Prävention hat weiter hohen Stellenwert

Das Jugendamt am Miltenberger Landratsamt hat in der Vergangenheit viel Wert auf Prävention gelegt und wird dies auch künftig tun. Für den Präventionsausschuss hat Birgit Englert dem Jugendhilfeausschuss am Montag, 30. Juni, eine Bilanz des vergangenen Jahres vorgelegt und den Blick auf künftige Vorhaben gelenkt.
Der Präventionsausschuss dient als Bindeglied von Kommunalpolitik und Fachleuten der in der Prävention tätigen Institutionen – unter anderem von Kreisjugendring, Kirchen, Polizei und Gericht. Er soll die präventiven Maßnahmen im Landkreis bündeln, Strategien für die Prävention entwickeln und Vorschläge zur Optimierung der präventiven Strukturen erarbeiten. Daneben ist er für die Vergabe von Finanzmitteln für die Prävention verantwortlich. Diese Arbeit schlug sich Englert zufolge in vielen Aktionen nieder, die sich etwa mit Medienprävention (Safer Internet Day, medienpädagogischer Monatskalender) sowie Alkohol- und Suchtprävention (School’s-Out-Party, Nichtraucherwettbewerb „Be Smart, Don’t Start“) befassen.
Einen Schwerpunkt will der Ausschuss auf die Suchtberatung von Kindern und Jugendlichen legen mit der Anregung, über eine Jugend-Suchtberatungsstelle nachzudenken. Wie Englert sagte, reichten die aktuellen Beratungsangebote nicht aus: Die Suchtberatung der Caritas wende sich an über 18-Jährige, die Jugendsozialarbeit kümmere sich nur bis zum Schulende um die Jugendlichen, die Erziehungsberatung bis 18 Jahre.
Sie machte klar, dass es für die Jugend-Suchtberatung qualifizierte Fachkräfte brauche. Diese könnten riskante Konsummuster frühzeitig erkennen und Strategien zur Vermeidung entwickeln, sie seien in Gesprächstechniken geschult und könnten Jugendliche bei Bedarf an geeignete Stellen weitervermitteln. Sie hätten fundierte Kenntnisse über Suchtmittel, Wirkungsweisen und Risiken, so dass sie die Jugendlichen umfassend über die körperlichen und psychischen Folgen des Konsums aufklären könnten. Auch müssten Gerichte und Jugendämter in die Lage versetzt werden, angemessene Maßnahmen zur Unterstützung der Betroffenen zu ergreifen und um weitere Straftaten zu verhindern. Englert erklärte zudem, dass seit der Änderung des Cannabis-Gesetzes mehr Interesse an Suchtberatung vorliege.
Die Jugend-Suchtberatung sei im beratenden Ausschuss Jugendhilfeplanung thematisiert worden, in der Folge habe man Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter sowie Lehrkräfte befragt, um deren Einschätzungen zu erlangen. Auch wurden Gespräche geführt, um Fördermittel zu erschließen.
An der Umfrage hätten sich 32 Jugendsozialarbeiterinnen und Jugendsozialarbeiter sowie 98 Lehrkräfte beteiligt, sagte Englert und schilderte Problemlagen, die sich herauskristallisiert hätten: übermäßiger Medienkonsum, Konsum von Vapes/E-Zigaretten bereits in unteren Klassen, Cannabiskonsum mit der Folge von Konzentrationsproblemen, Ängsten und Leistungsabfall, unsicherer Umgang von Eltern mit Medien und Suchtmitteln sowie ein Bedarf an Beratung und Aufklärung für Lehrkräfte, Eltern sowie die Schülerinnen und Schüler. Bei der Bewältigung dieser Probleme könnte eine Jugend-Suchtberatung helfen, glaubt Englert und verwies auf einen „überwältigenden Konsens“ der Befragten, dass eine spezialisierte Jugend-Suchtberatungsstelle notwendig sei. Diese sollte niedrigschwellig sein und anonym beraten, so der Tenor. Sollte eine solche Stelle geschaffen werden, sei es ratsam, diese an die bestehenden Strukturen der Caritas-Suchtberatung anzugliedern.
Wer eine Beratungsstelle finanzieren soll, war eine der Fragen, die im Ausschuss diskutiert wurde. Möglicherweise könne der Bezirk einen Teil fördern, so Englert, bei den Gesprächen mit dem Bezirk komme man aber laut Jugendamtsleiter Rüdiger Rätz nicht so recht voran. Laut dem amtierenden Landrat Bernd Schötterl müsse das Problem überörtlich gelöst werden, denn von diese, gesamtgesellschaftlichen Problem sei nicht nur der Landkreis Miltenberg betroffen. Bereits jetzt blieben am Landkreis pro Jahr 3,5 Millionen Euro hängen, die gemäß des Konnexitätsprinzips andere finanzieren müssten.
Eine Anregung aus dem Gremium war, die Krankenkassen anzusprechen, ob diese nicht aus ihren Präventionstöpfen Geld bereitstellen könnten.
Julia Hildenbrand berichtete über die umfangreichen präventiven Angebote des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes, verwies auf Beratungen von Vereinen, Verbänden und Kommunen sowie Projekt- und Zielgruppenarbeit in Bereichen wie etwa der Gewaltprävention, der Medienpädagogik und der Prävention sexualisierter Gewalt.
Nach einem Rückblick auf die bereits erfolgten Veranstaltungen in diesem Jahr (darunter Safer Internet Day, Anti-Cybermobbing-Projekt, diverse Workshops und viele mehr) ging sie auf die Planung ein – etwa ein Fachtag „Essstörungen bei Kindern und Jugendlichen im digitalen Zeitalter“, ein Fachtag „Sexualisierte Gewalt im digitalen Raum“, ein Fachtag für pädagogische Fachkräfte mit dem Titel „Reise durch die KI“ sowie Schulprojekte. Für die kommunale Jugendarbeit verwies Emma Grimm auf mehrere Aktionen und Freizeiten, die bereits stattfanden (KinderTheaterTage Großheubach mit 31 Kindern, Aquaphobie Teenie-Festival-Edition mit über 500 Jugendlichen). Geplant seien ein Schulungswochenende für 30 Ehrenamtliche, eine Musicalwerkstatt in Miltenberg sowie Abenteuerspielplätze in Hausen und Dorfprozelten für je 70 Kinder.
Ombudsstellen: Rüdiger Rätz stellte das Modellprojekt zur Einführung von Ombudsstellen in Bayern vor, das in drei Regionen erprobt wurde. Diese unabhängigen und neutralen Stellen sollen jungen Menschen und ihren Familien bei Konflikten helfen und vermitteln, wenn es um Themen der Jugendhilfe geht wie etwa die Hilfen zur Erziehung. Dabei seien wichtige Erkenntnisse gewonnen worden, sagte Rätz. So hätten die involvierten Fachkräfte in der Mehrzahl positive Veränderungen erkannt, negative Veränderungen dagegen nicht. Vermutlich werde es in Würzburg eine solche Stelle geben, glaubte Rätz.
Beratungsstelle Lichtblick: Die vom Landkreis geförderte Beratungsstelle Lichtblick im Miltenberger Familienzentrum kümmert sich um Kinder und Jugendliche mit sexualisierter Gewalterfahrung. Im März 2024 gestartet, finden Kinder und Jugendliche bis 16 Jahren laut den Mitarbeiterinnen Inge Richter und Christiane Muth eine Anlaufstelle, aber auch Eltern, Bezugs- und Vertrauenspersonen sowie Fachkräfte. In den Kindertageseinrichtungen wie auch den Grundschulen habe man etwa Elternabende, Fortbildungen und Schulungen angeboten, in Planung sei für Herbst 2025 ein Präventionsprojekt für sechste Klassen. Ein Selbstbehauptungs-Workshop für Mädchen zwischen acht und zwölf Jahren sei gut angekommen, für einen Jungen-Kurs habe es nicht genügend Anmeldungen gegeben. Auch Fortbildungen für Fachkräfte der Jugendsozialarbeit an Schulen und Fachkräfte an Schulen seien im Herbst geplant. Von Mai bis Dezember 2024 habe man 13 Fallberatungen geleistet, dazu zehn anonymisierte Fallberatungen. In diesem Jahr seien es bereits 20 Fallberatungen, dazu kamen drei Präventionsschulungen für pädagogische Fachkräfte sowie zwei Elternabende. Der Zugang zur Beratungsstelle komme zu 73 Prozent über das Jugendamt und pädagogische Fachkräfte, die Betroffenen seien größtenteils Sieben- bis Neunjährige und die Verdächtigen kämen überwiegend aus deren Nahbereich.
Social-Media-Präsenz: Birgit Englert stellte den Social-Media-Kanal familienlebenmil vor, der auf Facebook und Instagram ins Leben gerufen wurde, auch auf YouTube sind Videos zu finden. Mit dem Kanal soll die Außenwahrnehmung des Jugendamts verbessert werden und zielgruppengerecht kommuniziert werden. Die Inhalte stammen aus allen Fachbereichen des Sachgebiets Kinder, Jugend und Familie.