Tagesordnungspunkt
TOP Ö 9: Antrag des Kreisrates Ulrich Frey auf Verabschiedung einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg
Bezeichnung | Inhalt |
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Sitzung: | 05.03.2007 KT/028/2007 |
Dokumenttyp | Bezeichnung | Aktionen |
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Verwaltungsdirektor Fieger trug vor, dass Kreisrat
Ulrich Frey mit Schreiben vom 11.12.2006 die Verabschiedung einer
Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis Miltenberg beantragt habe. Aus
zeitlichen und organisatorischen Gründen sei es nicht möglich gewesen, den
Antrag in die Sitzungsrunde im Dezember 2006 einzubringen. Deshalb sei er gemäß
§ 17 Abs. 5 Satz 3 der Geschäftsordnung für den Kreistag (GeschO) in die
Tagesordnung der jetzigen Sitzungsrunde aufgenommen worden.
Weiter
führte Verwaltungsdirektor Fieger folgendes aus:
1. Noch einmal zur Klarstellung: In seinem
Kerngehalt sei der Satzungsentwurf von Kreisrat Frey auf ein Auskunftsrecht
ausgerichtet, das ohne weitere Voraussetzungen, insbesondere ohne Vorliegen
eines berechtigten Interesses gewährt werden soll (s. § 2 Abs. 1 Satz 2 des
Satzungsentwurfs). Betrachte man den Personenkreis, um den es hier gehe, so sei
dies ein relativ kleiner. Die meisten Bürgerinnen und Bürger erhalten bereits
aufgrund anderer Vorschriften Auskünfte, etwa weil sie Verfahrensbeteiligte
seien und weil sie deswegen tatsächlich ein berechtigtes Interesse hätten.
2. Der Wandel zur bürgerfreundlichen Verwaltung
sei in der Vergangenheit gut und zur Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden
gelungen. Er lasse sich deswegen von einer veröffentlichten Einzelmeinung nicht
einreden, dass die Landkreisverwaltung in Bezug auf Bürgerfreundlichkeit einen
Riesen-Nachholbedarf habe. Meinungsumfragen belegen nämlich genau das
Gegenteil!
3. Der Landkreis Miltenberg wäre in ganz Bayern einer
der einzigen, womöglich sogar der einzige, der eine solche Satzung hätte. Der
dadurch entstehende Aufwand wäre mit den Grundsätzen und Zielen der
Entbürokratisierung, Deregulierung, Verwaltungsvereinfachung und
–beschleunigung nicht zu vereinbaren.
4. Punkt 3 c) der Sitzungsvorlage für den
Kreisausschuss müsse natürlich geändert werden. Zwar hätten die
Landtagsfraktionen von SPD (Drs15/4586 vom 13.01.2006) und Bündnis 90/Die
Grünen (Drs15/4587 vom 16.01.2006) zu Beginn des Jahres 2006 Entwürfe zum Erlass
eines Bayerischen Informationsfreiheitsgesetzes eingebracht. Der Bayerische
Landtag habe jedoch am 18.10.2006 beide Gesetzentwürfe abgelehnt, so dass ein
Gesetz des Freistaats Bayern dem Erlass einer lokalen Satzung nicht
entgegenstehe.
Aber: Nobody is perfect – auch er (Verwaltungsdirektor
Fieger) nicht. Da er nicht allwissend sei, habe er seine Informationen vom
Bayerischen Landkreistag bezogen. Was in der Vorlage für den Kreisausschuss
enthalten gewesen sei, sei schlicht und einfach der dort bekannte Sachstand
gewesen. Dass dieser zeitlich überholt gewesen sei, tue ihm leid – für den
Fehler in der Vorlage entschuldige er sich.
Der neue Punkt c) laute daher wie folgt: „Der
Satzungsentwurf von Kreisrat Frey bezieht sich ausdrücklich nur auf „Informationen
über Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises des Kreises“.
Ausdrücklich ausgenommen sind folglich Angelegenheiten des übertragenen
Wirkungskreises und Staatsaufgaben. Beide Aufgabenbereiche – die übertragenen
Aufgaben und die Staatsaufgaben – machen jedoch den größten Teil der Aufgaben
des Landratsamtes aus. Die meisten Aufgaben des Landratsamtes sind keine
Angelegenheiten des eigenen Wirkungskreises, sondern des übertragenen
Wirkungskreises und Staatsaufgaben.“
Zum eigenen Wirkungskreis gehören z.B. der Haushalt,
die Sachaufwandsträgerschaft über die Schulen, die Abfallbeseitigung, die
Jugendhilfe, die Sozialhilfe oder das Landkeispersonal. Viele andere Aufgaben
wie z.B. die Bauaufsicht, der Immissionsschutz, der Naturschutz, das Wasserrecht
oder die Kommunalaufsicht seien reine Staatsaufgaben, auf die sich der
Satzungsentwurf ausdrücklich nicht beziehe und auch nicht beziehen dürfe.
Und noch ein Weiteres: Der Unterschied zwischen
eigenem Wirkungskreis einerseits und übertragenem Wirkungskreis sowie
Staatsaufgaben andererseits sei sicher jedem Kreistagsmitglied geläufig.
Jemandem, der nicht ständig mit kommunalen Aufgaben zu tun habe, sei dieser
Unterschied aber in der Regel nicht bekannt. Deshalb sei es in der Praxis auch
schwer zu erklären, dass jemand über einen bestimmten Bereich eine Auskunft
erhalten und ihm über einen anderen Bereich eine Auskunft versagt bleiben soll.
Hinzu komme, dass es in der Jugend- und in der Sozialhilfe einen sehr strengen
Sozialdatenschutz gebe, so dass hier grundsätzlich keine Auskünfte erteilt
werden dürfen, erst recht nicht in Personalangelegenheiten. Das Ergebnis wäre
letztendlich Unverständnis, Frust und Verärgerung beim Bürger.
Fazit: Was im Hinblick auf den Personenkreis und auf
die Themen einer Informationsfreiheitssatzung übrig bleibe, sei ein relativ
kleiner Bereich. Dafür eine eigene Regelung mit einem eigenen zusätzlichen Prüfungsaufwand
einzuführen, stehe einem ernst gemeinten Bürokratieabbau diametral entgegen.
4. Der Satzungsantrag von Kreisrat Frey gehe auf
eine landesweite Aktion der ödp zurück, die - wohl aufgrund einer aktuellen
Interessenslage - jetzt auch den Landkreis Miltenberg erreicht habe. Deswegen
sei auch schon der Bayerische Landkreistag mit der Angelegenheit befasst gewesen,
der empfehle, vom Erlass einer solchen Satzung abzusehen.
Es
gebe hierzu einen Empfehlungsbeschluss des Kreisausschusses. Der Kreisausschuss
habe den Antrag von Kreisrat Frey am 26.02.2007 mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Zur Berichterstattung in der Presse über die
Behandlung des ödp-Antrages im Kreisausschuss Landrat Schwing äußerte Landrat
Schwing folgendes:
- Wir haben, wie allen bekannt ist, im
Landkreis Miltenberg nur eine einzige Tageszeitung. Wegen dieser
Monopolstellung haben die Redakteure dieser Zeitung eine besondere
Verantwortung.
- Die Berichterstattung und der Kommentar über
die Kreisausschusssitzung vom 26.02.2007 waren ein Rundumschlag gegen den
Landrat und die Landkreisverwaltung.
- Die rd. 15-jährige Arbeit von ca. 400
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern für ein kundenfreundliches Landratsamt hat es
nicht verdient, auf diese Art und Weise kaputt geschrieben zu werden. Außerdem
wird hier ein Problem hochstilisiert, das es so nicht gibt.
- Die relativ sachliche, wenn auch kontrovers
geführte Diskussion im Kreisausschuss kann dafür nicht die Grundlage gewesen
sein.
- Ich respektiere jede andere Meinung in
dieser Angelegenheit, aber was hier betrieben wird, ist Stimmungsmache. Die
allermeisten Betroffenen haben nämlich die geforderte Informationsfreiheit.
Dies ist im Presseartikel aber nicht zu lesen.
- Wiederholt haben Sie, Herr Kümmel, versucht,
Politik zu machen (siehe verschiedene Diskussionen zu den Krankenhäusern). Wenn
Sie das wollen, dann sollten Sie sich über eine Liste für den Kreistag
bewerben. Wenn Sie dann noch gewählt werden, können Sie in diesem Gremium
Politik machen.
- Ich will kein Öl ins Feuer gießen, aber hier
wird ein Thema zu einem riesigen Problem hochstilisiert, das es so nicht gibt.
Das sind zumindest die Beobachtungen der Praktiker vor Ort.
Kreisrat Frey wies darauf hin, dass
Verwaltungsdirektor Fieger zugegeben habe, dass Punkt 3 c) der Beschlussvorlage
für den Kreisausschuss unhaltbar sei. Dies schwäche inhaltlich die
Argumentation der Verwaltung und zeige, dass der Empfehlungsbeschluss des
Kreisausschusses aufgrund falscher Argumentation zustande gekommen sei.
Kreisrat Frey führte weiter aus, dass Informationsfreiheit
ein demokratisches Kontroll- und Mitgestaltungsrecht für alle Bürger sei. Wo
Informationsfreiheit bestehe, hätten Bürger ein allgemeines Einsichtsrecht in
die Akten der öffentlichen Verwaltung. Dadurch werden die Informationen, die in
den Behörden vorliegen, das was sie eigentlich sein sollen: Öffentliche
Informationen, die allen Bürgern gehören. Das Prinzip der Öffentlichkeit der
Verwaltung trete an die Stelle des traditionellen Amtsgeheimnisses.
Informationsfreiheit stehe im Einklang mit Recht und Gesetz. Schutzbestimmungen
anderer Gesetze, wie etwa dem Datenschutz, bleiben gewahrt. Denn es gehe
keinesfalls darum, das Privatleben eines Bürgers oder Firmengeheimnisse
auszuforschen. Deshalb seien auch die Bereiche, in denen es keinen allgemeinen
Zugang zu Informationen geben könne, klar definiert.
In über 60 Ländern der Welt existieren schon solche
Informationsfreiheitsgesetze. Seit 01.01.2006 sei auch in Deutschland das neue
Informationsfreiheitsgesetz in Kraft. Nicht mehr die Geheimhaltung amtlicher
Informationen sei nun die Regel, sondern ihre allgemeine Zugänglichkeit Dieses
neue Gesetz gelte allerdings nur für die Bundesbehörden. Aber auch in acht
Bundesländern seien bereits Informationsfreiheitsgesetze verabschiedet worden.
Aus diesen Bundesländern werden fast ausschließlich positive Erfahrungen
gemeldet. Die Verwaltungen seien nicht unter einer Anfrageflut
zusammengebrochen. Im ersten Evaluierungsbericht aus Nordrhein-Westfalen sei
von einem verantwortungsbewussten Umgang der Bürger mit ihrem neuen Recht die
Rede.
Den Kommunen stehe es frei, für ihren eigenen
Wirkungskreis im Rahmen der Selbstverwaltung kommunale
Informationsfreiheitssatzungen zu beschließen. Der vorliegende Antrag schließe
eine Auskunftspflicht aus, soweit Informationen nach geltendem Recht geheim gehalten
werden müssen. Mit einer Informationsfreiheitssatzung könne sich der Landkreis selbst
dazu verpflichten, die Verwaltungsvorgänge im Landratsamt allgemein zugänglich,
transparent und damit auch nachvollziehbar zu machen.
Verwaltungsdirektor
Fieger spreche in seinem Beschlussvorschlag von der umfangreichen Medienberichterstattung
und der Sitzungsöffentlichkeit: Nur nützt die Medienberichterstattung einem
Bürger, der ein Anliegen habe, welches in den Medien nicht auftauche oder für
dessen speziellen Fragen der Text nicht aussagekräftig genug sei, nichts. Wenn
der Landrat die angesprochene Sitzungsöffentlichkeit wirklich ernst nehme,
könnte er ja in Zukunft dafür Sorge tragen, dass
- die Tagesordnungen der öffentlichen
Sitzungen rechtzeitig in der Presse oder auf der Homepage des Landkreises
veröffentlicht werden,
- die
Sitzungen außerhalb der Kernarbeitszeiten stattfinden und
- für die Dauer der Sitzungen - um den
Erziehenden auch die Teilnahme zu ermöglichen - vielleicht im kleinen
Sitzungssaal eine Krabbelstube eingerichtet werde. Dies liege derzeit außerdem
im Trend!
Für
eine Informationsfreiheitssatzung spreche durchaus, dass derzeit der Zugang zu
Informationen für die Bürger stark reglementiert sei. Deshalb hätten sowohl die
Bundesregierung als auch verschiedene Bundesländer entsprechende Gesetze
erlassen. Sie hätten damit die Rechte der Bürger und damit die Demokratie
gestärkt. Sie hätten aktiv der Politikverdrossenheit entgegen gewirkt und in ihrem
Zuständigkeitsbereich für offenen und ehrlichen Umgang mit den Bürgern gesorgt.
Weiter
spreche Verwaltungsdirektor Fieger den Prüfungsaufwand an, der bei der
Bearbeitung der Akteneinsichtsanträge entstehen könnte:
- Viele
Anfragen lassen sich wahrscheinlich recht einfach klären.
- Wir unterscheiden schon jetzt zwischen
öffentlichem und nichtöffentlichem Teil einer Sitzung. Was öffentlich behandelt
werde, könne ohne weitere Prüfung in Zukunft elektronisch veröffentlicht
werden. Dadurch würde sich auch gleich die Einführung der amtlichen
Krabbelstube erübrigen.
- Die Bürger seien der Souverän in unserem
Land. Sie seien mündig und hätten Anspruch darauf, von den Behörden ernst
genommen zu werden. Dazu gehöre der Rechtsanspruch, Fragen zu stellen und
qualifizierte Antworten zu erhalten.
- Eine Gebührenordnung würde die Flut der
Anträge sowie die Kosten für die Verwaltung in Grenzen halten.
- Man sollte eine sinnvolle Sache nicht
deswegen verhindern, weil im Einzelfall
Schwierigkeiten auftreten könnten.
Abschließend
ein Zitat aus dem Unternehmensleitbild des Landkreises Miltenberg: „Die
Bürgerinnen und Bürger sind unsere Kunden. Wir entscheiden bürgernah ………
Dadurch werden Entscheidungen für den Bürger transparent und eher akzeptiert.“
Kreisrat Frey bat, dazu zu helfen, dass aus diesem Anspruch Wirklichkeit werde.
Landrat Schwing bat Kreisrat Frey, über seinen
Schatten zu springen. Verwaltungsdirektor Fieger habe sich dafür, dass er vom
Bayerischen Landkreistag falsch informiert worden sei, bereits entschuldigt.
Zur Forderung von Kreisrat Frey, die Tagesordnungen für Sitzungen rechtzeitig
in der Presse und im Netz zu veröffentlichen, weise er darauf hin, dass alle
Kreistagsmitglieder und die Presse fristgerecht die Tagesordnungen für
Sitzungen erhalten. Es bleibe der Presse überlassen, diese Tagesordnungen zu veröffentlichen.
Mehr Informationen seien derzeit nicht möglich.
Kreisrat Scherf bemerkte, dass in der Kritik nicht die
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung, sondern höchstens
Verwaltungsdirektor Fieger und die Mehrheit der Kreistagsmitglieder stehen.
Wenn der Wandel zu einer bürgerfreundlichen Verwaltung erfolgen soll, sei eine
Informationsfreiheitssatzung notwendig. Es sollte in diesem Zusammenhang
bedacht werden, dass hinter dem Antrag viele Bürgerinnen und Bürger stehen.
Warum sonst würden Unterschriften gesammelt?
Weiter wies Kreisrat Scherf darauf hin, dass
Verwaltungsdirektor Fieger in der korrigierten Vorlage gesagte habe, der Antrag
von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sei vom Bayerischen Landtag „natürlich“
abgelehnt worden. Was bedeute das Wort „natürlich“?
Kreisrat Scherf appellierte sodann an die
Mehrheitsfraktion im Kreistag, keine Angst vor den Bürgerinnen und Bürgern zu
haben und heute der beantragten Informationsfreiheitssatzung zuzustimmen und zu
bedenken, dass sich eine solche Satzung schon in mehreren Bundesländern und
ganz Europa bewähre.
Verwaltungsdirektor Fieger stellte richtig, dass das
Wort „natürlich“ wie folgt zu verstehen sei: Im Nachgang zur
Kreisausschusssitzung habe er auf der Homepage des Bayerischen Landtages gelesen,
dass die beiden Gesetzesinitiativen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen abgelehnt
worden seien. Mit dem Wort „natürlich“ habe er sagen wollen, dass das, was
Kreisrat Frey im Kreisausschuss gesagt habe, stimme.
Kreisrat Berninger wies darauf hin, dass argumentiert
werde, wegen einer Informationsfreiheitssatzung sei noch nirgendwo der Notstand
ausgebrochen. Tatsache sei doch, dass, um Informationen zu erhalten, noch
nirgendwo Bürgerinnen bzw. Bürger Schlange stehen. Heute werde nun über etwas
diskutiert, wozu vom Willen der Bürger her keine Notwendigkeit bestehe.
Lediglich Kreisrat Frey und die Kreistagsmitglieder, die den vorliegenden
Antrag unterstützen, versuchen Informationen zu erhalten, die sie über die
Gemeinde- und die Landkreisordnung nicht bekommen.
Unter Hinweis darauf, dass der Redakteur des „Bote vom
Untermain“, Herr Kümmel, in seinem Kommentar von einer „Partei übergreifenden
Bürgermeisterfraktion im Kreistag“ geschrieben habe, bemerkte Kreisrat
Berninger, dass er dies bis jetzt noch nicht festgestellt habe, er sich jedoch
manchmal darüber freuen würde. Tägliche Arbeit der Bürgermeister sei es, die
Interessen ihrer Bürgerinnen und Bürger zu vertreten. Dies geschehe nicht nur
in Anliegen, in denen sie zuständig seien. Deshalb sei der Kommentar von Herrn
Kümmel nicht nur falsch, sondern kränkend und ehrverletzend. Die Presse habe
eine hohe Verantwortung. Jede Bürgerin und jeder Bürger habe ein Recht auf
richtige Information durch die Presse. Noch höher sei die Verantwortung, wenn
die Presse kommentiere, denn niemand außer einem Kommentator habe die
Möglichkeit, Dinge in seinem Sinne darzustellen. Kreisrat Berninger bat deshalb
Herrn Kümmel, künftig nicht mehr über Menschen zu urteilen, die er nur vom
Ratstisch her kenne. Er sei bereit, sich in einem Gespräch mit ihm
auszutauschen.
Kreisrätin Münzel stellte die Frage, wo die
Pressefreiheit bleibe und unterbreitete folgenden Geschäftsordnungsantrag:
Herrn Kümmel soll die Möglichkeit zur Äußerung gegeben werden, nachdem er
direkt angesprochen und angegriffen worden sei.
Landrat Schwing bat, diesen Antrag zurückzuziehen,
zumal Herr Kümmel signalisiert habe, dass er das nicht möchte. Weiter fragte
er, wer gegen den Geschäftsordnungsantrag sprechen wolle.
Kreisrat Dr. Schüren nahm diese Gelegenheit wahr und
erklärte, dass, würde dem Geschäftsordnungsantrag stattgegeben, ein
Präzedenzfall geschaffen würde. Außerdem sei ein Rederecht für Personen, die
nicht Mitglieder des Kreistages seien, durch keine Satzung abgedeckt.
In der daraufhin erfolgten Abstimmung wurde der
Geschäftsordnungsantrag von Kreisrätin Münzel mit Stimmenmehrheit abgelehnt.
Kreisrat Dr. Fahn bezeichnete die pauschalen Angriffe
dese Landrats auf die Presse als ungerecht. Die Freien Wähler hätten sich auch schon
oft über Presseartikel geärgert. In Deutschland bestehe jedoch Pressefreiheit
und da müsse auch der Landrat Kritik aushalten. Außerdem sollte bedacht werden,
dass die Presse schon mehrmals in Landkreisangelegenheiten geholfen habe. Was
den Antrag auf Erlass einer Informationsfreiheitssatzung betreffe, sei
unverständlich, warum ihm die Zustimmung verweigert werden soll, wenn
argumentiert werde, die Bürgerinnen und Bürger hätten sowieso wenig Interesse
daran. In Nordrhein-Westfalen z.B. seien bislang erst ca. 1.000 Anfragen
gestellt worden.
Kreisrat Dr. Linduschka bemerkte, dass er sich vor ein
paar Jahren auch geärgert habe, als Landrat Schwing in der Presse über die FDP
hergezogen sei. Er sei der Meinung, dass über jemanden nur dann etwas Negatives
gesagt werden dürfe, wenn er sich dagegen wehren könne. Er gebe Kreisrat Dr.
Fahn Recht. Der Kreistag habe bezüglich des vorliegenden Antrages viele
Argumente gehört, aber kein echtes Argument dafür, den Antrag abzulehnen,
höchstens Misstrauen gegenüber dem Bürger. Tatsache sei, dass inzwischen alle
Bürger in den Ländern, in denen es Informationsfreiheitssatzungen gebe, froh
über dieses Mittel seien. Der Antrag von Kreisrat Frey sei eindeutig
formuliert, Missbrauch sei ausgeschlossen.
Kreisrätin Almritter sagte, sie finde es unpassend,
wie die Presse heute angegriffen worden sei. Wenn die Presse zum Vorteil des
Landrats berichte, werde sie auch nicht angegriffen. Sie finde es furchtbar,
was hier bezüglich des Antrages von Kreisrat Frey abgehe. Tatsache sei doch,
dass es um mündige Bürger gehe, denen das Recht auf Informationen zustehe. Im
Hinblick auf die bestehende Politikverdrossenheit und den Rückgang der Anzahl
der Wähler halte sie es für wichtig, dass der Kreistag dem vorliegenden Antrag
zustimme.
Kreisrat Ripperger bemerkte, dass der Antrag von
Kreisrat Frey eine landesweite Aktion der ödp sei. Nachdem der Stellv.
Kreisvorsitzende der Freien Wähler und Bürgermeister sowie der Stellv. Bundesvorsitzende
der ödp beim Markt Weilbach tätig seien, könnte man annehmen, dass es dort
schon eine Informationsfreiheitssatzung gebe. Das Gegenteil sei der Fall: In
Weilbach seien zwei Drittel der Aufgaben in ein Kommunalunternehmen überführt
worden und die Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, dass Weilbach die am
stärksten verschuldete Gemeinde Bayerns sei. Es wäre daher gut, wenn die ödp den
Antrag auf Erlass einer Informationsfreiheitssatzung in Weilbach einbringen und
damit dort die Informationsfreiheit sicherstellen würden. Wenn dann die
Mehrheit der Städte und Gemeinden des Landkreises Miltenberg dem Vorbild
Weilbachs gefolgt sei und positive Erfahrungen gesammelt habe, könnte auch der
Kreistag Miltenberg über eine Informationsfreiheitssatzung nachdenken. Eine
solche Satzung würde aber nur zu mehr Bürokratie führen. Weniger Bürokratie
wäre zu erwarten, wenn der Kreistag wie bereits viele Gemeinden
Bürgerfragestunden einführen würde.
Kreisrat Dr. Schüren sagte, seit er Mitglied dieses
Kreistages sei, sei er über Äußerungen des Landrats noch nie so schockiert
gewesen wie heute. Landrat Schwing habe massive Angriffe auf die Pressefreiheit
vorgenommen und Herrn Kümmel vorgeworfen, er betreibe Stimmungsmache. Wie auch
dem Landrat bekannt sei, gebe es einen Unterschied zwischen Berichterstattung
und Kommentar. Der besagte Presseartikel sei fehlerfrei gewesen, der Kommentar
nach Meinung des Landrats nicht, aber das Recht eines Redakteurs. Wäre der
Kommentar negativ für SPD und Bündnis 90/Die Grünen ausgefallen, wäre Landrat Schwing
zufrieden gewesen. Er (Kreisrat Dr. Schüren) schätze Landrat Schwing sehr. Der
Landrat müsse aber einsehen, dass derjenige, der Kritik an dem besagten Kommentar
übe, die Axt an die Pressefreiheit lege. Kreisrat Dr. Schüren bat Landrat
Schwing daher zu überlegen, ob er seine Angriffe auf die Pressefreiheit nicht
zurücknehmen wolle.
Kreisrat Scherf bemerkte, dass heute Schaden für den
Landkreis Miltenberg angerichtet worden sei. Die Äußerungen des Landrats seien
seiner Meinung nach unpassend und eines Demokraten unwürdig. Wer so
argumentiere, habe die Grundregeln der Pressefreiheit nicht verstanden.
Auf Empfehlung des Kreisausschusses vom 26.02.2007
fasste der Kreistag sodann mit Stimmenmehrheit (19 Stimmen dafür und 28 Stimmen
dagegen) folgenden
B e s c h l u s s :
Der Antrag des Kreisrates Ulrich Frey vom 11.12.2006
auf Verabschiedung einer Informationsfreiheitssatzung für den Landkreis
Miltenberg wird abgelehnt.