Tagesordnungspunkt

TOP Ö 7: Antrag der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen, Freien Wähler, FDP, ÖDP, SPD und Neuen Mitte zum Hare-Niemeyer Sitzzuteilungsverfahren

BezeichnungInhalt
Sitzung:16.10.2017   KT/004/2017 
Beschluss:einstimmig beschlossen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Die Mitglieder des Kreistags fassen ohne Gegenstimme

 

den Beschluss:

 

Der Kreistag von Miltenberg fordert den Bayerischen Gesetzgeber auf, im Gesetz über die Wahl der Gemeinderäte, der Bürgermeister, der Kreistage und der Landräte (Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz GLKrWG) das bisherige Sitzzuteilungsverfahren nach Hare-Niemeyer beizubehalten.


Kreisrat Fieger stellt für die CSU-Kreistagsfraktion den Antrag zur Geschäftsordnung auf Nichtbehandlung des Tagesordnungspunktes. Er begründet dies damit, dass dem Kreistag die sogenannte Befassungskompetenz fehle, da dafür ausschließlich der Bayerische Landtag zuständig sei.

 

Kreisrat Stich entgegnet, dass man das Gesetz nicht ändern wolle, sondern dass man den Bayerischen Gesetzgeber auffordere, ein Gesetzesvorhaben nicht durchzuführen, da dies den beantragenden Fraktionen nicht demokratisch erscheine. Weiterhin betont Kreisrat Stich, dass der Kreistag die Betroffenen dieses Gesetzesvorhabens seien.

 

Kreisrat Dr. Linduschka ist der Auffassung, sich hier auf juristische Positionen zurückzuziehen, sei inhaltlich sehr fragwürdig. Man sehe bereits an der Argumentation der Mehrheitsfraktion im Bayerischen Landtag, dass dies eine politische Argumentation sei. Daher müsse es auch möglich sein, zu einer politischen Argumentation sich als betroffenes Gremium zu äußern und sich nicht hinter Verlegungen auf juristische Positionen zurückzuziehen.

 

Der Antrag zur Geschäftsordnung wird mehrheitlich abgelehnt.

 

 

Kreisrat Stich begründet den Antrag für die Fraktionen des Bündnis 90/Die Grünen, der Freien Wähler, der FDP, der ödp, der SPD und der Neuen Mitte wie folgt:

 

Im Jahr 2010 hat der Bayerische Landtag für Wahlen auf kommunaler Ebene das Sitzungszuteilungsverfahren nach d’Hondt einstimmig abgeschafft und durch das Hare-Niemeyer-Verfahren ersetzt. Aus gutem Grund, denn das Verfahren nach d’Hondt verzerrt die Sitzzuteilung systematisch zugunsten großer und zu Lasten kleiner Parteien. Diese Verzerrung kann für große Parteien zu mehreren zusätzlichen Mandaten führen, was einer Sitzzuteilung proportional zum Stimmenverhältnis fundamental widerspricht.

 

Für Landtagswahlen war das d’Hondtsche Verfahren daher schon früher vom Verfassungsgericht untersagt und in der Folge durch Hare-Niemeyer ersetzt worden, bei Kommunalwahlen wurde es vom Verfassungsgericht als gerade noch verfassungsgemäß bezeichnet. Bei Gremien, deren Gesamtgröße schon vorher feststeht, also bei allen kommunalen Gremien, ist das Hare-Niemeyer-Verfahren mathematisch genau. Es gibt keine systematischen Verzerrungen, weder für kleine noch für große Parteien. Deshalb gibt es auch keinen aus demokratischer Sicht nachvollziehbaren Grund, Hare-Niemeyer wieder abzuschaffen und durch d’Hondt zu ersetzen.

 

Die von der CSU-Fraktion öffentlich vorgebrachte, „offizielle“ Begründung, mit d’Hondt sollten „schlimme Folgen der Zersplitterung“ verhindert werden, ist offensichtlich nur vorgeschoben: Bayern ist nicht dafür bekannt, dass die Arbeitsfähigkeit seiner Kommunalparlamente durch eine übergroße Zersplitterung bedroht ist, ganz im Gegenteil: Die Vielfalt ist für die meisten Kommunen eine positive, kreative Kraft. Der tatsächliche Grund für die Initiative der CSU-Landtagsfraktion ist, dass d’Hondt nur einen Profiteur kennt: die CSU. Die Einführung des d’Hondtschen Verfahrens wäre also eine Wahlrechtsänderung, die von einer mit absoluter Mehrheit regierenden Partei nur zu dem Zweck verabschiedet wird, die eigene Macht auf kommunaler Ebene abzusichern.

 

Ministerpräsident Seehofer hat ein solches Vorgehen mit Recht als politisch verantwortungslos bezeichnet. und „Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hat sich strikt gegen Pläne seiner eigenen Landtagsfraktion gestellt, eine einstimmig beschlossene Kommunalwahlrechtsreform rückgängig zu machen. Die Pläne der Fraktion sehen vor, dass bei Kommunalwahlen wieder ein Auszählverfahren angewendet werden soll, das tendenziell die größeren Parteien begünstigt - also vor allem die CSU selbst. Seehofer lehnt das entschieden ab.“ (dpa Meldung Welt N24 vom 13.03.2017)

 

Dieser Antrag und die genannten Argumente für diese Resolution basieren auf der politischen Überzeugung der Unterzeichnenden. Dies gilt insbesondere auch, falls die Landtagsanhörung zu diesem Thema am 18.10.2017 wider Erwarten keine Bestätigung unserer Haltung durch die befragten Experten ergibt. In jedem Falle formuliert diese Resolution eine politische Gegenposition zum durchsichtigen Vorstoß der CSU, sich ungerechtfertigte Vorteile zu sichern.

 

 

Kreisrat Fieger weist nochmals darauf hin, dass der Kreistag keine Befassungskompetenz für dieses Thema habe. Es gebe von der Sache her jeweils gute Gründe für und gegen das eine oder das andere Sitzzuteilungsverfahren. Eine Betroffenheit lasse sich in allen möglichen gesetzlichen Regeln feststellen. Wenn die Gemeinde- oder Landkreisordnung geändert würde z.B. in Bezug auf die Kreisumlage, dann wäre der Landkreis auch betroffen, aber man hätte keine Befassungskompetenz. Im Ergebnis heiße das, dass die CSU-Fraktion sich nicht an der Beratung und auch an einer Abstimmung zu diesem Thema hier und heute nicht beteiligen werde.

 

Landrat Scherf weist darauf hin, dass es keine Enthaltungsmöglichkeit in kommunalen Gremien gebe. Er könne auch der Argumentation der CSU-Fraktion nicht ganz folgen, weil sich die Gremien des Bayerischen Landkreistages unter Beteiligung sämtlicher CSU-Landräte auch hiermit befassen und Stellung nehmen würden.

Landrat Scherf verteidigt, dass der Landkreis Miltenberg hierzu Stellung nimmt, weil er davon betroffen sei. Dieses Recht nehme der Kreistag Miltenberg war. Er sehe darin keine Problematik. Die CSU habe sich auch an der Resolution beteiligt, die gemeinsam im Kreistag erarbeitet worden sei, die sich mit der Elektrifizierung der Bahnstrecke und einer notwendigen Taktverdichtung befasse. Dafür sei man auch nicht direkt zuständig, sondern es sei auch Aufgabe des Freistaates Bayern. Die CSU habe bei dieser Resolution auch mitberaten und mitbeschlossen, weil es für den Landkreis Miltenberg von Interesse und von Bedeutung sei.

 

Kreisrat Dr. Fahn äußert Unverständnis gegenüber der Argumentation der CSU-Fraktion. Von mindestens zwanzig bayerischen Landkreisen bzw. Gremien des bayerischen Kreistags sei eine solche Resolution verabschiedet worden. Dies diene auch für die Entscheidungsträger im Bayerischen Landtag als Orientierung, wie die Kommunen vor Ort dazu stünden.

Außerdem könne man denken, dass die CSU die parteipolitische Konkurrenz mit einfachen Mitteln auszuschalten versuche.

Alle unterfränkischen Landräte, auch die der CSU, hätten keinen Anlass gesehen, das derzeit gültige Verfahren abzuschaffen. Deshalb sei diese Resolution richtig und wichtig.

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