Medizinische Versorgungszentren als Versorgungsmöglichkeit diskutiert
Ist ein betriebenes Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) ein erfolgreicher Weg, um dem Hausärztemangel im Landkreis Miltenberg zu begegnen? Eine Veranstaltung der Gesundheitsregion Plus am Mittwoch, 9. Juli, brachte den Ärzten, Kreistagsmitgliedern und Bürgermeistern wichtige Erkenntnisse.
Die Veranstaltung hätte mehr Interesse verdient gehabt, bedauerte stellvertretender Landrat Bernd Schötterl zu Beginn der Sitzung, am Ende aber war er voll des Lobes: „Die Veranstaltung hat sich wirklich gelohnt.“ Das lag zunächst daran, dass die Referenten Adam Hofstätter (Kassenärztliche Vereinigung Bayern, KVB) und Oliver Legler (Ärztliches Kommunalbüro des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, LGL) es verstanden, knapp und prägnant die rechtlichen, organisatorischen und gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen vorzustellen. Am Ende berichtete Mömlingens Bürgermeister Siegfried Scholtka über praktische Erfahrungen bei der Gründung eines MZV.
Für Hofstätter kann ein MVZ eine Antwort auf die Anforderungen der Ärzteschaft sein – sowohl für junge Ärztinnen und Ärzte, aber auch für ältere, die am Ende ihres Berufslebens ohne Nachfolge dastehen. Wie im Verlauf des Nachmittags mehrfach erwähnt wurde, haben sich die Vorstellungen des Arztnachwuchses stark verändert.

Über die Hälfte der Befragten wollen in Gemeinschaftspraxen arbeiten, nur vier Prozent planen eine Einzelpraxis. Für 87 Prozent steht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ganz weit oben. Ein MVZ könne viele dieser Wünsche unter einen Hut bringen, so Hofstätter. Es gebe viele ältere Ärztinnen und Ärzte, die auch gerne im Alter weitermachen wollten, aber nicht unter den aktuellen Bedingungen und nicht in Vollzeit. Zur MVZ-Gründung seien etwa Kommunen, zugelassene Vertragsärzte und Krankenhäuser berechtigt, so Hofstätter. Es brauche dafür eine Ärztliche Leitung, mindestens zwei Ärzte/Ärztinnen, es gebe keine Beschränkung bei der Zahl der angestellten Ärzte. Ein MVZ biete Chancen, sei aber „kein Zaubermittel gegen Versorgungsprobleme“, eine Gründung brauche Zeit und müsse wohl überlegt sein.
Oliver Legler stellte zunächst fest, dass die medizinische Versorgung keine Pflichtaufgabe der Gemeinden sei. Kommunen könnten sich aber unter bestimmten Voraussetzungen einbringen – etwa durch Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen. Sollte eine Kommune ein MVZ gründen, müssten viele rechtliche Vorgaben und die Sozialgesetzgebung beachtet werden. Als Rechtsform komme in der Regel ein Eigenbetrieb, eine Anstalt öffentlichen Rechts, eine GmbH oder eine Genossenschaft in Betracht, so Legler. Man müsse intensiv abwägen, ob ein MVZ Teil einer geeigneten Gesamtstrategie zur Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung vor Ort sein könne. Legler zufolge hätten in Bayern bislang nur wenige Kommunen ein MVZ gegründet, ein
Leitfaden hierzu sei auf der Internetseite des Gesundheitsministeriums Bayern unter www.stmgp.bayern.de/meine-themen/fuer-kommunen abrufbar. Es gelte, in der Entscheidungsphase eine Checkliste abzuarbeiten, in der Planungsphase müssten weitere Punkte geklärt werden – etwa die Frage der externen Fachberater, welche Ärzte tätig sein sollen und wer die ärztliche Leitung übernehmen soll. Standort und Rechtsform müssten gewählt werden, ein umfassender Businessplan müsse ausgearbeitet werden. Erst dann gehe es in die Umsetzungsphase.
Alleine die Entscheidungsphase könne Jahre dauern, ergänzte Adam Hofstätter, die MVZ-Gründung sei „alles andere als trivial“. Stellvertretender Landrat Bernd Schötterl wusste aus Erfahrung, dass es in Amorbach lange gebraucht habe, ein passendes Modell zu entwickeln. Ein Gast gab zu bedenken, dass man nun an die Gründung eines MZV mit „alten Menschen“ gehe, obwohl man doch jüngere Ärzte brauche. Wenn man mit diesen Menschen aber jetzt die passenden Strukturen schafft, sei das künftig auch für Jüngere attraktiv, so andere Meinungen. Ein Teilnehmer gab zu bedenken, dass für jüngere Ärztinnen und Ärzte auch die fachliche Weiterqualifizierung wichtig ist und diese nach Möglichkeit auch in einem MVZ umsetzbar sein sollte. Kurz angerissen wurde die Gefahr, dass große Firmen einsteigen und die Gesundheitsversorgung übernehmen. Dazu werde es wohl von Seiten des Bundes ein Gesetz geben, glaubt Oliver Legler.
Mömlingens Bürgermeister Siegfried Scholtka zeigte aus der Praxis, wie beschwerlich der Weg zu einem MVZ war. Ausgangspunkt der Überlegungen war, die ärztliche Versorgung sicherzustellen, nachdem im Dezember 2023 eine größere Arztpraxis geschlossen hatte. Die Gemeinde hatte daraufhin das leerstehende Sparkassengebäude gekauft, um darin eine Arztpraxis einzurichten. Mit einem MVZ wolle man den Trends in der ambulanten Gesundheitsversorgung begegnen, – etwa dem Trend zur Anstellung, zur Work-Life-Balance, dem Meiden wirtschaftlicher Risiken, der Abneigung gegen Bürokratie, dem Wunsch nach mehr Teilzeit. Das Genossenschaftsmodell habe man unter anderem gewählt, da man damit am besten die Gemeinwohlorientierung sichern könne. Man müsse keine Gewinne erzielen, eventuelle Überschüsse würden aber reinvestiert. Auch biete eine Genossenschaft das niedrigste Haftungsrisiko, für die Mitglieder bestehe keine Nachschusspflicht.
In der Genossenschaft GesundheitsNetz Mümlingtal wolle man die Ärzte konsequent von administrativen Tätigkeiten entlasten, neueste digitale Techniken nutzen und mit anderen Kommunen und gemeinnützigen MVZ-Genossenschaften kooperieren, so Scholtka. Unterstützt werde man von Dr. Martin Felger (Firma Diomedes), der umfangreiche Kenntnisse über diese Art von Genossenschaft hat. An Kosten nannte der Bürgermeister eine Gesamtsumme von 1.471.00 Euro, von denen die Gemeinde 1.227.000 Euro (Kauf Gebäude, Umbau, Möbel und mehr) trage, dazu komme eine Sonderförderung von 244.000 Euro. Ende März 2025 sei der Antrag bewilligt worden, Planung und Beratung seien im April und Mai 2025 vergeben worden. Die Genossenschaft sei am 11. Juni 2025 gegründet worden, für 1. Januar 2026 ist die MVZ-Inbetriebnahme vorgesehen. Derzeit liefen die Gespräche mit Ärzten und Angestellten. Gerne könnten Versorgungszentren in anderen Gemeinden unter das Dach der Genossenschaft kommen, bot Scholtka an.
In der längeren Diskussion wurde Aspekte wie etwa andere Versorgungsmodelle, Arbeitsverträge und finanzielle Risiken angesprochen.