Tagesordnungspunkt
TOP Ö 1: Verzicht auf gentechnisch veränderte Lebensmittel in Landkreiseinrichtungen: Antrag von Bündnis 90/DIE GRÜNEN vom 09.02.2008
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 25.07.2008 KA/045/2008 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Vor Eintritt in die Tagesordnung wies Landrat Schwing
darauf hin, dass die Tagesordnung in der öffentlichen und nichtöffentlichen
Sitzung um jeweils einen weiteren Punkt „LEADER in ELER“ ergänzt werde.
Verwaltungsdirektor Fieger informierte darüber, dass Kreisrat
Scherf mit Schreiben vom 09.02.2008 beantragte, der Kreistag möge Folgendes
beraten und beschließen:
1. Der Landkreis Miltenberg verwendet keine
gentechnisch veränderten Lebensmittel in seinen Einrichtungen (Landratsamt,
Schulen, Eigenbetriebe usw.).
2. Durch Gespräche und andere geeignete Maßnahmen
sollen die Landwirte auf dem Gebiet des Landkreises Miltenberg für den Verzicht
auf den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen gewonnen werden. Hierzu sollte
auch Kontakt mit dem Bauernverband aufgenommen werden.
3. Der Landkreis appelliert an die kreisangehörigen
Gemeinden, in gleicher Weise zu verfahren.
Verwaltungsdirektor Fieger führte weiterhin aus, dass
gemäß §§ 29 und 31 Abs. 1 Satz 1 GeschO für die Behandlung dieses Antrags nicht
der Kreistag, sondern der Kreisausschuss abschließend zuständig sei. Aus diesem
Grund habe Landrat Schwing Kreisrat Scherf mit Schreiben vom 28.02.2008
mitgeteilt, dass er den Antrag gemäß § 17 Abs. 5 Satz 1 GeschO in den hierfür
zuständigen Kreisausschuss verweise. Die Behandlung des Antrags in der
Kreisausschusssitzung am 13.03.2008 sei wegen einer bereits vollen Tagesordnung
nicht mehr möglich gewesen, so dass er zur Vermeidung der Überfrachtung auf die
Tagesordnung einer der nächsten Sitzungen gesetzt werden musste (§ 17 Abs. 5
Satz 3 GeschO).
Zu Ziffer 1 des Antrags:
Bereits in seiner Sitzung vom 24.05.2006 habe der
Kreisausschuss unter dem damaligen TOP 6 (Verwendung von gentechnikfreien
Erzeugnissen in kreiseigenen Einrichtungen) einen Antrag von Kreisrat Frey zur
gleichen Angelegenheit behandelt. Der damalige Antrag lautete: „Die
Verköstigung von Personen in Einrichtungen, die der Verantwortung des
Landkreises Miltenberg unterliegen, darf nur mit Lebensmitteln erfolgen, die
aus GVO-freier Erzeugung stammen. Dies gilt insbesondere auch für tierische
Produkte, für deren Erstellung keine gentechnisch veränderten Futtermittel
eingesetzt werden dürfen.“ Der Kreisausschuss habe damals den Antrag mit
Stimmenmehrheit abgelehnt.
Ziffer 1 des aktuellen Antrags von Bündnis 90/DIE
GRÜNEN sei zwar anders formuliert, verfolge aber das gleiche Ziel wie der
damalige Antrag, nämlich den Verzicht auf gentechnisch veränderte Lebensmittel
in Einrichtungen des Landkreises. Es handele sich insofern um eine
Angelegenheit, über die der Kreisausschuss schon einmal beraten und beschlossen
habe. Es sei nicht zu erkennen, dass sich seitdem neue sachliche Gesichtspunkte
ergeben hätten.
Ziffer 1 des aktuellen Antrags von Bündnis 90 / Die
Grünen sei so nicht umsetzbar, weil eine Garantie, dass tatsächlich keine
gentechnisch veränderten Lebensmittel in den Einrichtungen des Landkreises
verwendet werden, unmöglich sei.
Im Landratsamt Miltenberg gebe es eine Cafeteria;
darüber hinaus werden im Landratsamt und vom Landkreis zahlreiche
Veranstaltungen durchgeführt, bei denen Speisen und Getränke angeboten werden.
Hier könnte im Rahmen von Dienstbesprechungen weitergegeben werden, beim
Einkauf darauf zu achten, dass keine gentechnisch veränderten Lebensmittel
eingekauft und abgegeben werden.
Auf seine Schulen habe der Landkreis keinen Zugriff im
Bezug auf die dort zu verwendenden Lebensmittel. Nach Art. 69 Abs. 4 Satz 2
Ziffer 3 BayEUG werden die Entscheidungen der Schulen über die Festlegung der
Pausenverpflegung im Einvernehmen mit den Schulforen getroffen. Eigenbetriebe
führe der Landkreis nicht.
Generell müsse darauf hingewiesen werden, dass
Lebensmittel, die mit Hilfe von gentechnisch hergestellten Stoffen (z.B.
Enzymen) hergestellt werden, nicht gekennzeichnet seien, da eine entsprechende
Kennzeichnungspflicht nicht bestehe. Gleiches gelte bei tierischen Produkten
wie Milch, Fleisch oder Eiern, die durchaus von Tieren stammen können, die mit
gentechnisch veränderten Futtermitteln ernährt worden sind oder werden. Es sei
also aus tatsächlichen Gründen nicht möglich, einen Raum auszuweisen, der frei
von der Verwendung gentechnisch veränderter Lebensmittel in seinen
Einrichtungen sein soll.
Zu Ziffern 2 und 3 des Antrags:
Der Landkreis Miltenberg als Gebietskörperschaft
besitze keine Zuständigkeit auf dem Gebiet des Gentechnikrechts. Das
Gentechnikrecht werde durch Vorschriften des Bundes (Gentechnikgesetz – GenTG)
und des europäischen Gemeinschaftsrechts (z.B. EU-Freisetzungsrichtlinie
2001/18/EG vom 12.03.2001) geregelt. Zuständig für die Genehmigung und
Überwachung gentechnischer Anlagen und Freisetzungsversuche seien Bundes- und
Länderbehörden (Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Verbraucherschutz,
Regierung von Unterfranken). Gemäß §§ 1 und 3 Ziffer 2 der Bayerischen
Zuständigkeitsverordnung zum Gentechnikgesetz werde in Bayern das
Gentechnikrecht im Wesentlichen von den Regierungen vollzogen. Den Landkreisen seien
insoweit keine Aufgaben übertragen worden.
Den Gremien des Landkreises fehle daher die so
genannte Befassungskompetenz für gentechnische Fragestellungen. Das hieße, dass
Anträge zu dieser Thematik, sofern sie keinen unmittelbaren Bezug zu
Einrichtungen oder Anlagen des Landkreises haben, sachlich nicht behandelt
werden dürfen. Insbesondere verbieten sich Beschlüsse über die Selbsterklärung
zu „gentechnikfreien Zonen“ und zur Be- bzw. Verhinderung von rechtlich
zulässigen und zugelassenen Anbauformen.
Auch entsprechende Aufrufe wären insoweit unzulässig.
Art. 22 der EU-Freisetzungsrichtlinie von 2001 bestimme, dass die
Mitgliedstaaten das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Organismen
als Produkte oder in Produkten, die den Anforderungen dieser Richtlinie
entsprechen, nicht verbieten, einschränken oder verhindern dürfen
(europarechtliches Behinderungsverbot). Wegen der unmittelbaren Wirkung dieser
Richtlinie sei sie von allen staatlichen Stellen in einem Mitgliedsland, d.h.
auch von den Kreisen und Gemeinden, zu beachten.
Eine Recherche im Standortregister des Bundesamtes für
Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) habe ergeben, dass im
Landkreis Miltenberg in den Jahren von 2005 bis 2008 keine Flächen ausgewiesen
seien, auf denen gentechnisch veränderte Organismen angebaut bzw. freigesetzt
werden. Ein Schwerpunkt dieser Tätigkeiten sei in Unterfranken der Landkreis
Kitzingen. Das Standortregister des BVL sei im Internet einsehbar unter der
Adresse www.bvl.bund.de
/ Gentechnik / Standortregister.
Landrat Schwing fügte an, dass man lediglich Zugriff
auf die Cafeteria im Hause und nicht auf Krankenhäuser, Schulen, Pflegeheime,
etc. habe und nicht der Eindruck erweckt werden solle, dass man viel bewegen
könne.
Kreisrat Scherf sagte, er finde eine Absichtserklärung
wie unter Ziffer 1 aufgeführt gut. Zu Ziffer 2 und 3 wolle er anmerken, dass
eine Einflussnahme des Landkreises bestehe durch die Möglichkeit von Gesprächen
und die damit verbundene Bewusstseinsschärfung bei den einzelnen Gemeinden und
Bauernverbänden. An den Vorfällen in Kitzingen sehe man, was für ein Pulverfass
Agro-Gentechnik für eine Region bedeuten könne und wie dadurch der soziale
Frieden und das Miteinander gestört werden. Es gebe sehr viele positive
Beispiele, z. B. der Main-Spessart, das Unterallgäu oder auch die
Bodensee-Region, die diesen Schritt bereits getan hätten. Es gebe aktuelle
Erkenntnisse: Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit
untersagte z. B. im April 2007 die Verbreitung des gentechnisch veränderten
Maises MON 810, da in jüngsten Untersuchungen deutlich geworden sei, dass und
in welchem Ausmaß Gifte über diese Pflanzen in die höhere Nahrungskette
gelangen können. Da es immer wieder neue Erkenntnisse über die Gefahren gebe,
halte er es für wichtig, dass der Landkreis eine Vorbildfunktion einnehme durch
die Absichtserklärung, aber auch auf die Gemeinden und die Landwirte einwirke.
Ein Nebeneinander von Gentechnik und konventionellem und ökologischem Anbau sei
nicht möglich durch die Gefahr der Verbreitung. Es gehe ihm um den Schutz der
ökologisch wirtschaftenden Betriebe, aber auch der konventionell
wirtschaftenden Landwirte, da diese durch die Gentechnik in ihrer Existenz
gefährdet werden aufgrund von evt. Abhängigkeit von Großkonzernen. Zudem sei
keine Versicherung bereit, eventuell auftretende negative Folgen bei Verwendung
zu versichern. Weiterhin wolle man in der Region den Tourismus stärken und
ausbauen in Richtung einer „Wohlfühlregion“ mit qualitativ hochwertigem, zukunftsträchtigem
Tourismus. Für das Tourismuskonzept könne man einen positiven Werbeeffekt
erzielen. Er bat abschließend darum, dass der Landkreis die Landwirte und auch
die Imker informiert und bei den
Bürgermeistern Bewusstseinsschärfung betreibe.
Landrat Schwing sagte dazu, dass dieses Thema ins
Parlament und nicht in den Kreistag gehöre. Er könne sich zwar in vielen
Dingen, die er (Kreisrat Scherf) gesagt habe, wieder finden, aber man solle
nicht den Eindruck erwecken, dass die Landkreisverwaltung etwas ändern
könne. Die übergeordneten Instanzen
seien hier entscheidungsberechtigt. Er
wehre sich dagegen, dass man Appelle losschicke, die auf der einen Seite den
mündigen Bürger fordern, auf der anderen Seite aber jedem vorschreiben würden,
was er zu tun und zu lassen hätte. Man brauche einen Bauernverband, der auf
diesem Gebiet tätig werde. Er gab zu Bedenken, dass es in Bezug auf die
Selbstverpflichtung schwierig sei, alles genau nachzuvollziehen.
Kreisrat Fischer führte an, Kreisrat Scherf meine es
zwar gut, aber er wisse genau, dass man täglich 250.000 mehr Bürger auf der
Welt habe, die ernährt werden wollen und somit in der Zukunft kein Weg an der
Gentechnik vorbeiführe. Es gebe Institutionen, die sich mit der Thematik besser
auskennen; der Kreistag solle sich damit nicht befassen.
Kreisrat Dr. Fahn fügte an, dass er Ziffer 1 auch
unterstütze und schlug vor, den Beschlussvorschlag „Der Landkreis wird sich
darum bemühen und darauf achten“ in „ der Landkreis achtet darauf“ zu ändern.
Es sei wichtig, den Schulen eine Mitteilung mit fachlicher Begründung zukommen
zu lassen. Der Landkreis habe eine Vorbildfunktion, weshalb er sich den
Ausführungen des Kreisrates Scherf anschließen wolle. Bei Ziffer 2 und 3 sei
der Landkreis nicht zuständig, jedoch könnte man durch einen Appell das
Bewusstsein schärfen.
Kreisrat Dr. Linduschka sagte, er stimme Kreisrat Dr.
Fahn zu. Bei Ziffer 1 finde er die Fassung des Landratsamtes gut, da man sich
nur bemühen könne und der Nachweis sehr schwierig sei. Die Unsicherheit in
Bezug auf die Wirkung von Gentechnik sei groß. Solange die Sicherheit nicht
größer sei, halte er einen unverbindlichen Appell an die Schulen für sinnvoll.
Man hätte somit eine gewisse Pflicht erfüllt und mache gleichzeitig man klar,
dass man nicht weisungsberechtigt sei.
Kreisrätin Eberth stellte fest, dass man keinen
direkten Einfluss habe. Niemand wolle gentechnisch veränderte Lebensmittel und
die Wirkung sei auch noch nicht bekannt. Gegen die die Empfehlung sei nichts einzuwenden.
Kreisrat Dr. Schüren sagte, hinter dem Antrag stecke
eine Überlegung, die an der Realität vorbeigehe. Die Realität sei so, dass dort
vor Ort, wo entschieden werde, was gegessen wird, diejenigen, die entscheiden,
auf solche Aspekte achten und kein Landratsamt dazu brauchen. Die Eltern und
auch die Schüler seien übersensibilisiert bezüglich dieses Themas. Er
halte den Antrag für überflüssig, da er
von der falschen Annahme ausgehe, die Leute
wüssten nicht womit sie sich ernähren und der Landrat und der Kreistag
müssten ihnen sagen, was für sie gut und was schlecht ist. Inhaltlich sei der
Antrag in Ordnung, somit stimme er zu.
Landrat Schwing fasste zusammen, man habe überall
Zustimmung zu Ziffer 1. Er versprach, dass einmal im Jahr bei der
Schulleiterkonferenz auf dieses Thema hingewiesen werde und bat um Zustimmung
der Ausschussmitglieder.
Kreisrat Scherf betonte, er halte den Antrag nicht für überflüssig. Es stimme
nicht, dass niemand die Agro-Gentechnik wolle, Kreisrat Fischer habe sich klar
dafür ausgesprochen. Außerdem wolle er klarstellen, dass nicht er von
„Gift“ gesprochen habe, er habe lediglich das Bundesamt für Verbraucherschutz
und Lebensmittelsicherheit zitiert.
Der Kreisausschuss fasste sodann bei einer Gegenstimme
mehrheitlich folgenden
Beschluss:
Ziffer 1 des Antrags von Bündnis 90/Die Grünen wird
abgelehnt.
Der Landkreis wird sich darum bemühen und darauf
achten, dass in seinen Einrichtungen und bei seinen Veranstaltungen keine
nachweislich gentechnisch veränderten Lebensmittel verwendet werden. Die
Landkreisverwaltung wird bei der nächsten Schulleiterkonferenz das Thema bei
den Schulleitern ansprechen.
Ziffern 2 und 3 des Antrags werden abgelehnt.