienstes, über die fachliche Steuerung im Jugendamt im Landkreis Miltenberg. In einer Präsentation wird auf folgende Punkte näher eingegangen:

Eine Auswahl gesetzlicher Grundlagen

Mit dem Sozialgesetzbuch (SGB) VIII wurde die fürsorge- und ordnungsrechtliche Ausrichtung der Kinder- und Jugendhilfe durch ein Sozialleistungsrecht abgelöst. Die leistungsberechtigten Bürger*innen treten mit subjektiven Rechtsansprüchen an das Sachgebiet Kinder, Jugend und Familie heran. Hierfür hält das Sachgebiet im Bereich der Jugendhilfe u.a. folgende Leistungen vor:

·         Angebote der Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (§§ 11 bis 14)

·         Angebote zur Förderung der Erziehung in der Familie (§§ 16 bis 21)

·         Angebote zur Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und in Tagespflege (§§ 22 bis 25)

·         Hilfen zur Erziehung und ergänzende Leistungen (§§ 27 bis 35, 36, 37, 39 40)

·         Hilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche und ergänzende Leistungen (§§ 35a bis 37, 39, 40)

·         Hilfe für junge Volljährige und Nachbetreuung (§ 41)

 

Soziale Anliegen der Bürgerinnen und Bürger und Zugangswege zum Jugendamt

Die Gründe für die Kontaktaufnahme zum Jugendamt sind vielschichtig und mannigfaltig. Ebenso die Zugangswege und die damit verbundene Erwartungshaltung an das Jugendamt. Das Jugendamt bietet ein umfassendes Angebot an Leistungen und hat entsprechend Aufgaben zugunsten junger Menschen und Familien zu erfüllen. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, stellt es die notwendigen Hilfen und sozialen Leistungen bereit, die die psychosoziale Grundversorgung von Familien mit Kindern / Jugendlichen im Landkreis sicherstellen.

 

Der Allgemeine Soziale Dienst (ASD) als zentraler Ansprechpartner

Die Mitarbeiter*innen des Sachgebiets prüfen die Anspruchsberechtigung (Zuständigkeit und Anspruchsvoraussetzungen) und leisten verhältnisangemessen im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Dies geschieht durch unterschiedlichste Fachdienste in eigener Beratung, Vermittlung an externe soziale Dienstleister oder – wenn notwendig und geeignet – auch durch weitere Unterstützung in Form von Hilfen zur Erziehung oder durch Eingliederungshilfen. Zentraler Ansprechpartner für Sozialberatung im Amt für Kinder, Jugend und Familie ist der Allgemeine Soziale Dienst. Er ist verantwortlich für die

·         zentrale Fallsteuerung

o   selbst für nahezu der Hälfte (44%) aller Angebote (Produkte) des Sachgebiets

o   mit einem Ausgabenvolumen i.H.v. von ca. 80 bis 90 % der Jugendhilfekosten

 

Hilfesteuerung (Beratung, Hilfekonferenz und Hilfeplan)

Die Abläufe im Jugendamt sind im Rahmen der Qualitätssicherung (§ 79a) durch geeignete Verfahren sicher zu stellen. Im Verfahren der Hilfesteuerung kommen im Sinne der Prozessqualität folgende Standards zum Tragen.

 

Beratung:

·         Der ASD berät umfassend und fertigt nach seiner Anamnese in jedem Fall eine sozialpädagogische Diagnose an. So kann er auch zu hohes Anspruchsdenken der hilfesuchenden Familien oftmals relativieren und deren Eigenverantwortung stärken. Er lehnt Hilfen ab, entscheidet über bedarfsgerechte Angebote des Jugendamtes oder die Weitervermittlung an andere Stellen.

Hilfekonferenz (bei Hilfen durch das Jugendamt):

·         Jeder Einzelfall wird hinsichtlich Geeignetheit, Notwendigkeit und Wirtschaftlichkeit geprüft. Mögliche Leistungen werden darüber hinaus in einer Hilfekonferenz mit Jugendamtsleitung, ASD-Leitung, Leitung der Wirtschaftlichen Jugendhilfe und weiteren Fachkräften dann endgültig entschieden und im Gewährungsfall Ziele vereinbart. Die Ablehnung eines Antrages muss hierbei mindestens ebenso fachlich diagnostiziert und ausdifferenziert werden, wie die Bewilligung einer Hilfe.

Hilfeplan (Überprüfung):

·         Bei laufenden Hilfen werden die Ziele in regelmäßigen Abständen in Form von Hilfeplangesprächen überprüft, ergänzt oder verändert und deren weitere Geeignetheit und Notwendigkeit kontrolliert.

·         Ein erste Hilfeplan erfolgt nach ca. zwei Monaten und erfolgt anschließend alle sechs Monate

 

 

Landrat Scherf betont, dass der ASD im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe handelt und entsprechend steuert, in welche Richtung es geht – sowohl in Bezug auf die passenden Hilfen wie auch die wirtschaftliche Seite. Beim ASD fachlich sparen, hieße an der falschen Stelle zu sparen. Der ASD brauche, um seine Aufgaben erfüllen zu können, angemessene Grundlagen finanziell und personell.

 

Dass Hilfsmaßnahmen teilweise über mehrere Jahre notwendig sind und teilweise über die Volljährigkeit hinaus, stellt Wolfgang Leiblein (Jugendamt) auf Nachfrage von Frau Dolzer-Lausberger fest. Frau Appel ergänzt, die Grundlage des Vertrauens sei ein wichtiger Faktor, welcher aufgebaut werden muss, da die Problemlage der Kinder und Jugendliche sehr komplex ist. „Ambulant vor stationär“ ist die Maßgabe für eine Heilmaßnahme, erwidert sie. Einfluss auf den Zeitraum der Unterbringung hat aber auch das Alter der Kinder und Jugendliche. Bei einer stationären Unterbringung beträgt die Aufenthaltsdauer 2 Jahre.

 

Bei einer stationären Maßnahme innerhalb einer Wohngruppe für ältere Jugendliche geht es um die Verselbständigung und damit verbunden ist auch eine veränderte Zielsetzung und somit auch eine veränderte Maßnahme. In der Regel werden Betreuungskosten im Rahmen der ambulanten Dienste getätigt, obwohl es sich immer noch unter einer stationären Maßnahme läuft. Der Hilfeplan entscheidet über Art und Umfang und Kosten einer Hilfe, so Frau Appel.

 

Nach dem Sozialgesetzbuch hätten Hilfesuchende Anspruch auf Unterstützung. Der ASD sei die erste Anlaufstelle bei sozialen Problemen. In der Regel geht der Erstkontakt von Familien selbst, Schulen, Kindergärten sowie Kliniken und Ärzten aus. Somit wurde die Erste  Frage von Kreisrat Dr. Fahn über die Zugangswege von Frau Appel beantwortet.

 

Auch auf die weitere Frage nach den Kosten von Kreisrat Dr. Fahn bekräftigt Herr Leiblein, dass für eine Kostenübernahme der Bedarf und die Kapazitäten einer Einrichtung entscheidend seien.

Ein starker Wandel sei jetzt schon abzusehen in Hinsicht auf Kapazitäten der Einrichtungen freier Träger selbst. Der Kostenfaktor ist abhängig von Bundesländern, Tagessätzen und Zusatzvereinbarungen. Schon die Suche nach geeigneten freien Plätzen für Einrichtungen gestaltet sich bereits jetzt komplex. Wir geraten zunehmend in einen Markt, in dem die Anbieter dieser Einrichtungen gewissermaßen am längeren Hebel sitzen, äußerte Herr Rätz.

Wenn das Jugendamt die Kostenübernahme bestätigt habe, nehme man Kontakt mit Leistungserbringern auf und vermittelt die Kinder- und Jugendlichen an geeignete Einrichtungen freier Träger. In den Erstgesprächen mit den Einrichtungen benenne das Jugendamt klar die Aufträge. Regelmäßige Hilfeplangespräche im Abstand von sechs Monaten sorgten in der Folge dafür, dass die Maßnahmen auch erfolgreich, d.h. wirkungsvoll sein können.

 

Die Frage von Herrn Paulus über das Verhältnis zwischen stationären und ambulanten Hilfeleistungen wurde von Herrn Leiblein mit 1:3 angegeben.

 

Auf die Frage von Frau Müller bestätigt Frau Appel, dass es bisher noch keinen Fall gab, wo es zu keiner Unterkunftsmöglichkeit gab.

 

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