Tagesordnungspunkt

TOP Ö 2: Mögliche Kommunalisierung der Müllabfuhr im Landkreis Miltenberg;
Vorstellung der Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalyse
(Frau Foerster-Scholz und Herr Schürer von teamwerk ag, Mannheim

BezeichnungInhalt
Sitzung:13.07.2015   ENU/004/2015 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Die Mitglieder des Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.


Landrat Scherf führt aus, dass sich im Zuge des Auslaufens des Vertrags mit der Fa. Remondis zum 30. Juni 2017 der zuständige Ausschuss für Energie, Umwelt und Naturschutz in seiner Sitzung im vergangenen Herbst – es war der 30. September 2014 - einstimmig entschieden habe, sich auf Grund der Vorgehensweise zahlreicher Städte und Landkreise in Bayern ergebnisoffen mit der Möglichkeit einer Kommunalisierung der Müllabfuhr als Alternative zu einer erneuten europaweiten Ausschreibung auseinanderzusetzen. Dazu sollten, so besage der Beschluss, alle Rechts- Fach- und Steuerfragen im Zusammenhang mit einer Kommunalisierung der öffentlichen Müllabfuhr geprüft werden.

 

Dies sei vor dem Hintergrund der Summen – man rede hier grob gesagt von einem Betrag von rund 20 Millionen € - absolut richtig, sich mit Alternativen auseinanderzusetzen. Gleichfalls folge man mit dieser Fragestellung einer Empfehlung des Kommunalen Prüfungsverbands. Im Blick auf die Verpflichtung zu einem verantwortungsvollen und wirtschaftlichen Umgang mit den finanziellen Ressourcen sei es eine sinnvolle Empfehlung, diese Frage ergebnisoffen zu beraten und zu diskutieren.

 

Als Grundlage für eine möglichst fundierte und sachorientierte Auseinandersetzung habe der Ausschuss für Energie, Umwelt und Naturschutz jeweils einstimmig beschlossen, ein Gutachten bzw. eine Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalyse zu einer möglichen Kommunalisierung der Müllabfuhr im Landkreis Miltenberg erstellen zu lassen.

 

Das umfangreiche, über 100 Seiten lange Gutachten wurde den Kreisrätinnen und Kreisräten am 6. Juli über das Kreistagsinformationssystem zur Verfügung gestellt. Auch damit wolle man dem Ausschuss Zeit geben, sich bereits vor der Vorstellung des Gutachtens intensiv mit diesem auseinandersetzen zu können.

 

Heute bekomme der Ausschuss zusätzlich das Gutachten vorgestellt und habe die Möglichkeit, Fragen zu stellen. Ein Gutachten liefere Fragestellungen, Sichtweisen aus unterschiedlichen Perspektiven, Kriterien für eine Entscheidung, so Landrat Scherf.

Ein Gutachten liefere selbstverständlich eine Empfehlung; man sollte sich jedoch nicht auf die letzten Seiten des Gutachtens fokussieren, sondern auf die inhaltliche Auseinandersetzung davor. Die Bewertung und Schlussfolgerung obliege am Ende den politisch Verantwortlichen – also den gewählten Mitgliedern des Kreistags. Dass jedes Gutachten mit einer gewissen kritischen Distanz gelesen werden müsse, verstehe sich von selbst; auch die Kritik des Geschäftsführers des Verbands der bayerischen Entsorgungsunternehmen an dem Ersteller des Gutachters bestätige dies – er habe ja selbst eine subjektive Sichtweise.

 

Landrat Scherf betont, dass sowohl die Summe, um die es hier gehe, als auch die Empfehlung des Kommunalen Prüfungsverbands den Ausschuss zur Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung verpflichte. Umso wichtiger sei es seines Erachtens, dass diese Fragestellung öffentlich und transparent geführt werde. Der Chefredakteur der Miltenberger Tageszeitung habe im Hinblick auf die sinkende Wahlbeteiligung bei Kommunalwahlen am Samstag geschrieben: „Immer öfter werden kommunalpolitische Entscheidungen in nicht-öffentlichen Zirkeln vorentschieden. Die eigentliche Arbeit in den gewählten Gremien wirkt zu oft wie ein einstudiertes Polit-Schauspiel. Mehr Transparenz, mehr offene, aber sachorientierte Debatten!“

Man solle sich diese Forderung als Leitlinie für die Auseinandersetzung zu dieser Frage nehmen und man müsse sich als Kreistag dieser Aufgabe gewachsen zeigen. Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von der Kommunalen Abfallwirtschaft eine zuverlässige Abholung der Abfälle, einen guten Service und einen wirtschaftlichen Einsatz der Abfallgebühren – und eine sachliche und transparente Entscheidungsfindung im Kreistag.

Heute sei keine Entscheidung, keine abschließende Bewertung der Ausschussmitglieder verlangt, das wäre in Anbetracht der Komplexität der Thematik und der Bedeutung der Fragestellung nicht seriös. Wie von Anfang an betont erhalte der Ausschuss ausreichend Zeit zur Beratung in den Fraktionen und weitere Hilfestellungen.

 

Eckpunkte in der Entscheidungsfindung seien:

 

10. September 2015:  Informationsfahrt nach Tauberbischofsheim, Kürnach und Schweinfurt. In Kürnach werde man Zeit haben, ausführlich mit dem Leiter des Kommunalunternehmens des Lkr. Würzburg, Herrn Prof. Schraml, zu sprechen.

21. September 2015:  Informationsmöglichkeit für die Fraktionen mit Herrn Schürer und Frau Foerster-Scholz.

            15 Uhr; 17.30 Uhr; 20 Uhr

12. Oktober 2015:       Sitzung des Ausschusses für Energie, Umwelt und Naturschutz mit einem Empfehlungsbeschluss für die Kommunalisierung oder für die Ausschreibung der Müllabfuhr

26. Oktober 2015:       Entscheidung des Kreistags über eine Kommunalisierung oder Ausschreibung der Müllabfuhr

 

Herr Landrat Scherf erteilt den Herren Schmidtmann und Schürer der teamwerk ag das Wort und schlägt vor, die Vorstellung in der Gänze anhören und die Fragerunde anschließen.

 

Die Herren Schmidtmann und Schürer stellen die Wirtschaftlichkeits- und Risikoanalyse anhand beiliegender Präsentation vor.

 

Kreisrat Dr. Fahn möchte wissen, ob die angenommenen zwei Personen als Fuhrparkleitung ausreichend seien. Weiterhin möchte er wissen, ob 32 Mitarbeiter tasächlicher Personalbedarf  bei der Annahme einer Krankenquote von 2,3% nicht zu gering eingeschätzt sei, da der Krankenstand laut Deutschem Institut für Wirtschaft in der Müllabfuhr normalerweise bei 10% liege. Ferner fragt Kreisrat Dr. Fahn nach, ob die Kommunalisierung immer noch günstiger käme, wenn das Umsatzsteuerprivileg wegfalle.

 

Herr Schmittmann erklärt, dass eine Disponentenstelle völlig ausreichend sei. Der Disponent werde bei Urlaub oder Krankheit von dem Betriebsleiter vertreten.

Zur Krankenquote teilt Herr Schmittmann mit, dass die Gründung eines neuen Kommunalbetriebes mit einem privaten Betrieb gleichzusetzen sei. Er erklärt, dass die teamwerk ag nicht mit 2,3% gerechnet habe, sondern von einer Krankenquote von ca. 7% ausgegangen sei.

Herr Schmittmann erläutert, dass man nach seinem Sachstand davon ausgehen könne, dass hierzu in den nächsten zwei bis vier Jahren keine Entscheidung kommen werde. Man kalkuliere im Moment mit einer Übergangsfrist von fünf Jahren, um sich strukturell aufzustellen. Anders als der gängige Glaube sei, sei er der Überzeugung, dass die Rekommunalisierung der Abfallwirtschaft kein Festschreiben der strategischen Ausrichtung bis in alle Ewigkeit sei. Herr Schmidtmann macht klar, dass er die Frage der Umsatzsteuer für die nächsten fünf bis 10 Jahre nicht relevant halte.

 

Kreisrat Weber fragt nach Erfahrungswerten, wie lange in etwa die Umsetzung und Umstellungsphase dauern werde, und ob es bis 2017 machbar sei.

 

Herr Schmittmann antwortet, dass bei beiden Varianten die Dauer ein wichtiger Faktor sei. Jedoch sei sowohl eine europaweiten Ausschreibung als auch eine Kommunalisierung bis 2017 machbar, aber man müsse dieses Jahr noch anfangen, d.h. im Oktober müsse die Entscheidung fallen.

 

Kreisrat Dotzel findet die Nutzwertanalyse zu subjektiv, deswegen sei sie für ihn nicht entscheidungsrelevant.

Er möchte wissen, ob die angegebenen Einnahmen im Gutachten gegengerechnet worden seien.

Des Weiteren regt er an, über Synergien zwischen dem Standort des Betriebshofes mit dem neu geplanten Wertstoffhof nachzudenken.

 

Herr Schmittmann erklärt, dass die Verwertungserlöse, egal bei welcher Variante, in dieser Berechnung keine zentrale Rolle spielen.

Der Gedanke einer Zusammenlegung oder einer Einrechnung von Synergien mit einem neuen Wertstoffhof ist bei diesem Gutachten nicht mit eingeflossen.

 

Kreisrat Ullmer möchte wissen, wie lange diese Neuvergabe gehen soll.

Er ist der Meinung, dass die Zahlen wie z.B. die Annahme von Wagnis/Gewinn, Overhead und Betriebshof im Gutachten überschätzt seien. Er hat die Befürchtung, dass die 10%, die den Unternehmen schlecht geredet werden, in Wahrheit marginal sei.

Kreisrat Ullmer fragt, ob eine Teilausschreibung möglich sei, damit mittelständische Unternehmen einsteigen könnten.

 

Herr Röcklein erwidert, dass die Dauer einer möglichen Neuvergabe festgelegt werde, wenn man sich dazu entscheide, neu auszuschreiben. Dann werde ein Pflichtenheft mit dem Umweltausschuss zusammen erstellt. Auf die Dauer müsse man sich dann verständigen.

Die Ausschreibung in Losen hält Herr Röcklein für praktisch nicht machbar, weil die Verwaltung enorm aufgestockt werden müsste um z.B. den Containerdienst oder das Beschwerdesystem zu koordinieren.

 

Herr Schmittmann sagt, dass der jetzige Vertrag 2017 ausläuft und nicht verlängert werden könne. Die 2,436 Mio. Euro, die bis jetzt bezahlt wurden, seien ein sehr gutes Angebot gewesen. Die teamwerk ag müsse bei jeder Ausschreibung jedes Jahr neu kalkulieren und darüber diskutieren, welche Kalkulationsparameter festgelegt werden. Seine Firma wisse, wie private Unternehmen kalkulieren. Die Strukturdaten sind Erfahrungswerte aus zwanzig Jahren harter Arbeit und harter Diskussion. Der Kostenrahmen würde +/- 5% tatsächlich zutreffen.

Zu den Teillosen vertritt Herr Schmittmann die Meinung, dass die bei einem Auftragsvolumen von jährlich 2,4 Mio. Euro entstehenden vier Stück à 600.000 – 700.000 € mittelständische Unternehmen nicht beglücken würden.

Herr Schmittmann betont, dass die Nutzwert-Analyse einen höheren Stellenwert einnehmen müsse, da die Flexibilität sehr viel wert sei.

 

Kreisrat Dr. Fahn möchte den Unterschied bei der Qualität von 42 Punkten in der Nutzwert-Analyse noch einmal erläutert bekommen. Ebenfalls möchte er den Unterschied von 44 Punkten bei der Flexibilität erklärt haben.

Kreisrat Dr. Fahn möchte die momentane Diskussion um das Müll-Identsystem einbringen, und fragt nach einem Einbau der Änderung vom Müllerfassungssystem.

Weiterhin möchte er wissen, ob der Müllferntransport ausgeschrieben werde und mittelständische Unternehmen diesen ausführen könnten.

 

Landrat Scherf erwidert, das Identsystem müsse in dieser Diskussion außen vor bleiben, da dafür eine sachlich intensive Auseinandersetzung nötig sei. Außerdem sei momentan erst die Frage der Müllentsorgung ab 01.07.2017 zu klären.

 

Herr Röcklein empfiehlt, die beiden Projekte zeitlich zu trennen.

 

Landrat Scherf verweist auf die Gesprächstermine für die Fraktionen im September.

 

Herr Schmittmann antwortet auf die Fragen von Kreisrat Dr. Fahn. Bei der Nutzwertanalyse könne man die Qualität und Flexibilität auch anders einschätzen. Die Werte seien aber absolut fundiert und nicht unüberlegt. Er verweist diesbezüglich auf die Informationsgespräche im September.

 

Herr Röcklein erwidert auf die Kreisrat Dr. Fahns Frage nach den Ferntransporten, dass diese nicht Bestandteil des Gutachtens seien.

 

Kreisrat Großkinsky fragt nach der Höhe der Investitionskosten. Es sei für seine Entscheidung wichtig.

Kreisrat Großkinsky teilt die Meinung von Kreisrat Dr. Fahn bezüglich der Personalplanung und komme auf andere Zahlen.

Aus seiner Sicht gebe es verhältnismäßig wenig Beschwerden und ist der Meinung, dass die Müllabfuhr bei der Privatwirtschaft besser aufgehoben sei.

 

Herr Landrat Scherf entgegnet, dass dies eben die große Abwägungsfrage sei. Die momentan hohe Zufriedenheit der Bürger auf der einen Seite, die Gebührenzahler auf der anderen Seite.

 

Herr Schmittmann entgegnet, die Investitionskosten seien in der Langversion des Gutachtens verzeichnet. Sie seien immer jeweils runtergebrochen auf Jahreskosten. Die teamwerk ag habe diese Investition von der Finanzierung her in die Berechnung eingerechnet.

 

Kreisrat Ullmer erkundigt sich nach dem kompletten Betrag, der bei Anschubfinanzierungen wie Grundstückskosten, Häuser, Fahrzeuge eingebracht werden muss.

 

Herr Schmittmann kann den genauen Betrag nicht nennen und verweist auf die Langversion des Gutachtens.

Zum Personalthema erwidert Herr Schmittmann, dass zwei Personen ausreichend seien. Für die Wartung und den Betriebshof seien auch wiederum Kosten mit eingeflossen.

Herr Schmittmann erklärt auf die Frage von Kreisrat Großkinsky, dass die Abfallwirtschaft hier operative Erfahrung habe. Aber natürlich wäre auch dort eine Verstärkung nötig.

 

Kreisrat Reinhard, der als Gast anwesend ist, stellt nach Einverständnis des Ausschusses dar, dass bei dieser wichtigen Entscheidung die Investitionssumme ausschlaggebend und wichtig sei.

Er fragt bezüglich der Aussage Herr Schürers, dass es eventuell keine Angebote geben werde, ob es Wettbewerb gebe oder nicht, da hiervon auch die Zahlen des Gutachtens abhängen.

Die Gewichtung der dargestellten Nutzwertanalyse müsse seiner Meinung nach noch einmal diskutiert werden, so Kreisrat Reinhard.

 

Landrat Scherf bemerkt, dass das neue System keine ideologische Entscheidung und keine einfache Entscheidung sei. Man müsse sich in aller Ruhe damit auseinandersetzen und hinterfragen.

 

Kreisrat Dr. Dr. Fahn erkundigt sich nach der Entwicklung der Müllgebühren. Morgen finde eine Pressekonferenz des Verbandes der Entsorgungswirtschaft statt und dort werde ein Gebührenvergleich vorgelegt, in dem kommunale Entsorger schlecht wegkommen. Hingegen seien die Gebühren bei Privatentsorgern insgesamt geringer und dies insgesamt auch den Bürgern zugutekomme. Er möchte wissen, was für die Kommunalisierung spreche, nachdem diese Statistik herauskommt.

 

Landrat Scherf erklärt, dass in jedem Landkreis das Paket der Abfallwirtschaft ein anderes sei. Man wolle nicht nur gute Qualität, sondern auch einen guten Preis. Deswegen setze man sich so intensiv mit dem Thema auseinander.

 

Herr Schmittmann versteht, dass dieses Thema eine strategisch kommunikative Herausforderung sei. Die teamwerk ag lehne Gebührenvergleiche ab, da das Leistungspotential nicht zu erkennen sei. In jedem Landkreis sei dieses anders. Er stellt klar, dass mittlerweile eine höhere Kostenlast gegeben sei, egal, für welche Variante man sich entscheide.

 

Kreisrätin Frey erkundigt sich nach einer Möglichkeit, die Konkurrenz zu beleben, da es nur einen Anbieter mit hiesigem Standort gebe.

 

Herr Schmittmann antwortet darauf, dass die Anzahl der eingehenden Angebote extremst rückläufig sei. Es gebe natürlich Möglichkeiten, eine Ausschreibung interessant zu machen, zum einen wäre das eine Teillosvergabe, zum anderen könne man die Vertragslaufzeit verlängern. Je kürzer die Vertragslaufzeit ist, desto weniger interessant ist, ein Angebot abzuliefern. Dem gegenüber stehe, je länger die Ausschreibung, desto weniger Flexibilität in Bezug auf die strategische Abfallwirtschaft des Landkreises.

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