Tagesordnungspunkt

TOP Ö 8: Die Entwicklung der Jugendhilfe im Landkreis Miltenberg mit ihren finanziellen Auswirkungen

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Sitzung:23.05.2011   KA/002/2011 
Beschluss:zur Kenntnis genommen
DokumenttypBezeichnungAktionen

Jugendamtsleiter Winkler und Frau Appel, Leiterin Sachbereich 222, erläuterten anhand beiliegender Präsentation die Entwicklung der Jugendhilfe im Landkreis Miltenberg mit ihren finanziellen Auswirkungen.

 

Landrat Schwing dankte beiden für ihre Erläuterungen und fügte hin, es sei ein breites Spektrum, was die Jugendhilfe mittlerweile abdecke. Er wies darauf hin, dass es fast alles Hilfsmaßnahmen seien, auf die die Betroffenen in der Regel einen rechtlichen Anspruch haben. Der Landkreis könne nicht frei entscheiden. Dies sei nicht ganz so einfach, aber es handele sich immer wieder um Kinder und Jugendliche, die natürlich auch Anspruch haben auf eine gute Zukunft und dies wolle man natürlich gewährleisten, auch wenn es manchmal schwer sei.

 

Kreisrat Dr. Fahn dankte für die umfangreich geleistete Arbeit. Er werde die Präsentation in seiner Fraktion besprechen, es handele sich um ein wichtiges Thema, auch weil es um Kosten gehe. Bei der Gelegenheit fragte er, wie der Ablauf im Landratsamt sei, denn es müsse doch Signale für eine Überschreitung der Ansätze geben. Dieser Bereich sei ein Fass ohne Boden. Er wisse, dass es ein Leistungsgesetz sei. Er überlege trotzdem, ob es Spielräume gebe, trotz Gesetze. Ausreißer seien z. B. die Förderung der Kinder in Tagespflege, die gemeinsame Unterbringung von Müttern und Kindern, ein weiterer Dauerbrenner seien Heimerziehung und Eingliederungshilfe. Ziel sei ja die Beendigung von nicht sinnvollen Maßnahmen. Hier müsse man sehen, wo man Kosten sparen könne.

 

Landrat Schwing wies darauf hin, man könne hier nicht auf alle Details in diesem Umfang eingehen, dafür gebe es den Jugendhilfeausschuss. Er bat um Verständnis, es handele sich hier um einen fachfremden Ausschuss. Er fügte hinzu, er habe damals bei Verabschiedung des neuen Kinder- und Jugendhilfegesetzes bereits darauf hingewiesen, dass man mindestens mit einer Verdoppelung der Kosten rechnen müsse. Damals sei er dafür kritisiert worden, heute habe man eine Vervierfachung vielen Bereichen. Die Spielräume seien im Endeffekt fast Null auf Grund der Rechtsansprüche. Wenn Mitarbeiter bereit seien, höher ins Risiko zu gehen, dann gebe es noch Spielräume – aber dieses Risiko müsse jeder einzelne Mitarbeiter, Jugendamtsleiter, Abteilungsleiter oder Landrat persönlich tragen. Dies könne man auf Dauer niemandem zumuten, denn man sei immer die schwächere Seite.

 

Jugendamtsleiter Winkler erläuterte, es gebe Quartalsberichte über die Entwicklung, die auf Abweichungen eingehen und Veränderungsvorschläge machen.

In Bezug auf das Pflegekinderwesen sei im Jugendhilfeausschuss klar darüber gesprochen worden, dass es drei verschiedene Möglichkeiten gebe: Entweder man mache weiter wie bisher, das heißt, man könne Kindern ein Nest geben, die langfristig einen familiären Background haben. Dies sehe man an den Verweildauern, dies mache man bereits und dies mache man gut. Man könne dies aber auch professionalisieren, dann brauche man aber eine andere Basis beim Personal, dann könne nicht mehr eine Person 50 Pflegekinder und Familien betreuen. Damit könne man ein wenig mehr an Problemsituationen abfangen. Das Problem sei nicht, Pflegeeltern zu finden, sondern diese zu unterstützen, dass sie dies auf Dauer leisten können. Geduld, Liebe und gesunder Menschenverstand reichen nicht aus, um ein Pflegekind aufzunehmen. Jedes Pflegekind habe ein traumatisches Erlebnis hinter sich, nämlich die Trennung von den leiblichen Eltern. Jedes Pflegekindverhältnis sei problematisch. Erziehungsstellen würden kostenmäßig pro Monat mit 3.300,- € aufwärts zu Buche schlagen, pädagogisch vielleicht eine Alternative, finanziell aber kein Ausweg.

Weiterhin sei man ein Jugendamt, welches von Anfang an zusätzlich Erziehungsbeistandschaft gewähre.

Zur Heimauswahl wies er darauf hin, er könne gern jedem Interessierten die Richtlinien zum Hilfeplanverfahren benennen. Es gebe immer wieder Rückmeldungen, beispielsweise von Fachhochschulen, die Praktikanten im Hause haben, dass das Jugendamt Miltenberg sehr gut organisiert sei und auf einem fachlich hohen Standard die Hilfepläne durchgeführt würden. Der beste Vertrauensbeweis sei die Urteilsbegründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes gewesen, bei dem man wegen einem §-35a-Fall eine Verhandlung hatte, den man gewonnen hatte. Der vorsitzende Richter dort habe festgestellt, dass er noch nie so ein ausgeklügeltes Hilfeplansystem und eine entsprechende Begründung wie von Miltenberg gesehen habe.

 

Kreisrat Dr. Linduschka warf ein, nach den Zahlen würden wohl fast mehr als jedes 6. Mädchen und jeder 4. Junge mit einer möglichen oder wahrscheinlichen psychischen Schädigung eingeschätzt. Aus so einer Einschätzung schließe er Rechtsansprüche für Leistungen. Diese Zahlen erscheinen im wahnsinnig hoch und daher fragte er nach der Glaubwürdigkeit.

 

Jugendamtsleiter Winkler erklärte, hier sei das Risiko junger Menschen dargestellt worden, im Laufe eines Jahres einer besonderen Erkrankung oder psychischen Auffälligkeit zu erliegen. Noch habe aber nicht jede psychische Auffälligkeit einen Krankheitswert. Außerdem sei es zunächst Aufgabe der Kinder- und Jugendpsychiatrie, dies zu bearbeiten und medizinisch abzuklären. Erst dann komme die Jugendhilfe, wenn es darum gehe, Wiedereingliederungshilfe zu leisten, daher der § 35a. Hier werde auch deutlich, bis zu 22,5 % der Jungen seien in diesem Bereich auffällig, aber in der Jugendhilfe selbst komme nur ein Bruchteil davon an.

 

Kreisrat Scherf fand diesen Bericht sehr wichtig und ergänzte, es sei klar geworden, dass das Jugendamt keine Einrichtung sei, die agieren könne, sondern vor allem reagieren müsse. Hier seien eben meistens die Hände gebunden. Weiterhin sinke die Lebenszufriedenheit. Prof. Adams habe in der letzten Jugendhilfeausschusssitzung gesagt, dass die Anzahl psychisch erkrankter Kinder in Bayern, in Deutschland, in Westeuropa, USA und Kanada signifikant gestiegen sei. Er habe dazu gesagt, dies habe nichts mit einer andern Diagnostik zu tun. Und es habe nichts mit Modekrankheiten zu tun. Man habe da einfach eine gewisse Problematik. Es gehe hier aber um die Kinder, und nicht um die Kosten. Momentan müsse sich das Jugendamt rechtfertigen, dass es Geld ausgebe. Wenn man einmal irgendwann in die Situation komme, dass etwas schiefgehe, dann müsse das Jugendamt sich rechtfertigen, ob man etwas richtig gemacht habe. Von daher habe man keinen Spielraum, gesetzlich nicht, und auch moralisch nicht. Er wies darauf hin, dass Herr Winkler den Rückhalt des größten Teils des Kreistages habe.

 

Landrat Schwing ergänzte, er habe den Kreistag bereits in der letzten Sitzung des Jugendhilfeausschusses ausdrücklich gelobt.

 

Kreisrat Stappel meldete sich zu Wort, er dankte Herrn Winkler ebenfalls für die Zahlen und Fakten, die man aber fast nicht mehr in den Griff bekomme. Er halte es für wichtig, Sparmaßnahmen einzuleiten. Es sei aber auch wichtig, den Verpflichtungen gegenüber der Jugend nachzukommen. Ihn interessiere weiterhin der Ausländeranteil bei den Maßnahmen.

 

Jugendamtsleiter Winkler erklärte, man schaue eher nach Jugendlichen mit Migrationshintergrund. Hier stelle man fest, dass es Bereiche in der Jugendhilfe gebe, wo Ausländer gut vertreten seien, aber positiv bei der Inanspruchnahme von Kindergärten. Hier finde eine Integration statt, eine Abgrenzung sei hier nicht der Fall. Bei den stationären Maßnahmen seien Kinder mit Migrationshintergrund deutlich unterrepräsentiert. Diese Hilfe brauchen deutlich mehr Familien aus unserem Kulturkreis, oft in der dritten oder vierten Generation. Die soziale Herkunft sei mitentscheidend.

 

Kreisrat Dr. Fahn erwähnte, das Sparen in diesem Bereich kein Tabuthema sein dürfe. Weiterhin wollte er anregen, als Teilnehmer für die Hilfekonferenzen zum Beispiel den Kreiskämmerer oder einen Juristen hinzuzuziehen.

 

Landrat Schwing wies darauf hin, es sei niemand im Saal, der nicht auf die Kosten achten wolle. Jeder achte auf die Kosten, aber man kenne auch seine Rechten und Pflichten. Die Umstände seien nun einmal nicht zu verändern. Aber bisher habe man gute Regelungen gefunden. Damit sollte man dies heute abschließen, damit werde man sich in Zukunft noch öfter beschäftigen, aber natürlich im zuständigen Fachausschuss.

 

Der Kreisausschuss nahm die Ausführungen zur Kenntnis.

 

 

 

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