Tagesordnungspunkt

TOP Ö 3: Schulwegkosten für Schülerinnen und Schüler aus Mechenhard (Antrag der SPD-Fraktion vom 17.04.2009)

BezeichnungInhalt
Sitzung:20.05.2009   KA/002/2009 
DokumenttypBezeichnungAktionen

 

Landrat Schwing führt aus, dass die jetzt anstehende Einzelentscheidung zwar nicht in den Kreisausschuss gehöre, aber aufgrund des Antrages der SPD-Fraktion vom 20.04.2009 und des zwischenzeitlich anhängigen Petitionsverfahrens diese doch behandelt werde. Die Vorgaben des Gesetzgebers seien zu beachten und zu vollziehen. Die Landkreisverwaltung müsse darauf achten, dass keine Einzelfälle, sondern die Allgemeinheit ordentliche Behandlung erfahre.

 

Regierungsrat Feil gibt sodann Folgendes bekannt:

 

Die SPD-Fraktion habe mit Schreiben vom 20.04.2009 darum gebeten, im Kreisausschuss folgenden Antrag zu behandeln:

 

Der Landkreis möge in einer Härtefallregel die Schulwegkosten für die in Mechenhard an der drei Kilometer-Grenze wohnenden Schülerinnen und Schüler (insbesondere betroffen ist zzt. eine Familie) übernehmen, ohne damit einen Rechtsanspruch zu begründen. Als Begründung wurde aufgeführt, dass die Familie genau an der kritischen drei Kilometer-Grenze wohnhaft sei und das schulpflichtige 11-jährige Kind einen Schulweg nehmen muss, der offensichtlich nicht ungefährlich sei, auch wenn die zuständige Stelle der Polizei Obernburg dies so nicht sehen könne. Um die notwendige Sicherheit des Schulweges zu gewährleisten sowie unbillige finanzielle Härten von der Familie abzuwenden, sollten die Schulwegkosten vom Landkreis übernommen werden.

 

Er erläutert, dass es sich im vorliegenden Fall um den Schulweg von Mechenhard zum Hermann-Staudinger-Gymnasium in Erlenbach handele. Für einige Schülerinnen und Schüler betrage hier die einfache Fußwegstrecke weniger als drei Kilometer, so auch bei dieser Familie. Am 25.06.2008 hätten die Eltern des Schülers beim Landkreis Miltenberg für ihr Kind eine Fahrkarte für das Schuljahr 2008/2009 beantragt. Den Erziehungsberechtigten sei mit Schreiben vom 30.06.2008 mitgeteilt worden, dass eine Übernahme der Beförderungskosten wegen Unterschreitung der drei Kilometergrenze nicht möglich sei und man daher davon ausgehe, dass sich die Angelegenheit erledigt habe, wenn sie nicht innerhalb der gesetzten Frist einen rechtsmittelfähigen Ablehnungsbescheid wünschten. Bis zum heutigen Tag sei von den Erziehungsberechtigten kein schriftlicher Bescheid angefordert worden, damit der Rechtsweg bzw. ein Widerspruchsverfahren beschritten werden könne.

 

Schülerinnen und Schüler von öffentlichen und staatlich anerkannten Gymnasien hätten einen Anspruch auf Kostenfreiheit des Schulweges, wenn die kürzeste Fußwegstrecke zur nächstgelegenen Schule einfach mehr als drei Kilometer betrage. Bei besonders beschwerlichen oder besonders gefährlichen Schulwegen könne auch ausnahmsweise bei kürzeren Wegstrecken die Notwendigkeit der Beförderung anerkannt werden. Diese Ausnahmeregelung sei jedoch nicht darauf ausgerichtet, Schülerinnen und Schüler vor jeglicher Gefahr bzw. Unbequemlichkeit auf dem Schulweg zu schützen, sondern nur gegen besonders hohe Gefahren oder bei besonders hohen Beschwerlichkeiten. Jedes theoretisch noch verbleibende Risiko auf dem Schulweg auszuräumen sei nicht Sinn und Zweck der Schülerbeförderungsverordnung. So sei Schülerinnen und Schülern ein allgemeines Verkehrsrisiko grundsätzlich zuzumuten. Der Begriff „besonders gefährlich“ bringe zum Ausdruck, dass die üblichen Gefahren, denen Schülerinnen und Schüler auf dem Weg zur Schule insbesondere im modernen Straßenverkehr ausgesetzt seien, für die Gewährung der Fahrtkosten unbeachtlich seien. Nur wenn konkrete Umstände hinzuträten, die das Schadensrisiko überdurchschnittlich hoch erscheinen ließen, solle ein Anspruch auf Kostenfreiheit bestehen. Eine nur subjektiv empfundene unbegründete Angst vor Gefährdung dürfe demnach nicht als Kriterium für die Beurteilung herangezogen werden.

 

Der Schulweg von Mechenhard zum Hermann-Staudinger-Gymnasium in Erlenbach sei wiederholt vom Verkehrssicherheitsbeauftragten des Landkreises Miltenberg und der Polizeiinspektion Obernburg überprüft worden. Der Schulweg sei schülerbeförderungsrechtlich weder als besonders gefährlich noch als besonders beschwerlich einzustufen.

 

Besonders gefährlich sei ein Schulweg dann, wenn er überwiegend entlang einer verkehrsreichen Straße ohne Gehweg oder begehbaren Randstreifen führe oder wenn eine oder mehrere stark befahrene Hauptverkehrsstraßen ohne Sicherung durch Ampelanlagen, Zebrastreifen oder dgl. überquert werden müssten. Der gesamte Schulweg sei ab Mechenhard auch durch das Waldstück beleuchtet. Gehwege seien durchgehend vorhanden. Verkehrsreiche Straßen wie die Miltenberger Straße in Erlenbach etc. könnten mittels einer Ampelanlage überquert werden. Eine erhöhte Gefährdungslage durch mögliche kriminelle Übergriffe von Sexualstraftätern oder sonstigen Gewalttätern sei ebenfalls nicht gegeben, wie der Verkehrssicherheitsbeauftragte bzw. die Polizeiinspektion Obernburg in ihren Stellungnahmen aufführten.

 

Ein Schulweg sei besonders beschwerlich, wenn er überwiegend z. B. über unübersichtliches und unwegsames Gelände führe oder extreme Höhenunterschiede aufweise. Im an Hügeln, Mittelgebirgen und Hochgebirgen reichen Bayern seien Schulwege in der Regel auch mit Steigungen verbunden. Die Ausläufer des Odenwaldes und des Spessarts erstreckten sich in den Landkreis Miltenberg. In vielen Ortsgebieten z. B. in Eichenbühl, Amorbach, Weilbach, Miltenberg, Klingenberg, Stadtprozelten etc. müssten Kinder, auch Grundschulkinder, größere und längere Steigungen auf dem täglichen Schulweg bewältigen.

 

Schülerbeförderungsrechtlich könnten demnach die Fahrtkosten nicht übernommen werden, da die einfache Entfernung nicht mehr als drei Kilometer betrage und auch keine besondere Gefährlichkeit bzw. besondere Beschwerlichkeit vorliege.

 

Von den Erziehungsberechtigten des Schülers wurde ein Petitionsantrag gestellt. Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus habe dem Petitionsausschuss zur Eingabe mitgeteilt, dass die Ablehnung des Landkreises Miltenberg, die Beförderungskosten des Petenten zu übernehmen, rechtsfehlerfrei sei. Wegen der Behandlung der Angelegenheit im Kreisausschuss sei die Entscheidung im Petitionsausschuss zurückgestellt worden.

 

Der Landkreis Miltenberg habe die Möglichkeit, auch Fahrtkosten auf dem Schulweg zu übernehmen, obwohl dazu schülerbeförderungsrechtlich keine Verpflichtung gegeben sei. Von dieser freiwilligen Übernahme werde jedoch in diesem Fall aus folgenden Gründen abgeraten:

 

-     Ein Bezugsfall würde geschaffen. Problematisch wäre die weitere Behandlung solcher Fälle. Insgesamt wohnen im Landkreis Miltenberg innerhalb einer drei Kilometer-Grenze zu weiterführenden Schulen (incl. Berufsschulen) ca. 3.534 Schülerinnen und Schüler bzw. zu weiterführenden Schulen ohne Berufsschulen ca. 2.152 Schüler. Im schlimmsten Fall könnten wegen der Bezugsfallwirkung im Schuljahr jährliche Kosten von ca. 2.122.520,40 € (weiterführende Schulen mit Berufsschulen) bzw. 1.292.491,20 € (weiterführende Schulen ohne Berufsschülerinnen und -schüler) entstehen, die der Landkreis selber tragen müsste.

 

-     Die entstehenden Kosten können nicht bei der pauschalen Zuweisung mit angegeben werden. Der Landkreis Miltenberg müsste für die gesamten Beförderungskosten selbst aufkommen. Hinweis: Aktuell erhält der Landkreis Miltenberg vom Staat ca. 63 % der angefallenen Beförderungskosten im Rahmen der pauschalen Zuweisung ersetzt.

 

Des Weiteren würde eine freiwillige Übernahme eine Vielzahl von Folgeanträgen nach sich ziehen. Die Behandlung dieser Anträge wäre für die Verwaltung insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung aller Bürgerinnen und Bürger nicht leistbar, da es an einem klar abgrenzbaren Kriterium für die Gewährung einer freiwilligen Leistung fehle. Insofern wäre es nicht zu vermitteln, wieso eine Bürgerin/ein Bürger eine freiwillige Leistung erhalte und eine andere/ein anderer nicht.

 

Landrat Schwing ergänzt, dass die Landkreisverwaltung im Falle einer Zustimmung zum Antrag eine Fülle von vergleichbaren Anträgen zu befürchten habe. Der Freistaat Bayern übernehme zurzeit 63 % der Kosten für die Schülerbeförderung. Ausnahmen als freiwillige Leistung der Landkreisverwaltung müssten zu 100 % vom Landkreis getragen werden.

 

Kreisrat Dr. Schüren versteht die Bedenken der Landkreisverwaltung, auch könne er nachvollziehen, was Landrat Schwing angeführt habe. Hätte es in den letzten 1 – 2 Jahren Übergriffe auf dieser Strecke gegeben, dann wäre der Schulweg längst für gefährlich erklärt und die Kosten würden übernommen. Seine Tochter hätte er im Alter von 11 Jahren diesen Schulweg nicht beschreiten lassen. Die SPD-Fraktion glaube, dass trotz des Polizeigutachtens  dieser Weg nicht als nicht besonders gefährlich eingestuft werden könne.

 

Landrat Schwing meint, er respektiere jede andere Meinung, allerdings müsse man sich der Konsequenzen der Zustimmung zum Antrag bewusst sein.

 

Kreisrat Stolz schließt sich der Meinung des Kreisrats Dr. Schüren, dass die Straße als besonders gefährlich eingestuft werden müsse, an. Mit der heutigen Entscheidung greife man in ein schwebendes Verfahren ein, da die Antragsteller mit Schreiben vom 30.06.2008 die Möglichkeit erhalten hätten, einen entsprechenden Bescheid zu beantragen und dies bis heute nicht geschehen sei.

 

Kreisrat Dr. Kaiser bemerkt, dass es bei diesem Fall um eine Grundsatzfrage gehe.

 

Kreisrat Dr. Fahn führt aus, dass die Eltern einen Antrag an den Petitionsausschuss gestellt hätten. Ganz gleich wie der Kreisausschuss entscheide, der Fall sei damit noch nicht aus der Welt geschaffen. Er sei der Meinung, das Schulwegkostengesetz müsste geändert werden aufgrund immer wieder vorliegender Petitionen. Wie Regierungsrat Feil bereits ausgearbeitet habe, gehe es um die Punkte Gefährlichkeit und Beschwerlichkeit. Weiterhin spiele die Entscheidung der Stadt Erlenbach a. Main zu diesem Thema eine Rolle. Der Weg sei als gefährlich und beschwerlich einzustufen. Die Polizei in Obernburg gehe von einer abstrakten und nicht konkreten Gefahr aus. Bürgermeister Berninger (Stadt Erlenbach a. Main) bestätige in einem Schreiben die Gefährlichkeit des Weges. Die Schaffung von Präzedenzfällen sei kein Grund für die Ablehnung des Antrages. Aufgrund des Vorliegens einer besonderen Gefährdung verfüge das Landratsamt über einen gewissen Spielraum. Er würde den Antrag der SPD-Fraktion unterstützen.

 

Landrat Schwing sagt, gleich wie die Entscheidung des Petitionsausschusses ausfalle, dieser sei nicht zuständig, um endgültig zu entscheiden. Hier handele es sich um eine kommunale Aufgabe, die vom Staat bezuschusst werde. Er stimmt Kreisrat Stolz zu; nur ein Gericht könne die Landkreisverwaltung im Einzelfall zur Zahlung verpflichten. Eine gerichtliche Entscheidung wäre eine Hilfestellung für die Mitarbeiter/innen der Landkreisverwaltung. Er wolle darauf hinweisen, dass es sich bei diesem Fall, der Wirkung nach außen habe, nicht um einen Einzelfall handele, so lägen beispielsweise von Bürgstadt 156 Anträge vor.  Das Hauptproblem sehe er in der  drei Kilometer-Beschränkung; wenn die Landkreisverwaltung diese nicht anerkenne, dann müssten die Kosten für alle übernommen werden, was nicht zu schultern wäre. Die Landkreisverwaltung müsse die Gesetze des Freistaates Bayern ausführen.

 

Kreisrat Ritter führt aus, dass man sich während seiner Zeit als Landtagsabgeordneter in klaren Fällen immer an das Gesetz gehalten hätte.

 

Kreisrat Scherf findet es nicht gut, wenn auf Gerichte und den Rechtsweg verwiesen werde. Als Kreisrat trage man die politische Verantwortung; nur im Notfall sollten Gerichte entscheiden. Ihn interessiert, warum Bürgermeister und Kreisrat M. Berninger, Erlenbach a. Main, den Beschluss seines Stadtrates nicht vollziehe. Zur Diskussion stünde nicht die drei Kilometer-Grenze, welche durch die Entscheidung, dass im vorliegenden Fall gezahlt werde, nicht aufgehoben würde. Er wolle auf die erhöhte Gefährdungslage des Weges hinweisen, welche nicht mit Bürgstadt oder Obernburg verglichen werden könne. Eine soziale Kontrolle sei auf der Mechenharder Strecke nicht gewährleistet; das Kind ginge alleine durch den Wald. Er findet es zynisch, wenn die Polizei sage, es läge keine erhöhte Gefährdungslage durch mögliche Übergriffe von Sexualstraftätern vor – in Deutschland gebe es keine geographischen Schwerpunkte für Sexualstraftaten. Die Einschätzung der Polizei sei falsch.

 

Kreisrat Reinhard betont, dass es in diesem Fall nicht um politische Verantwortung gehe. Auch er würde seine Tochter nicht auf der Strecke alleine laufen, sondern mit dem Bus fahren lassen. Es gehe darum, ob die Kosten für den Bus vom Kreis übernommen würden.

 

Kreisrat Bieber unterstreicht, dass es um den Gesetzesvollzug gehe, insofern sei die jetzige Diskussion teilweise politisches Spiel. Es sei nicht das erste Mal, dass solch eine Entscheidung zu treffen sei. Die betroffenen Eltern könnten überprüfen lassen, ob die Entscheidung der Verwaltung richtig sei. Als Kreisräte solle man sich aus Verwaltungsentscheidungen bezüglich der drei Kilometer-Grenze heraushalten.

 

Kreisrat Dr. Schüren betont, dass es möglich sein müsse, seine eigene Meinung, die sich von der der Polizei unterscheide, äußern zu dürfen und diese politisch umzusetzen.

 

Landrat Schwing entgegnet, dass jedes Gesetz einen Großteil zufrieden stellend abdecke. Eine kleine „Grauzone“ Benachteiligter gebe es immer.

 

Kreisrat Andre meint, dass ein Widerspruchsverfahren, über welches die Regierung Unterfranken zu entscheiden hätte, hilfreich sein könne.

 

Die Frage, ob die Rechtslage die sei, dass eine Gebietskörperschaft die Zuständigkeit einer bestimmten Angelegenheit einer anderen Gebietskörperschaft nicht an sich ziehen dürfe, was in diesem Fall bedeute, dass der Kreis für die Schülerbeförderung der weiterführenden Schulen zuständig sei und die Stadt Erlenbach a. Main nicht ohne weiteres die Kosten übernehmen könne, wird von Regierungsrat Feil bejaht; die Zuständigkeitsverteilung in den Staatsorganen sei klar geregelt. Kommunen seien für andere Angelegenheiten zuständig als der Landkreis.

 

Die Mitglieder des Kreisausschusses lehnten den Antrag mit Stimmenmehrheit ab.

 

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