Tagesordnungspunkt
TOP Ö 2: Bildungskoordination von Neuzugewanderten - Bericht
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 27.03.2017 BKS/001/2017 |
Beschluss: | zur Kenntnis genommen |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Die Mitglieder des
Ausschusses nehmen die Ausführungen zur Kenntnis.
Frau Zeug berichtet, dass in den vergangenen zwei
Jahren viele Menschen mit Fluchtgeschichte in den Landkreis gekommen sind.
Aktuell leben über 1500 anerkannte Geflüchtete und Asylbewerber im Landkreis (Stand: März 2017).
Bildung und Arbeit haben eine Schlüsselfunktion für die Integration der
Neuzugewanderten und ihre Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
Um die kommunale Koordinierung der
Querschnittsaufgabe „Bildung Neuzugewanderte“ zu optimieren, wurde in einem
ersten Schritt eine Situationsanalyse über die Lage im Landkreis durchgeführt.
Gespräche mit Akteuren, wie z. B. Sozialamt, Jobcenter, Arbeitsagentur,
Migrations- und Asylsozialberatung, Schulen, Bildungsträgern der
Integrationskurse und persönliche Gespräche mit der Zielgruppe zeichnen
folgendes Bild:
- Es gibt momentan keine genauen
Informationen zum Bildungshintergrund und der beruflichen Qualifikation
der Neuzugewanderten.
- Es gibt Herausforderungen in der
passgenauen Vermittlung von Bildungsangeboten an geflüchtete junge
Menschen, insbesondere bei schulischen Übergängen und beim Spracherwerb.
- Es gibt derzeit keine Beratungsstelle im
Landkreis, die berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten Neuzugewanderter
systematisch erschließt und diese zu Bildung, Ausbildung, Arbeitsmarkt und
der Anerkennung ausländischer Qualifikationen berät.
- Es gibt bisher keine
Informationsplattform, wo Bildungsangebote für Neuzugewanderte präsentiert
werden.
Folgende Maßnahmen
werden ergriffen, um die Koordination der Bildung zu optimieren.
Projektschwerpunkt 1:
Durchführung einer Bildungshintergrunderhebung unter den
Neuzugewanderten
Mittels einer mehrsprachigen Onlineerhebung werden
Neuzugewanderte zum Bildungshintergrund, beruflicher Erfahrung und
Qualifikation im Herkunftsland sowie Bildungs- und Arbeitsmarktinteresse in
Gemeinschaftsunterkünften, Integrationskursen und der Berufsschule befragt. Die
Ergebnisse der Befragung der Zielgruppe werden in einem Bericht erfasst. Die
Befragung dient als Basis für die Förderung der Ausbildungs-, Bildungs- und
Arbeitsmarkt-Integration neu zugewanderter Bürger und als Grundlage für ein
landkreisweites Bildungsmonitoring. Die Daten helfen dem Landkreis Bildungs-
und Beratungsangebote zu entwickeln. Die regionale Wirtschaft erhält einen
Überblick über potenzielle Arbeitskräfte und deren Qualifikation.
ð Die Erhebung schafft eine umfassende Datenbasis zu
Bildungsstand, Bildungs- und Arbeitsmarktinteresse neu zugewanderter Menschen.
Projektschwerpunkt 2:
Passgenaue Vermittlung von Bildungsangeboten für Flüchtlinge zwischen 16
und 25 Jahren
Die Bildungskoordination unterstützte die
Berufsschule bei der Erfassung potenzieller Bewerberinnen und Bewerber für die
neue Klasse, die im Halbjahr in der Berufsschule Obernburg eröffnet wurde und
war als Gast beim Einstufungstest. Das Landratsamt trifft sich im Juni 2015 zu
einem Runden Tisch mit Netzwerkpartnern zur „Beschulung Geflüchteter in
Berufsschulen“, um sich über den Stand
zu den Berufsintegrationsklassen in der Berufsschule
Miltenberg-Obernburg auszutauschen. Aktuell gibt es sechs dieser Klassen. Das
Angebot wird weiter ausgebaut und es wird versucht, die Zusteuerung
der Bewerber der Altersgruppe 16-25 weiter zu systematisieren.
ð Die Vermittlung schafft Bildungs-Perspektiven für
junge Neuzugewanderte
Projektschwerpunkt 3:
Weiterentwicklung von Beratungsangeboten für Neuzugewanderte
Um auf den sehr hohen Bedarf an Information und
Beratung zu Bildung, Ausbildung und Arbeitsmarkt der neuzugewanderten Bürger zu
reagieren, wird eine öffentliche Veranstaltungsreihe im Rahmen der
Bildungskoordination im 2. Quartal 2017 etabliert. Die Zielgruppe wird über
Themen wie z. B. die duale Ausbildung, die Anerkennung ausländischer
Qualifikationen, Zugang zum Studium, die Wirtschaftsregion bayerischer
Untermain u. Ä. informiert.
ð Die Beratung unterstützt Neugewanderte bei der
Orientierung hinsichtlich Ausbildung und Beruf
Projektschwerpunkt 4:
Erstellung einer Wegweiser-Webseite für Neuzugewanderte
Eine mehrsprachige
Webseite zu Bildung im Landkreis Miltenberg wird auf dem Landratsamt-Portal
aufgebaut. Eine Unterseite dient als
„Wegweiser“ für Neuzugewanderte. Bildungsakteure und Bildungsangebote werden
beschrieben und Links zu entsprechenden Webseiten aufgezeigt. Neuzugewanderte
werden über Multiplikatoren, wie z. B. Asylsozial-, Migrationsberatung,
Sprachkursanbieter, Jobcenter und Arbeitsagentur auf die Webseite aufmerksam
gemacht werden.
Die Webseite schafft Transparenz über vor Ort
tätige Bildungsakteure sowie vorhandene Bildungsangebote
Landrat Scherf wiederholt sein Anliegen, dass der Ausschuss diese Arbeit
ständig begleiten solle. Die beiden Schwerpunkte der Stelle seien viele
Informationen für die Neuzugewanderten, damit deutlich werde, was möglich sei.
Der andere große und entscheidende Punkt sei die Vernetzung.
Kreisrat Dr. Linduschka möchte zu der
Bildungshintergrunderhebung wissen, ob Frau Zeug Vorinformationen von
übergeordneten Stellen habe abrufen können.
Er bemerkt, dass geschlossene Fragen bei diesem Thema sehr schwierig
seien und möchte wissen, ob man nicht mit Fragen ein sehr großes Feld abdecken
müsse, um auf spezielle Situationen vor Ort einzugehen.
Frau Zeug antwortet, dass es nur ein einziges Beispiel gebe, wo eine
solche Erhebung erfolgreich durchgeführt worden sei. Dies sei eine Erhebung der
Universität Bielefeld mit der Stadt Bielefeld und einigen Kooperationspartnern
im April 2015 gewesen. Bei ihnen sei damals die Herangehensweise gewesen, dass
insbesondere die Universität habe wissen wollen, ob es irgendwelche Leute gebe
mit einer Hochschulzugangsberechtigung, mit denen sie in Zukunft rechnen
müssten. Dann sei die Arbeitsagentur noch hinzugekommen. Es seien damals ca.
200 Personen befragt worden, allerdings nicht persönlich in Unterkünften,
sondern über die Netzwerkpartner wie z.B. auf Mobiltelefone Links verschickt.
Inhaltlich habe Frau Zeug vier Themen ausgemacht, woran sie die
Forschungsfragen ausgerichtet hatte. Einmal den Bildungshintergrund, Arbeitserfahrung,
Stand der sozialen Integration im Landkreis Miltenberg und Fragen zu
Beratungsdefiziten.
Zum methodischen Teil erklärt Frau Zeug, dass sie sich gegen offene
Fragen wegen der dann zu erwartenden hohen Übersetzungskosten entschieden habe.
Sie habe es dahingehend versucht zu lösen, indem sie gut recherchiert habe bei
wie z.B. bei der Kultusministerkonferenz oder in Datenbanken.
Kreisrätin Passow nimmt Bezug auf die Aussage, dass es derzeit keine
Beratungsstelle im Landkreis gebe, die berufliche Kenntnisse und Fähigkeiten
Neuzugewanderter systematisch erschließe und diese zu Bildung, Ausbildung,
Arbeitsmarkt und der Anerkennung ausländischer Qualifikationen berate. Sie
möchte wissen, wie diese Aussage im Hinblick auf die Arbeitsagentur, die IHK und
HWK sowie das Jobcenter zu sehen sei. Kreisrätin Passow sieht darin eine
Doppelarbeit.
Frau Zeug erwidert, dass das Team „Flucht“ in der Arbeitsagentur nicht
eine Stelle sei, wo jeder verpflichtet sei, hinzugehen. Das heißt, wenn jemand
dort hinkomme, werde auch versucht, herauszufinden, was der Bildungshintergrund
sei. An diese Daten käme sie allerdings aus datenschutzrechtlichen Gründen
nicht ran.
Beim JobCenter sei das Vermittlungsteam nicht
darin geschult sei, eine individuelle Kompetenzerhebung durchzuführen. Dies sei
ein sehr komplexes und sehr schwieriges Thema. In der Datenbank seien große
Lücken. Eine Vermittlungsperson habe alleine von der Stellenbeschreibung auch
nicht die Aufgabe, eine Kompetenzerhebung von einem ausländischen
Bildungsabschluss durchzuführen und einzuschätzen.
Die Aie Anerkennung sei ebenfalls ein sehr
komplexes Thema. Seit 2013 gebe es in Deutschland ein Anerkennungsgesetz, was
ausländische Abschlüsse angehe. Da komme es allerdings darauf an, ob es sich um
einen Handwerksberuf oder einen Referenzberuf handele, der in die IHK
reinfalle. Der Föderalismus spiele auch eine Rolle.
Auf die Frage nach Daten habe die Handwerkskammer Frau Zeug erklärt,
dass es bei ihnen das Merkmal „Geflüchteter“ nicht gebe.
Kreisrätin Fächer fragt, welche Berufe bei Selbständigen im Heimatland
im Vordergrund stehen und inwieweit diese Berufe in Deutschland anerkannt
würden.
Frau Zeug antwortet, dass es dazu keine statistisch repräsentativen
Daten gebe. Aus ihrer Erfahrung allerdings seien die Selbständigen aus allen
Bereichen. Es gehe allerdings in erster Linie darum, die Menschen aufzuklären,
was in Deutschland die Vorgaben seien etc. Dies könne nicht jeder einfach so
machen, da es sehr viele Dinge zu berücksichtigen gelte. Die betroffenen
Personen sollen eine bessere Entscheidungsgrundlage erhalten.
Kreisrat Frey möchte wissen, ob Neuzugewanderte auch tatsächlich im
eigenen Beruf untergekommen seien.
Frau Zeug erwidert, dass es diese Personen wirklich gebe. Allerdings sei
die große Gruppe der Flüchtlinge, die vor anderthalb Jahren nach Deutschland
gekommen sei, sprachlich noch nicht auf dem Stand, dass sie die Vorgaben
erfüllen könnte.
Kreisrätin Passow möchte, ob der Personalbedarf in der Region auch
betrachtet werde, da sie dies für zwingend erforderlich halte.
Landrat Scherf antwortet, dass die Arbeitsagentur und das JobCenter einen Blick darauf hätten, wo der Bedarf in der
Region sei. Auch bei der Ausbildungsinitiative Asyl im Landkreis Miltenberg
gehöre es zur Potenzialanalyse dazu, dass man schaue, wo Bedarf an jungen
Auszubildenden sei und zu prüfen, welche Talente dazu passten. Dies führe dazu,
dass man in der Ausbildungsinitiative 19 junge Auszubildende begleite, die
schwerpunktmäßig im Handwerk tätig seien. Gerade im Handwerk habe man mit
Abstand den größten Fachkräftebedarf.
Frau Zeug ergänzt, dass sie mit den Partnern allen vernetzt sei.