Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Antrag der FDP-Fraktion: Keine Abschiebung von abgelehnten Asylbewerber/innen und Flüchtlingen in Ausbildung und/oder in einem Beschäftigungsverhältnis bei erfolgreicher Integration

BezeichnungInhalt
Sitzung:18.10.2018   KT/004/2018 
Beschluss:mehrheitlich beschlossen
Abstimmung: Nein: 1
DokumenttypBezeichnungAktionen

Der Kreistag beschließt bei einer Gegenstimme:

 

Der Kreistag Miltenberg unterstützt nachdrücklich die Bestrebungen, die Abschiebung von abgelehnten Asylbewerber*innen und Flüchtlingen, die sich in einer Ausbildung befinden und/oder nachweislich gut integriert sind, zu verhindern und so den direkt betroffenen Menschen eine mittel- und langfristige Perspektive für ihr Leben zu bieten, aber auch für die Arbeitgeber Anreiz und Rechtssicherheit für die Ausbildung und die Beschäftigung dringend benötigter Arbeitskräfte zu sichern.


Mit Datum des 20.8.2018 hat die Kreistagsfraktion der FDP den Antrag „Keine Abschiebung von Asylbewerber*innen in Ausbildung und/oder in einem Beschäftigungsverhältnis bei erfolgreicher Integration“ gestellt.

 

„Der Kreistag Miltenberg unterstützt nachdrücklich die Bestrebungen, die Abschiebung von  Asylbewerbern, die sich in einer Ausbildung befinden und/oder nachweislich gut integriert sind, zu verhindern und so den direkt betroffenen Menschen eine mittel- und langfristige Perspektive für ihr Leben zu bieten, aber auch für die Arbeitgeber Anreiz und Rechtssicherheit für die Ausbildung und die Beschäftigung dringend benötigter Arbeitskräfte zu sichern.“

 

Begründung des Antrags durch Kreisrat Dr. Linduschka:

 

Wir wissen natürlich, dass in dieser Frage letztlich der Bundesgesetzgeber gefragt ist. Es geht um ein Einwanderungsgesetz, es geht aber auch um konkrete, praxisnahe Vorschläge wie die des „Spurwechsels“ vom schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Daniel Günther oder um die Forderung des Würzburger Oberbürgermeisters Christian Schuchardt, dass gut integrierte Flüchtlinge auch bei Ablehnung ihres Asylantrags dauerhaft in Deutschland bleiben dürfen. Solche Vorschläge durch Politiker jenseits parteipolitischer Schranken machen klar, dass die aktuelle Regelung nicht länger tragbar ist – nicht für die Flüchtlinge, die sich intensiv um die Integration bemühen, und auch nicht für die regionale Wirtschaft, die ebenfalls ihren Beitrag dazu leisten will und auf der Suche nach dringend benötigten Arbeitskräften ist. Konkrete Fälle vor Ort – genannt soll hier nur der beispielhafte Fall des 19-jährigen Afghanen Hasib Mirzada werden, der seit März 2017 zur allgemeinen Zufriedenheit in der Elsenfelder Bäckerei Weigand die Praxis der Ausbildung durchläuft und nun abgeschoben werden soll – belegen die Dringlichkeit unseres Antrags auf für die Lage vor Ort. Weitere Fälle ähnlicher Art können auch in unserer Region genannt werden.

Unserer Ansicht nach ist es eine Aufgabe verantwortungsvoller und weitsichtiger Kommunalpolitik, auf Missstände zu reagieren, die vor Ort sicht- und spürbar sind. Verantwortliche Landes- und Bundespolitiker sind auf solche konkreten Rückmeldungen von der „Basis“ angewiesen, wenn sie sachgerecht und praxisnah und ohne ideologische Scheuklappen entscheiden wollen. Deshalb sollte der Kreistag Miltenberg unmissverständlich seine Position zum diesem Thema formulieren. Bei Bedarf könnte über die Landkreisverwaltung eine konkretere und umfassendere Bestandsaufnahme vorgenommen werden, allerdings scheinen uns auch die bereits bekannten Fälle und die nicht zufriedenstellende Rechtslage Grund genug für eine klare Stellungnahme des Kreistags zu sein.

 

Stellungnahme der Verwaltung:

 

Aktuelle Rechtslage:

  1. Staatsangehörige eines Nicht-EU-Landes können mit einem Visum/einer Aufenthaltsgenehmigung unter den Voraussetzungen des § 17 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) zum Zweck einer qualifizierten Berufsausbildung nach Deutschland kommen. Auch anerkannte Asylbewerber*innen können einer Berufsausbildung nachgehen.

 

  1. Asylsuchende kommen i.d.R. allerdings ohne ein Visum/Aufenthaltsgenehmigung sowie ohne Pass bzw. sonstiger Dokumente zum Nachweis ihrer Herkunft nach Deutschland.

a.    Bereits während des Asylverfahrens kann  die Aufnahme einer Berufsausbildung/Beschäftigung zugelassen werden. Diese ist bei der zuständigen Ausländerbehörde zu beantragen, welche auch die Bundesagentur für Arbeit bei einer beabsichtigten Beschäftigungsaufnahme einschaltet. Keiner Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit bedarf die Aufnahme einer Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf. Bei Herkunftsländern mit hoher Bleibeperspektive ist dies i.d.R. kein Problem. Dies sind Länder mit einer Schutzquote von über 50%, dies wird vom BAMF halbjährig festgelegt (Eritrea, Irak, Iran, Syrien und Somalia).

b.    Ein Beschäftigungsverbot gilt allerdings für Asylsuchende die in einer Aufnahmeeinrichtung wohnen müssen (bis zu 6 Monate) und für Asylsuchende aus sicheren Herkunftsländern mit Asylantragsstellung nach dem 31.08.2015 (Albanien, Bosnien und Herzegowina, Ghana, Kosovo, Mazedonien, Montenegro, Senegal und Serbien).

 

  1. Wenn das Asylgesuch abgelehnt wird, erlischt grundsätzlich auch eine Genehmigung zur Beschäftigung, da dann die Aufenthaltsbeendigung im Vordergrund steht und der abgelehnte Asylbewerber das Land verlassen muss.

a.    In diesem Fall ist die aufgenommene Tätigkeit unverzüglich abzubrechen. Die Fortsetzung der beruflichen Tätigkeit kann bei der zuständigen Ausländerbehörde erneut beantragt werden. Eine Genehmigung darf nicht mehr erteilt werden, wenn aufenthaltsbeendende Maßnahmen aus Gründen nicht möglich sind, die der Ausländer selbst zu vertreten hat (z. B. fehlende Mitwirkung bei der Beschaffung von Reisedokumenten) und bereits konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung eingeleitet wurden.

b.    Eine besondere Regelung für ein Bleiberecht zu Ausbildungszwecken ist die sog. 3+2 Regelung nach § 60a Abs 2 Satz 4ff AufenthG. Voraussetzung dafür ist ein abgeschlossenes Asylverfahren und der Ablehnungsbescheid des BAMF. Danach kann ein Flüchtling, der eine Ausbildung in Deutschland während des Asylverfahrens begonnen hat auch dann die Ausbildung abschließen und eine zweijährige Anschlussbeschäftigung ausüben, wenn sein Asylantrag abgelehnt wird. Rechtliche Voraussetzung dafür ist, dass der Asylbewerber beispielsweise nicht über die Identität getäuscht hat (somit die Identität geklärt ist), widersprüchliche Angaben gemacht hat, seine Mitwirkungspflichten im Asylverfahren gröblich verletzt hat und keine vorsätzlichen Straftaten begangen hat . Zudem muss es eine Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf sein.

Weiter dürfen bereits keine konkreten Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung durch die Ausländerbehörde, i.d.R. die Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) eingeleitet worden sein.

Für den Zeitraum der Ausbildung würde dem Ausländer ein sog. „Ausbildungsduldung“ erteilt werden.

 

Die derzeit gültige Rechtslage zeigt, dass die Frage der Integration in unsere Gesellschaft keine entscheidende Rolle spielt.

 

Eine wie von der FDP gewünschte konkretere und umfassende Bestandsaufnahme durch die Landkreisverwaltung ist nicht möglich. Die Zuständigkeit für die allermeisten Fälle liegt nicht beim Landratsamt Miltenberg, sondern bei der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB), wenngleich die Menschen in unserem Landkreis wohnen. Mangels Zuständigkeit und Erfassung können die entsprechenden Daten nicht ermittelt werden.

 

Von insgesamt 3 Fällen mit einer hier erteilten Ausbildungsduldung hat die ZAB zwischenzeitlich bei 2 Personen wieder die Zuständigkeit an sich gezogen.

 

Angekündigte Abschiebungen von im Landkreis Miltenberg lebenden abgelehnten Asylbewerber*innen wurden in den vergangenen Monaten durch Einzelfallentscheidungen der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) ausgesetzt, um eine Fortsetzung der Ausbildung im Rahmen der 3+2 Regelung nach § 60a Abs 2 Satz 4ff Aufenthalt ermöglicht.

 

Der Kreisausschuss hat in seiner Beratung am 8.10.2018 den Personenkreis auf „Flüchtlinge“ konkretisiert und die Beschlussfassung einstimmig an den Kreistag empfohlen.

 

Der Kreistag diskutiert den Antrag sehr kontrovers.

 

Mehrheitlich signalisieren die Kreisrätinnen und Kreisräte Zustimmung zum Antrag.

 

Die verhinderte Abschiebung des genannten Personenkreises gebe den Betroffenen eine mittel- und langfristige Perspektive, auch helfe man damit Arbeitgebern, dringend benötigte Arbeitskräfte zu sichern, so einige Mitglieder des Kreistags.

Kreisrat Stich trägt den Antrag mit, verweist aber darauf, dass ihn aus ethischer Sicht der Nützlichkeitsgedanke störe. Das Asylrecht sei dafür da, zu schützen.

Es sei wichtig, dass die „große Politik“ die Gedanken an der Basis kennt, lautet ein Argument von Kreisrätin Frey für den Antrag.

Da der Landkreis für Abschiebungen und Anerkennungen nicht zuständig sei, sei der Antrag abzulehnen, lautet ein Gegenargument von Kreisrat Bieber.

Der Kreistag habe immer wieder in besonderen Situationen Resolutionen verfasst, stellt Landrat Jens Marco Scherf fest, allerdings müsse jede Resolution sorgfältig abgewogen werden und es müsse sich um besonders wichtige Anliegen handeln.

Solche Resolutionen würden im Kreistag nicht inflationär betrieben, gibt ihm Kreisrätin Becker Recht.

Kreisrat Michael Berninger lenkt den Blick auf die sprachliche Integration. Er fordert den Landkreis dazu auf, die sprachliche Integration zu fördern und zu intensivieren. Ein Arbeitskreis soll hierzu Möglichkeiten in Abstimmung mit dem Staatlichen Schulamt, den VHS und den ehrenamtlichen Helferkreisen untersuchen. Die Federführung sollte das Staatl. Schulamt übernehmen.

Kreisrat Winter plädiert auch für die sprachliche Integration. Die deutsche Sprache sei oft das Hauptproblem, um die Menschen in die Ausbildung zu bekommen.

 

Landrat Scherf nimmt den Vorschlag von Kreisrat Berninger mit der Zusicherung auf, über einen Runden Tisch zum Thema sprachliche Integration mit dem Staatlichen Schulamt das Gespräch zu suchen.

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