Avatare als Augen, Ohren und Stimme kranker Kinder

Sie heißen ALF, BINI und CAMPINO, sind 30 Zentimeter groß und eineinhalb Kilogramm schwer, sitzen im Klassenzimmer und halten mit eingebauter Kamera, Lautsprecher und Mikrofon Kontakt zu Schülerinnen und Schülern, die aufgrund von länger andauernden Krankheiten die Schule nicht besuchen können. Die sogenannten Telepräsenzroboter sind quasi Augen, Ohren und Stimme der Kinder.
Das Miltenberger Medienzentrum hat drei solcher Geräte im Einsatz. Das erste, „ALF“ getauft, wurde im September 2022 finanziert. Ein weiterer Avatar – BINI – kam im Januar 2025 dazu und das neueste Mitglied der Roboter-Familie, CAMPINO, ist seit September 2025 dabei. Alle drei können, sofern verfügbar, von Schulen kostenfrei genutzt werden.
Die Roboter – offizielle Typbezeichnung AV1 – haben rund 5.000 Euro pro Stück gekostet, darin inkludiert sind eine Mobilfunkkarte, eine Versicherung mit sofortigem Ersatz des Geräts bei Schäden, eine Software und der jederzeitige Support durch die Herstellerfirma No Isolation. Geld, das sich laut dem Leiter des Medienzentrums, Egon Galmbacher, auf jeden Fall rentiert. Denn, so sagt er, die Roboter ersparen den Kindern lange Fehlzeiten, in deren Folge sie möglicherweise ihr Klassenziel nicht erreichen. „Die Avatare werden schultypübergreifend verwendet“, erklärt Galmbacher und verweist auf bisherige Einsätze in Grund-, Mittel- und Realschulen sowie in Gymnasien. Die drei High-Tech-Geräte sind begehrt und nachgefragt, so dass Galmbacher am liebsten noch einen weiteren Roboter beschaffen möchte – das Budget des Medienzentrums gibt dies aber derzeit nicht her. Vielleicht, hofft er, gibt es die Möglichkeit, über eine Stiftung oder eine andere Unterstützung Nummer Vier anzuschaffen.
Die Roboter waren schon mehrfach im Einsatz und haben sich bewährt, weiß Galmbacher, der von ausschließlich positiven Rückmeldungen berichtet. Die Nutzung ist unkompliziert: Auf dem Tablet, welches das Medienzentrum mittlerweile auch zur Verfügung stellt, wählt sich das kranke Kind über die AV1-App in sein heimisches Netzwerk ein, der zuständige Lehrer in der Schule koppelt ALF, BINI oder CAMPINO mit dem Schulnetzwerk – und schon geht es in Echtzeit los. Das kranke Kind nimmt über Kamera und Mikrofon den Unterricht wahr, kann sich durch Lichtsignal und per Mikro über den Lautsprecher des Avatars in den Unterricht einklinken und beispielsweise eine Frage stellen. Besonderer Clou der Geräte: Das kranke Kind kann die Kamera über seine App im Klassenzimmer um 360 Grad schwenken, um beispielsweise die Banknachbarn zu sehen. Es kann über eine Emoji-Taste sogar seinen Gemütszustand signalisieren. Ob der Schüler oder die Schülerin traurig, froh, verwirrt, normal oder müde ist, zeigt der Roboter dann mit mehreren Leuchtdioden an. Und mobil sind die drei Technik-Knirpse auch: Man kann sie einfach mit dem Tragerucksack in das nächste Klassenzimmer bugsieren und dort weiter live übertragen. Die Privatsphäre des kranken Kinds ist dabei stets gewahrt: Die Kamera zeigt immer nur das Klassenzimmer, das Kind am anderen Ende der Leitung bleibt unsichtbar.
Das Kultusministerium hat den Einsatz der Avatare im Übrigen genehmigt. Alle Lehrkräfte und Eltern in der betroffenen Klasse bekommen ein Informationsschreiben, in denen der Einsatz des Avatars erklärt wird. Auch würden alle datenschutzrechtlichen Vorgaben für einen unbedenklichen Einsatz eingehalten, heißt es im Schreiben. So ist für alle Anwesenden im Sichtbereich des Avatars klar erkennbar, wann die verschlüsselte Übertragung läuft, die nicht gespeichert werden kann. Aufzeichnungen des Bildschirms sind aus rechtlichen Gründen ebenfalls nicht möglich. Eine weitere Einschränkung gibt es zudem: Die Familie muss sicherstellen, dass das betroffene Kind alleine vor dem Tablet sitzt.
In den Schulen hat sich mittlerweile herumgesprochen, welch gute Lösung die drei Roboter darstellen. Schon mehrere Schulen konnten damit Ausfallzeiten von Schülerinnen und Schülern über mehrere Monate hinweg auffangen, die Roboter werden eifrig nachgefragt. Kein Wunder: Die Telepräsenzroboter sind beste Beispiele dafür, wie Technik Barrieren überwindet und Inklusion im besten Sinn umsetzt.
Anfragen von Schulen zur Nutzung der Avatare sind im Medienzentrum des Landkreises Miltenberg (Brückenstraße 2 in Miltenberg, Nebeneingang im Untergeschoss) möglich, das während der Schulzeiten montags und donnerstags jeweils von 14 bis 17 Uhr geöffnet hat, telefonisch ist es unter 09371/501-460 oder -591 erreichbar. Außerhalb der Öffnungszeiten ist der Kontakt per E-Mail (medienzentrum@lra-mil.de) möglich.