Tagesordnungspunkt

TOP Ö 14: Antrag der Kreistagsfraktionen von FDP, ÖDP, SPD und Grünen mit Unterstützung der Kreisräte Dr. Hans Jürgen Fahn und Edwin Lieb: Bürgerentscheid zum Nationalpark im Spessart

BezeichnungInhalt
Sitzung:24.07.2017   KT/003/2017 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Landrat Scherf führt zu dem vorliegenden Antrag aus, dass rechtlich gesehen das Bayerische Staatsministerium des Innern gegenüber dem Landkreis Aschaffenburg in einer Stellungnahme die Zulässigkeit eines derartigen Bürgerentscheides verneint habe.

Er möchte politisch dazu ausführen, dass er am 07. Juli 2017 in München der Staatsministerin Scharf persönlich den entsprechenden Antrag aus dem Kreistag vorgelegt habe mit der Bitte, die Möglichkeit einer direkten Befragung der Bürgerinnen und Bürger im Landkreis Miltenberg als Grundlage für eine Entscheidung durch den Ministerrat abzuwägen. Eine Stellungnahme des zuständigen Ministeriums bzw. der Staatsregierung zu diesem Angebot liege noch nicht vor. Der zuständige Ministerrat habe in seiner Sitzung am 18. Juli 2017 bereits entschieden, dass mit der Region des Spessarts nicht in die dritte konzeptionelle Phase eingestiegen werden solle. Damit sei der Gegenstand eines möglichen Bürgerentscheides bereits nicht mehr vorhanden, ohne dass es seitens des Landkreises Miltenberg gegen diese Entscheidung eine rechtliche Einflussmöglichkeit gebe. Der Antrag habe sich somit sachlich erledigt.

Er möchte darüber hinaus betonen, dass der Ministerrat einen zweiteiligen Beschluss zur Frage des Nationalparkes im Spessart getroffen habe. Im ersten Teil der Entscheidung habe er gesagt, dass er mit dem Spessart nicht in die dritte konzeptionelle Phase einsteigen wolle. Aber er habe im Rahmen dieses Beschlusses sehr deutlich seine Offenheit und Bereitschaft geäußert für ein alternatives, regional entwickeltes Konzept im Rahmen des Naturparks Spessart. Hierfür hätten er und die beiden Landratskollegen aus Main-Spessart und Aschaffenburg im Ministerium geworben. Er habe in dieser Hinsicht auch einige Telefonate geführt und sei sehr froh, dass die Kollegen dies in dieser Intensität mit unterstützt hätten. Landrat Scherf sei bei einer Sitzung im Rahmen des Naturparks Spessart, gemeinsam mit Kreisrat Thomas Zöller als Schriftführer des Naturparks Spessart, bei allen Akteuren auf einhelliges Wohlwollen gestoßen, Naturschutz, Artenschutz und Landschaftsschutz zu stärken. Man werde sich dazu im Herbst konzeptionell zusammensetzen.

 

 

Kreisrat Dr. Linduscha sagt, dass es allen klar sei, dass der Antrag durch die Entscheidung in München inhaltlich überholt sei. Trotzdem möchte er sagen, dass der Antrag ihrer Ansicht nach absolut sinnvoll und höchst notwendig gewesen sei, denn die Art und Weise, in welcher Geschwindigkeit und mit wenig demokratischer Beteiligung hier entschieden worden sei, könne nicht zukunftsweisend sein. „Es ist besser, eine gründliche Entscheidung zu treffen als eine schnelle“. Jeder wisse, dass ein Nationalpark unglaublich viel für die Entwicklung von Regionen bedeute. Dafür gebe es wunderbare Beispiele. In dieser Schnelligkeit und der fehlenden Rückbildung vor Ort könnten Entscheidungen nicht gefällt werden. Nach vielen Entscheidungen der letzten Jahre, die in die Hose gegangen seien, G8 als Beispiel genannt, müsste langsam ein Lernprozess in München stattfinden, dass es so nicht gehe, wenn man die Leute vor Ort nicht frage. Deswegen halte er den Antrag im Nachhinein  noch für richtig. Man müsse mit Experten vom Archäologischen Spessartprojekt und anderen reden, die wüssten, wie man ein Gebiet umweltverträglich, regional angepasst und gleichzeitig für den Tourismus positiv entwickeln könne. Man müsse das Angebot aus München intensiv in Angriff nehmen, um nicht eine weitere vertane Chance zu haben. Was im Einzelnen an Abstimmungen gelaufen sei, sei eigentlich ein Treppenwitz auf das Thema Demokratie. Wenn man in Orten abstimme, wo der Waldbesitzeranteil bei 60 oder 70% liege und dann diese Ergebnisse bekanntgebe und sage, dass offensichtlich der Widerstand sehr groß sei, dann habe irgendjemand nicht gelernt, bis drei zu zählen.

 

Landrat Scherf möchte sich nicht zu den Bürgerentscheiden vor Ort äußern. Es sei das Recht der Menschen, dort ihre Meinung kund zu tun. Das Entscheidende jetzt sei, dass man die Möglichkeit bekommen habe, hier vor Ort gemeinsam etwas zu entwickeln. Die Menschen seien auf beiden Seiten enorm engagiert und betroffen. Dies müsse man wieder zusammenführen, um gemeinsam etwas Gutes für die Region zu entwickeln.

 

Kreisrat Stich bestärkt Kreisrat Dr. Linduschkas Aussage. Die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen sei von Anfang an geschlossen für den Nationalpark. Er möchte bestärken, dass das Instrument des Bürgerentscheids das richtige gewesen wäre, um den Bürgerwillen zu erkunden. Die CSU und Seehofer hätten gesagt, dass nichts gegen den Willen der Bürger entschieden werden solle. Die Bürger würden aber eben nicht gefragt. Bei so einer übereilten Aktion sei es eben nicht möglich, einen entsprechenden Bürgerentscheid durchzuführen. Für ihn sei es auch ein besonderer Treppenwitz, in einer Situation, in der Seehofer und die CSU gegen die CDU im Wahlkampf im Bund das Volksbegehren auf Bundesebene fordern. Seehofer, der in eine besondere Ehe mit dem Bürgerwillen eingetreten sei, fordere das auf Bundesebene und mache es gleichzeitig im Spessart vor Ort unmöglich, dass man den Willen der Bürgerinnen und Bürger erhebe. Für ihn sei das ein Skandal.

 

Kreisrat Reinhard findet die Diskussion um den Bürgerentscheid interessant. Die Orte, die sich betroffen gefühlt hätten, seien eben schneller gewesen. Sie hätten sich ganz klar dagegen ausgesprochen. Wenn man von Demokratieverständnis rede, sei diese Entscheidung auch zu akzeptieren. Man könne noch so oft abstimmen wollen, damit das Ergebnis irgendwann passe, aber das gehe so nicht. Auf Kreisebene könne es nicht zu einem Ergebnis führen. Es sei gut, dass die Diskussion jetzt beendet sei.

 

Landrat Scherf sagt, dass es die drei Landräte gewesen seien, vor allem Herr Schiebel, aber auch Dr. Reuter, die für das neue, regionale Konzept geworben hätten, als man gemeinsam in München beim Gespräch mit der Ministerin aufgrund der großen Betroffenheit der Menschen hier im Landkreis Miltenberg dringend darum gebeten habe,. Er möchte niemandem etwas Negatives unterstellen. Es sei eine hohe emotionale Betroffenheit bei einem großen Teil der Bevölkerung gegen einen Nationalpark, aber auch bei einem großen Teil der Bevölkerung für einen Nationalpark. Die drei Landräte hätten in der Besprechung mit der Frau Staatministerin zum Ausdruck gebracht, dass eine reine Ja- oder Nein-Entscheidung jeweils einen beachtlichen Anteil der Bevölkerung ganz massiv verstören, enttäuschen und frustrieren werde. Sie hätten deshalb darum gebeten, für den Fall, dass die Staatsregierung bzw. der Ministerrat Nein sagen werde, die Möglichkeit bekomme, gemeinsam mit den Menschen hier vor Ort ein Konzept zu entwickeln, um Naturschutz, Artenschutz und Landschaftsschutz zu stärken. Dieses habe der Ministerrat aufgenommen, und in der letzten Sitzung des Naturparkes Spessart habe man dieses Angebot aufgenommen und besprochen, wie man die Akteure im Spessart an einen Tisch holen könne, um wieder Gräben zuzuschütten und etwas für den Spessart zu tun.

 

Kreisrat Schötterl ist entsetzt, wie schnell man den Bürgerinnen und Bürgern dieses Thema vor die Füße geschmissen habe. Es sei eine bodenlose Frechheit gewesen. Hier gehe es nicht um die Frage ja oder nein, er sei auch nicht gewillt, die Frage bei so einem diffusen Verfahren überhaupt mit ja oder nein zu beantworten. Es könne nicht sein, dass man so ein emotionales Thema völlig unvorbereitet den Bürgerinnen und Bürgern vor den Latz knalle. Es sei kein Konzept an den Mann gebracht worden, dann habe die Regierung Monate ins Feld gehen lasse, während sich hier verfeindete Parteien gegenüberstehen und ganze Ortschaften und Regionen gespalten worden seien. Jetzt ziehe sich die Regierung raus, und die Region diskutiere über Demokratie. Man hätte von Anfang an die Leute mitnehmen sollen, dann abklären, ob Interesse bestehe, dann vielleicht die Betroffenen an einen Tisch holen und dann auf Augenhöhe diskutieren. Jetzt hat sich die Regierung zurückgezogen. Diese Schnelligkeit des Hinwerfens gehe ihm persönlich seit Monaten gegen den Strich. Es werde nur noch über ja oder nein diskutiert, aber die Art und Weise des Vorgehens bei einem Zukunftsthema, dies einem einfach so vor die Füße zu werfen sei eine bodenlose Frechheit.

 

Kreisrat Eppig nimmt Bezug auf die Aussage von Landrat Scherf, dass es vom Ministerium entschieden worden sei, dass solch ein Antrag nicht zulässig sei. Jetzt sitze man hier und mache Landespolitik. Man sollte eigentlich nur über einen Antrag abstimmen, der sich inzwischen erledigt habe. Es gebe andere Möglichkeiten, wenn man Landespolitik betreiben möchte. Man habe gehört, dass dieser Antrag nicht abgestimmt werden könne, weil er nicht zulässig sei. Daher müsse man nicht stundenlang diskutieren. Er bittet darum, die Diskussion hier einzustellen.

 

Kreisrätin Münzel schließt sich der Aussage Kreisrat Schötterl voll und ganz an. Die Staatsregierung habe immer gesagt, dass es nicht gegen den Willen der Region gehen solle. Aber die Staatsregierung habe versäumt, zu sagen, was die Region sei. Das ganze Thema sei sehr wohl ein regionales Thema, nicht nur ein Landesthema. Es gehe hier um Staatswald, der den Bürgern und Bürgerinnen hier genauso gehöre wie den Bürger*innen in Faulbach oder in Altenbuch. Es hätte sauber abgefragt gehört. Die betroffenen Kommunen hätten ganz unterschiedliche Verfahren angewandt, um den Bürger*innenwillen zu erfahren und um ein Meinungsbild zu bekommen. Es wäre eine saubere Sache gewesen, jetzt die Gutachten mit den Bürger*innen im gesamten Landkreis zu diskutieren, um dann einen Bürgerentscheid durchzuführen. Die Staatsregierung hätte es erlauben können, wenn sie wirklich wissen möchte, wie die Region denke.

 

Kreisrat Stappel sagt, dass man sich über dieses Thema die Köpfe heiß reden könne, das aber an den Tatsachen nichts mehr ändere. Er würde empfehlen, den Ball nicht wieder zu verspielen. Man solle sehr sachlich, offen und demokratisch auf das Angebot zugehen. Es sei eine Chance, die nichts kaputtmache, und wo man durch eine richtige Planung entsprechend auch das bekäme, was man wolle.

 

Landrat Scherf fasst zusammen, dass nach einem komplett verpfuschten Verfahren die neue Chance genutzt werden solle.

 

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