Tagesordnungspunkt

TOP Ö 2: Resolution zu internationalen Handelsabkommen und kommunalen Dienstleistungen;
Gemeinsamer Antrag aller Kreistagsfraktionen

BezeichnungInhalt
Sitzung:02.02.2015   KA/002/2015 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Landrat Scherf leitet ein, es liege ein Antrag aller sieben Kreistagsfraktionen vor, in dem beantragt werde, dass man das Positionspapier der kommunalen Spitzenverbände in Deutschland zu TTIP und weiteren Freihandelsabkommen unterstütze. Dazu liege nicht nur der Antrag, sondern auch das Positionspapier in verschiedenen Fassungen vor. Er fasst die sechs Punkte zusammen, auf die sich der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag, der Deutsche Städte- und Gemeindebund gemeinsam im Verband kommunaler Unternehmen geeinigt haben.

 

Kreisrätin Münzel erklärt, sie freue sich sehr über den gemeinsamen Antrag zu den Freihandelsabkommen. Sie denke, es sei ein wichtiges Signal, egal welcher Partei man angehöre. Die Freihandelsabkommen werden eine erhebliche Gefahr für Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Typische kommunale Dienstleistungen wie Trinkwasser und Abwasserentsorgung, öffentlicher Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser und Kultur, müssen in der Hand der Kommunen bleiben und dürfen nicht durch ein rein am Wettbewerb ausgerichtetes Verfahren ersetzt werden. Investoren dürfe nicht die Möglichkeit eingeräumt werden, demografisch legitimierte und rechtsstaatlich zustande gekommene politische und administrative Maßnahmen (z. B. die Regulierung von Fracking zum Schutz des Trinkwassers) anzugreifen und Schadensersatzforderungen zu stellen. Und was Umwelt- und Verbraucherschutz angehe, dürfen höhere Standards nicht revidiert werden. Dies stamme alles aus der vorliegenden Resolution. Ganz wichtig sei, dass die Kommunen über ihre Verbände an der Entscheidungsfindung beteiligt werden. Es gelte die Forderungen nach Transparenz. Sie appelliere an die Kolleginnen und Kollegen, Kontakt mit Mandatsträgern der anderen politischen Ebenen aufzunehmen, um auf diesem Weg Einfluss zu nehmen.

 

Kreisrat Reinhard unterstreicht ihre Aussagen, es mache aber auch deutlich, dass man nicht alles schlecht reden sollte. Es werde ein Ziel damit verfolgt und Handelshemmnisse abgebaut und Investitionsbedingungen verbessert werden sollen. Ein generelles Nein sei damit nicht verbunden. Aber man stelle die Dinge heraus, bei denen man Sorge habe. Man müsse das Abkommen aber auch als Chance sehen.

 

Landrat Scherf weist darauf hin, dass der Bayerische Landkreistag dies nicht als Chance sehe, sondern ausdrücklich darum bitte, darauf aufmerksam und dies publik zu machen zu machen. Momentan sei es eine große Gefahr für die kommunale Selbstverwaltung und Daseinsvorsorge.

 

Kreisrat Dr. Fahn erklärt, die Freien Wähler halten den Handel grundsätzlich für gut, Freihandel natürlich auch, wenn dadurch Zölle und andere Schranken abgebaut werden. Davon profitiere man in der EU seit Jahrzehnten. Ob es aber tatsächlich zu wirtschaftlichen Fortschritten komme, sei aber derzeit zweifelhaft. Man rechne derzeit mit einem Wirtschaftswachstum von jährlich 0,05 % in den ersten zehn Jahren.

Freihandelsabkommen wie TTIP, CETA und TISA werden völlig im Geheimen und ohne jegliche parlamentarische Kontrolle verhandelt und würden vor allem Großkonzernstrukturen nutzen. Die Bundesregierung wolle einem Abkommen zustimmen, bei dessen Ausarbeitung sie nicht mit am Tisch sitze. Die sei krass! Die negativen Folgen, sowohl für unsere Kommunen, als auch für weite Teile des Mittelstands werden von Bundes- und Staatsregierung völlig ausgeblendet.

Es könne nicht sein, dass ausländische Konzerne vor Schiedsgerichten und damit an unserer Rechtsordnung vorbei künftig Schadensersatzansprüche geltend machen können, während unsere kleinen und mittleren Unternehmen bei gleichen Sachverhalten den langen Weg durch die Instanzen unserer nationalen Gerichte gehen müssen. Zudem sei es für die Freien Wähler nicht hinnehmbar, dass die hohen deutschen und bayerischen Standards für den Schutz der Verbraucher, der Arbeitnehmer, der Umwelt und der Datensicherheit durch Freihandelsabkommen wie TTIP aufgeweicht werden sollen. Dies verstehe auch die IHK nicht. In Zukunft solle es einheitliche Standards und Zertifizierungen geben z.B. über die Größen der Rückspiegel könne man doch offen diskutieren und nicht geheim, meine die IHK mit Recht. Auf der anderen Seite möchte man in Deutschland auch nicht das Fracking; aber dies könnte passieren, wenn das Freihandelsabkommen so wie geplant in Kraft trete.

Daher sind die Forderungen der kommunalen Spitzenverbände richtig, die fordern, dass die kommunale Selbstverwaltung durch solche Abkommen nicht ausgehöhlt werden dürfe. Dies gelte insbesondere für Bereiche der kommunalen Daseinsvorsorge, die unbedingt aus den Abkommen herausgenommen werden müssen, wie Gesundheitsvorsorge, ÖPNV, Wasser- und Abwasserentsorgung, Sozialdienstleistungen, der gesamte Bereich der Abfallwirtschaft bis hin zu regionalen oder lokalen Flächennutzungsplänen oder Raumordnungsgesetzen. Es bestehe die Gefahr, dass einmal privatisierte Dienstleistungen nicht später vom Staat wieder rekommunalisiert werden können. TTIP bedeute für uns hier vor Ort genau das Gegenteil von dem, was wir seit Jahren aus Überzeugung leben und voranbringen und führe unsere Bemühungen um regionale Wirtschaftskreisläufe ad absurdum. Bei dem Abkommen TISA gehe es um vor allem um Dienstleistungen und dazu gehöre auch die Bildung. Die Ökonomisierung der Bildung könne bedeuten, dass dann Konzerne gewinnorientiert in Schulen arbeiten, was dem öffentlichen Bildungsauftrag fundamental widerspreche. Dann könnten Konzerne in den Schulen wieder für Gentechnik oder Atomenergie werben. Dies sei aber ein No-go!

Fazit: Die geplanten Abkommen seien ein Frontalangriff auf unsere Demokratie, unser Rechtssystem und die kommunale Selbstverwaltung.

Daher sei es auch wichtig, dass sich Kreistage und Stadträte hier äußern. Diese seien die gewählten Vertreter der Kommunen. An wen soll sich die Resolution wenden?

·         an die kommunalen Spitzenverbände

·         an die Mandatsträger im Bund und an das EU-Parlament

·         an das Bundeswirtschaftsministerium

 

 

Kreisrat Oettinger fügt zu den bisherigen Wortmeldungen hinzu, er wolle darauf hinweisen, dass sämtliche Vertragsentwürfe des TTIP im Internet öffentlich nachlesbar seien. Er empfehle jedem, sich dort einzulesen.

 

Kreisrat Dr. Kaiser erklärt, die Fraktion der SPD sei für die Resolution und die Argumente der kommunalen Familie. Aber er weise auch auf den Zusatz der Pressemitteilung „Chancen des Abkommens nutzen“ hin. Die globale Wirtschaft brauche entsprechende Regelungen. Nur Kritik einzubringen wäre falsch.

 

 

Der Kreisausschuss fasst einstimmig den

 

B e s c h l u s s :

 

Der Kreistag des Landkreises Miltenberg unterstützt nachdrücklich das von den kommunalen Spitzenverbänden und dem Verband der kommunalen Unternehmen e.V. erarbeitete Positionspapier vom Oktober 2014 über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft – TTIP.

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