Tagesordnungspunkt
TOP Ö 5: Sozialhilferechtlicher Unterkunftskostenbedarf für Kinder in Verwandtenpflege
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 27.03.2017 BKS/001/2017 |
Beschluss: | einstimmig beschlossen |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Die Mitglieder des
Ausschusses fassen den einstimmigen
Beschluss:
Für Kinder im Sozialhilfebezug,
die nicht bei ihren Eltern oder einem Elternteil untergebracht sind
(Verwandtenpflege), wird der Unterkunftskostenbedarf wie folgt berücksichtigt:
1.
Bei Kindern im Haushalt von Beziehern
von Sozialleistungen, bei deren Berechnung die tatsächlichen Unterkunftskosten
berücksichtigt werden, werden die kopfanteiligen tatsächlichen
Unterkunftskosten berücksichtigt (Ziff. 27a.05 Abs. 2 Satz 1 der
Sozialhilferichtlinien (SHR)).
2. Bei Kindern in einem Haushalt ohne Bezug solcher Sozialleistungen wird pauschal die kopfanteilige angemessene Mietobergrenze für die Grundmiete zuzüglich eines 40%-igen Zuschlages gewährt. Ziff. 27a.05 Abs. 2 Satz 1 SHR findet in diesen Fällen keine Anwendung.
Herr Vill trägt zum sozialhilferechtlichen Unterkunftskostenbedarf für Kinder in Verwandtenpflege vor:
· Historie
Es geht hier um Kinder
im Sozialhilfebezug, die nicht bei ihren Eltern oder einem Elternteil
untergebracht sind (Verwandtenpflege). Diese haben bis zur Vollendung des 15.
Lebensjahres Anspruch auf (Sozial-)Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU), die zu
Lasten des Landkreises gewährt wird, sofern nicht nach Feststellung des
Jugendamtes ein „erzieherisches Defizit“ vorliegt und daher Jugendhilfe zu gewähren
ist. Ab Vollendung des 15. Lebensjahres ist dann das Jobcenter zuständig.
Schon mindestens
seit den 1980er Jahren wurde der Sozialhilfebedarf für diese Kinder nicht nach
der gesetzlichen Regel „spitz“ (Regelsatz zuzüglich tatsächliche anteilige
Unterkunftskosten) berechnet, sondern nach (höheren) pauschalen Bedarfssätzen
in Anlehnung an die Sätze der Jugendhilfe.
Ab 2005 hätten
dann die Bayerischen SHR die Spitzberechnung auch für solche Fälle zugelassen.
In einem Schreiben des Sozialministeriums vom 22.07.2005 wurde aber empfohlen,
zumindest die Unterkunftskosten weiter pauschaliert zu gewähren, weil es
Pflegefamilien grundsätzlich leichter falle, ein Pflegekind aufzunehmen, wenn
hierfür einfach ein Pauschalbetrag gewährt werde, der von exakten Nachweisen
unabhängig ist.
Mit Beschluss des
Kreisausschusses vom 11.10.2005 wurde diese Empfehlung übernommen, und die
Bedarfsfestsetzung erfolgte seitdem abweichend von den SHR in Höhe des
maßgeblichen Regelsatzes zuzüglich einer Pauschale für die Unterkunft nach den
anteiligen angemessen Unterkunftskosten (damals Grundmiete zuzüglich „kalter“ Nebenkosten
(= vor allem Wasser, Kanal, Müllabfuhr, nicht jedoch Heizung)) im Landkreis
Miltenberg zuzüglich eines 20%-igen Zuschlags
insbesondere für die Heizung.
· Kinder in
Verwandtenpflege in einem Haushalt ohne Bezug von Sozialleistungen (Nr. 2)
Diese Regelung
soll für Kinder in Verwandtenpflege in einem Haushalt ohne Bezug
von
Sozialleistungen, bei deren Berechnung die tatsächlichen Unterkunftskosten
berücksichtigt werden (z.B. Arbeitslosengeld II, Leistungen nach AsylbLG,
Grundsicherung) nach vorstehendem Beschlussvorschlag Nr. 2 weiter beibehalten
werden.
Denn hier greift
nach wie vor das vorgenannte Argument, dass es für die Pflegeeltern (und auch
die Verwaltung) eine Erleichterung und Vereinfachung darstellt, wenn nicht
immer wieder neu Unterkunftskosten und Nebenkosten nachgewiesen und geprüft
werden müssen.
· Künftig 40 statt 20 %
Zuschlag
Bis 30.06.2015
wurden im Landkreis Miltenberg als Mietobergrenze die regelmäßig neu zu
berechnenden angemessenen Unterkunftskosten einschließlich der sogenannten
„kalten Nebenkosten“ ausgewiesen.
Bei der Anpassung
der Mietobergrenzen zum 01.07.2015 wurden angesichts der überwiegenden Praxis
anderer Sozialhilfeträger dann nur noch die angemessenen Grundmieten – ohne die
„kalten“ Nebenkosten – berechnet.
Nebenkosten und Heizung kamen ab da zur Berechnung der angemessenen Mietobergrenze
jeweils in der tatsächlichen Höhe dazu.
Deshalb muss der
Zuschlag zur Pauschale, der bis dahin nur 20 % für Heizung ausmachte, noch
einmal zur pauschalen Abgeltung der „kalten“ Nebenkosten erhöht werden, dies
entspricht nach den bis dahin berechneten Nebenkostenbeträgen etwa weiteren 20
%-Punkten, insgesamt mithin 40 % Zuschlag.
Damit beliefe sich
nunmehr die Unterkunftspauschale nach den aktuellen Mietobergrenzen auf:
Hausgröße
|
angemessene
Miete (ohne Nebenkosten) |
anteilig
für |
40 %
|
Unterkunfts-pauschale |
2 Personen |
349,00 € |
174,50 € |
69,80 € |
244,30 € |
3 Personen |
400,00 € |
133,33 € |
53,33 € |
186,67 € |
4 Personen |
456,00 € |
114,00 € |
45,60 € |
159,60 € |
5 Personen |
525,00 € |
105,00 € |
42,00 € |
147,00 € |
· Kinder in
Verwandtenpflege in einem Haushalt mit Bezug von Sozialleistungen (Nr. 1)
Mittlerweile
stellen nun auch vermehrt Pflegefamilien, die selbst im Leistungsbezug beim
Jobcenter stehen, Anträge auf Sozialhilfe für ein Pflegekind.
Bei diesen
Familien greift die genannte Argumentation der Vereinfachung für Antragsteller
und Verwaltung nicht, weil diese Familien ohnehin (gegenüber dem Jobcenter)
hinsichtlich der Unterkunftskosten nachweispflichtig sind und diese Kosten auch
der Verwaltung bekannt sind.
Wenn in solchen
Fällen eine Unterkunftspauschale gewährt würde, würden wir damit innerhalb
einer Haushaltsgemeinschaft Personen im Bezug vergleichbarer Sozialleistungen
unterschiedlich behandelt.
Deshalb soll in
solchen Fällen der Empfehlung der SHR (Ziff. 27a.05 Abs. 2 Satz 1) gefolgt und
- wie auch in der Hartz-IV-Berechnung -
Regelsatz und die tatsächlichen nachgewiesenen Unterkunftskosten „spitz“
berücksichtigt werden (Nr. 1).
· Kaum
Haushaltsrelevanz
Aktuell wird für
16 Kinder HLU in Verwandtenpflege gezahlt. Von diesen leben 13 in Haushalten ohne
Sozialleistungsbezug und aktuell 3 in Haushalten mit Sozialleistungsbezug.
In welcher Höhe
die Unterkunftspauschalen den Haushalt stärker belasten als die Anrechnung der
tatsächlichen Unterkunftskosten, kann nicht gesagt werden, weil die
tatsächlichen Unterkunftskosten in diesen 13 Fällen nicht bekannt sind.
Womöglich würden
für die Unterbringung der Kinder aber wesentlich höhere Kosten anfallen, wenn
eine Unterbringung in der Pflegefamilie nicht möglich wäre.
Die Entscheidung
muss trotz geringer Haushaltsrelevanz im zuständigen Bildungsausschuss
getroffen werden, weil wir mit Nr. 2 (weiterhin) von den SHR abweichen. Die SHR
sind sozialhilferechtliche Vollzugsempfehlungen der kommunalen Spitzenverbände,
die wir grundsätzlich anwenden, sofern nicht Ausnahmen beschlossen werden.
· Vorläufige
Entscheidung durch den Landrat
Da von den drei Fällen mit Soziallleistungsbezug zwei neu zur Entscheidung anstanden und auch die Umrechnungen zum 01.01.2017 vorgenommen werden mussten, hat der Landrat am 18.11.2016 bereits vorläufig im Sinne des Beschlussvorschlags entschieden.