Tagesordnungspunkt

TOP Ö 5: Weiterer Vollzug des Sozialgesetzbuches (SGB) II - Jobcenter oder Option?

BezeichnungInhalt
Sitzung:11.10.2010   KT/011/2010 
DokumenttypBezeichnungAktionen

Verwaltungsamtsrat Vill erläuterte kurz den Sachverhalt.

 

Mit dem SGB II-Weiterentwicklungsgesetz vom 10.08.2010 und einer gleichzeitig erfolgten Änderung von Art. 91 e des Grundgesetzes ist die im Koalitionsvertrag vom Herbst 2009 noch als Regelzustand vorgesehene „getrennte Aufgabenwahrnehmung“ vom Tisch.

Als echte Alternative zur damals aus unserer Sicht einzig sinnvollen „Option“ ist nunmehr auch die Betreuung der Langarbeitslosen gemeinsam mit der Agentur für Arbeit in einem „Jobcenter“ möglich. Zusätzlich werden ab 2012 neben den bestehenden 69 Optionskommunen weitere 41 Träger die Möglichkeit haben, die „Option“ wahrzunehmen. Auf Bayern werden 6 Optionsmöglichkeiten entfallen. Ob angesichts der bisherigen regionalen Verteilung der 4 bayerischen Optionskommunen Unterfranken letztendlich noch einen weiteren Zuschlag erhalten kann, ist fraglich.

Vor allem angesichts der mit einer „getrennten Aufgabenwahrnehmung“ verbundenen Nachteile für die betroffenen Langzeitarbeitslosen, aber auch wegen des erhöhten Verwaltungsaufwands war die getrennte Aufgabenwahrnehmung als „kompliziert, kostspielig, ineffizient und intransparent“ eindeutig abzulehnen. Deshalb hatte der Kreistag am 17.12.2009 eine Resolution gegen die getrennte Aufgabenwahrnehmung verabschiedet und sich für die Ausübung der Option ausgesprochen, soweit die Möglichkeit dazu besteht.

Nachdem die getrennte Aufgabenwahrnehmung nach politischem Widerstand auf breitester Front nun aber vom Tisch ist, macht es Sinn, den Optionsbeschluss vom 17.12.2009 noch einmal zu überprüfen und zu überlegen, ob nicht die im Landkreis Miltenberg sehr erfolgreich gelaufene Zusammenarbeit zwischen Arbeitsagentur und Kommune fortgesetzt werden sollte.

In einer Arbeitsgruppe, an der auch der ARGE-Geschäftsführer und dessen Vertreter teilnahmen, wurde dies vorgeprüft und die Argumente für und gegen Jobcenter bzw. Option aufgelistet und abgewogen. Die Gesamtmatrix aller von der Arbeitsgruppe gesehenen Aspekte ist als Anlage beigefügt.

Als wichtigste Punkte sind dabei hervorzuheben:

Pro Option:

-     Aufsicht bei zuständigen Landesbehörden

-     größere Gestaltungsspielräume durch geringere Nachhaltungsmöglichkeiten des Bundes

-     Alleinzuständigkeit für Feststellung von Erwerbsfähigkeit und Hilfebedürftigkeit

-     Einheitlichkeit des Personalkörpers

-     Eigene (und bessere) IT-Lösung möglich (als A2LL)

Pro Jobcenter:

-     Höhere Kosten der Option durch Wegfall von Synergieeffekten

-     Kostenrisiko für den Landkreis bei der Option

-     Alleinige Verantwortung für Unterbringungsfrage bei der Option

-     kein Umstellungsaufwand

-     bessere Chancen für den Erhalt der Arbeitsagentur Aschaffenburg mit Nebenstellen Miltenberg und Obernburg

Aufgrund einer für uns unverbindlichen Voranfrage sicherte uns die Agentur für Aschaffenburg mit Schreiben vom 20.09.2010 für den Fall einer weiteren Zusammenarbeit in einem Jobcenter Folgendes zu:

-     Herr Alfons Opolka bliebe Geschäftsführer des Jobcenters.

-     Solange die Arbeitsagentur den Geschäftsführer stellt, bliebe der Landrat Vorsitzender der Trägerversammlung.

-     Die seitherigen Konditionen des ARGE-Vertrags sollen soweit wie möglich fortgelten, soweit nicht haushaltsrechtliche Bestimmungen oder Weisungen des Bundesarbeitsministeriums zwingend entgegenstehen.

-     Die Reduzierung des Befristungsanteils von derzeit über 30 (!) % auf maximal 10 % der Beschäftigungsverhältnisse zur Erreichung von personeller Kontinuität wird angestrebt.

-     Eine Harmonisierung der Dienstvereinbarungen nach den Standards des Landkreises wird ebenfalls angestrebt.

Der letzte Punkt wurde im Rahmen einer gemeinsamen Arbeitsgruppe von Agentur- und Landkreisvertretern sowie ARGE-Mitarbeitern zusätzlich vorgeprüft und Harmonisierungsmöglichkeiten in den Bereichen Zeiterfassung, Arbeitszeitregelung, Dienstfahrzeugnutzung und Teilnahme von ARGE-Führungskräften am Führungsbarometer des Landkreises gesehen.

Einer ergänzenden Lösung bedarf allerdings die durch die Vorgaben des Bundes begrenzte Stellensituation der Agentur in Verbindung mit einer Vorgabe für den dortigen Befristungsanteil, die ansonsten die Beendigung von fünf befristeten Beschäftigungsverhältnisse zum 31.12.2010 notwendig machen würde.

Um dies zu verhindern, ist im Fall der Errichtung eines Jobcenters beabsichtigt, diese fünf befristet beschäftigten Leistungssachbearbeiter der Arbeitagentur in zunächst ebenfalls befristete Arbeitsverhältnisse beim Landkreis zu übernehmen. Der Landkreis hat dadurch keine höhere finanzielle Belastung, weil die Personalkosten aus dem Verwaltungsbudget des Bundes in voller Höhe erstattet werden. Es besteht auch nicht das Risiko einer Ausweitung des sonstigen Personalkörpers des Landratsamtes, weil die Verträge auf ausschließliche Beschäftigung im Jobcenter beschränkt werden sollen.

Nach Abwägung aller Aspekte überwiegen aus Sicht der Verwaltung die Vorteile einer Fortsetzung der bisherigen bewährten Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur in einem Jobcenter als gemeinsame Einrichtung.

Die nachteiligen Aspekte, besonders für die betroffenen Langzeitarbeitslosen selbst, die eine „getrennte Aufgabenwahrnehmung“ mit sich gebracht hätte, werden durch die Hilfegewährung „aus einer Hand“ in einem Jobcenter genauso gut ausgeschlossen, wie mit einer Option.

 

 

Geschäftsführer Opolka ergänzte, in der Ausgangssituation in den Jahren 2005 und 2006 sei der Mitarbeiterbestand in der ARGE zwischen Bundesagentur und Landratsamt mit jeweils ca. 30 Mitarbeitern relativ ausgewogen. Im Laufe der Zeit seien einige Mitarbeiter zurück in das Landratsamt gewechselt und man habe nicht alle Stellen aus dem Landratsamt heraus wieder besetzen können, sondern es seien externe Bewerber durch die Bundesagentur eingestellt worden. Somit habe sich das Verhältnis verschoben. Insgesamt habe man momentan 61 MitarbeiterInnen, davon seien 17,5 Stellen befristet. Dies sei eine sehr hohe Befristungsquote. Von den 61 MitarbeiterInnen seien 20 aus dem Landratsamt und 41 aus der Bundesagentur. Dadurch habe sich im Laufe der Zeit die Obergrenze für befristet Beschäftige in der Bundesagentur verschoben. Man könne zum Jahresende fünf momentan in Diensten der Bundesagentur stehende MitarbeiterInnen weiterbeschäftigen, wenn der Landkreis sich bereit erklären würde, diese in seine Dienste zu übernehmen. Dies sei noch dazu mit einem kleinen Bonus für die MItarbeiterInnen verbunden, es handele sich nämlich um MitarbeiterInnen aus der Leistungsabteilung, die im Landratsamt etwas mehr verdienen würden. Für den Landkreis entstehe allerdings kein finanzieller Nachteil, da die Kosten aus dem Budget der ARGE getragen werden. Die Verträge werden allerdings so gestaltet sein, dass die Beschäftigung nur für die ARGE gelte, damit auch die jetzigen Landratsamtmitarbeiter nicht in eine Konkurrenzsituation gelangen.

 

Kreisrat Dr. Kaiser stellte fest, man habe diese Problematik bereits in der Sitzung des Kreisausschusses ausführlich diskutiert. Er stellte aber die Frage, ob auch eine komplette Entfristung der 17,5 Stellen möglich sei. Weiterhin merkte er an, wie erstaunlich die Erfolge anhand der Zahlen seien, zumal die Mitarbeiter in den letzten beiden Jahren erheblich verunsichert gewesen seien.

 

Geschäftsführer Opolka entgegnete, es sei natürlich schön gewesen, wenn man von den 3.200 im Bundestag freigegebenen Stellen mehr abbekommen hätte, aber leider habe man nur eine einzige Stelle davon erhalten. Dies hänge damit zusammen, dass von den 3.200 Stellen zunächst einmal 900 weggenommen habe, um Etablisierungen für Amtshilfekräfte vorzunehmen. Leider habe man nur zwei solcher Mitarbeiter, einer davon gehe sogar am Ende des Jahres in Pension. Man habe kaum Möglichkeiten, solche Amtshilfekräfte zu beschäftigen. 250 weitere Stellen werden für neue Servicecenter für die zentrale Telefonie genutzt. Man habe sich hier aber entschlossen, kein Telefonie-Servicecenter zu nutzen, da man mit den Kunden in persönlichen Kontakt treten möchte. Beim ersten Amtskontakt erhalten die Kunden ihren persönlichen Ansprechpartner und können sich direkt dorthin wenden. Vom Rest fielen 194 Stellen auf die Regionaldirektion Bayern und dadurch eine auf den Landkreis Miltenberg. Viele Stellen seien nach München verlegt worden, da dort viele befristete Mitarbeiter waren. Man habe es hier auffangen können, indem man den Mitarbeitern zumindest bis 2013 befristen konnte. Dann hoffe man, dass man im Laufe dieser drei Jahre weitere Entfristungen erhalte.

 

Kreisrat Schötterl dankte Geschäftsführer Opolka für die erfolgreiche Vermittlungsarbeit. Natürlich spreche auch etwas für eine Option, aber es halte sich doch ziemlich die Waage, und den Ausschlag gebe doch die wirklich erfolgreiche Zusammenarbeit. Daher sei die Fraktion der Freien Wähler natürlich für eine weitere Zusammenarbeit.

 

Kreisrat Reinhard merkte an, dass die fünf MitarbeiterInnen natürlich auch gebraucht werden müssen, sonst würde man sie nicht übernehmen können.

 

Geschäftsführer Opolka entgegnete, man habe keinen starren Personalkörper. Wenn die Konjunktur sich bessere und Zahlen zurückgehen, reduziere man natürlich auch die Mitarbeiterzahl. Dies geschehe nicht durch Entlassungen, sondern durch Fluktuation. Steigen die Zahlen, stelle man auch wieder mehr Leute ein. In den letzten zwei Monaten habe man 1,5 Stellen durch normale Fluktuation reduziert. Der Rest de Mitarbeiter werde nun in jedem Fall benötigt, auch durch die Neuorganisation.

 

Landrat Schwing ergänzte, man habe sich bei den gemeinsamen Gesprächen mit der Bundesagentur darauf verständigt, den Befristungsanteil auf 10 % zurückzuführen. Ganz ohne Befristung sei nicht möglich, man müsse flexibel bleiben.

 

Der Kreistag fasste einstimmig den

 

B e s c h l u s s :

 

1.    Der Kreistagsbeschluss vom 17.12.2009 zu TOP 4 „Zukünftige Aufgabenwahrnehmung im SGB II“ wird aufgehoben.

2.    Der weitere Vollzug des SGB II ab 01.01.2011 erfolgt gemeinsam mit der Agentur für Arbeit im Rahmen eines Jobcenters als gemeinsame Einrichtung gemäß §§ 6 d, 44 b ff. SGB II (neu).

3.    Der befristeten Übernahme von fünf Angestellten der Agentur für Arbeit Aschaffenburg, die derzeit bis zum 31.12.2010 befristet in der ARGE Miltenberg beschäftigt sind, wird zugestimmt, mit der Maßgabe, dass diese ausschließlich im künftigen Jobcenter eingesetzt werden.

 

 

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