Tagesordnungspunkt

TOP Ö 6: Antrag: Einführung eines Kautionsfonds

BezeichnungInhalt
Sitzung:14.03.2022   BKS/005/2022 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Folgender Beschluss wird einstimmig gefasst:

 

Eine Notwendigkeit zur Einführung eines Kautionsfonds besteht nicht. Der Antrag wird abgelehnt.


Herr Scherf leitetet zum Antrag von Kreisrat Adrian zur Einführung eines Kautionsfons über.

 

Der Antrag ging ihm sowie den Fraktionsvorsitzenden mit Mail vom 02.03.2022 zu. Er beziehe sich auf ein Modell der Stadt Salzburg. Nach diesem Antrag soll der Landkreis Miltenberg einen (Miet-)Kautionsfond in Höhe von 15.000 € pro Jahr einführen und die Modalitäten hierfür festlegen. Auf den weiteren Inhalt des Antrags wird Bezug genommen.

Herr Vill habe den Antrag geprüft und abgeglichen, welche Leistungen der Landkreis Miltenberg schon erbringe.

 

Herr Vill führt hierzu aus.

 

Die Umsetzung des Antrags würde eine freiwillige Leistung des Landkreises zur Erweiterung bereits jetzt bestehender gesetzlicher Sozialleistungen des Sozialamtes und des Jobcenters bedeuten.

 

Mietrecht:

 

Gemäß § 551 BGB darf die Kaution die dreifache Grundmiete nicht übersteigen.

 

Der Mieter ist berechtigt, die Kaution zu drei gleichen monatlichen Teilzahlungen zu leisten, wobei die erste Teilzahlung zu Beginn des Mietverhältnisses und die weiteren Teilzahlungen mit den unmittelbar folgenden Mietzahlungen fällig werden.

 

Eine zum Nachteil des Mieters abweichende Vereinbarung ist unwirksam.

 

Sozialleistungsrecht:

 

Für Empfänger von Arbeitslosengeld II („Hartz IV“), Leistungen zum Lebensunterhalt nach Sozialgesetzbuch (SGB) XII (Grundsicherung oder Hilfe zum Lebensunterhalt) kann die Kaution vom Sozialamt bzw. Jobcenter bezahlt werden (§§ 22 Abs. 6 SGB II, 35 Abs. 2 Satz 5 SGB XII).

Voraussetzung ist stets, dass der Umzug notwendig ist und der Mietpreis für die neue Wohnung angemessen:

 

"Angemessene Grundmiete" ab 01.07.2021:

Personen

Wohnräume

Fläche qm

Grundmiete

1

1-2

50

388,00 €

2

2-3

65

480,00 €

3

3

75

501,00 €

4

4

90

586,00 €

5

5

105

683,00 €

jede weitere Person

 

zuzügl. 15

zuzügl. 74 €

(Beträge jeweils zzgl. Heiz- und Nebenkosten; nächste Ermittlung zum 01.07.2023)

 

Sozialamt bzw. Jobcenter müssen dem Umzug vor Mietvertragsabschluss zugestimmt haben.

 

Die Mietkaution wird in der Regel als Darlehen gewährt. Das Jobcenter behält das Darlehen aus den laufenden Leistungen mit 10% des Regelbedarfs ein (§ 42 Abs. 2 SGB II). Bei Kautionsdarlehen nach SGB XII (Sozialhilfe) ist das Darlehen erst bei Beendigung des Mietverhältnisses oder des Leistungsanspruchs zur Rückzahlung fällig.

 

Laufende Leistungen von Sozialamt bzw. Jobcenter werden gewährt, wenn das Einkommen den leistungsrechtlichen Bedarf nicht deckt. Vom anzurechnenden Nettoeinkommen werden Absetzungen vorgenommen (beim Jobcenter vor allem ein vom Erwerbseinkommen abzusetzender Freibetrag von insgesamt ca. 300 € bei ca. 1.400 € Nettoeinkommen (§ 11b Abs. 2 u. 3 SGB II), bei Leistungen nach SGB XII Werbungskosten und angemessene Versicherungen (§ 82 Abs. 2 SGB XII)).

 

Pfändungen sind in diesem Einkommensbereich selten, weil die aktuelle Pfändungsfreigrenze für einen Alleinstehenden (Stand: 2022) bei 1.252,64 € liegt und der sozialrechtliche Mindestbedarf gedeckt bleiben muss.

 

Unterhaltsverpflichtungen werden im SGB II ebenfalls berücksichtigt. Im SGB XII wird zunächst geprüft, ob diese überhaupt rechtmäßig bestehen.

 

Die „Bedarfsgrenze“, bis zu der (ggf. aufstockende) Leistungen nach SGB II oder XII gewährt werden können beträgt z.B. für einen Alleinstehenden:

 

Regelsatz
(Stand: 01.01.2022)

     449,00 €

Grundmiete max.

     388,00 €

Heiz- und Nebenkosten z.B.

       90,00 €

monatlicher Bedarf ca.

     927,00 €

 

Sie erhöht sich rein rechnerisch um die vorgenannten Absetzungsbeträge.

 

Auch wenn das Einkommen die Bedarfsgrenze übersteigt und laufende Leistungen nach SGB II oder XII daher nicht zustehen, können Sozialamt bzw. Jobcenter die Kaution unter den gleichen Voraussetzungen übernehmen, wenn das übersteigende Einkommen von z.B. 3 Monaten unter Berücksichtigung sonstiger notwendiger Bedarfe nicht ausreicht, um die Kaution zu bezahlen.

 

Leistungen des vorgeschlagenen Kautionsfonds

 

Aus dem Kautionsfonds würde einem Alleinstehenden bis zu einem Nettoeinkommen von 1.400 € die Hälfte der Kaution als Darlehen übernommen (siehe S. 3). Abzugsfähig sind nur Unterhaltsverpflichtungen und Pfändungen (siehe S. 2).

 

Die Anrechnung vorgenannter gesetzlicher Sozialleistungen sieht die Vorlage nicht vor, dies wird zur Vermeidung von Doppelzahlungen jedoch vorausgesetzt.

 

Damit würde sich am Beispiel eines Alleinstehenden im Niedriglohnsektor ein Anwendungsspielraum in einem Nettoeinkommensbereich zwischen 1.400 und (927 + 300 =) ca. 1.227 € (Grenze für laufende Leistungen) ergeben, sofern nicht die Leistungen des vorgeschlagenen Kautionsfonds auch dann gewährt werden sollen, wenn der Umzug aus nicht anzuerkennenden Gründen erfolgt oder der Mietpreis der neuen Wohnung unangemessen hoch ist und daher die gesetzlichen Hilfsmöglichkeiten ausscheiden. Dieses Einkommensspektrum (1.227 – 1.400 €) verkleinert sich dann noch durch die Möglichkeit der Kautionsgewährung an Empfänger nicht laufender Leistungen.

 

Das vorgeschlagene Konzept ist aufgebaut auf eine Regelung der Stadt Salzburg (siehe S. 5). Das österreichische Sozialleistungsrecht ist dem deutschen nicht unbedingt vergleichbar und offenbar weniger individuell gestaltet, siehe: https://www.sozialministerium.at/Themen/Soziales/Sozialhilfe-und-Mindestsicherung/Leistungen.html .

 

Manche Bundesländer wie Wien, Vorarlberg, Tirol oder Salzburg gewähren daher zusätzliche Leistungen entweder aus Mitteln der Sozialhilfe/Mindestsicherung oder als Wohnbeihilfe aus der Wohnbauförderung. Damit soll den erhöhten Wohnkosten in diesen Bundesländern begegnet werden.

 

Mit dem vorgeschlagenen Kautionsfonds ginge ein erheblicher Verwaltungsaufwand von der Antragsprüfung bis zur Rückzahlung der Darlehen einher. Gerade der Versuch der Realisierung des Rückforderungsanspruchs aus dem Darlehen des Kautionsfonds dürfte in diesem Einkommensbereich um die Pfändungsfreigrenze häufig schwierig werden.

 

Angesichts der

·      weitgehenden Abdeckung der vorgetragenen Bedarfe durch das deutsche Sozialleistungsrecht

·      den vergleichsweise hohen Verwaltungsaufwand bei einem vergleichsweise kleinen Klientenkreis

·      zahlreicher vorrangig zu gewährleistender Pflichtaufgaben des Landkreises

wird die Einführung dieser freiwilligen Leistung von Verwaltungsseite daher nicht befürwortet.

Herr Schötterl sieht die Einführung eines Kautionsfonds als kritisch an. Seines Erachtens dürfte es nur wenige Fallkonstellationen geben, bei denen ein Kautionsfonds zum Tragen kommen könnte. Für Situationen, bei denen der Mieter sich die laufende Miete zwar leisten könne, aber aufgrund persönlicher Umstände (notwendiger Autokauf, Geburt eines Kindes) nicht die Kaution, habe der Vermieter die Möglichkeit, freiwillig Anpassungen vorzunehmen. Werde nun ein Fonds eingerichtet und die Kaution von Dritter Seite geleistet, könnte dies den Eindruck einer Verschleierung der persönlichen Umstände erwecken. Aus seiner Sicht habe der Vermieter ein Anrecht darauf zu erfahren, ob sich ein Mietinteressent die laufende Miete und auch die Kaution leisten könne oder ob er diese von woanders beziehe. Aber auch hier gebe es die Möglichkeit, die Angelegenheit durch private Absprachen zu regeln. Somit sehe er keinen großen Einsatzbereich für einen solchen Fonds.

 

Herr Reinmuth zeigt Verständnis für den Antragsteller. Er sieht die Problematik, dass zu wenig leicht erreichbarer und geeigneter Wohnraum bereitstehe. Gerade Menschen mit psychischen Störungen, mit Gewalt im Umfeld, mit Einkommens- und Erwerbsschwächen hätten es schwer, Wohnraum zu bekommen. Scheitere dies allein an der Kautionsleistung, sei es für sie umso schlimmer.

Hier seien seines Erachtens die Mandatsträger, die Landes- und Bundespolitik gefordert, um den sozialen Wohnungsbau zu fördern.

 

Herr Scherf weist darauf hin, dass hier nicht allein die Landes- und Bundespolitik, sondern die Politik vor Ort gefragt seien. In Bürgermeisterdienstbesprechungen sei bereits auf die Fördermöglichkeiten des sozialen Wohnungsbaus hingewiesen worden. In Obernburg laufe derzeit ein Projekt eines privaten Investors. Zudem werde an diesem Thema in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Landratsamt und Gemeinden gearbeitet. Allerdings geschehe noch zu wenig. Hierfür bedürfe es nicht nur der Einsicht auf der politischen Seite, sondern vielmehr auf Seiten der Bevölkerung. Grundsätzlich befürworten die Bürger die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum. Geht es aber um die Realisierung und Genehmigung von konkreten Projekten mit mehreren Wohneinheiten vor Ort, so zeigen Klagen und Beschwerden der Anwohnerschaft, dass es an einer entsprechenden Akzeptanz in der Bevölkerung fehlt. Dies zeigt sich auch gerade bei einer innerörtlichen Nachverdichtung.

 

Aufgrund einer weiteren Nachfrage erläutert Herr Vill, wie sich der Fall gestaltet, wenn ein Wohngeldempfänger die Kautionsübernahme beantragen würde.

Anschließend erfolgt die Beschlussfassung.

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